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Veröffentlicht am 05.03.2019

Lost place to live

Was uns erinnern lässt
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Milla ist alleinerziehende Mutter eines pubertierenden, aber dafür extrem in Ordnung seienden Sohnes. Sie arbeitet in einer Anwaltskanzlei, aber in ihrer Freizeit ist sie Jägerin von lost places, also ...

Milla ist alleinerziehende Mutter eines pubertierenden, aber dafür extrem in Ordnung seienden Sohnes. Sie arbeitet in einer Anwaltskanzlei, aber in ihrer Freizeit ist sie Jägerin von lost places, also Orten, die vor Jahren oder auch Jahrhunderten aus welchen Gründen auch immer aufgegeben wurden, man aber noch Überreste und Anzeichen von ihnen entdeckt. Eines Tages findet sie einen solchen Ort und bei ihren Recherchen stellt sie fest, dass der Keller einst zu einem Hotel namens Waldeshöh gehört hat. Sie will mehr über dieses Hotel erfahren und als sie sich mit den Leuten in Verbindung setzt, die einst dort gewohnt haben, erfährt sie nicht nur nackte Fakten, sondern erlebt Nachkriegsgeschichte hautnah und erhält ganz nebenbei die Familie, die sie nie gehabt hat.

Die große Stärke des Buches ist nicht einmal das Mitnehmen in die Nachkriegs- und DDR-Geschichte, es sind glasklar die Personen, wobei ich eindeutig ein Fan von Millas Sohn Leo wurde, der mit seinen vierzehn Jahren ein unermüdlicher Weltverbesserer ist. Aber natürlich war auch die Geschichte des Hotels über die Jahrzehnte interessant. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich alles glauben soll - allein nach der Umsiedelung: Warum sollten Leute belobigt werden, um die Waldeshöher zu mobben? Das ergibt zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn mehr und ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass es reines DDR-Bashing war; unnötig, weil man ohnehin durch das, was man mit den Bewohnern des Hotels im Hotel selbst erlebte, erschreckend genug wirkte. Gestört fühlte ich mich auch manchmal durch die Perspektivwechsel innerhalb einer Szene, in solchen Büchern konzentriere ich mich gern auf die Person, um die es im Moment geht. Ansonsten war es eine interessante Lektüre, die in eines der unbekannten Kapitel der näheren Geschichte mitnahm.

Veröffentlicht am 01.03.2019

Blut auf den Zähnen

1793
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Das Ende des 18. Jahrhunderts ist so düster, schmutzig und deprimierend, wie man es sich nur vorstellen kann, und Stockholm bildet keine Ausnahme. Als der Häscher Mickel in einer Jauchegrube die Leiche ...

Das Ende des 18. Jahrhunderts ist so düster, schmutzig und deprimierend, wie man es sich nur vorstellen kann, und Stockholm bildet keine Ausnahme. Als der Häscher Mickel in einer Jauchegrube die Leiche eines verstümmelten Mannes findet, ist das vielleicht nicht das Schlimmste, was der Kriegsveteran je gesehen hat, aber es kommt nahe dran.
Der ungewöhnliche und vor allem todkranke Ermittler Cecil Winge nimmt sich des Falles an und gemeinsam treten die beiden einigen Leuten auf die Füße. Wie es sich herausstellt, ist der Mörder des Toten nicht der einzige Sadis, dem man in Stockholm begegnen kann.

Warum man ständig unpassende Vergleiche ziehen muss, entzieht sich mir. Winge und Mickel sind nicht Holmes und Watson, und sie können sehr gut für sich selbst einstehen. Sie sind richtig gut entworfen worden, jeder für sich sehr authentisch. Mickel ist trotz seiner Sauferei, seiner grobschlächtigen Erscheinung und des Holzarmes extrem intelligent und steht damit dem scharfsinnigen Juristen Winge in nichts nach. Beide sind humanistischer eingestellt, als es ihnen für diese Zeit guttut. Ich hätte mir mehr Interaktionen zwischen ihnen gewünscht, mehr "Kriminalfall", mehr Ermittlungen insgesamt. Die beiden hätten das Zeug gehabt, gut in einer Reihe zu spielen; das wird wohl dank TBC nicht mehr möglich sein, schade.
Tatsächlich ist es weniger ein historischer Krimi als ein gut geschriebener und recherchierter historischer Roman mit Krimianteil. Man wird sofort in diese grausame, brutale, kalte Zeit gezogen und ist mittendrin, statt nur dabei. Als historischer Roman ist er daher top, als Krimi kamen mir einige Elemente zu kurz.

Veröffentlicht am 27.02.2019

Elementar

Der Mann, der Sherlock Holmes tötete
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Zwei Zeitebenen, zwei Detektivpaare, zwei Fälle.

Die Verbindung? Sherlock Holmes und dessen Schöpfer, Arthur Conan Doyle.

1900: Seitdem Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes getötet hat, gerät er immer ...

Zwei Zeitebenen, zwei Detektivpaare, zwei Fälle.

Die Verbindung? Sherlock Holmes und dessen Schöpfer, Arthur Conan Doyle.

1900: Seitdem Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes getötet hat, gerät er immer wieder mitten in London in kritische Situationen. Alte Damen würden ihn gern verprügeln, ältere Herren machen Vorschläge, wie er ihn wieder auferstehen lassen kann. Und dann wird auch noch ein Anschlag auf sein Arbeitszimmer unternommen. Scotland Yard erweist sich als genauso unfähig, wie er es in seinen Geschichten beschrieben hat, und was hat es mit den Morden an jungen Suffragetten zu tun? Conan Doyle beschließt, in die Fußstapfen seiner Schöpfung zu treten und als Watson begleitet ihn sein treuer Freund Bram Stoker.

2010: Der junge Harold White hat es geschafft: Endlich ist er in die Gemeinschaft der Sherlockianer aufgenommen worden, eine Vereinigung nahezu fanatischer Holmes-Fans. Einer von ihnen hat verkündet, das verschwundene Tagebuch Doyles gefunden zu haben und endlich, nach mehr als hundert Jahren, werden sie also erfahren, was in den drei Herbstmonaten des Jahres 1900 wirklich passiert ist. Doch Alex, der Finder, wird ermordet und plötzlich ist es an Harold, ganz im Stile von Holmes, den Fall zu klären.

Nun, um ehrlich zu sein, hatte ich ein wenig mehr erwartet. Oder wie es jemand in der Leserunde ausdrückte: Als historischer Roman hätte es gut funktioniert, als Krimi eher weniger. Eindeutig waren die Abschnitte, die um 1900 spielten auch atmosphärischer, dichter, spannender. Die Suche Harolds erwies sich trotz Verfolgungsjagden und Gangstern als nicht ganz so fesselnd. Vielleicht, weil allein das verschwundene Tagebuch als Bindeglied zwischen den beiden Fällen nicht wirklich passte? Alles in allem war das Buch gute Unterhaltung, hat auch Spaß gemacht zu lesen, aber es hat mich nicht so sehr umgehauen, wie ich es gehofft hatte. 3,5/5 Punkten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Atmosphäre
  • Figuren
  • Lesespaß
Veröffentlicht am 26.02.2019

Graue Maus und Buchhalter

Die Spiegelreisende 1 - Die Verlobten des Winters
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Warum?
Warum?
Warum nur?

Warum muss man unverschämt dieses Buch mit Harry Potter vergleichen?
Um es zu putschen?
Um Leute gleich in eine Erwartungshaltung zu versetzen?

Gleich vorneweg: Bei mir hat es ...

Warum?
Warum?
Warum nur?

Warum muss man unverschämt dieses Buch mit Harry Potter vergleichen?
Um es zu putschen?
Um Leute gleich in eine Erwartungshaltung zu versetzen?

Gleich vorneweg: Bei mir hat es den gegenteiligen Effekt ausgelöst. Ich wollte das Buch mögen, wollte ich wirklich. Aber es hat so eine dermaßene Erwartung gegeben, dass ich enttäuscht werden musste. Vielen Dank auch.
Dabei ist das Buch beileibe nicht schlecht und hätten sie es für sich stehen lassen, bekäme es 3,5 oder 4 Punkte. Aber dieser Harry-Potter-Vergleich hat es kaputtgemacht.
Wo ist die Magie, die mich mitreißt?
Ja, es gibt Magie. Die gibt es aber in vielen Büchern. Der Zauber, mich einzuspinnen, war nicht vorhanden.

Ich werde meine Meinung anhand eines Harry-Potter-Vergleichs erklären, sind ja alle so heiß auf diesen Vergleich.

In diesem Buch heißt Harry nicht Harry, sondern Ophelia und ist eine junge Erwachsene. Sie hat gefühlt Millionen Verwandte auf ihrer Arche, die sich jedoch nichts dabei denken, sie an den nächsten Todesser zu verkaufen, der gerade anklopft. Sie muss ihn heiraten - Erklärung wird nicht gegeben und gefragt wird sie natürlich auch nicht. Dazu muss sie den Buchhaltertodesser auf seine Arche begleiten. Schon auf dem Weg dahin versichert er ihr, dass sie eh nicht überleben wird.
Alles, was man ihr und ihrer Anstandstante (wozu braucht's die überhaupt?) mitteilt ist, dass man ihr nichts zu sagen braucht. Höchstens dass sie die Klappe halten sollen und niemanden trauen und niemandem verraten, wer sie sind.
Also, Harry, du bist der Auserwählte, aber weißt was? Schnauze, hinsetzen, alles gefallen lassen. Freunde kriegst du auch nicht, sind eh alles Todesser hier.

Ophelia bekommt also nichts gesagt, dafür regelmäßig aufs Maul. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Todesser sind magisch genug, um sie zu schlagen und zu quälen, ohne sich überhaupt bewegen zu müssen. Hat ein bisschen was von Tennisspielen auf der Wii, sportliche Betätigung ohne Sport.
Ophelia-Harry lässt sich auch alles gefallen und hält meistens noch die andere Wange hin. Mehr nebenbei erfährt sie, dass der Voldemorttyp (der Archegeist) was von ihr will und deshalb muss sie den Todesser heiraten. Aber wirklich drum kümmern tut sich Ophelia um das Ganze nicht. Wäre Harry wie Ophelia gewesen, hätte er es nicht mal auf den Hogwartsexpress geschafft und statt sieben Büchern hätten wir drei Kapitel bekommen und tschüs.

Was mich an dieser Art von Büchern aufregt, ist nicht nur ein sinnloser Vergleich. Sondern die Art, künstlich Konflikte zu schaffen. Ganz sicher, wenn Thorn (der Todesser) von Anfang an mit Ophelia geredet hätte, wären eigentlich fast alle Konflikte vermeidbar gewesen. Und warum überhaupt muss die arme Frau ewig lange Zeit vor der Hochzeit nach Todesser-City? Damit man auch wirklich versuchen kann, sie umzubringen? Das ist so sinnlos, dass es wehtut.

Trotzdem, ihr merkt es schon. Ich würde einem total schlechten Buch keine 3 Punkte geben. Es war gut geschrieben und man konnte richtig schön durchlesen. Vielleicht entwickelt sich die Geschichte ja auch noch und diejenigen, die für die Werbung verantwortlich sind, stellen sich dieser Verantwortung und zerstören es nicht von vornherein durch unpassende Vergleiche. Man kann es der Autorin nur wünschen.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Brainfuck? Brainhack!

Mein Kopf gehört mir
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Miriam Meckel ist Professorin für Kommunikationswissenschaften und als solche beschäftigt sie sich eben auch mit dem Gehirn und dem, was damit machbar ist.
In diesem Buch geht sie darauf ein, wie in gar ...

Miriam Meckel ist Professorin für Kommunikationswissenschaften und als solche beschäftigt sie sich eben auch mit dem Gehirn und dem, was damit machbar ist.
In diesem Buch geht sie darauf ein, wie in gar nicht allzu ferner Zukunft unser Gehirn manipuliert werden kann - und wenn etwas technisch möglich ist, wird es auch getan, also kann man sich auch gleich darauf einstellen, dass es passieren wird.
Schon jetzt arbeiten Wissenschaftler und Organisationen mit Hochdruck daran, das Gehirn auf die nächste Stufe zu stellen. Wir sollen geupdatet werden, effizienter werden, schneller denken können, mehr arbeiten, weniger schlafen.
Schon jetzt gibt es Firmen, die strombasierte Geräte anbieten, mit denen man sich selbst angeblich putschen kann.

Meckel berichtet von den technischen Möglichkeiten, die schon existieren, von dem, was rein theoretisch möglich ist und in wie fern man das Gehirn überhaupt schon entschlüsselt hat. (Noch nicht sehr weit, aber das ändert nichts daran, dass daran rumgespielt wird.)
Sie hat Selbstversuche in stockdunklen, reizlosen Räumen durchgeführt und sich auch an Strom anschließen lassen.
Ihre Erkenntnisse und Schlussfolgerungen sind mehr als erschreckend - ich meine, wer möchte schon irgendwann statt Facebook Brainbook haben? Wer möchte, dass alle und jeder auf das eigene Gehirn zugreifen können?
Sollte man meinen: niemand. Aber da irrt man sich. Die Zukunft mit Brainhacking und Supercomputern steht uns bevor und es klingt eher nach Dystopie als Utopie.
Ein interessantes, nachdenklich machendes Buch, allerdings dermaßen trocken geschrieben, dass man beim Umblättern gelegentlich meinte, Staub aufwirbeln zu sehen.