Back to the roots in der Extremversion
Die WandVerstörend, zeitweise anstrengend zu lesen und doch irgendwie großartig!
Die Protagonistin fährt im Mai mit Freunden zu einem Kurzurlaub auf deren Jagdhütte in die Berge. Das befreundete Ehepaar geht ...
Verstörend, zeitweise anstrengend zu lesen und doch irgendwie großartig!
Die Protagonistin fährt im Mai mit Freunden zu einem Kurzurlaub auf deren Jagdhütte in die Berge. Das befreundete Ehepaar geht abends noch kurz ins Dorf, auf ein Bier im örtlichen Wirtshaus, die Protagonistin bleibt in der Jagdhütte zurück, will sich einrichten, ausruhen.
Als sie schlafen geht, sind die beiden immer noch nicht zurück, nur der Hund, Luchs, ist auf eigene Faust heimgekommen. Und auch am nächsten Tag fehlt von den Freunden jede Spur. Die Protagonistin will ins Dorf gehen, um zu erfahren, was passiert ist. Doch auf dem Weg kracht sie plötzlich gegen etwas Hartes, Durchsichtiges und kommt nicht mehr weiter.
Eine unsichtbare Wand hindert sie daran weiterzugehen. Sie weiß nicht, was dahinter liegt, sie weiß nicht ob sie jemals rauskommt und sie weiß nicht, was mit den Menschen hinter der Wand passiert ist…
Haushofers Roman stellt den Leser vor die Frage: was wäre, wenn ich der letzte Mensch auf der Welt wäre, völlig allein? Die Wand schildert den Überlebenskampf der Protagonistin, die eigentlich aus der zivilisierten Welt des 20. Jahrhunderts stammt, gewöhnt ist an Elektrizität, fließend Wasser und und und. Plötzlich muss sie sich selbst versorgen, sich und die letzten Tiere, die rund um die Jagdhütte übrig geblieben sind. Sie erlebt den extremen Gegensatz zu ihrer gewohnten Welt, muss sich anpassen, auf fast alle Vorzüge der Zivilisation verzichten.
Über weite Strecken des Romans habe ich mich gefragt: Was würde ich tun? Wäre ich dazu fähig? Könnte ich für mich sorgen? Vermutlich fast jeder würde schnell erkennen: nein, das würde nicht lange funktionieren und ich wäre in so einer Situation wohl besser beraten, meiner Lage schnell ein Ende zu setzen. Dadurch führt Haushofer dem Leser vor Augen, wie viel Luxus wir doch mittlerweile als Alltag ansehen, es kann helfen, unsere Realität etwas mehr zu schätzen zu wissen.
Der Roman ist sehr düster, beschäftigt sich sehr stark mit Verlust auf vielen Ebenen, was ihn sehr emotional und bewegend macht. Allerdings ist er dennoch anstrengend zu lesen. Über viele Seiten erfahren wir von den Tagesabläufen der Protagonistin innerhalb der Wand, wie sie funktioniert, wie sie sich abrackert um zu überleben – ohne zu wissen ob es das überhaupt wert ist. Es wird oft auf Ereignisse geteast, ohne genau aufzulösen was passiert, für den Leser zeitweise etwas frustrierend. Das Ende ist überraschend, dennoch offen, was ich persönlich sehr positiv finde. Generell hat das letzte Drittel vieles herausgerissen.
Schwierig zu lesen war der Roman auch vor allem deshalb, weil es keine Kapitel gibt. Es ist ein langer Gedankengang der Protagonistin, was in dieser Situation durchaus passend ist, für einen an Kapitel gewöhnten Leser aber anfangs schwierig.
Unterm Strich: Etwas ganz Anderes als alle Bücher, die ich bisher gelesen habe! Esregt sehr zum Nachdenken an, deswegen durchaus empfehlenswert, aber der Leser sollte – trotz der Kürze – Ausdauer mitbringen.