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Veröffentlicht am 07.12.2018

Abfahrtslauf

Eiskalte Spiele
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Der gefeierte Skirennläufer Marc Gassmann hat Probleme sich für eine weitere Saison zu motivieren. Sein Privatleben leidet unter der unklaren Beziehung mit der Polizistin Andrea und ihm fehlt der Wille ...

Der gefeierte Skirennläufer Marc Gassmann hat Probleme sich für eine weitere Saison zu motivieren. Sein Privatleben leidet unter der unklaren Beziehung mit der Polizistin Andrea und ihm fehlt der Wille sich weiter im Training zu schinden. Dann scheint es eine Selbstmordwelle unter Wintersport-Trainern zu geben, oder waren es doch Morde? Auch Hans Bischoff, Gassmanns früherer Trainer bekommt einen Drohbrief.
Deshalb beschließ Gassmann bei den Winterspielen in Südkorea teilzunehmen und auf diese Weise für Bischoffs Sicherheit zu sorgen. Begleitet wird er von Andrea, die mit Rückendeckung der Kantonspolizei mitreist.
Mein erster „Ski-Krimi“, ich kannte die ersten beiden Bücher nicht, aber ich hatte wenig Schwierigkeiten mich gleich in die Handlung einzufinden. Zwischen dem aktuellen Fall gibt es immer wieder kursiv eingeschobene Kapitel, die Gedanken des Täters zeigen, der sich für vergangenes Leid an den Trainern rächen will. Das steigert die Spannung des Krimis sehr, denn ich bin damit den Ermittlern fast immer einen Schritt voraus.
Ganz besonders haben mir die Rennszenen gefallen, da kam fast atemlose Spannung auf. Die Fokussierung der Rennläufer am Starthäuschen, die Atmosphäre im Skizirkus, beim Training und zuletzt bei Olympia, das ist so authentisch erzählt, dass ich fast Gänsehaut bekam. Diese Szenen haben mir auch am besten gefallen.
Sehr interessant ist das Hintergrundthema, es geht um Doping. Allgegenwärtig im Sport, ist es wohl auch nicht mehr aus dem Wintersport wegzudenken. Die aktuellen Fälle und Diskussionen um „Staatsdoping“ machen das deutlich. Mir gefiel es gut, wie dieses Thema in den Kriminalroman einfloss und zum Nachdenken anregte.
Ein wenig Probleme machten mir der Charaktere der Andrea. Als Polizistin zielstrebig und reflektiert, im Privatleben unentschlossen und zickig. Will sie nun Marc oder will sie nicht. Sie weiß es wohl selber nicht und das On/Off nervte nicht nur Marc Gassmann. Auch ein – zwei Zufälle, die den Polizisten das Leben schwer machten, schienen mir sehr stark konstruiert.
Die Spannung steigert sich bis zum wirklich überraschenden Finale ständig. Bei der Auflösung war ich baff, absolut logisch und doch für mich überraschend, wurde der Fall gelöst.

Veröffentlicht am 07.12.2018

Tom und Ani

Unter uns nur Wolken
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Tom ist verzweifelt, schon wieder hat sein Großvater zwei Bewerberinnen vergrault. Aber er braucht dringend Betreuung und Tom ist neben seinem Beruf völlig damit überfordert. Sein Großvater hat Alzheimer ...

Tom ist verzweifelt, schon wieder hat sein Großvater zwei Bewerberinnen vergrault. Aber er braucht dringend Betreuung und Tom ist neben seinem Beruf völlig damit überfordert. Sein Großvater hat Alzheimer und in seinen hellen Phasen ist er mürrisch und unausstehlich. Keine Pflegerin hält es lange bei ihm aus.

Ani ist wütend und enttäuscht, sie hat ihren Freund Noah mit ihrer besten Freundin erwischt. Der Betrug trifft sie völlig unvorbereitet und ohne Geld oder Gepäck flieht sie aus der gemeinsamen Wohnung. Sie sucht auf einer Parkbank nach einer preiswerten Pension, als sie das Gespräch zweier junger Frauen hört, die sie als Betreuerin eines alten Mannes beworben hatten. Die Wohnung ist gigantisch, hört sie, aber der alte Herr ist ein Horror. Das ist ihre Chance, für einige Tage wird sie es wohl schaffen und fragt die Beiden nach der Adresse.

Obwohl sie keine Vorkenntnisse hat, bekommt sie den Job und ein Krieg beginnt. Florian, der alte Herr, vergeudet keine Minute um sie zu quälen. Dazwischen spürt Ani aber auch die Verzweiflung des alten Mannes, der sich seines Zustandes an guten Tagen sehr bewusst ist. Aber allmählich schafft sie es, eine kleine Vertrauensbasis zu entwickeln und Tom, der sehr an seinem Großvater hängt, beginnt Ani fast gegen ihren Willen auch zu faszinieren.

Aus den vielen, fast perfiden Streichen, die Florian seiner Betreuerin spielt, ergeben sich komische, aber auch traurige Szenen. Trotzdem nähern sie sich immer mehr an. Das erzählt das Autorenduo, das unter dem Pseudonym Anna Pfeffer schreibt, in einer sehr liebevollen und humorvollen Weise. Es macht richtig Spaß den Roman zu lesen.

Immer abwechselnd wird die Geschichte aus Anis und Toms Sicht erzählt und die Gedankengänge und Gefühle der Beiden kommen immer mehr in den Vordergrund. Aber es gibt auch - Großvater Florian sorgt schon dafür - eine Menge Missverständnisse, die zu meinem Vergnügen sehr bissig ausgetragen werden. Nicht immer fand ich die Alzheimer Erkrankung richtig dargestellt, aber das fällt bei einem Unterhaltungsroman nicht sehr ins Gewicht. Eine liebevolle Geschichte, trotz des ernsten Themas mit einem gelungenen Happy End.

Veröffentlicht am 06.12.2018

Turbulent und liebenswert

Meine Familie und andere Tiere
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Als ich in den frühen 70igern meine Ausbildung zur Buchhändlerin begann, war dieses Buch von Gerald Durrell immer noch ein Standardtitel. Regelmäßig wurde diese heiter-turbulente Familiengeschichte verkauft. ...

Als ich in den frühen 70igern meine Ausbildung zur Buchhändlerin begann, war dieses Buch von Gerald Durrell immer noch ein Standardtitel. Regelmäßig wurde diese heiter-turbulente Familiengeschichte verkauft. Nun bringt der Piper Verlag eine neu übersetzte Ausgabe auf den Markt und aus Nostalgie habe ich das Buch gelesen.

Es hat nichts von seinem Charme verloren. Es mutet fast exotisch an, wie die englische Familie 1935 nach Korfu übersiedelt. Sonne und Wärme und wahrscheinlich auch die günstigen Lebenshaltungskosten waren wohl der Grund. Die inzwischen verwitwete Mutter Durell und ihre vier Kinder stammen aus einer typischen Kolonialbeamten-Familie. Sie lebten in Indien, dort wurden die Kinder geboren und haben ihre Kindheit verbracht. Die Rückkehr nach England war wohl auch ein Kulturschock, was zart angedeutet wird, wenn die Mutter ihre indischen und ceylonesischen Kochbücher hortet und auch auf Korfu Currys und andere asiatische Köstlichkeiten zubereitet. Die Beschreibung der Insel mutet fast archaisch an, Hirten und einfache Bauern werden Freunde, immer zur Gastfreundschaft bereit und Trauben, Feigen und Melonen zu teilen. Eine untergegangene Welt, in die ich hier eintauchen konnte.

Für Gerry war Korfu Freiheit und Paradies. Ohne lästige Schule – ein Freund der Familie erteilt ein wenig planlos Privatunterricht – kann er sich ganz seiner Leidenschaft widmen: Tiere zu beobachten. Hier wird der Grundstein zu seiner Karriere als autodidaktischer Zoologe gelegt. In der Familie geht es turbulent zu: der älteste Bruder schreibt an seinem Roman, Gerry schleppt allerlei Viehzeug an, die Schwester testet ihre Wirkung auf Inselbewohner und allerhand seltsame und skurrile Gäste bevölkern das Haus. Diese Idylle dauert einige Jahre, bis der drohende Zweite Weltkrieg die Familie wieder zurück an England bringt.

Auch wenn das Buch schon 1956 zum ersten Mal erschien, es hat sich seine Frische bewahrt und lohnt auch heute noch das Lesen. Eine amüsante, mit typisch englischem Humor geschriebene Geschichte, die viel von der Faszination Durrells für Flora und Fauna vermittelt


Veröffentlicht am 04.12.2018

Tod beim Krippenspiel

Die Melodie des Mörders
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Kurz vor Weihnachten in einem kleinen mittelenglischen Dörfchen. Während der Pfarrer Jasper mit seinen Schäfchen das jährliche Krippenspiel probt, kommt auf der Empore der Organist Clifford zu Tode: erschlagen ...

Kurz vor Weihnachten in einem kleinen mittelenglischen Dörfchen. Während der Pfarrer Jasper mit seinen Schäfchen das jährliche Krippenspiel probt, kommt auf der Empore der Organist Clifford zu Tode: erschlagen mit einer Orgelpfeife! Kurz zuvor hatte er noch den Pfarrer um ein vertrauliches Gespräch wegen einer Tombola gebeten.
Da sich die örtliche Polizei, vertreten durch Inspector Hoffer noch nie mit Ruhm bekleckerte – Hoffer zeichnet sich durch vor allem durch Faul- und Dummheit , gepaart mit Überheblichkeit aus – bittet der Pfarrer seinen Freund, den Tanzlehrer Colin Duffot um Hilfe. Die beiden haben im letzten Jahr zusammen mit der Krankenschwester Norma bereits einige Fälle gelöst.
Schon bald weisen Spuren in die Vergangenheit, vor gut 20 Jahren bevölkerte eine kleine Künstlerkommune die abseits gelegene Gleech-Farm. Dort starb unter seltsamen Umständen die junge Bildhauerin Sunshine, was der junge Hoffer damals als eindeutigen Selbstmord abtat. Auch Clifford gehörte damals zu den Bewohnern, wie noch einige Andere aus dem Dorf, deren künstlerische Ambitionen sich in bürgerliche Berufe gewandelt haben.
Trotz Krippenspiel will bei diesem Krimi keine heitere Weihnachtsstimmung aufkommen. Der Fall ist recht düster. Natürlich gibt es immer wieder kleine Aktionen und Situationen die mich zum Schmunzeln brachten, so wie die kleinen Eifersuchtsanfälle von Colin, wenn seine sehr viel jüngere Freundin allabendlich im rosa Fähnchen das Haus verlässt. Auch die Eifersüchteleien um die größere Sprechrolle beim Krippenspiel haben mich amüsiert. Aber zu meiner Lieblingsfigur avancierte eindeutig Mady, eine kleine Streunerin, die Colin unbedingt als „Hilfsspionin“ unterstützen will.
Das Mordermittler-Trio ist mir schon aus früheren Fällen bekannt, allein die Zusammenstellung mit einem pensionierten Tanzlehrer, einem Pfarrer und einer Krankenschwester ist schon für kuriose Ergebnisse gut. Ein flüssig geschriebener „Landhaus“-Krimi, der wirklich flott und amüsant zu lesen ist, bei dem es aber nicht unbedingt sehr spannend zugeht.
Gut gefallen haben mir die Kapitelüberschriften, lauter Weihnachtsklassiker, die mich dann beim Lesen als Ohrwurm begleitet haben.

Veröffentlicht am 29.11.2018

Familiengeschichte

Mädelsabend
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Mit 88 und 90 Jahren zieht das Ehepaar van Rennings in eine Seniorenresidenz. Ruth blüht richtig auf. Endliche Freunde und Menschen um sie herum, ein Singkreis und vieles mehr. Ihre Ehe war lieblos, ihr ...

Mit 88 und 90 Jahren zieht das Ehepaar van Rennings in eine Seniorenresidenz. Ruth blüht richtig auf. Endliche Freunde und Menschen um sie herum, ein Singkreis und vieles mehr. Ihre Ehe war lieblos, ihr Ehemann war der „Herr im Haus“ und lebte das auch aus. Seine Frau durfte keine Entscheidung treffen, zusammen mit dem unleidlichen Schwiegervater hat er ihr elterliches Vermögen an sich gebracht und ihren Willen gebrochen. Kein Wunder das Walter den Aufenthalt in der Seniorenresidenz nicht genießt, die Freiräume seiner Frau sieht er mit Widerwillen.
In Rückblenden und Erinnerungen erfahren wir viel über Ruths Leben in den vergangenen Jahrzehnten, ihre kleinen Rebellionen, wie sie aber auch bei Widerstand sofort einknickt und sich in ihre Rolle fügt. Wie sie selbst sagt, hatte sie keinen Kampfgeist. „Sie war die Frau, die sich mit dem zufrieden gibt, was sie hat.“
Sara ist Ruths Enkelin, sie hat es nicht leicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Als sie die Möglichkeit erhält in Cambridge ein Forschungsstipendium zu bekommen und ihre Habilitation voranzutreiben, wird ihre Partnerschaft auf eine harte Probe gestellt.
Zwei Frauen, durch 6 Jahrzehnte voneinander getrennt, sehen sich vor ähnliche Probleme gestellt. Anne Gesthuysen hat einen Roman geschrieben, der sich leicht und unterhaltsam liest, aber nicht nur zwischen den Zeilen den Geschlechterkampf thematisiert. War in den 50iger Jahren noch per Gesetz die Frau als rechtloses Wesen ihrem Gatten unterstellt, ist es heute der vielfache Druck der auf berufstätigen Frauen lastet. Wie sollen sie ihre eigenen Karrierewünsche verwirklichen, wenn Partner und Kind darunter leiden? Geht das denn überhaupt ohne ein permanentes schlechtes Gewissen?
In Sara und Ruth hat die Autorin die Rolle der Frauen verdichtet, deshalb wirkten die Figuren auch für mich etwas überladen und manche Szene zu melodramatisch. Aber Denkanstöße bringt jeder Absatz. Gerne hätte ich etwas mehr von Sara gelesen, deren Entscheidungen und deren Leben kam, besonders im letzten Drittel, zu kurz. Deshalb wirkten zwei entscheidende Szenen mit Sara und ihrem Ehemann aufgesetzt und übertrieben, denn Entwicklung bis zu den Ausbrüchen fehlte völlig.
Ich finde den Roman durchaus gelungen und die Denkanstöße lassen ihn nachwirken. Dennoch wurden meine Erwartungen an das Buch nicht ganz erfüllt.
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