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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.03.2018

Beaver hängt ab

Eiskalter Hund
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Als Lebensmittelkontrolleur ist der Fellinger nicht wirklich beliebt. Er nimmt sein Beruf ernst, als Beamter hat er „im Dienst keine Freunde und keine Freude“. Er liebt es, allein durch sein Auftauchen ...


Als Lebensmittelkontrolleur ist der Fellinger nicht wirklich beliebt. Er nimmt sein Beruf ernst, als Beamter hat er „im Dienst keine Freunde und keine Freude“. Er liebt es, allein durch sein Auftauchen den Wirten den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben, denn er findet immer was. Da schickt ihn eine anonyme Anzeige zum Chinesen. Mit der „Schwarzen Soße“ soll etwas nicht stimmen. Aber was er findet, hängt im Kühlraum, perfekt enthäutet und ausgeweidet hängt da ein Hund. Beaver ist es, wie er dem sichergestellten Halsband entnimmt. Doch Beavers Frauchen, die vermögende Witwe Poschinger ist verschwunden.

Da die Polizei ihn überhaupt nicht ernst nimmt, muss Fellinger eben selbst ermitteln. Er wäre ja selbst gern zur Polizei gegangen, lediglich sein Knie, das immer mal „rausspringt“, hat das verhindert. Aber seine Nase und das spezielle Jucken, wenn was nicht stimmt, ist ihm geblieben.

Niederbayern mit seinen kantigen und urigen Typen ist die ideale Gegend für einen Mann wie Fellinger. Er hat sein festgefügtes Weltbild und lässt sich weder beirren noch bremsen. So richtige Freunde hat er nicht, auch mit den Frauen ist es schwierig, aber mir scheint, Fellinger taugt sein Lebensstil.

Oliver Kern hat mit seinem ersten – und hoffentlich nicht letzten – Krimi eine Figur kreiert, die richtig Spaß macht. Der Typ ist überzeichnet, aber auf eine Weise, die mir richtig gut gefällt. Er teilt aus, kann aber auch einstecken. Aber nicht nur der Hauptprotagonist ist gelungen, alle Figuren sind klasse gezeichnet. Alle granteln ein wenig, manche sind auch recht hinterfotzig, aber es passt! Der Humor ist hintersinnig, urig und mit reichlich Lokalkolorit und Dialekt gewürzt. Für Leser, die das womöglich nicht verstehen, gibt es auch noch ein schönes Glossar am Ende des Buches. Die Sprache ist knapp und lakonisch, mit viel Wortwitz. Besonders witzig fand ich die Kapitelüberschriften. Die Krimihandlung ist dabei recht verzwickt, aber vielleicht liegt es auch an den unorthodoxen Ermittlungsmethoden des Fellinger, dessen Interpretationen der Vorgänge manchmal recht eigenwillig sind.

Ich habe mich köstlich amüsiert – auf in den Bayerischen Wald !

Veröffentlicht am 26.03.2018

Meister im Stress

K.O. durch Meister
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Eine Karriere als Rockmusiker ist Magnus Meister nicht vergönnt gewesen, so spielt er Gigs auf Hochzeiten und anderen Veranstaltungen. Und wenn es finanziell mal besonders knapp wird, nimmt er auch schon ...

Eine Karriere als Rockmusiker ist Magnus Meister nicht vergönnt gewesen, so spielt er Gigs auf Hochzeiten und anderen Veranstaltungen. Und wenn es finanziell mal besonders knapp wird, nimmt er auch schon mal Aufträge seines Kumpels an, der als Privatdetektiv arbeitet.
Die Baustellen der Bestkauf AG werden regelmäßig sabotiert, mal verschwindet wertvolles Baumaterial, mal wird die Baustelle unter Wasser gesetzt. Die junge Geschäftsführerin hat einen schweren Stand, sie wurde all den altgedienten Männern vor die Nase gesetzt und fürchtet nun um ihren Ruf und ihre Stelle. Deshalb beauftragt sie die Detektei den Vorfällen auf den Grund zu gehen und Magnus Meister beginnt zu suchen.
Die Reihe der Verdächtigen ist lang, unter der nur oberflächlichen Harmonie der Firma brodelt es gewaltig und Magnus hat alle Hände voll zu tun, die Alibis und Motive abzuklopfen. Und das alles vor einem wichtigen Gig, der der Band endlich mal etwas Geld einbringen soll.
Die Autorin Susanne Grulich hat mit ihrem Debüt gleich eine Marke gesetzt. Der Roman ist flott geschrieben und fängt wunderbar die Kölner Stimmung ein. Nicht nur was die Schauplätze betrifft, sondern auch ihre Hauptfigur ist authentisch und wirkt wirklich wie vom Tanzbrunnen weg engagiert. Er hat immer einen guten Spruch parat und lässt sich durch keinen Misserfolg entmutigen. Das macht Magnus sympathisch. Mit seinen Ecken und Kanten trägt er den Krimi. Allerdings hätte es nach meinem Geschmack bei manchen Nebenfiguren etwas weniger Klischee sein dürfen, aber das schmälert die Spannung nicht.
Magnus ist gar nicht untalentiert, weder als Musiker, noch als Schnüffler, deshalb kann man auf weitere Bände und die Entwicklung der Autorin nur gespannt sein.

Veröffentlicht am 26.03.2018

Kranichland

Kranichland
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Die Schwestern Groen wachsen in der DDR auf. Vater Johannes, ein Kriegskind, bringt sich voller Hoffnungen in den real existierenden Sozialismus ein, für einen Staat, der nur für seine Menschen da ist. ...

Die Schwestern Groen wachsen in der DDR auf. Vater Johannes, ein Kriegskind, bringt sich voller Hoffnungen in den real existierenden Sozialismus ein, für einen Staat, der nur für seine Menschen da ist. Seine älteste Tochter übernimmt seine Anschauungen, nur Marlene hinterfragt mehr und ist auch in der Familie ein Fremdkörper. Dann verliebt sie sich in einen Pfarrerssohn, der sich ebenfalls sehr kritisch gegen Staatsräson und Unterdrückung äußert. Es scheint, als ob ihnen nur die Flucht in den Westen bliebe…
Die Autorin ist selbst in der DDR aufgewachsen und schildert in ihrem Roman das Alltagsleben. Die Auswirkungen der Regression auf den einzelnen, wo schon ein Wort oder ein unbedachter Witz die Menschen ins Gefängnis bringen kann. Die Erzählung wechselt in zwei Zeitperspektiven, wobei sich die beiden Ebenen immer näher kommen.
Wie stark der Staat das Alltagsleben reglementierte, in die persönliche Freiheit eingriff und unterdrückte, aber auch Sicherheit, Wohnung und Arbeit garantierte, wenn man sich den Regeln unterwarf, fand ich gut dargestellt. Da bei den Hauptfiguren der Riss durch die Familie ging, bekamen die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Regime und die Folgen eine besondere Dramatik.
Wer wie ich, das Alltagsleben der DDR nicht aus persönlichen Erleben und Erzählen kennt, bekommt durch diesen Roman einen ganz besonderen Blick.
Das ist eine ganz besondere Familiengeschichte, dramatisch und menschlich erzählt, die mir gut gefallen hat. Es ist spannend und fesselnd geschrieben und ich war ganz nahe an Marlene und ihrem Schicksal.

Veröffentlicht am 26.03.2018

Transromania

Abgefahren
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17 Jahre alt, fett, ohne Freunde oder Vertraute. Was macht so ein Junge, wenn die Mutter stirbt?

Viorel packt seine Mutter in einen alten Schlafsack und will ihren letzten Wunsch erfüllen. Sie möchte ...

17 Jahre alt, fett, ohne Freunde oder Vertraute. Was macht so ein Junge, wenn die Mutter stirbt?

Viorel packt seine Mutter in einen alten Schlafsack und will ihren letzten Wunsch erfüllen. Sie möchte in ihrer Heimat Rumänien beerdigt werden. Für Viorel eine fremde Welt, er war nie dort, weiß nicht einmal, woher die Mutter stammte und spricht kein einziges Wort Rumänisch. Zwar hat er keinen Führerschein, aber fahren kann er und so geht es einfach los.
Unterwegs gabelt er noch einen merkwürdigen Anhalter auf, bleich und wortkarg, aber kein unangenehmer Begleiter, nur dass er unterwegs bei einem Unfall stirbt und Viorel jetzt zwei Leichen im Auto transportiert.

„Abgefahren“ heißt dieses Buch und abgefahren ist es auch. Es ist ein wirklich schräger Roman, der meine Lesegewohnheiten richtig durchgerüttelt hat. Mit Logik bin ich nicht recht weiter gekommen, aber die Sprache, Viorels Gedankenmonologe in den langen Stunden der nächtlichen Fahrt (es ist fast immer Nacht, denn es ist Ende Dezember und auch tagsüber beherrscht trübes, graues Licht die Szene) haben mich fasziniert. Es ist ein Mix aus Mythen, Ängsten und seltsamen Begegnungen. Viorel, der bisher antriebslos und lethargisch das Leben über sich ergehen ließ, muss plötzlich agieren, sich auf Situationen einstellen, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Ein erstaunlicher Protagonist, dieser Junge, der auf Anhieb nicht sonderlich sympathisch wirkt, eher ein diffuses Mitleid erweckt, aber sich im Lauf der Geschichte verändert. Wohin – das bleibt offen. Wie auch das Ende des Roadtrips offen ist.

Auch die Ausstattung der Klappenbroschur hat mir gefallen. Die Karte, auf der man Viorels Reiseweg verfolgen kann, hat mir gut gefallen. Sie gibt der Fahrt einen handfesten Bezug, an der ich mich orientieren konnte.





Veröffentlicht am 24.03.2018

Todesengel

Schweigegelübde (Ein Emma-Vaughan-Krimi 2)
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Die Irin Emma Vaughan ist in den USA aufgewachsen, arbeitet nun schon seit Jahren bei der Polizei in Sligo. Sie hat es nicht leicht in der männerdominierten Gesellschaft. Von ihrem Mann hat sie sich getrennt, ...

Die Irin Emma Vaughan ist in den USA aufgewachsen, arbeitet nun schon seit Jahren bei der Polizei in Sligo. Sie hat es nicht leicht in der männerdominierten Gesellschaft. Von ihrem Mann hat sie sich getrennt, seine Gewaltausbrüche und seine Schläge hat sie nicht länger hinnehmen wollen. Nun ist ihr Ex als IRA Terrorist angeklagt und nur um ihrem Sohn sein Vaterbild zu erhalten, engagiert sie einen teuren Anwalt zu seiner Verteidigung.


Auch beruflich läuft es nicht rund. Erst kürzlich wurde sie aus der Mordkommission zum Abteilung Häusliche Gewalt versetzt, eine deutliche Degradierung für sie und ein Hinweis ihrer Vorgesetzten endlich ihre Tablettensucht in Griff zu bekommen. Nach einem Unfall leidet sie unter Dauerschmerzen und der Griff zu Opiaten ist viel zu selbstverständlich für sie geworden. Kurz, Emma hat mehr Probleme als sie bewältigen kann. In der Klinik von Sligo, die sie eigentlich aufsuchte, weil sie zu einem Drogenscreening verdonnert wurde, wird sie von Stationsarzt auf einen unerklärlichen Anstieg von Todesfällen angesprochen. Patienten, die auf dem Weg der Besserung waren, verstarben plötzlich an Herzversagen. Der Arzt ist nicht nur der Ehemann ihrer Freundin, er hat ihr schon das eine oder andere Rezept für ihre Opiate ausgestellt und erhofft sich im Gegenzug unauffällige Ermittlungen.
Damit ist Emma wieder beruflich gefordert, ein Todesengel in einem Krankenhaus – ein Fall, der schnell auch für Wirbel in der Presse sorgt.


Der Krimi spielt im Jahre 2005, der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten ist noch sehr gegenwärtig. Die Machenschaften der katholischen Kirche und ihrer gefürchteten Kinderheime sind grade ans Licht gekommen und auch die Auseinandersetzung mit IRA ist noch Alltag. All diese irischen Konflikte vereinen sich in diesem Krimi und sorgen für einen spannenden, auch gesellschaftlich relevanten Hintergrund. Emma ist als sympathische Frau geschildert, die trotz ihrer persönlichen und beruflichen Überlastung sich ihre Empathie bewahrt hat.


Obwohl ich schon sehr früh einen Täter für die Krankenhausmorde im Blick hatte und ich Handlung auch etwas vorhersehbar fand, hat mich dieser Irlandkrimi gefesselt. Es liegt sicher daran, dass es der Autorin gelungen ist, den zeitgeschichtlichen Hintergrund perfekt in den Krimi einzubauen und damit die ganz besondere Atmosphäre Irlands einzufangen. Die Autorin hat einen sehr flüssigen, bildhaften Erzählstil, der mir ganz gut gefallen hat. Durch die Rückblicke, die immer wieder auf den Vorgängerband verweisen, kann man der Handlung gut folgen, auch ohne das erste Buch zu kennen.
Der Hauptfigur Emma stehe ich etwas gespalten gegenüber. Obwohl sie mir als Figur nicht unsympathisch ist, sind mir ihre Handlungsweisen manchmal nicht nachvollziehbar.


Insgesamt ein spannender Krimi, der mich gut unterhalten hat.