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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.09.2018

Schreib den alten Gaul nicht zu früh ab

Slow Horses
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Slough House ist die Endstation für ausgemusterte Agenten des britschen MI5. Dorthin werden sie versetzt, wenn sie einen unverzeihlichen Fehler gemacht haben oder in Diskredit geraten sind. Dorthin hat ...

Slough House ist die Endstation für ausgemusterte Agenten des britschen MI5. Dorthin werden sie versetzt, wenn sie einen unverzeihlichen Fehler gemacht haben oder in Diskredit geraten sind. Dorthin hat es auch River Cartwright verschlagen, als er eine Übung zur Terrorabwehr gründlich vermasselt hat – sagen seine Chefs. Aber River ist sicher, dass er hereingelegt worden ist.
Die Slow Horses so der Begriff für die Loser, werden mit unnützen Aufgaben beschäftigt, sie durchsuchen Müll, hören endlose unwichtige Telefonate ab und legen Akten an. Ein frustrierender, Zustand, vor allem da es noch nie einer zurückgeschafft hat.
Doch die Entführung eines pakistanischen Jungen scheint eine Chance für Jackson Lamb, den „Chef“ der lahmen Gäule zu sein. Er will mitmischen!
Mick Herron hat einen klassischen Spionagethriller geschrieben, trickreich, voller Wendungen und Verschwörungstheorien. Es gibt auf Seite 312 den Satz von Rivers Großvater: Vergewissere dich, dass niemand das sieht, was er zu sehen glaubt. Der Autor geht nach der gleichen Devise vor: Schreib so, dass kein Leser das liest, was er zu lesen glaubt. Das macht die Geschichte sehr undurchsichtig und fordernd, aber auch spannend, wie ich das von einem Spionagethriller erwarte.
Nach einem rasanten Beginn, lässt sich die Handlung dann mehr Zeit um die vielen Protagonisten im Slough House vorzustellen, ihre Schwächen und Stärken zu thematisieren und ihre Fehler bei ihrer Arbeit im Geheimdienst. Das hat mit anfangs etwas verwirrt und manchem Abschnitt musste ich ein weiteres Mal lesen um auch ja keine versteckte Informationen zu übersehen.
Im Schlussteil findet Herron wieder zu seinem Anfangstempo und der Thriller endet mit einem echten Paukenschlag.
Der Untertitel „Ein Fall für Jackson Lamb“ weist ja schon darauf hin, dass noch weitere Bücher ins Deutsche übersetzt werden, denn Slow Horses ist bereits 2010 erschienen und es gibt im Englischen bereits mehrere Fortsetzungen. Die Presse vergleicht den Autor bereits mit Le Carré, ein würdiger Nachfolger ist er auf jeden Fall.

Veröffentlicht am 24.09.2018

Die V.I.E.R. in Fahrt

Nie zu alt für Casablanca
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Haben wir nicht alle als Kinder gern ein bisschen Detektiv gespielt? Besonders, wenn man sich aus der Bücherei grade einen neuen „Fünf-Freunde-Band“ oder ein neues „TKKG“-Buch ausgeliehen hatte?

Gero-Valerius, ...

Haben wir nicht alle als Kinder gern ein bisschen Detektiv gespielt? Besonders, wenn man sich aus der Bücherei grade einen neuen „Fünf-Freunde-Band“ oder ein neues „TKKG“-Buch ausgeliehen hatte?

Gero-Valerius, Ina, Ellie und Rüdiger waren jedenfalls zur Schulzeit eine verschworene Bande, doch leider hat im Lauf des Lebens sich die Verbindung gelockert. Als Rüdiger durch den Tod seiner Frau im seelischen Tief steckt, hat Journalistin Ina eine zündende Idee. Sie lässt die V.I.E.R. – so ihr jugendlicher Bandenname – wieder aufleben.

Sie ist eh dran an einer Story über Elfenbeinschmuggel und so ein bisschen Recherche von unauffällig-honorigen Leuten kann nicht schaden. Da sie vermutet, dass das Elfenbein auf Kreuzfahrten ins Land geschmuggelt wird, wird flugs eine Reise gebucht. Ellie und Rüdiger getarnt als Ehepaar, Ina lässt sich als Gästebetreuerin anheuern und Gero gibt den verschlossenen, aber wissbegierigen Einzelreisenden.

Ich habe mich bestens amüsiert. Sofort katapultiert mich die Geschichte in ein Abenteuer. Das Autorenpaar E. Frank und C.Homma haben sich vier tolle Protagonisten ausgedacht, die schon einzeln immer für ein Lacher gut sind, aber wenn sie vereint agieren einfach nicht zu schlagen sind.

Der Stil dieses humorvollen Krimis ist leicht, aber nicht seicht. Der Witz hat Charme und Esprit und kleine Logiklücken fallen dabei gar nicht sehr ins Gewicht. Spannende Verfolgungsjagden in Casablanca und Cadiz im Stile eines James Bond und geheimnisvolle und gefährliche Aktionen an Bord bringen richtig Spannung ins Geschehen. So macht die Kreuzfahrt auch den Lesern Spaß und man ist viel zu früh am Ende der Geschichte angekommen.

Aber wer weiß, die V.I.E.R. sind wieder auf den Geschmack gekommen. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass sie sich wieder zu einem Abenteuer treffen.

Veröffentlicht am 23.09.2018

Die "Kalte Sofie" ermittelt wieder

Gschlamperte Verhältnisse
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Dr. Sofie Rosenhut und die ganzen Giesinger Freunde feiern in den Isarauen die Taufe der kleinen Ayrun als ein aufgeregter Passant vom Fund eines Toten berichtet. Was für ein Zufall, dass mit der Rechtsmedizinerin ...

Dr. Sofie Rosenhut und die ganzen Giesinger Freunde feiern in den Isarauen die Taufe der kleinen Ayrun als ein aufgeregter Passant vom Fund eines Toten berichtet. Was für ein Zufall, dass mit der Rechtsmedizinerin Sofie und Freund Joe Lederer von Kriminalpolizei gleich die Richtigen an Ort und Stelle sind.

Die Ermittlungen führen zu gestohlener Kirchenkunst und alten Schädelreliquien, die sich schnell als gar nicht so alt herausstellen. Wie Sofie bald herausfindet, sind die Schädel erst wenige Jahre alt und passen zu vermissten jungen Frauen.

Zusammen mit Joe beginnt sie mit den komplizierten Ermittlungen, ganz gut, dass ihre sonst so unterkühlte Chefin Dr. Falk in Liebessphären schwebt und Sofie ungestört ihrer Neigung zu Polizeiarbeit nachgehen kann. Doch der Täter scheint näher, als sie sich träumen lässt.

Im 5. Fall um die „Kalte Sofie“ ist das ganze liebgewordene Giesinger Personal wieder versammelt und auch die Beziehungsturbulenzen Sofies, die sich einfach nicht zwischen Joe und Charly entscheiden kann, gehen weiter. Das ist Lesespaß pur! Besonders liebgewonnen habe ich dabei Vroni, Sofies gstandene Tante, eine Urmünchnerin, die im Dialekt mit Lebensweisheit und gesundem Menschenverstand mitmischt.

In diesem Lokalkrimi stimmt die Mischung aus Spannung, Humor und Liebeswirren. Aber auch die Lebenswirklichkeit spielt eine Rolle, der Wohnungsnot in München zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Ich liebe die Dialektpassagen und die Beschreibung der alten Münchner Stadtteile, die das Lebensgefühl in der „Weltstadt mit Herz“ perfekt wiedergeben. Auch dieser Band hat mich wieder komplett überzeugt. Schade nur, dass es er schneller gelesen ist, als das Autorenduo mit dem Pseudonym Felicitas Gruber schreiben kann.

Also, liebe Gruberin, bitte lasst mich nicht so lange auf den nächsten Band warten.

Veröffentlicht am 22.09.2018

Großstadtkrimi

Mexikoring
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In Hamburg brennt ein Auto. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, es brennen landauf landab die Autos – so machen sich meist perspektivlos-rebellische Jugendliche Luft. Dass es nicht immer Luxuskarossen sind, ...

In Hamburg brennt ein Auto. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, es brennen landauf landab die Autos – so machen sich meist perspektivlos-rebellische Jugendliche Luft. Dass es nicht immer Luxuskarossen sind, ist auch nicht verdächtig. Aber dieses Mal sitzt ein Mensch im Wagen, die Tür ist verschlossen und die Frage, warum er sich nicht befreit hat ist ein Fall für die Pathologie. Staatsanwältin Riley ist gleich am Tatort. Eine Frau, die psychisch und auch physisch angeschlagen wirkt. Zu viel Alkohol, zu viel Stress, zu wenig Anerkennung haben sie zynisch werden lassen.
Interessant wird der Fall, als der Tote als verstoßener Sohn des türkisch-libanesischen Familienclans der Saroukhan aus Bremen identifiziert wird. Ein Clan, der sich wie ein Krake in Norddeutschland ausgebreitet hat. Ihr Geld wird mit allem gemacht, was illegal ist und Gesetze oder Vorschriften des Landes, das sie einst aufgenommen hat, werden verlacht.
Die Bremer Polizei, die den Hamburger Ermittlern hilft, hat längst resigniert. Aber was führte zur Ermordung von Nouri Saroukhan? Eine Abrechnung unter Gangstern oder eine Familienfehde?
Sabine Buchholz schreibt ihre Großstadtkrimis hart und desillusioniert. Die Sprache ist ihr Stilmittel diese Atmosphäre zu transportieren. Ich finde, das gelingt ihr ausgezeichnet. Die Innenansicht der libanesischen Familienclans beschreibt sie mit beklemmender Realität. Etwas, was erst mit viel Verspätung von der bundesdeutschen Wirklichkeit wahrgenommen wird. Insofern erschien mir der Hintergrund des Kriminalromans wie ein gesellschaftspolitisches Psychogramm.
Mit den Ermittlern Riley und Stepanovic musste ich erst warm werden. Kurz angebunden, schnoddrig und doch mit Empathie gehen sie an ihre Ermittlungen. Ich fand den Krimi richtig spannend zu lesen, es war Unterhaltung mit Anspruch. Das hat mir gut gefallen.
Für mich ist es das erste Buch von Sabine Buchholz gewesen, aber sicher nicht das letzte.

Veröffentlicht am 19.09.2018

Allgäuer Heimat

Abschied am Alpsee
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Es hat Carina viel Überredung gekostet, bis ihr Mann und ihre zwei Kinder zu einem Ferienaufenthalt in ihrer alten Heimat Immenstadt bereit waren. Aber es lässt sich nicht gut an, Sohn und Tochter langweilen ...

Es hat Carina viel Überredung gekostet, bis ihr Mann und ihre zwei Kinder zu einem Ferienaufenthalt in ihrer alten Heimat Immenstadt bereit waren. Aber es lässt sich nicht gut an, Sohn und Tochter langweilen sich und die Krise in ihrer Ehe bricht in den Ferien so richtig aus. Carina und Frank reden schon lange nicht mehr richtig über ihre Bedürfnisse und Sorgen, Frank geht seine eigenen Wege und das scheint auch im Allgäu nicht anders zu sein.
Da wird Carina Zeugin, wie die Floristin der Blumenkiste als Notfall ins Krankenhaus muss, all die Pflanzen stehen noch vor dem Laden und spontan hilft Carina aus. Da merkt sie erst, wie sehr sie ihren Beruf vermisste und bietet der Tochter ihre Hilfe an. Gerne schnuppert sie mal wieder Luft in ihrem alten Beruf und die Immenstädter akzeptieren die Allgäuerin und ihre Hilfsbereitschaft.
Es ist eine herrliche Kulisse die die Autorin den Leserinnen bietet. Tolle Beschreibungen von Land und Leuten machen die Geschichte lebendig und warmherzig. Als Allgäuerin, die genau wie Carina schon lange in der Großstadt lebt, hat mich dieser Ausflug in die Heimat richtig berührt. Das Allgäu hat wohl eine besondere Kraft, denn bald können sich Sohn und Tochter gar nicht mehr vorstellen, woanders Ferien zu machen und auch Carina findet in der Anerkennung, die sie für ihre Sträuße und Gestecke bekommt wieder neue Kraft.
In ihre Figuren lässt Susanne Bahro viel Alltagsrealität einfließen. Wer kennt nicht den Spagat einer Mutter zwischen eigenen Bedürfnissen und die der Familie und wenn die Erkenntnis kommt, dass die Kinder ihre eigenen Wege gehen und plötzlich eine Leere zurückbleibt. Wenn sich dann auch in der Ehe ein Trott und ein Nebeneinanderher-Leben eingeschlichen hat, die die Zukunft ganz grau erscheinen lässt.
Das Buch hat den Untertitel „Allgäu Romantik“ und das trifft es ganz genau, eine romantische Geschichte, gar nicht abgehoben, die natürlich ein Happy End haben muss. Sie hat mir gut gefallen und mein Herz gewärmt.