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Veröffentlicht am 02.11.2018

Birchwood Manor

Die Tochter des Uhrmachers
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Elodie arbeitet als Archivarin in London und findet in einer bisher unbeachteten Kiste erstaunliche Archivalien, eine sehr alte und edel gearbeitete Aktenmappe, eine Sepiafotografie einer wunderschönen ...

Elodie arbeitet als Archivarin in London und findet in einer bisher unbeachteten Kiste erstaunliche Archivalien, eine sehr alte und edel gearbeitete Aktenmappe, eine Sepiafotografie einer wunderschönen jungen Frau und ein Skizzenbuch. Ganz besonders eine Skizze darin versetzt sie in Aufregung, sie zeigt ein altes Herrenhaus, das ins kleinste Detail dem Haus aus den Gute-Nacht-Geschichten ihrer früh verstorbenen Mutter gleicht. Ihre Neugierde ist geweckt und sie beginnt die Herkunft ihres Fundes zu recherchieren, obwohl doch die Vorbereitungen zu ihrer Hochzeit viel wichtiger wären.
Weitere Handlungsstränge führen in die Vergangenheit, zu Birdie, der Tochter des Uhrmachers und ihrem Schicksal und zum jungen begabten Künstler Radcliffe und zu diesem geheimnisvollen Haus, Birchwood Manor, das bei allen Handlungssträngen die beherrschende Rolle spielt. Seit 1862 kreuzen sich dort die Lebenswege der Protagonisten;erst Birdie und Radcliffe, dann das der jungen Ada, die dort ein Mädchenpensionat besucht und die Schwester des Künstlers Radcliffe zur Freundin gewinnt und Jahrzehnte später auch Juliet, die im Zweiten Weltkrieg dort mit ihren Kindern Zuflucht findet.
In Birchwood Manor hören wir auch immer wieder eine Stimme aus dem Off, von der ich sehr bald vermutete, welch unglückliche Seele sich dahinter verbirgt. Überhaupt hatte ich das Gefühl, das dieses Haus die eigentliche Hauptfigur des Romans ist und für fast alle Protagonisten zum Schicksal wird.
Kate Morton schafft in ihrem Romanen immer wieder eine gelungene Verbindung der Heldin mit Geheimnissen aus der Vergangenheit. So merkt auch Elodie sehr bald, dass der Fund unmittelbar auch ihre Familie und ihre Zukunft betrifft. Das ist sehr schön erzählt, voller Gefühl und geheimnisvoller Andeutungen. Auch bei diesem Buch gefällt mir wieder die poetische Erzählweise.Geschickt findet die Autorin für jede Figur einen eigenen Ton, so dass mir die vielen Protagonisten bald sehr vertraut wurden. Die vielen Szenen- und Zeitenwechsel machen die Geschichte sehr abwechslungsreich und meist auch spannend. Zwar hatte ich den Eindruck, dass sich der Roman etwas sehr zerfasert und ich hatte auch den berühmten kleinen„Durchhänger“ in der Mitte des umfangreichen Romans.
Ein richtiges Lesevergnügen für graue Herbsttage.

Veröffentlicht am 31.10.2018

Mode zwischen Trümmern

Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des Aufbaus
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Berlin liegt in Trümmern, endlich ist der Krieg vorbei – aber unvorstellbare Not und Chaos bestimmen die Tage der Überlebenden. Rike, die älteste Tochter des Kaufhauskönigs Thalheim übernimmt die Führung ...

Berlin liegt in Trümmern, endlich ist der Krieg vorbei – aber unvorstellbare Not und Chaos bestimmen die Tage der Überlebenden. Rike, die älteste Tochter des Kaufhauskönigs Thalheim übernimmt die Führung in der Familie. Der Vater im Gefängnis, die Brüder in Kriegsgefangenschaft oder an der Ostfront vermisst, da braucht es ihre Tatkraft und ihre Energie. Aber alles wird überschattet von der Angst vor der Zukunft. Schreckliche Geschichten über die russischen Besatzer machen die Runde. Die Mutter und die älteren Schwestern verdingen sich als Trümmerfrauen umso ein paar zusätzliche Lebensmittelmarken zu ergattern, aber Rike und ihre überlebende Freundin Mirjam blicken auch in die Zukunft.
Brigitte Riebe ist Historikern und eine tolle Erzählerin. Wie sie die Wochen und Monate nach Kriegsende beschreibt, hat mich immer wieder innehalten lassen. Erzählungen von Eltern und Großeltern wurden wieder wach! Von Hamsterkäufen und Schwarzmarkt, von der Suche nach Brennmaterial im kalten Winter, von der Luftbrücke und der alliierten Solidarität mit den eingeschlossenen Berlinern habe ich oft gelesen und gehört, aber in diesem Roman wird es plötzlich lebendig. Vielleicht liegt es auch an der Hauptfigur Rike, die hier im ersten Band einer Trilogie das Geschehen beherrscht. Die Folgebände werden den Schwestern gewidmet sein. Rike ist eine Frau, die ihre Wünsche und Sehnsüchte dem praktischen Überleben unterordnen muss und doch nie ihr eigentliches Ziel aus den Augen verliert. Für mich eine starke und sympathische Protagonistin. Aber auch die Schicksale der anderen Familienmitglieder kommen nicht zu kurz.
Der Roman ist fesselnd geschrieben und hat mich völlig in Bann gezogen. Auch wenn es abgedroschen klingt, ich konnte nicht aufhören zu lesen, wollte das Buch bis zum Schluss nicht aus der Hand legen.
Der Roman umfasst die Jahre 45 – 51 und ganz besonders die Geschehnisse der ersten Nachkriegsjahre haben mir gefallen. Meisterhaft wie die Aufbruchsstimmung zu spüren ist, dahinter immer noch die Angst vor der Zukunft und die Sorge um Angehörige. Eine vielschichtige und sehr berührende Geschichte. Die ausführliche Zeittafel am Ende des Buches habe ich sehr geschätzt und immer wieder aufgeblättert. Ich fand es gekonnt, wie die Autorin ihre fiktive Geschichte mit den historischen Ereignissen verbindet, das hat mich das Geschehen miterleben und mitfühlen lassen.

Veröffentlicht am 30.10.2018

Gossec und der Weihnachtsabend

Schneekönig
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Gossec, der Münchner Tandler und Gelegenheitsermittler, hat einen Stand auf dem Münchner Christkindlmarkt ergattert. In den Abendstunden, wenn sein altbairischer Christbaumschmuck sich nicht mehr gegen ...

Gossec, der Münchner Tandler und Gelegenheitsermittler, hat einen Stand auf dem Münchner Christkindlmarkt ergattert. In den Abendstunden, wenn sein altbairischer Christbaumschmuck sich nicht mehr gegen die Konkurrenz von Glühwein und Bratwurst behaupten kann, stellt er seinen Stand der Münchner Obdachlosenhilfe zur Verfügung. Die führen dort die Weihnachtsgeschichte auf und sammeln Spenden. Der Wind pfeift kalt ums Rathauseck und aus dem Tee mit Rum wird allmählich Rum mit Tee. Kein Wunder, dass der Gossec spätabends heimwärts wankt und nichts mehr deutlich sieht.
Doch dann findet er sich wieder, in einem weißen Bett und als zwei Körper. Zwei, weil der eine gekrümmt und geschunden im Bett liegt und der andere unter der Decke schwebt und der scheint auch das Denken und Handeln übernommen zu haben.
Gossec findet sich wieder in seinem Laden und wird Zeuge wie ein Nachbar ein Paar harsch abweist. Es ist eisig kalt, es schneit und die Frau scheint Hilfe zu brauchen. Er bittet sie in seinen Laden und richtet das Sofa her, keine Sekunde zu früh, denn die Frau bringt gleich darauf ein Kind zur Welt. Der herbei gerufene Arzt kann nur noch gratulieren. Mariella heißt die junge Mutter und Joschka, ihr älterer Partner und Beschützer, freuen sich über den kleinen Joshua.
Aber auf Gossec wartet noch anderes, das Gespenst der Gentrifizierung hat auch sein Mietshaus erreicht und ihm und den Nachbarn droht die Wohnungslosigkeit.
Der neue Gossec sprengt das Krimigenre. Nicht umsonst hat der Autor einen Spruch des Grafen Pocci, der für seine Marionettenspiele bekannt ist, seinem Buch vorangestellt. Lese ich es jetzt als Alptraum während einer Nahtoderfahrung oder ist er noch einmal davongekommen und räumt auf? Ist vielleicht eine Weihnachtsgeschichte, mit der wunderbaren Geburt in einem Stall – der Trödelladen von Gossec kommt dem schon sehr nah – ich bin mir nicht schlüssig und bin auch mit diesem Buch nicht ganz zurechtgekommen.
Ich mag ja die Krimis des Autors sehr gern, ebenso wie die Figur des Gossec . Deshalb habe ich es weniger als Krimi, denn als abgedrehte Weihnachtsgeschichte gelesen.


Veröffentlicht am 29.10.2018

Halali

Die letzte Pirsch
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In ihrem neuen Kriminalroman entführt Alexandra Bleyer uns wieder ins gar nicht so friedliche Mölltal. Sepp Flattacher, der urige Grantler und Aufsichtsjäger hat wieder mal Ärger in seinem Revier. Der ...

In ihrem neuen Kriminalroman entführt Alexandra Bleyer uns wieder ins gar nicht so friedliche Mölltal. Sepp Flattacher, der urige Grantler und Aufsichtsjäger hat wieder mal Ärger in seinem Revier. Der Jagdkamerad Haribert Maierbrugger scharwenzelt um die Vereinsvorsitzende Irmi und bringt mit seinen Neuerungsvorschlägen Sepp auf die Palme, denn Neuerungen steht er ablehnend gegenüber, vor allem wenn sie nicht von ihm kommen.
Aber damit nicht genug, der alte Ragger-Bauer hat sich erhängt, grad ein paar Tage nach seinem 85.Geburtstag. Das findet der Kriminalist Schober seltsam, weil er doch grad an dem Baum hängt, wo sich vor 25 Jahren der damalige Hoferbe umgebracht hat. Überhaupt findet Schober nach einigen Recherchen recht seltsame Erbstreitigkeiten in dieser Familie, in der Grundbesitz über allem steht. Mit dem Spruch „Liebe vergeht, Hektar besteht“ wurden schon seit Jahrzehnten unerwünschte Heiraten verhindert.
Unversehens sieht sich Sepp auch in diese Vorgänge verwickelt, wo er doch auch in seinem Jagdverein genug Ärger hätte.
Der dritte Kärnten Krimi punktet wieder mit viel Lokalkolorit, kauzigen Typen und ganz viel rabenschwarzem Humor. Ich mag es, wie die Autoren ihre Figuren in Kärntner Dialekt sprechen lässt.(Ein ausführliches Glossar hilft bei eventuell Verständnisproblemen und ist überdies noch ein Sprachführer für den nächsten Kärnten Urlaub) Das Personal ihres Krimis ist wie immer sehr lebendig geschildert, man hat sie alle sofort bildhaft vor Augen. Wie zum Beispiel im Polizeirevier mit dem Leiter Treichel, der nach jeder Fortbildung mit Anglizismen und Fremdwörtern punkten will, was leider immer haarscharf daneben geht. Und natürlich Sepp, der mit seiner Meinung nie hinterm Berg hält und es mit einem Satz auf den Punkt bringt. Lediglich mit Komplimenten klappt es nicht, die bringen ihm, obwohl ehrlich und Herzen kommend, immer Ungemach ein.
Der Kriminalfall wird erst langsam eingeführt, ist aber spannend und tragisch und passt vor allem in die bäuerlich verankerte Gedankenwelt der Mölltaler.
Die Mischung stimmt wieder beim dritten Buch von Alexandra Beyer, viel Unterhaltung mit Spannung und Witz haben mir ausgesprochen viel Vergnügen bereitet. Ein Muss für Fans von Regionalkrimis mit Schmäh.

Veröffentlicht am 29.10.2018

Schuld und Sühne

Falkenberg
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Bei einem Ausflug zum Hamburger Falkenberg finden Schulkinder einen Toten. Die beiden Ermittlerinnen Stella Brandes und Banu Kurtoglu sehen nicht nur unzählige Stiche am Körper des alten Mannes, auch ein ...

Bei einem Ausflug zum Hamburger Falkenberg finden Schulkinder einen Toten. Die beiden Ermittlerinnen Stella Brandes und Banu Kurtoglu sehen nicht nur unzählige Stiche am Körper des alten Mannes, auch ein Hakenkreuz wurde in seinen Rücken geritzt. Bald ist die Identität des Toten geklärt, es ist der pensionierte Psychiater Dr. Hennig Manteuffel, der seinen Lebensabend in der nahegelegenen luxuriösen Seniorenresidenz verbrachte.
Die Ermittlungen erstrecken sich durch die Indizien auf die rechtsradikale Szene und das Umfeld der Residenz, laufen aber immer wieder ins Leere.
Die Autorin hat ihren Krimi auf zwei Handlungsebenen angesiedelt. Zwischen den laufenden Ermittlungen stehen immer wieder kursiv geschriebene Auszüge aus einem Tagebuch, die wohl von einem jungen Mädchen stammen und ihren Aufenthalt in einem Kinderheim zu Thema haben. Diese Einschübe geben dem Buch eine ganz eigene Dynamik und Spannung, der der Leser weiß ja, dass dieses Tagebuch einen Bezug zur heutigen Tat haben muss. Damit ist er auch immer einen Schritt weiter als die beiden Kriminalistinnen, was ich ebenfalls einen gelungenen Kunstgriff fand.
Die Figuren haben mir gut gefallen, bei den Ermittlerinnen ließ die Autorin mit Banu Kurtoglo eine Frau auftreten, die die Alleinverdienerin im Haushalt ist, während ihr Mann sich um Haushalt und Kinder kümmert und die sich dadurch mit Problemen konfrontiert sieht, die man sonst nur in umgekehrter Rollenverteilung kennt. Manteuffel und seine Mitbewohner in der Residenz bekommen allmählich immer deutlichere Konturen, auch das wird sehr eindrücklich geschildert.
Mich hat der Kriminalroman gefesselt, ganz besonders die Aufarbeitung der geschichtlichen Ereignisse – die auch die Ermittlerinnen vor eine Gewissensfrage stellt, fand ich gut ausgearbeitet. Ein beeindruckendes Krimi - Debüt der Autorin.