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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.04.2019

Die erste Liebe

Der Sommer mit Pauline
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Émile hat sich verliebt. Pauline ist sehr hübsch, charmant und sie schwärmt für Tennis und Filme genau wie er. Für Émile ist diese erste Liebe wie ein Traum, auch wenn Pauline aus einer ganz anderen Gesellschaftsschicht ...

Émile hat sich verliebt. Pauline ist sehr hübsch, charmant und sie schwärmt für Tennis und Filme genau wie er. Für Émile ist diese erste Liebe wie ein Traum, auch wenn Pauline aus einer ganz anderen Gesellschaftsschicht stammt. Während er mit seiner schrägen Familie in einem Wohnwagen lebt, bis es endlich zum Hausbau reicht, wohnt Pauline in einer eleganten Villa. Dann lädt Pauline ihn nach Venedig ein, dort hat sie mit ihrem Jugendorchester einen Auftritt. Èmiles Freude bekommt einen jähen Dämpfer, als seine Eltern und sein älterer Bruder beschließen mitzufahren und im Wohnwagen Urlaub zu machen.


Es gibt Situationen, da sind einem Jugendlichen die Eltern einfach nur peinlich, auch wenn man sie von Herzen liebt. Und Èmiles Eltern bieten jede Menge Anlass für peinliche Augenblicke. Da ist sein Vater, ein Vertreter und sein aufgesetzter Verkäuferoptimismus, und seine Mutter, die bequeme, zur Schlampigkeit neigende Kleidung liebt und aus unerfindlichen Gründen darauf besteht Èmiles Haare regelmäßig zu blondieren. So gerät die Reise naturgemäß zu einem Desaster für den Jungen. Aber das Gefühl, zum ersten Mal verliebt zu sein, kann ihm niemand mehr nehmen.


Die Geschichte ist liebenswert und warmherzig, durchzogen von einer bittersüßen Melancholie und immer wieder aufgelockert durch irrwitzige Situationskomik. Sicher will der Autor junge Erwachsene ansprechen, aber ich denke eher, dass es LeserInnen anspricht, die sich wehmütig an ihre eigene Jugendzeit erinnern.


Es wird mit dem Satz beworben „Der Buchhändlerliebling aus Frankreich“. Das kann ich mir gut vorstellen und passt auch zu meiner Einschätzung. Ein zauberhafter kleiner Roman, typisch französisch, da werden auch Enttäuschungen mit Esprit beschrieben. Eine schöne, melodische Sprache macht diesen Roman sehr charmant und sommerlich leicht.

Veröffentlicht am 19.04.2019

Kochkunst und Mord

Versuchung à la Provence
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Pascal Chevrier hat genug vom anstrengenden Leben eines Pariser Polizisten und ließ sich in den Luberon versetzen. In diesem schönen Landstrich der Provence will er zur Ruhe kommen, seine gescheiterte ...

Pascal Chevrier hat genug vom anstrengenden Leben eines Pariser Polizisten und ließ sich in den Luberon versetzen. In diesem schönen Landstrich der Provence will er zur Ruhe kommen, seine gescheiterte Ehe verarbeiten und die schönen Dinge des Lebens genießen. Dafür nimmt er auch eine ländliche Dienststelle und einen geringeren Dienstgrad in Kauf. Doch viel Ruhe ist ihm nicht vergönnt. In einigen angesehen Sternerestaurants werden menschliche Finger in der Fleischlieferung gefunden. Ein Horror für die Küchenchefs und die Gourmetszene. Pascal findet schnell heraus, dass alle betroffenen Köche einer Bruderschaft angehören, die die Reinheit der französischen Küchenkunst verteidigt. Keine modernen Spielereien und nur das auf den Tisch, was es schon im Mittelalter gab .Im Gegensatz dazu steht eine Gruppe radikaler Tierschützer, die auf das Leid bei der Tierhaltung und der Mast hinweisen.


Zwischen Landschaft und Kochkunst bewegt sich diese hübsche Kriminalkomödie und man merkt dem Buch an, dass auch der Autor diese beiden Themen liebt und sich bestens auskennt. Gerade die Ausflüge in die Geschichte der klassischen Kochkunst haben mir gefallen. Da ich auch die Gegend kenne, war es wie ein Wiedersehen mit Orten und Landschaft. Da ging mir doch gleich das Herz auf.
Pascal Chevrier ist eine sympathische Ermittlerfigur, auch mal von Unsicherheit und Zweifel geplagt, aber immer mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Er lässt sich auch von seinem despotischen Vorgesetzen, dem cholerischen Bürgermeister des kleinen Örtchens nicht unter Druck setzen.


Der Krimi selbst ist ein wenig durchschaubar, der Plot ist übersichtlich aufgebaut und auch die Spannung steht hinter der Provence Atmosphäre zurück. Vielleicht liegt es auch daran, dass die ich die Bösen gleich am unangenehmen Erscheinungsbild erkannte, jedenfalls war mir ziemlich schnell klar, wer hinter den Vorfällen steckt. Ein Kompliment muss ich dem Autor für seine ausgefallene Mordmethode machen, die Idee war erzählerisch gut umgesetzt.


Mein Fazit: Angenehme Unterhaltung mit Urlaubsfeeling.

Veröffentlicht am 17.04.2019

Höllenfahrt

Am Ende nur ein kalter Hauch
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Carla Bukowski ist Inspektorin in Wien. ihren Heimatort und ihre Familie meidet sie. Aufwachsen mit einem trunksüchtigen Vater und einer gleichgültigen Mutter hat sie nach ihrem Schulabschluss jeden Kontakt ...

Carla Bukowski ist Inspektorin in Wien. ihren Heimatort und ihre Familie meidet sie. Aufwachsen mit einem trunksüchtigen Vater und einer gleichgültigen Mutter hat sie nach ihrem Schulabschluss jeden Kontakt vermieden. Aber zur Beerdigung ihrer Großmutter möchte sie zurück, sie war die Einzige, die ihr etwas bedeutete. Bei der Beisetzung muss sie feststellen, dass es mit der Familie nicht besser geworden ist, lediglich ihr Neffe ist ein Lichtblick und ihr auf Anhieb sympathisch. Als er entführt wird, steht sie ihrem Bruder und ihrer Schwägerin zur Seite und beginnt privat zu ermitteln.


In diesem Krimi schickt Lena Avanzini ihre Hauptfigur auf eine Höllenfahrt. Sie muss sich den schlimmen Erinnerungen ihrer Jugendzeit stellen und gleichzeitig an einem Fall arbeiten, der ihre Familie betrifft und in dem sie ihre Verwandten auch zu den Verdächtigen zählen muss. Carla ist eine unnahbare, kalte Person, aber schnell merkt man, dass das ein Schutzpanzer ist, den sie sich umgelegt hat. Zu viele Schicksalsschläge musste sie schon verkraften. Den Tod ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes und auch ihre zweite Liebe, der Journalist Leon Ritter ist ermordet worden. Das hat sie hart werden lassen.


Der Krimi, der fast schon ein Thriller ist, wartet mit vielen unerwarteten Wendungen auf. Der Spannungsbogen ist von Anfang an hoch, steigert sich im Lauf der Geschichte noch einmal. Die Rückblenden erschließen dem Leser nur langsam das frühere Geschehen, welches das Motiv des Täters nur langsam enthüllt. Der Plot bleibt bis zum Schluss nicht vorhersehbar und ist in der Lösung absolut schlüssig. Die Sprache, die sich gut liest, trifft genau den Ton der einzelnen Protagonisten. Dadurch entsteht ein Kopfkino, das mich gefesselt hat. Bis zur letzten Seite ist man gebannt, wie Carla den Fall lösen wird.


Das ist der dritte Band um die Wiener Inspektorin Carla Bukowski, aus den kleinen Rückblenden erschließen sich die tragischen Ereignisse ihrer Vergangenheit. Ansonsten ist das Buch in sich geschlossen und verlangt keinerlei Vorkenntnisse.

Veröffentlicht am 16.04.2019

Familienbande

Gelateria Paradiso
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Schon lange gibt es die „Gelateria Paradiso“ in Bergischen Land nicht mehr. Francesca, die Tochter muss nun die letzten noch eingelagerten Einrichtungsgestände verkaufen. Seit ihrer Jugend hat sie keinen ...

Schon lange gibt es die „Gelateria Paradiso“ in Bergischen Land nicht mehr. Francesca, die Tochter muss nun die letzten noch eingelagerten Einrichtungsgestände verkaufen. Seit ihrer Jugend hat sie keinen Kontakt mehr zu Eltern, ihr altes Leben wie eine zu klein gewordene Hülle abgestreift. Sie ist elegant, eine weltgewandte Stewardess, glücklich verheiratet und doch umgibt sie ein Geheimnis.
Susanne, eine Tischlerin, die alte Möbel billig ankauft und restauriert, hat von dieser Auflösung erfahren und erhofft sich einige interessante Stücke. Ein Foto des Inhabers trifft sie wie ein Stromschlag, sie ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Ort und Zeit scheint zu passen. Susanne kennt ihre leiblichen Eltern nicht, sie ist als ungeliebtes Adoptivkind aufgewachsen und scheint nun endlich etwas über ihre Herkunft zu erfahren.
Aber Francesca weigert sich, ihre Halbschwester anzuhören, denn dann müsste sie sich ihrem Familiengeheimnis stellen. Beide machen sie unabhängig auf den Weg nach Bassano um die Familie Paradiso zu treffen.
Zwei Frauenschicksale, interessant mit einander verwoben und immer wieder Rückblicke in das Leben hoffnungsvoller Gastarbeiter im Wirtschaftswunderland Deutschland in den 60iger Jahren. Das ergibt eine lebendige, vielschichtige Geschichte. Stefanie Gerstenberger hat zwei sehr unterschiedliche Frauenportraits gestaltet, jede für sich sehr interessant und lebendig. Wobei es aus Gründen der Dramaturgie auch zu unterschiedlicher Sympathiegewichtung kommt. Bei Francesca und ihrem eigensüchtigen Charakter brauchte ich länger um ihr warm zu werden und ihre Handlungen zu verstehen und richtig einzuordnen. Sie wurde mir anfangs zu extrem unsympathisch eingeführt um sich dann im Verlauf von nur wenigen Wochen grundlegend zu wandeln.
Die wechselnden Perspektiven – aus Susannes und Francescas Sicht, dann in Italien aus der Sicht von Francescas Eltern ergeben einen vielschichtigen Roman mit dramatischen Wendungen.
Gut haben mir die historischen Rückblicke gefallen. Das Klima, das den Gastarbeitern in Deutschland entgegenschlug, ist gut eingefangen. Fremdheit, Sprachlosigkeit und der Wunsch sich eine neue Existenz aufzubauen, weit weg von der Armut in der südlichen Heimat, bestimmt ihr Leben. Wobei mir zu wenig von der titelgebenden Gelateria zu lesen war. Sie darf nur einmal eine kurze Szene beleben und ansonsten nur in den verbitterten Erinnerungen von Francesca auftauchen
Der Sprache ist schön und leicht zu lesen, trotz der vielen traurigen Schicksale liegt auch eine versöhnliche Heiterkeit in dem Buch. Die ist auch den gelungen portraitierten Nebenfiguren zu verdanken. Lennart, der immer liebenswerte, im Geist ein Kind gebliebener junger Mann, seine Mutter, die Susanne eine Stütze ist, und natürlich auch die große, lebhaft-dramatische Verwandtschaft in Italien.
Ein schönes, sehr versöhnliches Ende rundet das Buch ab.

Veröffentlicht am 15.04.2019

Ein Spiel mit der Wahrheit

Der Stotterer
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Der Stotterer ist ein Meister des Wortes, aber nur des geschriebenen. Denn wie der Titel des Buches schon verrät, versagt er beim Sprechen. Nun sitzt er in der Haftanstalt eine Strafe für seine Betrügereien ...

Der Stotterer ist ein Meister des Wortes, aber nur des geschriebenen. Denn wie der Titel des Buches schon verrät, versagt er beim Sprechen. Nun sitzt er in der Haftanstalt eine Strafe für seine Betrügereien ab, denn seine Meisterschaft hat er im Unredlichen perfektioniert. Abzockerei per Brief bei Partneragenturen und den Enkeltrick hat er geradezu perfektioniert, aber letztendlich war seine Eitelkeit größer als seine Vorsicht und nun sitzt er ein.

Hier beginnt er mit Tagebuchschreiben und Briefen an den Gefängnispfarrer, den er Padre nennt. Mit seiner dramatischen Kindheit, er wuchs in einer freikirchlichen Sekte auf, erduldete Prügel und seelische Misshandlungen, punktet er schnell beim Padre. Vor allem seine profunde Bibelkenntnis untermauert seine Geschichte. Aber was ist die Wahrheit? Diese Frage stellte ich mir das ganze Buch.

Lewinsky benützt seinen Protagonisten um mit dem Leser zu spielen, er wiegt ihn in Sicherheit, lässt ihn eine Geschichte glauben und stürzt ihn sofort im nächsten Kapitel wieder in Zweifel. Genauso manipulativ wie der Stotterer mit seinen Briefen, verführt der Autor den Leser. Dabei benützt virtuos die Sprache. Sein Stil passt sich der jeweiligen Geschichte an, die Briefe an den Anstaltspfarrer, seine „wahren“ Tagebucheinträge und zwischendurch immer wieder kleine Prosastücke, die als Fingerübungen bezeichnet werden und in den Stärckle sein literarisches Können unter Beweis stellen will. Diese Geschichten sendet er dem Pfarrer, der in seinem Namen an einem Literaturwettbewerb teilnehmen soll.

Lewinsky gelingt es, für seinen Protagonisten Sympathie, ja stellenweise sogar Bewunderung zu wecken. Sein Stil ist brillant, voller Esprit und kurzweilig humorvoll, bis ich an den Punkt gelangte, wo mir diese so offensichtlich zelebrierte Gewandtheit langsam zu viel wurde, manchmal wäre weniger mehr gewesen und nicht jeden Wortwitz muss man mitnehmen. Aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt an dieser unterhaltsamen und eleganten Hochstaplergeschichte.

Haben wir am Ende Stärckles wahre Geschichte erfahren, wer weiß?