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Veröffentlicht am 01.10.2019

Möwen und Muffins

Inselrache. Ostfrieslandkrimi
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Gretje Blom ist eine agile ältere Dame mit einem ausgesprochenen Talent für Kriminalfälle. In den Dünen der Insel Norderey stolpert ausgerechnet sie über einen toten Mann. Offensichtlich hat er ein tödliches ...

Gretje Blom ist eine agile ältere Dame mit einem ausgesprochenen Talent für Kriminalfälle. In den Dünen der Insel Norderey stolpert ausgerechnet sie über einen toten Mann. Offensichtlich hat er ein tödliches Picknick gemacht, eine leere Champagneflasche und Krümel und Reste eines Muffins zeugen davon. Auch eine tote Möwe scheint zu viel von den Krümeln genascht zu haben. Beim Toten findet Gretje einen Umschlag mit sehr viel Geld, was sie gleich misstrauisch macht. Als der herbei gerufene Arzt den üblichen Herztod diagnostiziert und die tote Möwe lässig mit dem Schuh mit Sand bedeckt, ist Gretje erst mal baff.


Gretje, zur Zeit bei Freunden in der „Frieserose“ lässt der Fund keine Ruhe. Mit dem wortkargen Piet, dessen Beitrag zu Dialogen meist nur aus „Jau“ besteht und Jan, dem Dorfpolizisten zur Unterstützung macht sie sich auf Spuren- und Motivsuche. Dass sie dabei nebenbei noch das eine oder andere Geheimnis lüftet, bleibt nicht aus.


Die kleine Geschichte firmiert als Krimi, aber ich fand es eher eine nette und harmlose Inselgeschichte. So echte Spannung wollte eigentlich nicht aufkommen. Der Sprachstil ist recht einfach, kurze Sätze, kleine, eher umgangssprachliche Dialoge und ein bisschen Inselflair. Die Figuren sind ein wenig stereotyp, aber durchaus sympathisch gezeichnet, auch wenn ihre Handlungen weniger der Logik, als der Handlung verpflichtet sind.


Man kann das gut lesen und hat für einige Stunden auch eine nettes Strandkorbvergnügen. Ein unterhaltsamer Regionalkrimi, der sich allerdings nicht aus der Masse hervorheben kann.

Veröffentlicht am 29.09.2019

Dame Edith

Die Dame hinter dem Vorhang
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Die Dichterin Edith Sitwell war ihrer Zeit voraus. Vielleicht wurde sie deshalb von ihren Zeitgenossen teils belächelt, teils abgelehnt. Ihre Bedeutung als Lyrikerin wurde spät erkannt, als Exzentrikerin ...

Die Dichterin Edith Sitwell war ihrer Zeit voraus. Vielleicht wurde sie deshalb von ihren Zeitgenossen teils belächelt, teils abgelehnt. Ihre Bedeutung als Lyrikerin wurde spät erkannt, als Exzentrikerin hat sie zusammen mit ihren Brüdern, schon bald Ruhm erlangt. Edith, groß gewachsen und mit ausgeprägten, herben Gesichtszügen hatte keine schöne Kindheit. Vom Vater in eine Art Eisenkorsett gezwungen, sollte so ihr Wachstum gestoppt und ihre Nase begradigt werden. Der Heiratsmarkt war gnadenlos.
Veronika Peters erzählt die Geschichte dieser außergewöhnlichen Frau mit einem Kunstgriff. Sie lässt mit Jane Bannister, die Dienerin und langjährige Vertraute zu Wort kommen und ihre Erinnerungen an Edith und ihre Künstlerfreunde lebendig werden.
Ich kenne einige Biografien dieser sperrigen Künstlerin, aber der Roman, der sich Freiheiten in Atmosphäre und Motiven nehmen kann, hat mir eine neue Perspektive eröffnet. Veronika Peters hält sich dabei dicht an die Ereignisse der Epoche, an Begebenheiten, die aus Briefen und Tagebüchern bekannt sind, haucht ihnen aber ein besonders bildhaftes Leben ein.
Durch die Kunstfigur der Jane Bannister eröffnet sich ein ganz besonderer Blick. Das England in den 20iger bis 40iger Jahre des letzten Jahrhunderts war noch fest im Standesdenken verwurzelt, wenn es auch schon langsam brüchig zu werden begann. Der Adel genoss seine besonderen Privilegien und auch wenn Jane zur lebenslangen Freundin von Edith werden sollte, blieb sie doch immer Dienerin, die ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen hatte. Das hätte am wenigsten Jane in Frage gestellt, hat doch schon ihr Großvater und ihre Mutter lebenslang der Familie gedient. Dieses Zeitbild als Hintergrund wurde farbig gezeichnet hat mir sehr gut gefallen.
Was der Titel verspricht hat die Autorin wahr gemacht. Ein Blick auf die Frau, die sich immer hinter dem Vorhang der Exzentrik verborgen hat und deren Denken und Fühlen lebendig wurde.

Veröffentlicht am 28.09.2019

Tödliche Stille

Still - Chronik eines Mörders
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Thomas Raab, Schriftsteller, Mathematiker, Musiker ist einem großen Lesepublikum durch seine Kriminalromane um den Wiener Möbelrestaurator Willibald Metzger bekannt. Jedes seiner Bücher hatte Bestsellerstatus.

Nun ...

Thomas Raab, Schriftsteller, Mathematiker, Musiker ist einem großen Lesepublikum durch seine Kriminalromane um den Wiener Möbelrestaurator Willibald Metzger bekannt. Jedes seiner Bücher hatte Bestsellerstatus.

Nun überrascht Raab mit einem Roman, der seine ganze Kunst offenbart.
Mit diesem Buch hat er sich an die vorderste Linie der österreichischen Literatur geschrieben. Ich möchte „Still“ in eine Linie mit „Schlafes Bruder“ stellen, so sehr war ich von den Personen und vor allem vom Schicksal des Außenseiters Karl beeindruckt. Karl wird in die engstirnige, düstere österreichische Provinz geboren. Seine Eltern, Charlotte und Johannes, durch Äußerlichkeiten zu Außenseitern gestempelt, finden zueinander und aneinander Halt. Karl, das Baby, ist ein ersehntes Wunschkind. Doch Karl wehrt sich gegen die Welt, er schreit seit der ersten Lebensstunde, nur unterbrochen vom Erschöpfungsschlaf. Charlotte zerbricht an ihrem Anspruch dieses Kind zu lieben. Ruhe findet Karl nur in absoluter Stille. Sein Gehör ist überaus empfindsam, Stimmen und Geräusche peinigen ihn. Sein Vater baut ihm eine schallisolierte Zuflucht im Kellergeschoss. Doch die Familie findet nicht mehr zueinander. Karl wächst zu einem übergewichtigen, genial intelligentem, aber auch monströsem Menschenkind heran, das immer auf der Suche nach der erlösenden, allumfassenden Stille ist. Diese Stille findet er endlich im Augenblick des Todes.
Thomas Raab hat seinen Roman in drei Teile gegliedert, die er mit Glauben – Liebe – Hoffnung überschreibt. Die Hoffnung auf Erlösung bleibt Karl, bis sich der Kreis seines Lebens schließt.
Beeindruckend ist die Sprache mit der das Buch erzählt ist, es wirkt kühl, distanziert, doch man kann sich diesem Roman nicht entziehen. Er bleibt im Kopf, auch nach der Lektüre ist man mit diesem Buch noch lange nicht fertig.
Gut gefallen hat mir auch die Ausstattung, das Titelbild ist gelungen. Schon allein im Schriftzug ist mit der Gestaltung des Buchstabens „T“ , die endgültige Stille angedeutet.

Veröffentlicht am 28.09.2019

Lügen und Geheimnisse

Lügentanz
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Michaelas Welt scheint aus den Fugen zu geraten. Immer häufiger ist sie sich nicht sicher, ob ihre Wahrnehmungen real sind, oder nur in ihrem Kopf. Oft weiß sie nicht mehr, was in den letzten Stunden war ...

Michaelas Welt scheint aus den Fugen zu geraten. Immer häufiger ist sie sich nicht sicher, ob ihre Wahrnehmungen real sind, oder nur in ihrem Kopf. Oft weiß sie nicht mehr, was in den letzten Stunden war und was sie in der Zwischenzeit getan hat. Sie sorgt sich, merkt das ihre Umwelt sich langsam über sie wundert, ja sie sogar für gestört hält. Vor allem belastet ihr Zustand auch ihren Mann und ihre Tochter.
Bea ist die beste Freundin von Michaela, sie ist immer für sie da und steht ihr mit Rat und Tat zur Seite, seit sie sich im Kindesalter im Kinderheim kennenlernten. Michaela hat bei einem Unfall ihre Eltern verloren und sie ist froh, dass sich Bea wie eine ältere Schwester ihrer annimmt.

Lena ist die dritte Hauptfigur in diesem Spiel, auch sie ein Mensch, dem im Leben Zuneigung und Liebe fehlten, alle 3 Frauen tragen das Geheimnis ihrer Kindheit tief in ihrem Inneren verborgen, doch als sich die Wege der Drei kreuzen, kommt es zu einer Kettenreaktion, die keinen Stein auf dem anderen lassen.

Drei Frauen, drei Schicksale, drei Wahrheiten. Mit jedem Perspektivwechsel spinnt die Autorin das Netz aus Lügen dichter. Man muss als Leser schon sehr aufmerksam sein, um die feinen Hinweise und Brüche in den Geschichten zu entschlüsseln.
Es braucht keine Gewalt, kein Blut um einen subtilen Thriller zu schreiben, der Autorin gelingt es dies ganz ausgezeichnet.

Suspense pur !

Veröffentlicht am 28.09.2019

Der Scherbenbaum

Der Geschmack unseres Lebens
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Ella ist 5 Jahre alt, als sie ihre Mutter verliert, in ihrer Erinnerung bleibt sie lebendig, der Duft von Kuchen und Schokolade ist untrennbar mit ihr verbunden. Jahre später stirbt ihr Vater, ihre geplante ...

Ella ist 5 Jahre alt, als sie ihre Mutter verliert, in ihrer Erinnerung bleibt sie lebendig, der Duft von Kuchen und Schokolade ist untrennbar mit ihr verbunden. Jahre später stirbt ihr Vater, ihre geplante Heirat ist geplatzt, weil sie den Vater in der letzten Zeit pflegte und deshalb nicht mit ihrem Verlobten in die USA gehen konnte. Sie zieht die Zwillinge allein auf. Auch ihr Bruder hat die Familie verlassen, nach einem Zerwürfnis mit dem Vater ging er zum Militär und kehrt auch danach nicht mehr in die Heimat zurück. Ella konnte die hochverschuldete Haselnussplantage nicht mehr halten, mit Wehmut geht sie einen neuen Schritt und eröffnet im nahegelegenen Alba eine Chocolaterie, ein kleines Juwel für das sie auf die alten Rezepte ihrer Mutter zurückgreift.

Doch die Vergangenheit ist noch nicht abgeschlossen, Ella muss sich einem Familiengeheimnis stellen.

„Der Geschmack unseres Lebens“ ist ein wunderschöner, einfühlsamer Frauenroman. Die Autorin lässt ihre Leserinnen tief in die Seele ihrer Protagonisten blicken und nimmt sie damit gleich von Anfang an gefangen. Viele kleine Rückblenden führen – Erinnerungen gleich – in die Vergangenheit und Schicht für Schicht enthüllen sich die Geheimnisse und die Ereignisse von früher. Das ist alles sehr emotional erzählt, die Geschichte bleibt dabei anmutig und zauberhaft und punktet mit einer wunderbaren Landschaft - das Piemont. Mit allen Sinnen will der Roman seine Leserinnen ansprechen und man spürt die Düfte und den Geschmack von Nüssen, Schokolade und Trüffeln.

Kleine Nebenhandlungen in Gegenwart und Vergangenheit runden das Handlungsgerüst ab. Der Fund von alten Briefen einer historischen, unglücklichen Liebesgeschichte oder die aufkeimende Zuneigung von Andrea und Mahesh, die viele Hindernisse überwinden müssen oder die zauberhafte Altersliebe von Sophia und Salvatore, alles zusammen macht diesen Roman rund und lesenswert.


Meine Empfehlung: lasst Euch ins Piemont entführen