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Veröffentlicht am 18.08.2022

Flashback in die Kindheit

Lügen über meine Mutter
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Worum geht’s?
Ela wächst in einem kleinen Dorf in den 1980er Jahren auf. Ihr Leben wird bestimmt von einer Mutter, die sich kleiner macht, als sie ist und von einem Vater, der das Gewicht der Mutter für ...

Worum geht’s?
Ela wächst in einem kleinen Dorf in den 1980er Jahren auf. Ihr Leben wird bestimmt von einer Mutter, die sich kleiner macht, als sie ist und von einem Vater, der das Gewicht der Mutter für alles verantwortlich macht, was ihm versagt bleibt. Doch eines Tages begehrt ihre Mutter auf und will sich nicht mehr alles gefallen lassen.

Meine Meinung:
„Lügen über meine Mutter“ (Kiepenheuer & Witsch, August 2022) von Daniela Dröscher ist ein eindrucksvoller Roman über eine Kindheit in den 1980er Jahren. Die Autorin erzählt sehr autobiografisch, ob Sie es tatsächlich so erlebt hat, geht aus dem Buch jedoch nicht hervor. Besonders spannend fand ich die unterschiedlichen Erzählperspektiven, einmal aus ihrer Sicht als Tochter der Familie und einmal aus der Gegenwart, in welcher sie die Dinge, die sie als Kind erlebt hat, mit ihrer Mutter bespricht und nachfragt bzw. Erklärungen findet. Ein anderer aber sehr faszinierender Erzählstil!

Die Geschichte selbst hat mich in meine eigene Kindheit zurückgeworfen. Die Fernsehsendungen wie Dr. Snuggles & Co., die zuckerbestäubten Bonbons – ich kann mich noch zu gut an die mit der dicken Himbeerform erinnern, die gegen die Zähne geklappert sind. Die Ballonärmel, überhaupt die Kleidung und was die Kinder gespielt haben. Die Fitnessvideos von Jane Fonda. Dauerwellen. Tschernobyl. Für mich war dieser Roman wirklich ein Flashback in die eigene Kindheit, der viele Erinnerungen wieder hochgebracht hat an Dinge, die schon in den Tiefen des Gehirns versunken waren. Die Mutter von Ela hat mir gut gefallen und zugleich auch leidgetan. Was sie alles ertragen musste und wie sie dennoch gekämpft hat, bis die angeschlagene Gesundheit ihr die Kraft geraubt hat. Und selbst dann blieb sie noch stark. Und so hart und verbissen sie auf der einen Seite war, so herzensgut und großzügig war sie auf der anderen, Hilfsbedürftigen gegenüber.

Es war spannend, Elas Geschichte und die Geschichte über ihre Familie zu lesen. Und obwohl eigentlich nichts passiert ist, hat mich das Buch dennoch auf unerklärliche Weise komplett in seinen Bann gezogen. War es der Blick hinter fremde Türen? In anderer Leute Leben? Die außergewöhnliche Art zu schreiben? Das Weiterdenken nach den Gründen dahinter? Das Verständnis für Elas Mutter, die mit ihrem Gewicht kämpft und immer wieder verliert und deren Mann ihr gerade dies immer zum Vorwurf macht? Ich weiß es nicht, aber eins kann ich definitiv sagen: Was es auch war, das Buch hat mich vollkommen gefesselt! Ob es auch späteren Generationen so geht, kann ich nicht sagen. Aber allen, die in den 1970er und 1980er Jahren junge Eltern oder Kinder waren, kann ich dieses Buch nur empfehlen – lasst euch von der Erzählung fesseln, taucht nochmals ein in eure Kindheit und gebt euch ganz den Worten der Autorin und den Erinnerungen an damals hin.

Fazit:
Obwohl Daniela Dröscher in „Lügen über meine Mutter“ nicht wirklich viel erzählt, erzählt sie doch auch auf eine ganz besondere Art alles. Ich denke, dieses Buch ist vor allem für die jungen Eltern und Kinder der 1970er und 1980er Jahre faszinierend, weil es die Vergangenheit wiederaufleben lässt und viele Erinnerungen hochbringt, an die Süßigkeiten, die damaligen Fitness- und Modetrends usw. Zugleich wird man als Zuschauer beteiligt an dem Schicksal einer Familie. Einer Frau, die mit ihrem Gewicht kämpft und deren Mann alle seine Fehlschläge auf eben dieses Übergewicht seiner Frau schiebt. Eine Frau, die sich langsam hinauskämpft und beginnt, ihre frau zu stehen. Und das alles einmal erzählt aus der Sicht der 7-10-jährigen Ela und zum anderen aus Sicht ihres erwachsenen Ich, das die Kindheitserlebnisse nochmals Revue passieren lässt und mit dem Wissen einer Erwachsenen und Nachfragen bei ihrer Mutter bewertet.

5 Sterne von mir für diesen außergewöhnliche und mitreißende Zeitreise in die 1980er Jahre!

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Veröffentlicht am 18.08.2022

Glanz, Glamour und Ganoven

Die Passage nach Maskat
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Worum geht`s?
Der Journalist Theodor Jung begibt sich mit seinen Schwiegereltern und seiner Frau auf eine Schiffsreise nach Maskat. Er soll dort für die Berliner Illustrirte Bilder schießen, seine Familie ...

Worum geht`s?
Der Journalist Theodor Jung begibt sich mit seinen Schwiegereltern und seiner Frau auf eine Schiffsreise nach Maskat. Er soll dort für die Berliner Illustrirte Bilder schießen, seine Familie will neue Geschäftsfelder erschließen. Jung entdeckt einige zwielichtige Gestalten an Bord und dann verschwindet plötzlich seine Frau Dora.

Meine Meinung:
„Die Passage nach Maskat“ von Cay Rademacher (DuMont Buchverlage GmbH & Co. KG, August 2022) ist ein Kriminalroman, der die guten und schlechten Seiten der Goldenen 1920er Jahre aufzeigt. Der Schreibstil des Autors hat mich absolut beeindruckt! Ich habe während des Lesens die Bilder und Szenerien wie in einem Film vor mir gesehen, die Geräusche gehört, die Gewürze gerochen, es war wirklich unglaublich!

Wir begleiten Theodor Jung auf dem Ozeanliner Champollion auf einer Reise von Marseille nach Maskat. Jung leidet noch an einem Trauma, als er im Krieg auf einem U-Boot fast ums Leben gekommen wäre und lernt hier, mit seinen Ängsten umzugehen. An seiner Seite haben wir die Stewardess Fanny, eine sympathische Frau mit ebenfalls hartem Schicksal. Und natürlich seine Familie. Seine Frau Dora, deren Eltern, die mit Gewürzen handeln, sein Schwager Ernst und Lüttgen, den Prokuristen. Aber auch die anderen Gäste an Bord und das Personal sind ein bunt gemischtes und unterhaltsames Völkchen, extrovertiert, lebensfroh und authentisch. Wirklich ein gelungenes Abbild der Gesellschaft dieser Zeit.

Nebenbei erfahren wir von der beginnenden Weltwirtschaftskrise, dem Börsencrash, aber auch dem Umgang der besseren Gesellschaft mit Kokain und Heroin. Wir sind dabei bei Filmvorführungen, Pyramidenbesichtigungen, Ausgrabungen und einfach mitten drin im fröhlichen Leben dieser glänzenden Zeit. Am Anfang beginnt alles ganz sanft mit der Abfahrt der Champollion. Ich habe zwar immer Andeutungen erkannt, die auf einen Kriminalroman hinweisen, aber es war eher amüsant und kurzweilig. Bis mich absolut unerwartet ein Vorschlaghammer getroffen hat und sich die Ereignisse überschlugen! Plötzlich war nichts mehr, wie es anfangs schien. Hinter jeder Person konnte ein Ganove stecken. Keinem konnte man mehr trauen. Es wurde rasant. Es gab Twists ohne Ende. Unerwartete Erkenntnisse. Unvorhersehbare Wendungen. Und diese Spannung hielt der Autor bis zum Ende aufrecht! Es war atemberaubend, rasant, genial und ich war einfach nur begeistert! Eine absolute Leseempfehlung von mir für diese schillernde Darstellung der 1920er Jahre, die lebendigen Szenerien und die unvorhersehbare Spannung! Von diesem Autor will ich definitiv mehr lesen!

Fazit:
„Die Passage nach Maskat“ von Cay Rademacher hat mich zunächst mit den lebendigen Szenerien und authentischen Personen begeistert. Wie in einem Film habe ich das bunte Treiben vor mir gesehen. Und neben der beginnenden Weltwirtschaftskrise und dem laxen Umgang der Bevölkerung mit Haschisch, Kokain und Heroin und dem Schmuggel dieser Güter, erzählt uns der Autor von einer Schiffspassage von Marseille nach Maskat. Wir begleiten den Fotografen Jung mit seiner Familie und alles beginnt bunt und glänzend – bis man plötzlich wie von einem Vorschlaghammer getroffen mitten drin ist und sich die Ereignisse überschlagen. Alles ist rasant, unvorhersehbar und unglaublich spannend und bis zum Ende konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Diese Wendung hätte ich nie erwartet und es war unmöglich für mich, den Täter vorherzusehen!

5 Sterne für diesen schillernden Kriminalroman, der die 1920er hat aufleben lassen!

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Veröffentlicht am 13.08.2022

Was Freundschaft schafft

Die Familie
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Worum geht’s?
Antonia und Sofia wachsen gemeinsam in New York auf als Kinder von Mafia-Familien. Von klein auf sind sie eng verbunden, machen nichts ohne die andere. Erst, als Antonias Vater aus dem Mafia-Milieu ...

Worum geht’s?
Antonia und Sofia wachsen gemeinsam in New York auf als Kinder von Mafia-Familien. Von klein auf sind sie eng verbunden, machen nichts ohne die andere. Erst, als Antonias Vater aus dem Mafia-Milieu ausbrechen will und verschwindet, entfremden sich die beiden voneinander. Kann eine Freundschaft einen solchen Verlust überleben?

Meine Meinung:
„Die Familie“ (dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Juli 2022) von Naomi Krupitsky ist ein Roman, der im New Yorker Mafia-Milieu der 1920-1950er Jahres spielt. Das Herz des Buches ist die Freundschaft von Antonia und Sofia, die in dieses Milieu hineingeboren werden. Aber auch von der Flucht der Juden vom 2. Weltkrieg nach Amerika erfahren wir und vom Handel mit gefälschten Pässen. Der Schreibstil war für mich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, weil er anders ist, ich nenne es mal literarischer, als üblich. Mit wenig wörtlicher Rede. Ein bisschen hat mich der Stil an Elena Ferrantes erinnert.

In der Geschichte selbst begleiten wir Antonia und Sofia auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Anfangs fiel es mir etwas schwer, in den Schreibstil und damit in die Geschichte hineinzukommen. Was vielleicht daran lag, dass viel aus der Sicht von kleinen Mädchen geschrieben wurde. Meine Hochachtung dafür an die Autorin, dass sie sich so hervorragend in diese Altersgruppe hineinversetzen kann – wie auch in jede andere Altersgruppe. Es war absolut authentisch und wirklich spannend zu lesen, aber eben etwas schwerfällig für mich. Als die beiden größer waren, fiel es mir leichter. Und es war schön zu sehen, wie die beiden, auch wenn das Leben sie immer wieder auseinandergeführt hat, ihre tiefe Freundschaft immer halten konnten und wiedergefunden haben. Das ist wirklich wahre Freundschaft, die alles überstehen kann.

Das Buch selbst war spannend zu lesen. Und einfach rührend, wie die Autorin die Bande zwischen den Mädchen und auch die Bande der Mafia-Familie beschrieben hat. Wie alles zusammenhängt. Wie die Familie wächst, Mitglieder rekrutiert, Zeichen setzt. Spannend aber auch erschreckend. Und wie Antonia und Sofia selbst erwachsen werden, Familien bekommen und obwohl sie alles anders machen wollen, doch nicht aus den Fußstapfen der Familie hinauskönnen. Eine wirklich wundervolle und unterhaltsame Geschichte die in einer Art erzählt ist, die sehr daran erinnert, wie man sich erinnert. Ein anderer aber sehr eindrucksvoller Schreibstil. Ich würde zu gerne in einem weiteren Band erfahren, wie es mit Antonia, Sofia und ihren Familien weitergeht, besonders nach dem fulminanten Ende, das wir hier noch erleben durften. Wer sich auf einen anderen Schreibstil einlassen und in das Leben der Mafia zur Zeit um den 2. Weltkrieg mehr erfahren möchte, der ist hier genau richtig!

Fazit:
Mit „Die Familie“ nimmt uns Naomi Krupitsky mit ins New York der 1920-1950er Jahre. Wir sehen die Freundinnen Antonia und Sofia gemeinsam aufwachsen und dürfen die Höhen und Tiefen ihrer Freundschaft miterleben. Eine Freundschaft, die so innig und tief ist, dass sie alles übersteht. Und wir erleben wie es ist, im Mafia-Milieu aufzuwachsen unter Menschen, die einen fürchten. Und zugleich erleben wir den ewigen Kampf mit, an der Macht bleiben und Entscheidungen treffen zu müssen, die schmerzen. Dann noch der Schreibstil der Autorin, der mich mit der wenigen wörtlichen Rede und fast schon der Perspektive eines Menschen, der in Erinnerungen schwelgt, stark an Elena Ferrantes erinnert hat. Ein Stil, der anfangs gewöhnungsbedürftig ist und dann aber umso tiefer unter die Haut geht. Lediglich der Beginn des Buches war etwas schwierig für mich zum Einsteigen, aber dann war es umso mitreißender.

4 Sterne von mir, vielleicht erfahren wir ja in einem weiteren Buch, wie es mit den Freundinnen und ihren Familien weitergeht!

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Ein Buch mit Wortwitz und Spannung – einfach herrlich

Richter morden besser
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Worum geht’s?
Eigentlich ist Siggi Buckmann Richter aus Leidenschaft. Aber immer wieder werden seine gerechten Urteile vom Landgericht aufgehoben. Als dann ein Obdachloser ermordet wird und das Verfahren ...

Worum geht’s?
Eigentlich ist Siggi Buckmann Richter aus Leidenschaft. Aber immer wieder werden seine gerechten Urteile vom Landgericht aufgehoben. Als dann ein Obdachloser ermordet wird und das Verfahren eingestellt werden soll, reicht es ihm und er nimmt die Sache selbst in die Hand.

Meine Meinung:
Mit „Richter morden besser“ schreibt Thorsten Schleif, der selbst als Richter tätig ist, einen Roman, der kurzweilig und amüsant zu lesen ist. Sein Schreibstil sprüht nur so vor sarkastischem Wortwitz und ist wirklich absolut mein Ding. Zugleich gibt es auch jede Menge spannende Stellen und ich wollte einfach immer nur weiterlesen.

Mit Siggi Buckmann haben wir einen Menschen, der Richter wurde, um die Welt besser zu machen. Und der dann feststellen musste, welch riesige und unabwendbare Probleme das deutsche Justizsystem aufweist. Beginnend mit zu wenigen Geldern und veraltetem Arbeitsmaterial bis hin zu „Gefallen“, die eingefordert werden für Unterstützungen, die man erhalten hat und weiter über Deals mit Verbrechern. Eine wirklich erschreckende „Vetternwirtschaft“, die der Autor hier aufzeigt. Und einfach traurig, wie viel Eigennutz doch hinter Vielem steckt.

Und um diese Probleme baut der Autor eine wirklich amüsante und auch spannende Geschichte, in der der perfekte Mord in mittelbarer Täterschaft verübt wird. Wir lernen Siggi und seine – ich nenne es mal Clique kennen. Nick, den Polizeibeamten. Jakob, den Staatsanwalt. Dann noch Oliver und Uli. Eine wirklich lustige Truppe die sich ewig kennt und zusammenhält. Auch die anderen Charaktere – Duracell, Mr. Burns usw. – sind einfach unvergleichlich und passend zum Leben erweckt worden. Dieses Buch macht Spaß zu lesen und Lust auf mehr und zeigt zugleich viele Probleme auf, authentisch dargestellt und in einem unterhaltsamen Roman verpackt. Wir bekommen spannende Einblicke in tiefe Abgründe und haben noch einen Cliffhanger am Schluss, der auf einen weiteren Teil hoffen lässt. Von mir eine absolute Leseempfehlung!

Fazit:
„Richter morden besser“ von Thorsten Schleif ist ein Roman, der hoffentlich der Beginn einer langen Serie weiterer Bücher um Richter Siggi Buckmann und seine Jungs ist. Mit viel Charme und Wortwitz, aber auch mit Spannung und Sarkasmus, erzählt der Autor die Geschichte um einen perfekten Mord, die Probleme des Justizsystems, von Selbstjustiz und von Idealismus. Die Charaktere sind einfach unvergleichlich und amüsant, die Handlung spannend und komisch und die Andeutungen „was wir x später erfahren sollten“ halten einen dazu an, immer weiter und weiter zu lesen.

5 Sterne von mir für dieses wortgewandte und wortwitzige Buch – ich halte mich am Cliffhanger fest und hoffe auf einen baldigen nächsten Teil!

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Veröffentlicht am 07.08.2022

Anrührend, emotional und beeindruckend

Findelmädchen
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Worum geht’s?
Köln 1955: Bei einer Pflegefamilie in Frankreich aufgewachsen, finden Helga und Jürgen ihren richtigen Vater wieder und ziehen zu ihm nach Köln. Während Jürgen bei den Ford-Werken eine Arbeit ...

Worum geht’s?
Köln 1955: Bei einer Pflegefamilie in Frankreich aufgewachsen, finden Helga und Jürgen ihren richtigen Vater wieder und ziehen zu ihm nach Köln. Während Jürgen bei den Ford-Werken eine Arbeit findet, macht Helga ein Praktikum in einem von Nonnen geführten Waisenhaus und was sie dort erlebt, ist einfach nur entsetzlich.

Meine Meinung:
„Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ von Lilly Bernstein ist wieder ein Roman, der das Herz berührt. Bereits ihr Trümmermädchen Anna hatte mich absolut begeistert und das Findelmädchen Helga toppt dies fast noch. Diese Liebe zu kleinen, fast nebensächlichen Details, ihre Art, Gefühle und Emotionen zu beschreiben und die recherchierten Fakten in eine fiktionale Geschichte einzuflechten, ist einfach unvergleichlich. Selten kann ich bei Büchern so mitfühlen und mich so mitreißen lassen, wie in den Büchern von Lilly Bernstein.

Mit Helga erschafft sie einen Charakter, den man einfach ins Herz schließen muss. Die Jugendliche, die viel durchgemacht hat aber einen großen Kampfgeist und ein noch größeres Herz besitzt. Dann ihr technikbegeisterter Bruder Jürgen, manchmal sind beide fast wie Zwillinge, so verbunden kommen sie mir vor. Auch Fanny ist ein wundervoller Charakter. Eine lebenslustige Frau, die ein schweres Päckchen zu tragen hat, was wir aber später erst erfahren. Und zuletzt haben wir noch Helgas Vater, der im Krieg als Journalist instrumentalisiert wurde, sowie die Flüchtlinge Auguste und Konradin, die Unterschlupf im Haus der van Beeks finden, ebenfalls liebenswerte und authentische Charaktere.

All diese Menschen dürfen wir begleiten im Köln der 1955er Jahre. Es ist einfach zauberhaft, wie die Autorin diese Zeit des Wandels aufleben lässt. Fannys Milchbar, die Fröhlichkeit der Menschen. Die Lebensfreude der Jugendlichen. Es ist schön zu erleben, wie nach den Jahren der Entbehrung alles erwacht und mit neuem Mut zu wachsen beginnt. Noch überschattet von den Nachwehen des Krieges. Den Erinnerungen an den Hunger und die Angst, aber dennoch dieser Wille für einen Neuanfang. Überschattet von den Erzählungen aus dem Kinderheim und wie dort mit den Kindern, insbesondere dem Mischlingskind Bärbel, umgegangen wird. Dieser Teil basiert gem. Nachwort auf Erzählungen von Zeitzeugen, was mich umso tiefer getroffen hat. Und auch die Stellung der Frau hat die Autorin aufgezeigt, wie schnell man nichts mehr wert ist, verachtet und verhöhnt wird. All diese Fakten eingebracht in einen emotionalen Roman, gut recherchiert und voller Herzenswärme erzählt, war einfach unglaublich mitreißend zu lesen. Lilly Bernstein hat die 1955er Jahre wieder lebendig werden lassen und uns mitgenommen auf eine Zeitreise mitten hinein nach Köln. Dieses Buch hat mich gefesselt und wieder absolut überzeugt – von mir eine ganz klare Leseempfehlung und ich bin schon sehr gespannt, wohin uns ihr nächstes Buch entführen wird!

Fazit:
In ihrem historischen Roman „Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ lässt Lilly Bernstein anhand von Helga van Beek die 1955er Jahre in Köln wieder lebendig werden. Gemeinsam mit Helga und ihrer Familie erleben wir diese Zeit, die noch von den Nachwehen des Weltkriegs erschüttert ist und von den erlittenen Entbehrungen und der Angst. Aber sich auch schon im Wandel befindet. Man fühlt, wie die Lebensfreude zurückkehrt. Die Menschen sich einfach wieder lebendig fühlen möchten. Und mitten hinein in diese Geschichte des Aufbaus und Aufbruchs führt uns die Autorin auch in die schrecklichen Geschehnisse in den Waisenhäusern, basierend auf den Erzählungen von Zeitzeugen, was es umso erschreckender macht. Und hinein in den Stand und die Rolle der Frau.

Dies ist eine Geschichte, die wieder absolut zu Herzen geht, emotional und ergreifend ist und in der Fakten und Fiktion wieder eine perfekte Mischung darstellen. 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung von mir!

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