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Veröffentlicht am 26.05.2020

Familiengeheimnisse

Die Lilienbraut
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Die junge Nellie Voss arbeitet in den 40iger Jahren als Bürohilfe beim angesehenen Parfümhersteller 4711, ein älterer sympathischer Mitarbeiter erkennt ihre feine Nase und ihr Gespür für Duftkompositionen. ...

Die junge Nellie Voss arbeitet in den 40iger Jahren als Bürohilfe beim angesehenen Parfümhersteller 4711, ein älterer sympathischer Mitarbeiter erkennt ihre feine Nase und ihr Gespür für Duftkompositionen. Privat leidet Nellie an ihrer großen, doch unerreichbaren Liebe. Ihre Familie wird in den Strudel der Kriegswirren gezogen und ganz besonders um ihren jüngeren Bruder Martin muss sie fürchten.

In der Gegenwart verschlägt es die junge Niederländerin Liv nach Ehrenfeld. Eine Erbschaft ihrer Tante Wimme war an die Bedingung geknüpft, dass sie nach Köln zieht. Liv hat ebenfalls eine Leidenschaft für Düfte und Aromen. Ihr Ziel, ein kleines Parfümgeschäft, in dem sie jeder Kundin den passenden Duft kreieren kann. In diesem jungen, lebendigen Stadtteil findet sie das passende Umfeld, obwohl nicht jeder sie mit Offenheit empfängt.

Ehrenfeld in den 40iger Jahren und in der Gegenwart. Das sind die Handlungseckpunkte des neuen Familienromans von Teresa Simon. Wie immer stehen Frauen im Mittelpunkt, die ihr mit innerer Kraft die Herausforderungen ihres Lebens meistern müssen.

Das ist die Stärke der Autorin: Vergangenheit und Gegenwart mit persönlichen Schicksalen zu in einer spannenden Geschichte zu verknüpfen. Ihre Beschreibungen sind sehr lebhaft und farbig und ihre Heldinnen werden sogleich zu Figuren, zu denen man eine besondere Beziehung aufbauen kann.

Es ist nicht der erste Roman der Autorin den ich lese und wie immer habe ich mich dabei sehr gut unterhalten gefühlt, auch wenn ihr routinierter Erzählstil mir schon sehr früh die Richtung der Geschichte weist. Teresa Simon schreibt einen sehr angenehmen und lockeren Stil, der leicht zu lesen ist. Dabei flicht sie auch viele interessante Details in die Handlung ein, hier zum Beispiel die Geschichte der Kölner Firmen 4711 und Farina und die Auswirkungen der Kriegszeit auf Köln.

Der Handlungsstrang der Gegenwart wird zu einer kleinen Liebeserklärung an den einstigen Arbeiterstadtteil Ehrenfeld, der heute jung, bunt und multikulturell ist. Das hat mir gut gefallen.

Kurz: Gelungene Unterhaltung

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Veröffentlicht am 26.05.2020

Ein Südtiroler Frauenleben

Ich bleibe hier
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Öfters bin ich schon via Reschenpass nach Italien gereist und der Kirchturm im See ist immer eine auffallende Landmarke. Ich werde in wohl in Zukunft nicht mehr mit gleichen Augen ansehen können. Es wird ...

Öfters bin ich schon via Reschenpass nach Italien gereist und der Kirchturm im See ist immer eine auffallende Landmarke. Ich werde in wohl in Zukunft nicht mehr mit gleichen Augen ansehen können. Es wird immer eine Erinnerung an das Schicksal der Grauner Dörfler damit verbunden bleiben.
Marco Balzano hat einen Roman geschrieben, der sich mit der jüngeren Geschichte Südtirols befasst. Es waren unruhige Jahrzehnte die das Land und die Bewohner nachhaltig geprägt haben. Der Autor berichtet aus der Sicht der Vinschgauerin Trina, die zusammen mit zwei Freundinnen das Lehrerseminar besucht.
Nun im Rückblick, in einem langen Brief an die verlorene Tochter, erzählt Trina von ihren Hoffnungen, zerstörten Träumen und fragilem Glück. Sie berichtet von der zwangsweisen Italienisierung, die ihr das Lehren verbietet, vom Ausweg in geheime Keller- und Heckenschulen, von der Verfolgung durch die Faschisten des Duce und gleich anschließend von den Schrecken des Nationalsozialismus, der bis nach Südtirol wirkte. Viele deutschsprachige Südtiroler glaubten an die Versprechungen und siedelten ins Deutsche Reich, wo sie sich willkommen fühlten. Die Zurückgebliebenen sahen sich dem Misstrauen der Administration ausgesetzt, ganz besonders während der Kriegsjahre. Und dann kamen die Staudammpläne und mit dem Wasser war der Untergang des Dorfes Graun besiegelt.
Vielleicht ist es grade die Form einer persönlichen Erzählung, die das Buch so unmittelbar macht. Die Sprache empfand ich als schlicht und dennoch sehr kunstvoll. Mich haben jedenfalls Trinas Erinnerungen in Bann geschlagen. Ganz ohne Schuldzuweisungen erzählt sie von einem exemplarischen Leben, das gleichzeitig ein Abbild der Jahrzehnte zwischen den Kriegen und der Nachkriegszeit ist. Da entstanden Wunden, die nur schwer heilen. Es sind auch die Wunden, die das Leben Trina zugefügt haben und nun als alte Frau kann sie davon berichten.
Mich hat dieser Roman sehr berührt und ich kann das Buch nur jedem empfehlen, der Südtirol als Urlaubsziel kennt und sich ein wenig mehr mit den Menschen und ihrer Heimat beschäftigen möchte.

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Veröffentlicht am 24.05.2020

Feuer auf St Agnes

Kalt flüstern die Wellen
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Die Scilly Inseln sind ein sehr abgelegenes Stückchen Cornwall und liegen am äußersten Rand Europas. Das Leben war dort immer hart und die Fischer verdienten mühsam ihr Brot. Diese Umstände haben die Insulaner ...

Die Scilly Inseln sind ein sehr abgelegenes Stückchen Cornwall und liegen am äußersten Rand Europas. Das Leben war dort immer hart und die Fischer verdienten mühsam ihr Brot. Diese Umstände haben die Insulaner zu einem besonderen Menschenschlag geformt und sie sind nicht einfach im Umgang. Das muss auch Ben Kitto feststellen, der zwar selbst aus einer alteingesessenen Familie stammt, aber lange auf dem Festland lebte. Nun hat ihn sein Beruf als Polizeibeamter zurückgebracht und auch ihm begegnen die Einwohner mit einer Portion Misstrauen.

Auf St. Agnes wurde die Leiche eines Bewohners gefunden. Offensichtlich gefoltert und anschließend verbrannt. Eine über den Leichnam geworfene Schaffelljacke führt zum „Vogelmann“, ein behinderter junger Mann, der nicht spricht und sich nur um verletzte Seevögel kümmert. Ein idealer Täter für ein vorschnelles Urteil. Doch Ben Kitto nimmt sich mehr Zeit hinter die Geheimnisse der Insel zu kommen. Unterschwellig scheinen die Bewohner einander misstrauisch zu beäugen, besonders Zugezogene, wie das Opfer Alex Rogan, der als Astronom sehr bekannt war oder die exzentrische Künstlerin Naomi Vine. Ben Kitto steht vor einem Rätsel, als auch er Drohungen in cornischer Sprache erhält.

Die Liste der Verdächtigen ist lang und nur nach und nach und mit großen Widerwillen lassen sich die Einheimischen hinter die Kulissen schauen.

Der Krimi wirkt düster, da trägt die Landschaft einen Teil bei. Stürme ziehen über die Inseln, der Fährverkehr ist unregelmäßig, Kitto meist nur allein oder mit seinem Mitarbeiter durch Sturm und Regen unterwegs. Die Autorin hat einen Reigen knorriger Charaktere geschaffen, die sehr gut in die Landschaft passen, die eigenbrötlerisch und verschlossen erscheinen. Auch die Figuren wirken düster. Motive für den Mord und die Drohungen sind bei vielen Protagonisten zu finden und nebenbei muss sich Kitto noch mit seinem Vorgesetzten herumschlagen, der per Telefon meist unsinnige Anweisungen gibt.

Nach und nach enthüllen sich Motiv und ein mörderisches Beziehungsgeflecht, der Spannungsbogen ist dadurch gleichmäßig hoch. Auch der Twist zur Auflösung ist raffiniert. Insgesamt ist der Krimi solide aufgebaut und variiert die Themen in klassischen Krimis: ein eng umgrenztes Gebiet durch Witterung von der Umwelt abgeschlossen, eine Gemeinschaft die ihre Geheimnisse gut hütet und ihrer Mitte der Mörder, der die Polizei herausfordert.

Das Ergebnis ist ein klassischer, solider Krimi mit viel Atmosphäre.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Die Zwei vom Bauhof

HEIßE NÄCHTE IN UNTERFILZBACH
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Sepp und Hansi vom Bauhof in Unterfilzbach bekommen wieder reichlich Arbeit. So hat der gutmütige Sepp sich breitschlagen lassen und hilft dem pensionierten Postboten Erwin, der sich einen Beinbruch zugezogen ...

Sepp und Hansi vom Bauhof in Unterfilzbach bekommen wieder reichlich Arbeit. So hat der gutmütige Sepp sich breitschlagen lassen und hilft dem pensionierten Postboten Erwin, der sich einen Beinbruch zugezogen hat, bei der täglichen Versorgung. Dass das allerdings fast in einen Vollzeitjob inclusive Renovierung ausartet, hat er nicht erwartet. Als Sepp Nachschub an Wandfarbe besorgt und Erwin eine halbe Stunde allein im Haus ist, gibt es eine gewaltige Explosion. Viel bleibt nicht übrig, weder vom Erwin, noch von seiner Immobilie. Ein Unfall – daran glauben Sepp und Hansi nicht, es bleibt nicht aus, sie müssen wieder ermitteln.

Aber das ist nicht die einzige Belastung, Dreharbeiten für einen Heimatfilm stehen an und der Bürgermeister flippt völlig aus. Unterfilzbach als Filmkulisse, vielleicht für einen Filmpreis prädestiniert, das ist doch die ideale Werbung für ihn. Da stellt er dem exaltierten Regisseur doch freudig alle Hilfsmittel zur Verfügung, der geplante Filmtitel „Die scharfe Fanny und der Förster“ ficht ihn nicht an. Aber der Sepp stellt sich störrisch, denn einer der Kameraleute scheint ihn gut zu kennen und da schießen die Gerüchte im Dorf gleich ins Kraut.

Auch wenn es in Unterfilzbach ganz besonders drunter und drüber geht, so hat die Autorin das Dorfleben schon genau studiert und eingefangen. Wenn sie für die entsprechende Situationskomik manchmal auch überzeichnet, so kenne ich einiges doch aus eigener Jugenderfahrung. „Was werden denn die Leut‘ sagen“ – diesen Spruch habe ich zur Genüge gehört.

Der Krimi ist einfach witzig, die Autorin hat ein ganzes Panoptikum an originellen Figuren geschaffen, die genau nach Niederbayern passen. Ihre Dialoge sind urkomisch, das Timing der Gags ist auf den Punkt gebracht und deshalb hat mir das Buch wieder unheimlich Spaß gemacht. Ich habe das mit einem Augenzwinkern gelesen und mich am Ideenreichtum von Eva Adam erfreut. Das ist leichte Unterhaltung, aber eben auch gekonnt geschrieben, denn grade Leichtigkeit muss man können.

Ich habe noch keinen Unterfilzbach-Krimi verpasst, aber jedes Buch ist ganz in sich abgeschlossen und man kann wirklich jederzeit einsteigen.

Die Krimikomödie hat handfesten bayerischen Charme und ist auch eine Hommage an die „Mannsbilder“ der Freiwilligen Feuerwehr.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Unglaublich spannend

Das Haus am Moor
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Das erste Kapitel wirft uns sofort in die Geschichte. Drei junge Leute proben eine Entführung, es soll alles wie am Schnürchen klappen. Kathrin scheint die Anführerin des Trios zu sein, schon nach wenigen ...

Das erste Kapitel wirft uns sofort in die Geschichte. Drei junge Leute proben eine Entführung, es soll alles wie am Schnürchen klappen. Kathrin scheint die Anführerin des Trios zu sein, schon nach wenigen Augenblicken wird ihre Abgebrühtheit klar.
Das Opfer der Entführung, die fast wie geplant über die Bühne geht, ist der 11jährige Theo, der im Rollstuhl sitzt. Der Vater ist ein reicher Küchenfabrikant. Nicht geplant war, dass das spanische Au Pair in der Nähe ist, kaltblütig ersticht Kathrin das junge Mädchen.
Eine zweite Perspektive erzählt das Geschehen aus Theos Sicht in der Gefangenschaft. Aber er ist nicht allein. Ein unglaublicher Zufall führt zwei Ausreißerinnen in das abgelegene Haus am Moor, eine von ihnen, Jana, kann sich unbemerkt in einer Abseite von Theos Kammer verstecken.
Die dritte Perspektive betrifft die Entführer selbst, die beiden junger Männer werden immer unsicherer, je weiter sich die Situation verschärft, nur Kathrin bleibt kaltblütig.
HK Lyn Harms von der Kripo Itzehoe übernimmt den Fall und ist damit Ansprechpartnerin der Familie, in der seltsame Spannungen herrschen. Die zweite Frau Fahrenkrug war am Unfall beteiligt, der Theo in den Rollstuhl brachte. Theos Bruder scheint seine Stiefmutter mehr als üblich zu verehren.
Während die Zeit nach der Lösegeldforderung immer schneller verrinnt und Lyn unter Zugzwang gerät, kristallisiert sich immer mehr heraus, das die Entführer über detaillierte Informationen aus der Familie verfügen. Zu detailreich und viel zu aktuell für Lyns Geschmack.
Das war ein Krimi zum Nägelknabbern! Unglaubliches Tempo legt Heike Denzau vor und durch die Perspektivwechsel wird das noch verschärft. Die Spannung war von Anfang an sehr hoch, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie sich bis zum Ende noch steigern kann.
Ganz besonders gefiel mir die Beschreibung der Kommissarin, Lyn Harms ist eine moderne berufstätige Frau, gerade erst aus der Elternzeit zurück. Sie lebt mit ihrem Mann in einer Patchworkfamilie. All das fließt in mit in das Buch ein und macht Lyn zu einem starken, prägenden Charakter in diesem Buch. Das findet man viel zu selten in Kriminalromanen, dass den Ermittlern, besonders den weiblichen, eine ganz realistische und moderne Rolle zugestanden wird.
Mit dem neuen Krimi vom Lyn Harms hat Heike Denzau wieder ein Meisterstück geliefert. Atemberaubend spannend und ein raffiniert ausgedachter Plot. Chapeau!

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