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Veröffentlicht am 15.04.2019

Starke Frauen

Vom Himmel zum Meer
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Agnes Martin, die im Waisenhaus in Straßburg aufgewachsen ist, wird nach Hamburg geschickt. Dort soll sie eine Anstellung als Gesellschafterin einer Pastorenwitwe annehmen. Doch dort muss sie erfahren, ...

Agnes Martin, die im Waisenhaus in Straßburg aufgewachsen ist, wird nach Hamburg geschickt. Dort soll sie eine Anstellung als Gesellschafterin einer Pastorenwitwe annehmen. Doch dort muss sie erfahren, dass sie nicht erwünscht ist, die Witwe Bevenkamp will weiterhin im Lebenswerk ihres verstorbenen Mannes, dem Hamburger Waisenhaus, mitmischen, was dem Nachfolger Pastor Sörensen überhaupt nicht gefällt. Doch die Cholera, die in Hamburg 1892 ausbricht, zwingt die beiden Frauen zum Handeln. Sie fliehen zusammen mit einigen Kindern an die Ostseeküste, wo Tilly Bevenkamps elterliche Kate steht. Agnes versucht nun den Unterhalt für sie alle zu verdienen, indem sie am Strand kleine Backwaren an die reichen Kurgäste verkauft. Ein leerstehendes Herrenhaus mit einer großen Küche wäre ideal für sie, doch die Besitzer, die adlige Familie von Reikers stehen den Plänen sehr abwehrend gegenüber.
Der historische Roman lebt von seinen starken Frauengestalten. Agnes und Tilly nähern sich nur langsam an einander an, denn Tilly trägt schwer an ihrer Trauer und ihrer unglücklichen Familiengeschichte und auch Agnes wird an der Ostseeküste vor schwierige Entscheidungen gestellt.
Die Autorin hat eine spannende und auch emotionale Geschichte geschrieben, die man wirklich in einem Zug auslesen möchte. So sehr wird man von den Ereignissen in Bann gezogen. Das ist leicht und flüssig geschrieben und vor allem die Frauenfiguren sind mir sehr schnell ans Herz gewachsen.
Das historische Ambiente war mir allerdings ein wenig durch die rosarote Brille gesehen. Standes- und Bildungsunterschiede spielen keine Rolle und besonders die junge Agnes als gerade erwachsen gewordenes Findelkind, verfügt über beeindruckend viel Tat- und Entscheidungskraft und Lebensweisheit. Alle Schwierigkeiten lassen sich schnell und manchmal auch durch Zufälle beseitigen, was mir ein wenig zu weichgezeichnet vorkam. So wirkt das Historische eher als farbige Folie für ein Art Emanzipationsgeschichte.
Der Lesefluss und das Vergnügen an dem Roman werden dadurch aber nicht geschmälert. Die Geschichte hat mir trotzdem gut gefallen und das Leben an der Ostseeküste war stimmungsvoll eingefangen. Bei all den Back- und Kochkünsten von Agnes ist mir der Mund so wässrig geworden, dass ichdie sonst üblichen Rezepte im Anhang fast vermisste.
Ein schönes, stimmiges Happy End rundete die Geschichte dann perfekt ab und was das wunderschöne Titelbild versprach, wurde eingelöst.

Veröffentlicht am 13.04.2019

Freche Friesen

Zum Teufel mit den fiesen Friesen
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Tjark Ukena kommt bei einem Motorradunfall ums Leben. Unmittelbar dabei und fast noch in den Unfall verwickelt wird Rosa, die Grundschullehrerin, die schon immer ein Gespür für Ermittlungen hat. Zusammen ...

Tjark Ukena kommt bei einem Motorradunfall ums Leben. Unmittelbar dabei und fast noch in den Unfall verwickelt wird Rosa, die Grundschullehrerin, die schon immer ein Gespür für Ermittlungen hat. Zusammen mit Polizist Rudi und Briefträger Henner hat sie schon einige Male ihr detektivische Neugierde unter Beweis gestellt.
Doch dann stellt sich heraus, dass vor dem Unfall auf Tjark geschossen wurde und kurz danach kommt eine Kitesurferin ums Leben, auch ihr Unfall war ein tödlicher Anschlag . Beide waren aktiv bei den „Frechen Friesen“, eine Gruppe von Heimatschützern, die gegen einen riesigen Windpark und ein gigantisches Logistikzentrum kämpfen um ihre Heimat Neuharlingersiel zu erhalten.
Rudi beginnt zu ermitteln und zu Rosa großem Ärger ist er mit Informationen für sie sehr sparsam. Was für eine Undankbarkeit, denn schließlich hat sie ihm doch schon früher auf die Sprünge geholfen. Außerdem ist Rudi doch auch abgelenkt, schließlich ist sein lang verschollener Vater aufgetaucht, er bisher noch gar nichts von der Existenz eines Sohnes und Enkels wusste.
Ein wirklich humorvoller Krimi, bei der mir der trockene ostfriesische Witz gefallen hat. Wenn die Friesen auch wortkarg sind, passt der Wortwitz und die Situationskomik ist auf den Punkt gebracht. Ganz nebenbei dürfen wir auch ein wenig über die ostfriesische Geschichte erfahren, bei der es mehr als nur Störtebecker gibt.
Das Autorinnenduo mischt einen spannenden Krimi mit viel Ostfriesland Flair und der Liebe zu Land und Leuten mit einer spannenden, durchaus realistischen Handlung und viel Humor. Das ist gut gelungen, ich habe mich mit viel Lesevergnügen in die turbulenten Ereignisse gestürzt. Ein bunter Figurenreigen mischt mit und für mich als Erstleser dieser Ostfriesenkrimis war das ausführliche Personenregister am Schluss des Buches ganz besonders interessant. Alle Beteiligten werden dort kurz charakterisiert, auch die Protagonisten, die in diesem Buch nur eine kleine Rolle spielen. Aber bis in die Nebenrollen waren sie gut besetzt und geschildert. Ob Kommissar Schnepel, der sich immer in abseitige Theorien verbeißt, oder die Steffens, deren Hof ein Zentrum von Familienidylle ist – ich mochte sie alle.
Ein Küstenkrimi prädestiniert als Urlaubslektüre im Strandkorb.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Wie ein Märchen

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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Girifalco ist ein verschlafenes Nest. Wir sind in den 60iger Jahren, dort lebt der Postbote – so wird er im Laufe des Buches nur genannt und tagein tagaus sieht man ihn mit seiner Tasche durch die Straßen ...

Girifalco ist ein verschlafenes Nest. Wir sind in den 60iger Jahren, dort lebt der Postbote – so wird er im Laufe des Buches nur genannt und tagein tagaus sieht man ihn mit seiner Tasche durch die Straßen ziehen. Es könnte ein ereignisloses Leben sein, aber der Postbote hat sein Geheimnis.
Als vaterloser Junge aufgewachsen, ohne großen Ehrgeiz, fast träge, kommt eines Tages in der Schule sein Talent Schriften zu kopieren sehr gelegen, er hilft einer Mitschülerin den Zorn des ungerechten Lehrers abzuwenden. Aber erst als er Postbote wird, hat seine Berufung gefunden. Es ist ein Zufall, der ihn beim ersten Mal dazu verführt einen Brief zu öffnen. Von da an geht kein Brief ungelesen durch seine Hände. Er kopiert jedes Schreiben und archiviert sie. Er kommt krummen Machenschaften auf die Spur, liest von heimlicher Liebe und unglücklichen Begebenheiten. Aber er begnügt sich nicht damit nur zu lesen. Er beginnt in das Leben seiner Dörfler einzugreifen. Ein Liebesbrief hier, eine verklausierte Warnung dort, so lenkt er die Geschicke seiner Nachbarn, verhindert Unglück und bringt Paare zusammen, deren Schüchternheit ihnen im Wege stand. Er zieht keinen Nutzen aus seinem Tun, im Gegenteil, er will helfen.
Auch sammelt er „Zufälle“, notiert, nummeriert und archiviert sie, genau wie Zeitungsberichte, die ihm kurios erscheinen.
Doch zwischen dem Leben der Anderen verliert er fast seine eigenen Träume und Wünsche aus den Augen.
Jedem der Kapitel ist ein fast märchenhafter Satz als kleine Inhaltsangabe vorgestellt. Wie überhaupt das ganze Buch den Eindruck eines Märchens macht. Es ist eine untergegangene dörfliche Welt die der Autor beschreibt. Das ist sehr warmherzig und mit spürbarer Liebe zu den beschriebenen Personen erzählt. Die Figuren – es sind eine ganze Menge und glücklicherweise gibt es ein ausführliches Personenregister – werden lebendig, der Leser taucht schnell in ihr Leben ein und leidet und freut sich mit ihnen. Ein ganzer Kosmos wird dargestellt, bildhaftig und farbig. Ich hatte das Dorf vor Augen und es erinnerte mich an die alten S/W Filme von Don Camillo. Verschmitzt und tragisch-komisch. Der Autor hat ein ganz eigenen Ton gefunden und mich damit überzeugt.
Dazu passt das gewählte Foto des Schutzumschlags ganz ausgezeichnet.

Veröffentlicht am 10.04.2019

Schöne Urlaubslektüre

Mit James auf Sylt
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„Der Mann an Janas Seite hatte volles schwarzes Haar, blendend weiße Zähne, einen beeindruckend athletischen Körper und wunderschöne bernsteinfarbene Augen“

So stellt man sich ein Prachtexemplar vor ...

„Der Mann an Janas Seite hatte volles schwarzes Haar, blendend weiße Zähne, einen beeindruckend athletischen Körper und wunderschöne bernsteinfarbene Augen“

So stellt man sich ein Prachtexemplar vor und es ist auch ein Prachtexemplar von einem Neufundländer!

Jana hat ihrer Schwester versprochen auf den Hund aufzupassen, zwei Monate lang in deren Ferienwohnung auf Sylt. Dabei mag Jana gar keine Hunde und solche Riesen erst recht nicht. Aber so kurz vor der Geburt mag sie der Schwester den Wunsch nicht abschlagen und da es für sie beruflich nicht sonderlich gut läuft, kommt ihr das Angebot gerade recht.

Schnell stellt sich heraus, dass James, so heißt der Hund, eine Herausforderung für sie ist. Verzogen und nicht sonderlich gehorsam, setzt James meist seinen Willen durch und Jana hechelt hinterher. Dabei ist er ein liebevolles, freundliches Tier wenn es nach seinem Kopf geht. Diese Turbulenzen sorgen für die Bekanntschaft mit einem Sylt-Urlauber samt Weimaraner Hündin und dem Hundetrainer, den James dringend benötigt.

Mit einem Hund auf Sylt - nach diesem Buch werden viele Hundebesitzer die vielen Tipps, die in diesen Roman einflochten sind ausprobieren können. Ich habe zwar keinen Hund, habe mich mit dieser Geschichte aber köstlich amüsiert. Es ist eine leichte, humorvolle Sommergeschichte, die von der ersten Seite an Urlaubsfeeling verbreitet. Die Figuren sind allesamt, wie aus dem Leben gegriffen, die unsympathischen wirken ganz besonders realistisch. Eine amüsante und locker-flockige Liebesgeschichte bringt noch mehr Unterhaltung in die Geschichte.

„Ein Glücksroman“- so heißt der Untertitel und das passt. Von Anfang an begleitete ein Lächeln meine Lektüre. Also genau das richtige Buch für einige unterhaltsame Lesestunden, vielleicht sogar im Strandkorb am Meer.

Veröffentlicht am 09.04.2019

Ein schönes Buch

Der Honigbus
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Meredith ist knapp 5 Jahre und noch viel jünger ihr Bruder Matthew, als sie sich in Kalifornien wiederfinden. Die Ehe der Eltern ist gescheitert, es waren Monate voller Hass und Streit vorausgegangen. ...

Meredith ist knapp 5 Jahre und noch viel jünger ihr Bruder Matthew, als sie sich in Kalifornien wiederfinden. Die Ehe der Eltern ist gescheitert, es waren Monate voller Hass und Streit vorausgegangen. Ihre Mutter ist einfach am Leben gescheitert, sie suchte Aufmerksamkeit und Ansehen, Liebe und Erfolg, hat aber selbst nur Depressionen und Selbstmitleid zu bieten.
Sie kehrt zu ihrer Mutter zurück, ein kleines Haus bei Big Sur wird nun die Heimat der Kinder. Sie teilen sie mit ihrer wortlosen Mutter ein Zimmer, in dem sie die Tage schlafend und rauchend verbringt. Grandma kümmert sich um Nahrung und Kleidung, aber Geborgenheit kann sie auch ihren Enkeln nicht vermitteln. Aber es gibt einen Lichtblick: Grandpa. Er bringt den Kindern, vor allem Meredith seine bedingungslose Liebe entgegen und weckt in ihr gleichzeitig die Liebe zu seinen Bienen. Dabei ist er nicht mal der leibliche Großvater.
Die Bienen sind das große Thema in diesem, autobiografisch inspiriertem Roman. Ihr Staatenwesen, ihre Besonderheiten – all das lernt Meredith kennen und je mehr sie erfährt, je älter sie wird, desto größer wird ihre Faszination. Bienen sorgen für unser Wohlergehen, nicht nur mit dem süßen Honig, den Meredith und Matthew lieben, ihr Wachs sorgt für warmes Licht und das Sirren und Surren am Stock, tröstet das Mädchen, wann immer die Lethargie ihrer Mutter durch einen Gewaltausbruch abgelöst wird. In einemumgebauten Bus hat Grandpa seine Imkerei eingerichtet. Hier wird der Honig geschleudert. Der Honigbus wird dann auch einer der wichtigsten Rückzugsorte für Meredith. Wir erfahren viel über diese einzigartigen Insekten, deren Bedrohung der Großvater schon Ende der 79iger Jahre erkannte. Wenn fast industrialisierte Bienenhaltung für einseitige Nektarnahrung sorgt, braucht man sich über Krankheiten nicht zu wundern. So erlebt das junge Mädchen Faulbruten und Milbenbefall in Grandpas Stöcken.
Auch als Meredith erwachsen wurde und längst als Journalistin arbeitete, hegt sie den letzten Bienenstock des längst verstorbenen Grandpa.
Meredith May hat ihre schwierige Kindheit in diesem Roman auf eine warmherzige und authentische Weise verarbeitet. Es ist kein Blick zurück im Zorn. Sie verdankt den Bienen viel und setzt ihnen hier ein Denkmal und gleichzeitig ist das Buch auch in Appell an die Menschen, die Natur und die Schöpfung zu achten und zu bewahren.