Profilbild von Bibliomarie

Bibliomarie

Lesejury Star
offline

Bibliomarie ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bibliomarie über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Bemerkenswertes Debüt

Die Zisternenleiche
0

Skandaljournalistin Simone Kundra gefunden, sie war offensichtlich einem Skandal auf der Spur. Es ging um Mauscheleien beim Autobahnbau. Aber so einfach ist es nicht, Simone Kundra hatte als Kind viele ...

Skandaljournalistin Simone Kundra gefunden, sie war offensichtlich einem Skandal auf der Spur. Es ging um Mauscheleien beim Autobahnbau. Aber so einfach ist es nicht, Simone Kundra hatte als Kind viele Jahre die Sommerferien im Ort verbracht, war als Jugendliche dort in einen tragischen Unfall mit Todesfolge verwickelt, der ihre Cousinen Lili und Helene Meister als Todfeindinnen zurückließ.
Frau Oberstleutnant Dr. Schamburek übernimmt die Ermittlungen. Die Dame ist genauso furchterregend wie ihre Titel, ihr Kleidungsgeschmack würde einem Kasperltheater alle Ehre machen und ihr Umgangston mit Untergebenen ist legendär. Eine Mistfuchtl eben, wie ihr Assistent Schaller konstatiert.
Das ist ein exzellenter Regionalkrimi, witzig, voll Situationskomik und skurriler Personen, aber er verliert sich nicht im Ulk. Es ein ernster und spannender Kriminalfall, den die Beamten bearbeiten. Gier, Hass und Rachsucht sind universell, hier werden sie aber durch die Enge einer Kleinstadt besonders deutlich. Manche Figuren wirken überzeichnet, einer Frau Oberst Dr. Schamburek möchte ich nicht gern begegnen, aber sie sind trotzdem nicht eindimensional dargestellt. Jeder Charakter hat Tiefe und ist menschlich. Es ist alles sehr realistisch, die Verflechtungen von Politik und Geld, Filz und Verwaltung finden sich schließlich überall und menschliche Tragödien sind nicht auf die Hauptstadt beschränkt.
Die Autorin findet einen prägnanten Ton, sie flicht Dialekt-und Regionalausdrücke ein, wo es passt, überzieht aber nie. Die Spannung bleibt das ganze Buch durch gleichbleibend hoch, auch wenn der Plot immer wieder einen Haken schlägt. Alte Rache oder neue Geschäfte, auch die Nähe zum alten Ostblock sollte man nicht außer Acht lassen, der Leser kann bis zum Schluss rätseln.
Mein Fazit: eine gute Entdeckung, ein Regionalkrimi nicht nur für Ösi-Fans, die sicher sofort hinter dem Ortsnamen Nadram die hübsche Stadt Weitra erkennen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Hat wieder Suchtpotential

Verschwörung im Zeughaus
0

Der Haushalt von Adelina und Neklas Burka kommt nicht zur Ruhe. An der Hintertür klopft der schwerverletzte Tilmann Greverode. Adelinas Bruder war einer Verschwörung auf die Spur gekommen und zusammen ...

Der Haushalt von Adelina und Neklas Burka kommt nicht zur Ruhe. An der Hintertür klopft der schwerverletzte Tilmann Greverode. Adelinas Bruder war einer Verschwörung auf die Spur gekommen und zusammen mit seinem Freund Claes von Dalen wollte der die Täter im Zeughaus stellen. Nun ist Claes tot, er selbst schwer verletzt und ihm soll Claes‘ Tod in die Schuhe geschoben werden.


Adelina fragt nicht lange, versteckt ihren Bruder in den geheimen Kellergewölben, Ludmilla, Chirurg Jupp helfen bei die Pflege und Adelina und ihre Gesellin Mira beginnen mit den Nachforschungen. Bei Mira nicht nur aus Gerechtigkeitssinn, längst ist ihre Abneigung gegen Tilmann einem anderen Gefühl gewichen.


Adelina und ihre Familie sind ja nun schon erfahren im Umgang mit den Bütteln und dem Vogt und wissen, wie schnell Vorurteile gefällt sind, gut das sie und vor allem Mira furchtlos und gewitzt selbst ermitteln.


Das Buch ist alles: ein spannender Krimi, eine temperamentvoll erzählte Liebesgeschichte und ein historischer Exkurs. Mir gefällt der unterhaltsame, dabei auch immer kenntnisreiche Erzählstil. Wieder gibt es eine spannende Zeitreise ins mittelalterliche Köln. Lebendig erzählt, erfährt man einiges über das Leben der Zeit. Die Mischung aus Geschichte und Krimi ist gelungen. Obwohl als Unterhaltungsroman konzipiert, finde ich die mittelalterlichen Beschreibungen sehr genau und gut recherchiert, sie vermitteln ein stimmiges Zeitbild.
Besonders gut gefallen mir die Frauenfiguren in Petra Schiers Büchern. Sie sind starke, selbstbewusste Frauen, oder zumindest auf dem Weg dahin.

Ich hoffe, dass es noch einige weitere Wiedersehen mit Adelina und ihrer Familie geben kann.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Einfach nur Liebe

Die vier Jahreszeiten des Sommers
0

Le Touquet, das in die Jahre gekommene Seebad der Pariser. 14. Juli1999 – der Zeitpunkt für den Nostradamus das Ende der Welt vorhersah. Vier Liebesgeschichten, die dort ihren Anfang nehmen, enden oder ...

Le Touquet, das in die Jahre gekommene Seebad der Pariser. 14. Juli1999 – der Zeitpunkt für den Nostradamus das Ende der Welt vorhersah. Vier Liebesgeschichten, die dort ihren Anfang nehmen, enden oder zerbrechen. Vier Paare, die sich nicht kennen, aber doch miteinander verbunden sind.


Mehr braucht der Autor nicht, um seine Leser für Stunden zu verzaubern. Vielleicht ist es ein Klischee, aber ich bin überzeugt, ein solches Buch kann nur ein Franzose schreiben. Es ist traurig und heiter, melancholisch und optimistisch zugleich. Dazu ist federleicht geschrieben, die Schicksale und ihre Protagonisten wirken wie impressionistisch hingetupft.


Ich will gar nichts über den Inhalt verraten, es geht um nichts Geringeres als die Liebe, die manchmal schmerzt und manchmal beglückt. Genauso habe ich das Buch gelesen, traurig und beglückt zugleich.


Der Atlantik Verlag, ein Imprint des Hoffmann & Campe Verlags, hat ein Händchen für französische Autoren, die man bei uns noch entdecken kann. Dazu kommt die sorgfältige Ausstattung der Bücher, ich habe schon mehrere Glückgriffe mit dem Verlag gemacht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Frauen mit Vergangenheit

Bühlerhöhe
0

Brigitte Glaser kann nicht nur Krimi! Mit „Bühlerhöhe“ hat sie einen Roman geschrieben, der spannend und realistisch ist, dabei auch Zeitgeschichte kenntnisreich und gut recherchiert vermittelt.


„ Die ...

Brigitte Glaser kann nicht nur Krimi! Mit „Bühlerhöhe“ hat sie einen Roman geschrieben, der spannend und realistisch ist, dabei auch Zeitgeschichte kenntnisreich und gut recherchiert vermittelt.


„ Die Weltgeschichte klopft bei jedem an, doch als Torwächter herrscht immer der Zufall.“


Das renommierte Hotel im Schwarzwald war Anfang der 50iger Jahre Urlaubsdomizil für Kanzler Adenauer, dort erholte er sich, traf aber auch immer wieder mit Politikern und Wirtschaftsbossen zusammen. Jetzt will er auch die letzten Zweifel für das Wiedergutmachungsgesetz ausräumen, die dem jungen Staat Israel finanzielle Entschädigung zusichert. Das passt nicht jedem, weder in der jungen Bundesrepublik, in der die Anschauungen der Nazi noch sehr lebendig sind, noch in Israel. Zwar ist der neu gegründete Staat Israel dringend auf die deutschen Gelder angewiesen, aber es gibt genug Israelis, die auf keinen Fall Blutgeld annehmen wollen. Der Mossad fürchtet ein Attentat auf Adenauer und damit das Scheitern des Gesetzes. Deshalb schickt er die junge Rosa Silbermann in den Schwarzwald. Rosa , eine junge überzeugte Kibbuznik, stammt aus Deutschland, kennt die Bühlerhöhe aus Kinderzeiten, ist also prädestiniert undercover eine Auge auf die Vorgänge zu haben.


In bin in unsere jüngere Vergangenheit eingetaucht, als ob ich dabei gewesen wäre. So lebendig und so nah ist mir Geschichte nicht oft gekommen. Sicher liegt es an am erzählerischen Talent von Brigitte Glaser und wie sie ihre Figuren entwickelt. Von der traumatisierten Schwarzwälder Bauerntochter, die die französischen Besatzer von ihrer übelsten Seite kennengelernt hat, bis hin zu Sophie Reisacher, die hartherzig und nur auf ihren Vorteil bedacht, jederzeit ihre Anschauung den Gegebenheiten anpasst. Dann Rosa Silbermann, Holocaustüberlebende, die in Israel ein neues Zuhause gefunden hat. Besonders die Frauenfiguren sind interessant und großartig dargestellt. Jede Figur ist plastisch und psychologisch vielschichtig beschrieben, fast bin ich versucht an echte Vorbilder zu glauben.
Ich bin begeistert, wie die Autorin die wahren Geschichten mit dem (fiktiven) Attentatsplan auf der Bühler Höhe verbindet und wie es ihr gelingt, die bundesdeutsche Stimmung der frühen Fünfziger Jahre einzufangen. Genau so lebendig wie sie die Aufbruchsstimmung des jungen Staates Israel schildert.


Dieses Buch habe ich in einem Zug gelesen und meine Fantasie lieferte mir fast kinoreife Bilder dazu, was sicher auch an der Sprache und dem Können von Brigitte Glaser liegt.


Veröffentlicht am 15.09.2016

En wunderbares Buch

Und damit fing es an
0

….. weil er er war, weil ich ich war. (Montaigne)

Jedes Buch von Rose Tremain ist für mich etwas Besonderes. Ihre Geschichten sind leise, oft von einer stillen Traurigkeit umhüllt, aber immer liebe-und ...

….. weil er er war, weil ich ich war. (Montaigne)

Jedes Buch von Rose Tremain ist für mich etwas Besonderes. Ihre Geschichten sind leise, oft von einer stillen Traurigkeit umhüllt, aber immer liebe-und hoffnungsvoll.
Ich kenne kaum eine andere Autorin, die es schafft mit wenigen Sätzen ein Leben, einen Charakter oder eine Situation lebendig werden zu lassen. Hier nur ein Satz, der das bestätigt: „………zaubert ein verstecktes Lächeln in das Vogelgesicht des Managers. Er sieht es gern, wenn Frauen sich bei schwerer Arbeit abmühen, es macht sie begehrenswert und gleichzeitig erbärmlich“. Hier sieht man den Charakter des Mannes schon allein durch diesen Satz bloßgelegt. Bei Rose Tremain genügen nur wenige Abschnitte und man taucht in das Leben der Protagonisten, steht an ihrer Seite, ob in Sympathie oder Abneigung.

Sehr gelungen fand ich auch die Schilderung der Schweiz in den Kriegs-und Nachkriegsjahren, der Makel der undurchlässigen Grenzen und die unterschwelligen Vorurteile der Schweizer Bürger und Behörden und den latent vorhandenen Antisemitismus.

Gustav wächst in der Schweiz späten 40iger Jahre heran, vom beginnenden Wohlstand ist bei ihm und der verbitterten Mutter nicht viel angekommen. Liebe und Geborgenheit sucht er bei Mutter Emilie Perle vergeblich, aber wie könnte sie ihm diese Gefühle geben, sie hat sie doch selbst nie erfahren, auch wenn sie sich bei Gustavs Vater kurze Zeit sich dieser Täuschung hingibt.

Dann gibt es den einen Augenblick im Leben Gustavs, der alles ändert: in der Vorschule wird ein weinender Junge zu ihm gesetzt, zwei kleine Außenseiter sollen sich gegenseitig stützen. Mit der Begegnung wird sich beginnt eine lebenslange Freundschaft.

Der erste Teil, der Gustavs Kindheit beschreibt ist melancholisch, aber der zweite Teil, der seinen Eltern gewidmet ist, ist tragisch. Beide suchen sie Liebe, aber sie finden sie nicht. Im Gegenteil, die Selbsttäuschung schlägt bei beiden Ehepartnern in Verachtung und Mitleid um. Der letzte Teil, schildert Anton und Gustav als Erwachsene, die beide an den seelischen Verletzungen ihrer Kindheit gewachsen sind.

Rose Tremain schildert ihre Geschichte mit unglaublicher Empathie für ihre Figuren, sie verurteilt sie nicht, sie ergreift keine Partei. Sie akzeptiert sie mit ihren Schwächen und Fehlern. Ihre Sprache ist feinsinnig, sensibel, nuanciert und reif. Obwohl es keine großen Ereignisse sind, die das Leben ihrer Hauptfiguren prägen, ist ein ganzer Kosmos von Schicksalen und Sehnsüchten enthalten. Dieses Buch lege ich nur ungern zur Seite, es lässt mich nicht so schnell los und die Geschichte klingt lange nach.
Für mich ist Rose Tremain eine der wichtigsten Stimmen der englischen Literatur und ich wünsche dem Buch viele begeisterte Leser.