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Veröffentlicht am 23.09.2016

Heller sucht den Angstmann

Der Angstmann
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Dresden im Winter 44, Elend, Not und Hunger, wohin man blickt. Kripomann Max Heller hat nur noch sehr unzulängliche Mittel die Ordnung aufrecht zu halten. Da wird die schlimm zugerichtete Leiche einer ...

Dresden im Winter 44, Elend, Not und Hunger, wohin man blickt. Kripomann Max Heller hat nur noch sehr unzulängliche Mittel die Ordnung aufrecht zu halten. Da wird die schlimm zugerichtete Leiche einer jungen Krankenschwester entdeckt, sein Vorgesetzter, ein strammer SS Mann, der noch unverdrossen an den Endsieg glaubt, hat in einem Juden den idealen Täter gefunden. Heller weiß, wie absurd, diese Theorie ist. Auch als die Leiche einer zweiten jungen Frau auftaucht, rituell wie ein Todesengel zugerichtet, hat SS Mann Klepp mit einem Fremdarbeiter gleich den passenden Täter an der Hand.
Max Heller ist ziemlich allein, wem kann man in diesen Tagen noch trauen, eine abweichende Meinung wird schnell zu Wehrkraftzersetzung und Volksverhetzung, aber er will sich nicht verbiegen und sich mit diesen Fehlurteilen zufrieden geben.
Beeindruckend war für mich, wie plastisch Dresden in den letzten Kriegsmonaten beschrieben wird. Faszinierend und beängstigend zugleich. Deutlicher als in einem Geschichtsbuch sind mir die Stimmungen und die Gefühle der gebeutelten Menschen geworden. Ob sie nun glühende Anhänger des Führers waren und an Endsieg und Wunderwaffe glaubten, oder schon resigniert auf das Ende warteten. Nur leise wurde vom aussichtslosen Kampf gesprochen, die Angst vor den Russen war allgegenwärtig und dabei stand die letzte Prüfung Dresdens noch bevor. Dieser Hintergrund macht diesen Kriminalroman außergewöhnlich. Die Figur Max Heller, der sich nicht verbiegen lassen will, nur seine Arbeit machen möchte, aber der die Flut der Flüchtlinge, den Hunger und die Kälte nicht ausblenden kann, ist wie ein Lichtblick. Dabei hat er gar nichts Heldenhaftes an sich. Er ist in seinen Ängsten und Zweifeln zutiefst menschlich beschrieben. In dieser Zeit schwindet die dünne Schicht der Zivilisation schnell und nicht nur die grauenvollen Morde sind beängstigend, auch die stillschweigende Meute der Mitläufer, die Unmenschlichkeit der Nazis, ihre Engstirnigkeit und Grausamkeit tragen zu seinem Gefühl der Hilflosigkeit bei.
Ein toller Kriminalroman mit einem historischen Hintergrund, den ich für wichtig und aktueller denn je halte. Für mich ist dieser Autor eine Entdeckung unter den deutschen Kriminalschriftstellern.


Veröffentlicht am 19.09.2016

Alte Schule - kein altes Eisen

Alte Schule
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Auch mit 73 Jahren gehört Tom Knight noch lange nicht zum alten Eisen. Er lebt zwar im Rentnerparadies Eastbourne, aber nur weil dort die Lebenshaltungskosten geringer sind. Allzu große Sprünge kann er ...

Auch mit 73 Jahren gehört Tom Knight noch lange nicht zum alten Eisen. Er lebt zwar im Rentnerparadies Eastbourne, aber nur weil dort die Lebenshaltungskosten geringer sind. Allzu große Sprünge kann er mit seiner Rente nicht machen, deshalb bessert er sie immer mal wieder mit kleinen meist miesen Ermittlerjobs auf.
Durch eine Anzeige lernt er die Altenpflegerin Fran kennen, eine gutaussehende 50igerin und seine Eitelkeit lässt ihn mit seinem Alter schwindeln, was aber lediglich im Desaster endet. Dann sterben drei alte Damen im Altenheim und Fran sieht sich als Hauptverdächtige und was noch schlimmer ist, alle Beweise und Indizien sprechen sie schuldig.
Ganz Gentleman lässt das Tom keine Ruhe, als alter C.I.D. Mitarbeiter will er ihr aus der Patsche helfen und zieht alle Register und die sind trotz einiger körperlichen Handicaps ganz beachtlich.
Alte Schule – aber kein altes Eisen! Tom Knight als Ermittler hat etwas erfrischend Ungewöhnliches an sich. Nicht nur seine – oft unorthodoxen – Methoden machen das Buch zu einem ausgesprochenen Lesevergnügen, gute Beobachtungen und immer ein Augenzwinkern bei allen Aktionen runden das Buch ab. Wenn Tom sich undercover ins Altenheim New Horizons einschleicht, bleibt kein Auge trocken. Das Buch hat alle Zutaten, die ein guter Krimi braucht, aber nur auf einen Krimi möchte ich diese Geschichte nicht einengen. Die Sprache ist witzig und hat viel hintergründig- trockenen Humor, typisch englisch eben. Das Handlungstempo ist hoch, gegen Ende überschlägt es sich fast.

Veröffentlicht am 19.09.2016

Ein tödliches Spiel

Shinigami Games
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Yuka Sato ist Kriminalinspektorin im Dezernat für Gewaltverbrechen in Tokyo. Immer noch ungewohnt in der konservativen und männergeprägten japanischen Gesellschaft. Aber einige spektakuläre Erfolge haben ...

Yuka Sato ist Kriminalinspektorin im Dezernat für Gewaltverbrechen in Tokyo. Immer noch ungewohnt in der konservativen und männergeprägten japanischen Gesellschaft. Aber einige spektakuläre Erfolge haben ihr Ansehen gefestigt. Bei der morgendlichen Joggingrunde mit einem befreundeten jungen Kollegen der uniformierten Polizei, erschießt einen Heckenschütze ihren Kollegen. Kurz danach findet Yuka auf ihrem Dienstcomputer eine persönliche Nachricht: der „Shinigami“ fordert sie zu einem perfiden Spiel heraus, gelingt ihr es das Rätsel zu entschlüsseln, kann sie weitere Morde verhindern, über 7 Runden soll das tödliche Spiel gehen. Steckt ein Rachakt eines Verbrechers hinter diesen Anschlägen?
Der „Shinigami“, eine Art Todesgott oder Dämon in der japanischen Kultur, ist ein gefährlicher Gegner für Yuka Sato und sie muss nicht nur ihren Mut und ihre Schlagkräftigkeit beweisen, sie muss auch öfters die Regeln brechen, da sie sich nicht sicher sein, woher die Shinigami jede ihrer Aktionen und Pläne kennt.
Die Megametropole Tokyo ist der ideale Hintergrund für diesen rasanten Krimi. Aber nicht nur die genaue Ortskenntnis hat mich fasziniert (Yuka benutzt auch bei der Polizeiarbeit oft die öffentlichen Verkehrsmittel und jeweils werden präzise Zeit und Strecke genannt) sondern vor allem der Einblick in die japanische Kultur und die spezielle Denkweise um Ehre und Rache. Besonders fasziniert hat mich die Beschreibung des japanischen Alltags. Die diffizilen Rituale im Umgang mit Kollegen, ober ranghöher oder tiefer, die subtilen Unterscheidungen in der Tiefe der Verbeugung, das sind Einzelheiten, die mich sehr interessiert haben.
Der Plot ist spannend ausgearbeitet, durch das tägliche neue Rätsel steht die ganze Ermittlungsarbeit unter Zeitdruck und das macht auch einen Großteil des Tempos aus, die sich im Verlauf noch steigert.
In diesem Zusammenhang fand ich sowohl das Personenregister, sowie das Glossar äußert hilfreich. Allein um schon die für Europäer so ungewohnten Namen nicht zu verwechseln.
Dieser Japan Krimi war, vor allem durch den japanischen Hintergrund ein faszinierendes Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Höhepunkt und Abschluss

Vergeltung im Münzhaus
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Griet Burka und Clara van Oeche leben im mittelalterlichen Köln. Beide eint ein schreckliches Schicksal aus ihrer Vergangenheit, aber sie haben inzwischen einen Platz im Leben gefunden. Da trifft Clara ...

Griet Burka und Clara van Oeche leben im mittelalterlichen Köln. Beide eint ein schreckliches Schicksal aus ihrer Vergangenheit, aber sie haben inzwischen einen Platz im Leben gefunden. Da trifft Clara zufällig ihren Vater wieder, der sie als junges Mädchen an ein Hurenhaus verpfändet hatte. Als kurze Zeit später der Vater erstochen aufgefunden wird, ausgerechnet im Haus einer Schwangeren, die Clara als Hebamme betreut, ist für die Büttel der Stadt klar, dass sie die Täterin bereits gefunden haben. Aber Griet und ihre Familie wollen nicht zulassen, dass Clara für eine Tat verurteilt wird, die sie nicht begangen hat.
Aber auch außer den Ermittlungen haben Griet und ihre Familie wieder viele Turbulenzen zu überstehen. In diesem 6. und leider auch letzten Band um die Apothekerin Adelina Burka und ihre große Familie, steht die älteste Tochter Griet im Fokus.
Petra Schier hat mir dieser Mittelalter Saga eine große und treue Fangemeinde erworben, die sich fast in der Familie heimisch fühlt, aber auch Erstleser werden sofort in diese farbig und lebendig erzählte Geschichte eintauchen. Kriminal- Familien- Liebes- und Entwicklungsroman, alles kann man in diesem rund und spannend komponiertem Buch finden. Das Zunft- und Handelswesen einer mittelalterlichen Stadt hat die Autorin sorgfältig recherchiert und dieses Wissen fließt in die Handlung ein. Das hat mich unmittelbar in die geschilderte Zeit versetzt, auch wenn vor allem die Frauenfiguren fast zu modern und selbstbestimmt wirken. Der Roman ist so lebendig und unterhaltsam geschrieben, dass ich mich nur ungern aus Adelinas Familie verabschiede.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Provenzalischer Frühling

Provenzalische Intrige
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Als Pierre Durand sich von der Pariser Kriminalpolizei zur Police municipale in der Provence versetzen ließ, wollte er politischen Querelen und Intrigen entkommen. Nun nach einiger Zeit merkt er, dass ...

Als Pierre Durand sich von der Pariser Kriminalpolizei zur Police municipale in der Provence versetzen ließ, wollte er politischen Querelen und Intrigen entkommen. Nun nach einiger Zeit merkt er, dass ihm die Arbeit zwar Spaß macht, aber seine Befugnisse stark eingeschränkt, die Entlohnung miserabel und die Ausstattung der Polizeidienststelle armselig ist. Deshalb erwägt er eine Bewerbung zur Leiter der des Kommissariats, aber sein Mitbewerber ist nicht weniger qualifiziert.
Da wird Paulette Simonet tot in einem Seifensiedekessel gefunden. Paulette hat die kleine Manufaktur in wenigen Jahren an die Spitze gebracht. Ihre Nachhaltigkeitskonzept, ihr Beharren auf rein provenzalischen Naturprodukten hat ihr bei der Konkurrenz kein Wohlwollen eingebracht.
Ein Täter steht für die Kriminalpolizei schnell fest und Pierre Durand wird wieder sehr deutlich bewusst, dass ein uniformierter Polizist und seine Einwände und Ermittlungsansätze nicht viel zählen. Plötzlich steckt er wieder inmitten von Kompetenzgerangel, dem er ja entgehen wollte.
Außerdem belasten wieder Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse sein eh schon kompliziertes Verhältnis zu Charlotte, der begnadeten Köchin.
Der dritte Band um Pierre Durand ist wieder spannend arrangiert, die Schauplätze im Herz der Provence haben einen großen Wiedererkennungseffekt und ganz automatisch stellt sich beim Lesen der Duft des Lavendels und das Geräusch der Zikaden ein. Wie jedes Mal führt die Autorin den Spannungsbogen geschickt um die diversen Verdächtigen und Motive. Alles ist möglich und Pierre Durand lässt sich nicht von naheliegenden Indizien blenden.
Ein schöner, stimmungsvoller Krimi der wirklich Urlaubsgefühle aufkommen lässt. Wenn auch die Rahmenhandlung um Charlotte, die Renovierung seines Hauses und die Querelen mit seinem Chef, dem Bürgermeister, sich langsam erschöpft.