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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.10.2016

Ein großartiger Familienroman

Ein Lied für die Geister
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Es war ein im Nachhinein unerklärlicher Jagdunfall bei dem Landreaux Iron den kleinen Sohn der benachbarten und verwandten Familie Ravich tötet. Nach einer Schwitzhüttenzeremonie folgen er und seine Frau ...

Es war ein im Nachhinein unerklärlicher Jagdunfall bei dem Landreaux Iron den kleinen Sohn der benachbarten und verwandten Familie Ravich tötet. Nach einer Schwitzhüttenzeremonie folgen er und seine Frau Emmeline einer alten indianischen Tradition und geben ihren jüngsten Sohn LaRose in Obhut der trauernden Familie Ravich. Kann der Verlust des Kindes durch einen weiteren Verlust gesühnt werden?
Louise Erdrich gelingt es, den Spagat der Familien der amerikanischen Ureinwohner zwischen Tradition und Moderne aufzuzeigen. Dazu geht sie mehrere Generationen zurück und erzählt in einer Parallelhandlung die Geschichte der Familie, von der ersten LaRose, der direkten Vorfahrin, bis hin zu Emmeline Iron, der Mutter des kleinen LaRose. Die Überlieferungen, das Wissen um die spirituelle Kraft der Lieder, das alles ist in dem kleinen Jungen vereint. Wenn es die Möglichkeit zur Aussöhnung gibt, dann liegt sie bei ihm.
Der Autorin gelingt es, die Zerrissenheit der amerikanischen Ureinwohner aufzuzeigen. Die an ihre Traditionen und Werten festhalten wollen, ohne sie zur Folklore verkommen zu lassen, die aber auch ein Teil des heutigen Amerikas sind, und immer noch zu selten ihren angestammten Platz in der Gesellschaft bekommen.
Ein Buch, das mich tief berührt hat, das menschliche Schwäche und Größe beschreibt, ohne zu werten oder anzuklagen. Gerade das macht diesen Roman so lesenswert. Die Autorin ist für mich eine große Stimme der amerikanischen Literatur.

Veröffentlicht am 25.10.2016

Romantische Liebesgeschichte zwischen Paris und Venedig

Das Café der kleinen Wunder
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Nelly ist junge, sehr hübsche, aber auch zurückhaltende und stille Frau. Nach ihrem Philosophiestudium schreibt sie an ihrer Masterarbeit über Paul Virilio und der Professor, der ihre Arbeit betreut, ist ...

Nelly ist junge, sehr hübsche, aber auch zurückhaltende und stille Frau. Nach ihrem Philosophiestudium schreibt sie an ihrer Masterarbeit über Paul Virilio und der Professor, der ihre Arbeit betreut, ist ihre große und heimliche Liebe. Jedes Lächeln und jede freundliche Geste steigern ihr Gefühl, doch sie traut sich nicht, sich zu offenbaren. Und so kommt es, wie es kommen muss: der Professor gibt die Verlobung mit einer Kollegin bekannt. Für Nelly bricht eine Welt zusammen, gerade als sie allen ihren Mut zusammengenommen hat und ihm ein Liebesgeständnis machen wollte. Verzweifelt und tief enttäuscht zieht sie sich in ihre Wohnung zurück und findet eine alte Bücherkiste ihrer verstorbenen Großmutter. Darin in Buch mit einer ganz besonderen Widmung, die sich in einem anderen Erbstück, als Gravur wiederfindet: Amor vincit omnia.
Zum ersten Mal in ihrem Leben handelt Nelly spontan und will den Spuren des Buches und der Widmung nachgehen und das Geheimnis ihrer Großmutter lösen. Sie führen sie ins winterliche Venedig. Und dort warten viele Überraschungen auf sie, die ihr Leben nachhaltig verändern werden.
Nicolas Barreau ist ein sehr erfolgreicher Autor, der genau weiß, was seine Leserinnen erwarten. Diese Erwartungen werden auch erfüllt. Die Geschichte ist überaus romantisch, die schicksalshaften Wendungen geheimnisvoll und immer wieder bringt der Zufall den entscheidenden Anstoß. Nach Paris ist ein Teil der Handlung in ein stilles, fast verzaubertes Venedig gelegt. Die Stadtbeschreibungen sind schön, romantisch und fast wie aus der Zeit gefallen, natürlich steuert alles nach vielen Verwicklungen auf ein Happyend, das so zuckersüß wie die Cornettos im Café ausfällt.
Ich konnte mich nur leider dieses Mal nicht ganz so gut unterhalten, ich weiß nicht – lag es an der doch schon sehr vorhersehbaren Geschichte, oder vielleicht daran, dass Barreau immer das gleiche Thema variiert?
Nichts desto trotz, es ist eine schöne, gefühlvolle Liebesgeschichte, ein bisschen kitschig, die raue Wirklichkeit wird ausgeblendet und was bleibt ist eine charmante Geschichte für kalte Herbst- und Wintertage.

Veröffentlicht am 22.10.2016

Inspecteur Sebag hat den Blues

Rabenschwarzer Winter
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Die Vorweihnachtszeit beginnt nicht sehr gut für Gilles Sebag, den Polizeiinspektor aus Perpignan. Schon länger vermutet er, dass seine Frau Claire ihn betrügt, nun hat er Gewissheit. Das führt in an den ...

Die Vorweihnachtszeit beginnt nicht sehr gut für Gilles Sebag, den Polizeiinspektor aus Perpignan. Schon länger vermutet er, dass seine Frau Claire ihn betrügt, nun hat er Gewissheit. Das führt in an den Rand einer existentiellen Krise, er liebt seine Frau noch immer, er kann ihr vielleicht verzeihen, aber die Wut und die Enttäuschung bleibt.
Ausgerechnet in dieser Situation ermittelt er in einem Mord an einer untreuen Ehefrau. Der Ehemann ist geständig, auch er hat die Demütigung nicht ertragen und Sebag fühlt sich unangenehm an seine Situation erinnert. Aber trotzdem, wenn auch gebremst durch zu viel Whiskey, sein Verstand bleibt wach. Etwas stimmt nicht am Geständnis des Ehemanns, als eine weitere Verzweiflungstat eines gehörnten Ehemanns über die Weihnachtstage die Polizei beschäftigt, treten seine persönlichen Schwierigkeiten in den Hintergrund.
Im Gegensatz zu manchen Frankreichkrimis, die die jeweilige Landschaft im Untertitel tragen, ist der „Roussillon-Krimi“ von Philippe Georget kein Urlaubskrimi. Sicher spielt die Landschaft und ihre typischen Bewohner eine Rolle, aber nie hat man das Gefühl einen Urlaubskrimi zu lesen. Die Idee, den ermittelnden Sebag in die gleiche Situation zu bringen, wie die des Mörders, ergibt eine interessante Konstellation. Sebag muss sich immer wieder hinterfragen, seine Handlungen auf den Prüfstand stellen. Die persönliche Verwicklung wird zu einem prägenden Teil des Buches und der Protagonist zur Leitfigur. Mir war es stellenweise zu viel, die Krimihandlung geriet fast in den Hintergrund, wenn Sebag seine Eheprobleme wälzt und über Ehebruch und Versöhnung philosophiert. Trotzdem laufen er und sein Team zu Höchstform auf um diese ungewöhnliche Serie von Mord und Selbstmord aufzuklären.
Auch wenn ich das Buch nicht ganz so spannend fand, die die beiden vorangegangen Bücher, sind die Krimis von Philippe Georget immer eine Empfehlung für Krimifans.

Veröffentlicht am 22.10.2016

Tödliche Schnitzeljagde

Altherrenjagd
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Für Alfred Sanktjohanser, kurz der Sanktus, sind die Treffen mit Dr. Engler und seiner Familie immer ein Graus. Aber was soll er machen, wenn seine Kathi und die Frau Engler so gut miteinander können. ...

Für Alfred Sanktjohanser, kurz der Sanktus, sind die Treffen mit Dr. Engler und seiner Familie immer ein Graus. Aber was soll er machen, wenn seine Kathi und die Frau Engler so gut miteinander können. Als dann Kübrich, der Kollege aus Englers Kanzlei spurlos verschwindet und rätselhafte Mails auftauchen, ist klar, dass Sanktus zusammen mit seinen Spezln aus der Sternbrauerei sich wieder einmischen. Schließlich hat er schon Erfahrung und als Expolizist immer noch einen guten Draht zu Kommissar Birbichler. Bald wird sein Spürsinn auf eine harte Probe gestellt, wie bei einer Schnitzeljagd, oder besser, einem High Core Geocaching, tauchen immer neue Hinweise auf. Als es einen zweiten Vermissten gibt, deutet alles auf eine Studentenverbindung hin und Dr. Engler führt Sanktus in die Geheimnisse der Burschenschaften ein, deren Trinkfestigkeit sogar den Sanktus fast an seine Grenzen führen.


Auch das zweite Buch von Andreas Schröfl ist eine gelungene Krimikomödie. Burschenschaften und Münchner Bierseligkeit ergeben eine gute Mischung. Die verschiedenen Dialekte, Sanktus‘ Spezln kommen aus Schwaben, Italien, Preußen und einen Inder gibt es auch noch, machen spürbar dem Autor und auch dem Leser Spaß. Dann gibt es noch einen überkorrekten Franken als Polizisten, damit ist das Dialektspektrum fast abgedeckt.

Wenn Sanktus sinniert und der Erzähler aus dem Off in lakonischen Halbsätzen die Handlung vorantreibt, kommt mir gleich der legendäre Brenner von W. Haas in den Sinn. Das sind dann für mich die stärksten Abschnitte, denn manche Erklärungen, zum Beispiel zu den Burschenschaften, sind mir dagegen fast zu lang geraten.


Altherrenjagd“ ist ein Regionalkrimi in Bestform, humorvoll, hintersinnig und spannend. Mir hat dieses Buch viel Spaß gemacht und ich musste mehrmals laut lachen. Mit dem Sanktus hat Autor Andreas Schröfl ein uriges Münchner Original geschaffen, dem man noch viele ungelöste Fälle wünscht

Veröffentlicht am 19.10.2016

Projekt Landleben

Landeier
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Wenn man Sebastian Kunze als arroganten Schnösel beschreibt, liegt man sicherlich nicht ganz falsch. Sollte er eine andere Seite haben, gelingt es ihm bisher sehr gut sie zu verbergen. Er sieht sich als ...

Wenn man Sebastian Kunze als arroganten Schnösel beschreibt, liegt man sicherlich nicht ganz falsch. Sollte er eine andere Seite haben, gelingt es ihm bisher sehr gut sie zu verbergen. Er sieht sich als Journalist, auch wenn seine Kolumne im Stadtmagazin Bernd & Susi immer unbedeutender wird. Die echten Berliner Insider Tipps holt man sich schon längst woanders. Trotzdem sieht man Sebastian überall, seine Kolumne ist gefürchtet und alles andere als politisch korrekt. Sebastian ist immer da, wo die "Szene" ist und bei diesen Events findet der Womanizer auch genügend Jagdbeute. Aber als das Stadtmagazin eingestellt wird und Sebastian ohne Job dasteht, sieht das schon ganz anders aus.


Melanie Kunze möchte auf’s Land. Dort bekommt sie im Handumdrehen eine Kassenzulassung für ihre Praxis als Psychotherapeutin und dort sieht sie auch eine Chance für ihr Projekt SK. Außerdem hält sie den Spreewald auch schöne Umgebung für ihre Kinder, wobei Sebastian von ihrer zweiten Schwangerschaft noch gar nichts weiß. Aber hat er denn eine Alternative ?


Was für ein gekonnter Unterhaltungsroman, spritzig und flott geschrieben mit einer sanften Prise Zynismus. Pure Leselust - witzig und nie flach, dazu eine geschliffene Sprache, die mit den bekannten Klischees spielt. Da macht es wirklich Spaß mit Sebastian in die Provinz zu ziehen, wahre Werte und wahre Freundschaft zu entdecken und in Melanies Tagebucheinträgen zu lesen. Davon hätte ich gern noch mehr gelesen, denn ihre Sicht auf die gemeinsamen Jahre ist mir etwas kurz gekommen.


Ich habe mich bestens unterhalten, schade war nur, dass ich das Buch so schnell ausgelesen habe.