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Bianste

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.04.2017

Unglaublich detailreich

Die Mississippi-Bande
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Vier Jugendliche, Te Trois, Eddie, Joju und Tit, finden in den Sümpfen eine Dose mit 3 Dollar. Damit beginnt ein Abenteuer, das ihre komplette Welt auf den Kopf stellen wird.

Die vier, drei Jungen, ein ...

Vier Jugendliche, Te Trois, Eddie, Joju und Tit, finden in den Sümpfen eine Dose mit 3 Dollar. Damit beginnt ein Abenteuer, das ihre komplette Welt auf den Kopf stellen wird.

Die vier, drei Jungen, ein Mädchen, kommen aus einem kleinen Dorf im Bayou. Harte Arbeit und wenig Freizeit gehören zu ihrem Alltag. In jedem Haushalt gibt es allerdings einen Versandhauskatalog. Dieser bietet quasi alles an, was man irgendwie gebrauchen kann. Unter anderem Laternen, Herde, Waffen, Mäntel …
Bald erfährt man in der Geschichte, dessen erster Teil von Te Trois erzählt wird, dass der Versandhauskatalog von Dawn & Walker ganz neu ist. Im Laufe der Zeit wird die komplette Geschichte der Gründung und Umsetzung deutlich. Die vier Kinder bestellen sich eine Pistole und Munition. Doch sie erhalten die Munition und eine kaputte Uhr. Kurz darauf taucht ein Mann auf, der ihnen für die beschädigte Uhr 50 Dollar bietet – unglaublich viel Geld. Doch es kommt anders, und plötzlich sind die vier unterwegs nach Chicago.
Jedes Kind bekommt einen Teil des Buches, das aus seiner Sicht erzählt wird. Zuerst Te Trois, dann Eddie, gefolgt von Julie und schließlich Tit.
Das Buch entführt einen beim Lesen in eine weite entfernte Welt. Doch die Figuren sind so grandios beschrieben, dass man sofort mit ihnen mitleidet, mitfiebert, mithofft. Das Ganze ist unglaublich spannend. Die Kinder erleben ein rasantes Abenteuer nach dem anderen. Mit Humor, Tatkraft und Cleverness lösen sie alle Probleme, vor allem aber, weil sie zusammenhalten, einander zuhören und jeder etwas zur Lösung der anstehenden Schwierigkeiten beitragen kann, selbst Tit, ein kleiner schwarzer Junge, der nur selten spricht.
Das Amerika jener Tage wird nicht nur durch die Erzählung lebendig, sondern auch durch die Seiten, auf denen Karten und vor allem Auszüge aus dem Versandhauskatalog abgebildet sind.
Die Sprache ist flüssig, Dialoge und Monologe herrschen vor. Durch die zahlreichen Informationen, die Kinder sehen zum Beispiel zum ersten Mal ein Automobil oder hören Jazz-Musik auf der Straße, entsteht ein Kaleidoskop an Informationen und atmosphärischen Details, welche die Geschichte zu einer machen, die noch lange in Erinnerung bleibt und die eigene Fantasie beschäftigt.
Eine Leseempfehlung für alle, die sich noch an Tom Sawyer erinnern, aber auch für Menschen, die gern über Reisen und Abenteuer lesen, die in vergangene Zeiten eintauchen wollen.

Veröffentlicht am 15.04.2017

Dramödie

Man lernt nie aus, Frau Freitag!
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Frau Freitag ist die Lehrerin, die Schüler unterrichtet, die sich mit „Du Spast“ beschimpfen und auf Nachfrage sagen, dass es sich dabei um einen kleinen Vogel handele, was nun wieder die Beschimpfung ...

Frau Freitag ist die Lehrerin, die Schüler unterrichtet, die sich mit „Du Spast“ beschimpfen und auf Nachfrage sagen, dass es sich dabei um einen kleinen Vogel handele, was nun wieder die Beschimpfung in ganz neuem Licht erscheinen lässt. Jedenfalls ist Frau Freitag genau die richtige Lehrerin für diese Klientel, zu der sie die weise Schulbehörde eingeteilt hat. Frau Freitag selbst stellt das auch kaum in Frage – zumindest nicht endgültig, denn mit diesem Themenbereich hat sie bereits mehrere Bücher gefüllt. Nun aber ist sie scheinbar in ein Sabbatjahr gegangen. (Man kann sich Frau Freitag kaum ohne ihre Schüler vorstellen.)
Damit keine Langeweile aufkommt, beginnt sie, den Führerschein zu machen. Leicht jenseits der 50 in einer Stadt, in der es alle immer eilig haben und der Verkehr schon mal etwas ruppiger ist, sucht sie eine Fahrschule auf … und bekommt eine volle Ladung Vorurteile ab. Davon lässt sie sich aber nicht aufhalten. Lieber wechselt sie die Fahrschule.
Doch bei dieser ist es auch nur wenig besser. Einvernehmlich sagt ihr niemand, wie lange sie wohl brauchen wird, bis sie den Führerschein in der Tasche hat. So fährt sie Stunde um Stunde durch Berlin.
Jedes Kapitel informiert die Leserinnen und Leser in der Überschrift darüber, wieviel sie am Ende jeweils ausgegeben haben wird.
Doch Frau Freitag zweifelt nicht nur an den pädagogischen Fähigkeiten ihrer Fahrlehrer, die sie ums Verrecken nicht loben wollen, sondern oft genug auch an sich selbst, was allerdings nicht dazu führt, dass sie das mit dem Führerscheinmachen aufgibt.
Ihre Kommentare zum Schulterblick, zum Beschleunigen, zu Autobahnfahrten, zum Einparken usw. sind für alle, die selbst Auto fahren, zu köstlich, ahnt man doch, dass ihre Realität ein wenig neben der anderer Menschen angesiedelt ist.
Mehr will ich zum Inhalt nicht verraten, denn es lohnt sich, Frau Freitags Kampf mit dem Führerschein selbst zu lesen. Ein witziger, eingängiger Stil, kurze Kapitel, viele Gespräche (zum Beispiel mit ihrer Freundin und Kollegin Frau Dienstag) und eine gesunde Mischung an Slapstick und Ernsthaftigkeit machen beim Lesen Freude, lassen einen gelegentlich breit grinsen und manchmal laut lachen. Leider ist es das auch. Gelesen, gemocht, vorbei obwohl: Einige Fragen geben einem aber auch zu denken, oder wissen Sie noch wie das war mit dem Unterschied zwischen Bremsweg und Anhalteweg und wie man beide berechnet?


Veröffentlicht am 14.04.2017

Bittersüß

Unsere Seelen bei Nacht
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Addie klingelt einfach bei Louis und fragt ihn, ob er Lust habe, nachts bei ihr zu schlafen, damit sie beide nicht so einsam sind nach dem Tod ihrer Ehepartner. Beide sind über 70 und haben Familien, da ...

Addie klingelt einfach bei Louis und fragt ihn, ob er Lust habe, nachts bei ihr zu schlafen, damit sie beide nicht so einsam sind nach dem Tod ihrer Ehepartner. Beide sind über 70 und haben Familien, da bleibt es nicht aus, - schließlich spielt die Geschichte in den USA, im erfundenen Ort Holt - dass in der Stadt geredet wird und auch die Kinder der beiden mischen sich ein, wollen, dass Addie und Louis ihr Gesicht wahren. Doch den beiden ist egal, was die anderen denken, sie fühlen sich wohl. Dann kommt Addies sechsjähriger Enkel für einige Zeit zu Besuch. Das ändert einiges, doch gemeinsam schaffen sie für den Jungen eine Atmosphäre, die ihn darüber hinweg tröstet, dass seine Eltern sich trennen.
Alles könnte so schön sein, doch so bleibt es leider nicht.
Trotzdem ist Kent Haruf eine bittersüße, schöne Geschichte gelungen, die sich wunderbar liest, ohne jeden überflüssigen Schnörkel, einfache Sätze, sehr kurze Kapitel, nichts Überflüssiges.
Wörtliche Rede ist nicht gekennzeichnet, was das Lesen manchmal etwas schwieriger macht. Denn es gibt sehr viel davon, und oft wechselt der Sprecher nach nicht einmal einer Zeile.
Ich weiß nicht, ob Addies Entscheidung am Ende zu der Addie passt, die am Anfang zu Louis marschiert ist. An der Stelle finde ich es zu amerikanisch, hätte mir andere Reaktionen gewünscht.

Veröffentlicht am 13.04.2017

Spannend

Feuertanz
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Auf dem Friedhof begegnet Sarah einem verletzen Jungen, der sich nicht erinnern kann, wie er heißt. Allerdings wirkt er gehetzt und will keinesfalls ins Krankenhaus.
Da er auf Sarah einen verlassenen Eindruck ...

Auf dem Friedhof begegnet Sarah einem verletzen Jungen, der sich nicht erinnern kann, wie er heißt. Allerdings wirkt er gehetzt und will keinesfalls ins Krankenhaus.
Da er auf Sarah einen verlassenen Eindruck macht, bietet sie ihm einen Platz zum Übernachten in einem alten, derzeit ungenutzten Gewächshaus ihres Vaters an. Sie versorgt ihn mit Lebensmitteln und versorgt seine Verletzungen.
Sarah selbst lebt nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater allein. Ihre große Schwester hat eine eigene Wohnung und eine Dogge sowie einen Kater, alle drei werden in dem Thriller noch eine bedeutende Rolle spielen.
Sarah freundet sich gerade mit Conny an, die neu in ihre Klasse gekommen ist. In diesem Moment überschlagen sich die Ereignisse für Sarah. Doch sie ist gefestigt und trifft Entscheidungen, zu denen sie dann auch steht, obwohl sie häufig von Zweifeln geplagt wird.
Der Junge ohne Namen erlebt immer wieder Flashbacks und zeichnet dann Orte, Menschen oder Ereignisse, die die beiden im Laufe der Zeit dazu bringen, immer mehr Informationen über seine Vergangenheit herauszufinden. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Junge wohl Recht hat, wenn er sich vor Verfolgern fürchtet.
Mehr möchte ich zum Inhalt an dieser Stelle nicht verraten, um Spoiler zu vermeiden.
Allerdings bleibt die Frage, ob Sarah sich mit dem “Guten” oder doch mit dem “Bösen” eingelassen hat, bis zum Ende relevant. Die Geschichte nimmt immer mehr an Fahrt auf, je länger sie voranschreitet. Erzählt wird in zwei Perspektiven, der von Sarah als Ich-Erzählerin in der Vergangenheit und der des Jungen, als Personaler Erzähler in der Gegenwart. Dabei sind die Perspektiven so gegeneinander geschnitten, dass sie die Spannung steigern, da die Informationen so verteilt werden, dass die Leserinnen immer einen kleinen Wissensvorsprung vor den Protagonisten haben.
Sprachlich liest sich der Thriller flüssig. Dialoge und innere Monologe prägen die Geschichte. Der Titel erklärt sich erst ganz zum Ende, ist dann aber schlüssig und feinsinnig. Das Titelbild hingegen verweist nur auf einem Aspekt der Geschichte, ist grafisch aber sehr ansprechend gestaltet.
Da das Buch zwar spannend, aber weder blutrünstig noch alptraumhaft ist, ist es eine echte Leseempfehlung für Mädchen ab 12, die spannende Abenteuer mit starken Mädchen lieben, die selbst nicht wissen, wo ihre Stärken liegen.
Als Amuse Gueule gibt es noch ein paar Zitate aus dem “Kleinen Prinzen”, Sarahs Lieblingsbuch, das ihr gelegentlich bei Entscheidungen hilft.

Veröffentlicht am 12.04.2017

Begeisternd

Durch Nacht und Wind (Goethe und Schiller ermitteln)
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Stefan Lehnbergs Ich-Erzähler ist Friedrich Schiller, der – ganz im Stile Watsons – Goethe begleitet, der einen mysteriösen Todesfall klären soll.
Großherzog N. besitzt einen äußerst wertvollen Smaragdring. ...

Stefan Lehnbergs Ich-Erzähler ist Friedrich Schiller, der – ganz im Stile Watsons – Goethe begleitet, der einen mysteriösen Todesfall klären soll.
Großherzog N. besitzt einen äußerst wertvollen Smaragdring. Nun erhielt er von Professor Kranigk die Nachricht, dass dieser mit einem Fluch beladen sei. Prompt stirbt der Großherzog. Seine Leiche wird erdrosselt in einer von innen verschlossenen Truhe gefunden. Goethe und Schiller können nicht glauben, dass er sich allein erwürgt hat.
Doch es bleibt nicht bei dieser einen Leiche.
Was hat der Bräutigam der Prinzessin damit zu tun? Wer schleicht nachts durch den Park? Warum verwest die Leiche des Großherzogs trotz eisiger Kälte so rasant?
Schiller und Goethe haben einiges herauszufinden und das tun sie mit Nonchalance, Sprachwitz und fundierten Kenntnissen.
Hinzu kommt eine ganz und gar unglaubliche Sprache, die sehr an Goethes Tonalität erinnert, auch durch die „angepasste“ Rechtschreibung sehr an alte Zeiten erinnert. Trotzdem lässt sie sich sehr leicht lesen, mindert die Spannung nicht im Geringsten.
Das Format des Buches (ca. 12 x 19 cm) liegt angenehm in der Hand, der dunkelblaue Leinenumschlag mit dem weißen Druck darauf, lässt es wie ein etwas älteres Buch wirken.
Ich mochte die Erzählhaltung, den Sprachwitz der beiden großen Dichter, die im Text versteckten, zahlreichen Informationsdetails aus der damaligen Zeit und die doch recht komplexe Lösung des Falles. Ohne hier zu viel verraten zu wollen, der Diebstahl des Ballons erscheint mit übertrieben, obwohl ich natürlich verstehen kann, was den Autor dazu getrieben/verlockt hat. Mir war`s zu viel.
Trotzdem würde ich ihn lesen, wenn die beiden Ermittler in einem zweiten Fall unterwegs wären.