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Veröffentlicht am 04.11.2019

Heiße Maroni

Maronizeit
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Major Spazierer und sein Chef, der Oberst Draxler von der Dienststelle Graz werden zu einem makabren „Unfall“ gerufen. Damit wird die ereignislose Zeit endlich unterbrochen. Der Maronimann Johann Steirer, ...

Major Spazierer und sein Chef, der Oberst Draxler von der Dienststelle Graz werden zu einem makabren „Unfall“ gerufen. Damit wird die ereignislose Zeit endlich unterbrochen. Der Maronimann Johann Steirer, dem Alkohol immer zugeneigt, ist kopfüber in seinen Maroniofen gestürzt und viel mehr als sein außerordentlich schönes Gebiss ist nicht von seinem Gesicht geblieben.
Doch bald ist klar, bei Steirer wurde nachgeholfen und Spazierer macht sich so seine Gedanken, die nach einem zweiten ungeklärten Todesfall konkreter werden.
Pesecs Steiermark Krimis leben von ihrem ganz eigenen Tonfall. Österreichischer Schmäh und ein makabrer Humor sind seine Markenzeichen. Auch seine Protagonisten sind Originale. Die junge Assistentin Hilde Ranner liebt mikrokurze Miniröcke oder Leder-Latex-Kombinationen, damit stürzt sie Kollegen Spazierer in große Verlegenheit, wo doch ausgerechnet jetzt Freundin Karin bei einer Verwandten weilt. Er kann sich Ranners Avancen kaum erwehren und auch Oberst Draxler hat Probleme seine Mitarbeiterin im Zaum zu halten.
Mir ist das jetzt allerdings in diesem Band etwas zu viel geworden. Ich kann Draxlers Probleme mit den Endprodukten seines Stoffwechsels nicht dauernd lustig finden, das nutzt sich langsam ab. Hilde agiert übergriffig und Draxlers Einschätzung der jungen Kollegin eindeutig. Der Schmäh ist mir dabei einfach zu derb ausgefallen. Lediglich Major Spazierer ist so witzig und urig, wie ich es mag.
Die Handlungsidee ist aber wirklich originell und bis zum großen Finale auch schlüssig erzählt, das steirische Lokalkolorit ist ein großes Plus. Aber das Buch hat mir nicht so gut gefallen wie der Vorläuferband „Schwammerlsaison“.
Ich runde auf 3 Sterne auf

Veröffentlicht am 01.11.2019

Das Mädchen im Koffer

Moses und das Mädchen im Koffer
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Stefan Moses ist Kriminalkommissar bei der Hamburger Polizei. Er stammt aus einer vermögenden alteingesessenen Reeder Familie und doch ist er etwas anders. Denn er ist als kleines Kind allein aus Afrika ...

Stefan Moses ist Kriminalkommissar bei der Hamburger Polizei. Er stammt aus einer vermögenden alteingesessenen Reeder Familie und doch ist er etwas anders. Denn er ist als kleines Kind allein aus Afrika gekommen und wurde adoptiert. Seine frühkindlichen traumatischen Erlebnisse von Flucht und dem wochenlangen Aufenthalt im Bauch eines Containerschiffs verfolgen ihn noch heute. Aber Schwäche lässt er nicht zu und er reagiert unwirsch, wenn ihn seine Freundin auf seine Alpträume anspricht.

In dieser angespannten Situation kommt ein grausiger Fall auf ihn zu. Aus einem angeschwemmten Überseekoffer wird eine Mädchenleiche geborgen, geschminkt und gekleidet wie eine kleine Prinzessinnenpuppe.

Gleichzeitig wird ein weiteres Mädchen vermisst. Aber es gibt keine Gemeinsamkeiten, keine Verbindungen. Moses und sein Team arbeiten auf Höchsttouren, doch die Zeit ist gegen sie. Vor allem weil es keine Spuren zu geben scheint, bis ein kleiner Hinweis Moses auf eine Idee bringt.

Sehr spannend ist die Suche nach den kleinsten Hinweisen und wenn auch die Polizeiarbeit nicht immer ganz realistisch geschildert ist, wird der Spannungsbogen hochgehalten und steigert sich bis zum Ende noch einmal.

Das ist bereits der zweite Fall für Stefan Moses und die Figur hat mit all ihren kleinen Ecken und Kanten viel Potential. Auch wenn der Aufbau der Geschichte recht konventionell ist und auch die Nebenhandlungen nicht unbedingt originell sind. So gibt es natürlich eine kapriziöse Freundin, die nicht immer Verständnis hat, wenn Moses fast Tag und Nacht durcharbeitet und alles um sich herum seiner Arbeit unterordnet. Die Assistentin Helwig ist als kompletter Gegenentwurf gezeichnet. Sie kommt aus prekären Verhältnissen, ist von Kinderheim und Jugendamt geprägt und schießt schon mal übers Ziel hinaus. Zwischen dem vermögenden, großbürgerlich geprägten Moses und ihr knallt es schon mal.

Der Krimi hat mich gut unterhalten, die Sprache ist gut zu lesen und es wird farbig und temporeich erzählt. Besonders gespannt ist der Leser natürlich auf Moses Vergangenheit und das lässt mich schon neugierig auf den nächsten Band warten.

Veröffentlicht am 30.10.2019

Zweiter Fall für Helle Jespers

Helle und die kalte Hand
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Es ist ein regnerischer Herbst in Skagen. Helle Jespers kann sich kaum noch an einen trockenen Tag erinnern. Der viele Regen hat eine Wanderdüne ins Rutschen gebracht und eine Frauenleiche freigeben. Es ...

Es ist ein regnerischer Herbst in Skagen. Helle Jespers kann sich kaum noch an einen trockenen Tag erinnern. Der viele Regen hat eine Wanderdüne ins Rutschen gebracht und eine Frauenleiche freigeben. Es handelt sich um eine junge südostasiatische Frau ohne Papiere, die anscheinend nicht vermisst wurde. Doch der Leichnam ist unter dem Sand gut erhalten geblieben und eine Phantomzeichnung führt bald zu einer heißen Spur.

Allerdings scheinen Mitglieder der dänischen Nationalpartei damit zu tun zu haben und damit bekommt der Fall eine politische Dimension. Denn die neuen Rechten, die gegen Einwanderung und Flüchtlinge und offene Grenzen wettern, haben
eine eigene Auffassung von Recht und Ordnung.

Helle Jespers, die nicht mehr ganz junge und nicht mehr schlanke Ermittlerin aus Skagen hat bereits mit ihrem ersten Fall (Helle und der Tote im Tivoli) überzeugt. Mit Spannung erwartete ich den zweiten Band und wurde auch hier nicht enttäuscht. Die Handlung überzeugt durch einen komplexen Kriminalfall, der überaus realistisch und aktuell ist. Arbeitssklaven aus Drittweltländern, die von skrupellosen Schleusern ins Land geschmuggelt und ausgebeutet werden – das ist inzwischen Realität in Europa. Mir gefiel, wie die Autorin hier Haltung zeigt.
Ein Gegengewicht bildet das Privatleben von Helle, die immer wieder von ihrem Mann Bengt aufgefangen und bekocht wird. Zwar hat auch sie genügend Stress und wird von Hitzewallungen geplagt, aber endlich wird mal das Stereotyp vom ausgebrannten und kaputten Polizisten beiseite gelassen.

Auch die anderen Figuren sind von der Autorin gut in Szene gesetzt. Amira, die Computerspezialistin mit Migrationshintergrund ist eine sympathische Frau und Freundin für Helle geworden. Wie überhaupt das Klima in der Polizeistation ziemlich ausgeglichen und freundschaftlich ist. Vielleicht liegt es am in Dänemark gebräuchlichen „Du“ für jedermann. Lediglich der alte Stationschef und Mentor von Ingvar darf ab und an ein wenig grummeln.

Mir hat dieser Krimi wieder gut gefallen, Spannung und Gesellschaftskritik haben hier eine gute Mischung ergeben. Judith Arendt hat einen flüssig und fesselnd zu lesenden Kriminalroman geschrieben, den ich gerne empfehle.

Veröffentlicht am 29.10.2019

Tod im Narcisse

Dunkle Nächte auf Montmartre
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Quentin Belbasse ist Musiker und lebt schon sein ganzes Leben auf dem Montmartre. Er ist mit dem Viertel verwurzelt. Es ist heiß in Paris, die Nächte glühen und Quentin mag sich nach einer durchgemachten ...

Quentin Belbasse ist Musiker und lebt schon sein ganzes Leben auf dem Montmartre. Er ist mit dem Viertel verwurzelt. Es ist heiß in Paris, die Nächte glühen und Quentin mag sich nach einer durchgemachten Nacht gar nicht rühren, als ihn ein Anruf erreicht. Im Cabaret seines alten, väterlichen Freunds Moulin wurde eine Tote gefunden. Zuerst dachte man, es wäre Daphne, eine Künstlerin des Cabarets, doch es ist eine Fremde, nur genauso geschminkt und angezogen wie sie.
Moulin gerät – nicht zuletzt wegen seiner bewegten Jugendjahre – sofort unter Verdacht und bittet Quentin um Hilfe.
Der stürzt sich dann auch sofort in die Ermittlungen. Da er das Viertel und vor allem seine Bewohner wie seine Westentasche kennt und er dort auch bekannt wie ein bunter Hund ist, gelingt es ihm tatsächlich einiges mehr zu erfahren als die Polizei.
Paris als Krimi-Hintergrund, da kann ja eigentlich nichts schiefgehen, auch wenn der Krimi mich nicht überzeugen konnte, ist die Stadt mit ihrem Flair immer das Lesen wert. Ich wunderte mich, wie ein Neuling sofort in Ermittlungen einsteigt, von der Polizei einigermaßen toleriert wird, bis selbst der ältere Ermittler ihm Respekt für seine Erfolge zollt und die Andeutung einer Freundschaft entsteht. Wie Quentin selbstverständlich die Todesnachricht an die Eltern des Opfers übermittelt, ehe er die Anschrift der Polizei weitergibt. Auch das hat keine Folgen für ihn.
Belbasse und seine exzentrische Mutter, die Künstlerin Rosa Kontrapunkt, sind zwei außergewöhnliche Figuren und trotz der Beschreibungen fand ich sie blass geschildert. Das hat mich auch am Sprachstil des Autorenpaars Bertina Henrichs und Philippe Vauvillé gestört. Er wirkt gesucht und affektiert und hat mich nicht richtig angesprochen.
Es gibt eben Bücher, da merkt man bald, dass man nicht zueinander findet. So ist es mir hier gegangen.

Veröffentlicht am 27.10.2019

Den Autormuss man sich merken

Wisting und der Tag der Vermissten
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Jedes Jahr nimmt sich William Wisting einige Kartons mit den Unterlagen zum Vermisstenfall Katharina Haugen vor. Er konnte diesen Fall nie auflösen und er fühlt sich für ihn wie ein Stachel an, der immer ...

Jedes Jahr nimmt sich William Wisting einige Kartons mit den Unterlagen zum Vermisstenfall Katharina Haugen vor. Er konnte diesen Fall nie auflösen und er fühlt sich für ihn wie ein Stachel an, der immer wieder in die Haut bohrt. Zum Ehemann Martin Haugen, der auch als Verdächtiger galt, hat er im Lauf der Jahre ein besonderes, fast freundschaftliches Verhältnis aufgebaut, obwohl sich Wisting sicher ist, dass Haugen etwas vor ihm verbirgt. Man sieht sich hin und wieder und der Jahrestag des Verschwindens von Katharina hat sich als Treffen eingebürgert.

Doch dieses Jahr kommt eine neue Dynamik in den Fall. Adrian Stiller, ein junger, sehr ehrgeiziger Kommissar, der eine EU Einheit zu Cold Cases leitet, hat eine neue Spur entdeckt. Fingerabdrücke aus einem nie geklärten Entführungsfall, die erst jetzt im Rahmen der fortschreitenden Technik Martin Haugen zugeordnet werden können. Stiller bezieht auch die Presse mit ein, ganz gezielt wählt er Wistings Tochter Line aus, die freiberufliche Journalistin arbeitet.

Ein Krimi, der eigentlich ganz unspektakulär daher kommt, aber einen unglaublichen Sog entwickelt. Die Polizeiarbeit wird in ihrer Kleinteiligkeit durchaus realistisch geschildert, ist aber dabei überhaupt nie langatmig. Eine besondere Faszination übten die Protagonisten auf mich aus. Der Autor hat zwei ganz gegensätzliche Ermittler beschrieben. Wisting, als älterer, abgeklärter Ermittler, der sich in seine Gegenüber hineinversetzen kann und auch auf kleinste Regungen in Mimik und Sprache achtet und deuten kann. Stiller ist eher das Gegenteil, ein auf Erfolg geeichter Ermittler, der mit Manipulation und Provokation zu seinem Ziel kommen möchte. Das sind zwei Generationen und zwei Charaktere mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

Der Leser lernt die Protagonisten aus verschiedenen Perspektiven kennen und kommt deshalb auch dem Geschehen sehr nah. Besonders intensiv empfand ich die Gespräche zwischen Wisting und Haugen, die um das Verschwinden Katharinas kreisen und in den vieles unausgesprochen bleibt, aber jeder Satz, jede Geste eine ganz besondere Bedeutung haben.

Das Buch entspricht genau den Erwartungen, die ich an einen intelligenten Krimi habe und hat mir deshalb auch ausgesprochen gut gefallen. Dass ich schon sehr früh ahnte, wohin Wisting Martin Haugen steuerte, war das Ende keine Überraschung, aber völlig schlüssig gelöst.

Das ist ein Autor, den ich im Auge behalten werde und auf dessen andere Bücher ich schon sehr gespannt bin.