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Veröffentlicht am 12.07.2021

Lebensentwürfe

Wildtriebe
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Der Bethcheshof ist der Lebensmittelpunkt der Altbäuerin Lisbeth. Um ihn hat sie gekämpft, als die Brüder im Krieg geblieben sind. Hier hat sie ihr Leben verbracht, ihre ganze Energie gebraucht. Doch nun ...

Der Bethcheshof ist der Lebensmittelpunkt der Altbäuerin Lisbeth. Um ihn hat sie gekämpft, als die Brüder im Krieg geblieben sind. Hier hat sie ihr Leben verbracht, ihre ganze Energie gebraucht. Doch nun bringt Sohn Konrad eine junge Frau auf den Hof. Marlies, die sich nicht unterordnen will, die in der Stadt arbeitet, keine Bauerntochter ist und einen anderen Lebensentwurf hat. Dekaden der Kämpfe gegen nicht spurlos an den Frauen vorüber, doch mit Joanna, der Enkelin kommen noch einmal ganz andere Vorstellungen auf den Hof.
Drei Frauen, ihre Gedanken, Erinnerungen und Wünsche bestimmen die Geschichte, wobei mir Marlies als mittlere Generation am nächsten ist. Das setzt die Autorin sehr gut in Szene, man spürt die zunehmende Frustration von Marlies, ihre Gedanken, ihre Wünsche und auch ihre Enttäuschungen in fast jedem Satz.
Rückhalt von Konrad bekommt Marlies kaum, er lässt sie zwar gewähren, hält sich aber raus. Sprachlos scheint er und blass bleibt er die ganze Geschichte über. Wie auch Karl, Lisbeths Mann, der in den Hof einheiratete und für Marlies Verständnis zeigt. Erst Joanna kann den Graben zu Lisbeth überschreiten.
Der Roman hat mich nicht kalt gelassen, obwohl kaum Emotionen zu spüren sind. So wie es früher eben war, man hat alles mit sich selbst ausgemacht. Ich hätte gern mehr Sympathien für die Protagonisten entwickelt, das ist mir aber kaum gelungen. Vielleicht noch am ehesten Mitleid , obwohl ich mir oft wünschte, Konrad und Marlies hätten mehr Durchsetzungsvermögen. Es bleibt ein Eindruck der Sprachlosigkeit, der Unfähigkeit mit einander zu kommunizieren als Fazit der Geschichte.
Ein Blickfang ist das Cover mit einem klassischen Blumenbild, üppig und sommerlich. Aber der Inhalt ist anders.

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Veröffentlicht am 07.07.2021

Die Diva und ihr Stalker

Madame le Commissaire und die panische Diva
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In der Reihe der Provence-Krimis hat Kommissarin Isabelle Bonnet eine Sonderstellung, genau wie in ihrer Dienststelle. Einst war sie hochdekorierte Leiterin eines Sonderkommandos, nach einem Einsatz, den ...

In der Reihe der Provence-Krimis hat Kommissarin Isabelle Bonnet eine Sonderstellung, genau wie in ihrer Dienststelle. Einst war sie hochdekorierte Leiterin eines Sonderkommandos, nach einem Einsatz, den sie schwerverletzt überlebte, aber zu einem guten Ende brachte, lässt sie sich als einfache Kommissarin in ihren Heimatort Fragolin zurückversetzen. Ihr väterlicher Freund Balancourt aus dem Innenministerium schuf eine Dienststelle für sie. Sie ist niemandem verpflichtet und übernimmt nur die Fälle, die sie auch interessieren.

So auch dieses Mal. Colette Gaspard ist d i e französische Diva, geschildert wie aus dem Bilderbuch und nie ohne ein Glas Champagner anzutreffen. Kaum jemand weiß, dass sie aus Fragolin stammt, ihre Zwillingsschwester Yvonne lebt immer noch hier. Doch Colette wird von einem Stalker bedroht, das hat solche Ausmaße angenommen, dass ihr Auftritt im Pariser Olympia gefährdet wird. So übernimmt es Isabelle den Stalker ausfindig zu machen, schließlich hat ja Monsieur Balancourt bereits Karten für den Auftritt.

Die Titelfigur des Krimis ist wohl die einzige Kommissarin Frankreichs in deren Wagen eine stets gepackte Strandtasche zu finden ist. Denn die Zeiten zwischen den Fällen geht sie sehr entspannt an. Ihr Privatleben ist nicht minder interessant, wie ihre Fälle. Sie lebt polyamor, beide Liebhaber wissen voneinander und gehen offen damit um. Beruflich ist sie schlagkräftig, auch wenn die Verletzung einige Einschränkungen mit sich brachten. Sie weiß exzellentes Essen und Champagner ebenso zu schätzen, wie ein einfaches Picknick am Strand.

Dieses Mal fehlte mir ein wenig die Leichtigkeit im Schreibstil des Autors. Seine Fälle sind immer mit französischem Charme erzählt und ein Augenzwinkern ist dabei immer zu spüren. Ich fand es auch dieses Mal unterhaltend, aber nicht so spritzig, wie in den früheren Bänden. Pierre Martin bringt viel provenzalisches Flair in seine Geschichten, das gemütliche Glas Rosé im Bistro am Abend, die schönen Strände, die kulinarischen Genüsse, das weckt auch Lust auf Südfrankreich.

Das ist bereits der achte Band dieser Reihe. Nicht immer finde die die Fälle gleich spannend, hier wäre in diesem Punkt sicher noch Luft nach oben. Den Stalker verdächtigt der Leser wohl schon viel eher als Isabelle. Für einige skurrile Szenen darf wieder der verschrobene Assistent Apollinaire sorgen, den ich als Auflockerung immer sehr schätze.

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Veröffentlicht am 06.07.2021

Der Kaiser ist tot

Kaiserjagd
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In Bad Ischl, der ehemaligen Sommerfrische von Kaiser Franz Joseph und seiner Gattin Sissi dreht sich wieder einmal alles um das Kaiserpaar. Ein Film über Sissis Lieblingstochter Marie Valerie soll gedreht ...

In Bad Ischl, der ehemaligen Sommerfrische von Kaiser Franz Joseph und seiner Gattin Sissi dreht sich wieder einmal alles um das Kaiserpaar. Ein Film über Sissis Lieblingstochter Marie Valerie soll gedreht werden. Doch dann findet eine Joggerin den Kaiserdarsteller tot unter dem Kaiserdenkmal. Wolfgang Jarisch war ein, vor allem bei Frauen sehr beliebter Schauspieler und Chefinspektor Materna merkt sehr bald, dass es im Filmteam eine Menge Verdächtiger gibt.

Gleich zu Beginn gibt es ein ausführliches Personenregister, das ich sehr hilfreich fand, so konnte ich schnell die Namen den unterschiedlichen Milieus zuordnen. Auch wenn es viele Mitwirkende gibt, so hat die Autorin ein Händchen dafür, ihre Protagonisten sehr gut zu beschreiben und mit besonderen Charakteristika auszustatten. So finde ich die Nebenfigur, den Rechtsanwalt Ronacher, in seiner Adelsleidenschaft – er hält sich für einen illegitimen Nachfahren der Habsburger – einfach nur witzig.

Materna hat eine ruhige Art zu ermitteln, auch wenn es wieder passiert: seine Freundin Josie wird zufällig in den Fall verwickelt und als Psychologin kann sie mitunter entscheidende Schlüsse ziehen. Aber für Materna sind diese Einmischungen nicht immer eine Freude, schließlich hat sie sich schon einmal in Gefahr gebracht.

Überhaupt spielt das Private durchaus eine Rolle in diesem spannenden Krimi, aber auf eine gut ausgewogene und zum Fall passende Weise. Das macht die Geschichte sehr unterhaltsam und der Hintergrund, Bad Ischl, trägt ebenso dazu bei. Da fließt viel Wissenswertes aus der Geschichte dieses klassischen Kurorts mit ein und die Atmosphäre fand ich sehr stimmig und anregend.

Der Plot ist recht raffiniert aufgebaut, es gibt viele Verdächtige und entsprechend viele Spuren, aber das macht mir beim Miträtseln auch großen Spaß. Hier hatte ich schon bald eine vage Ahnung, aber die Autorin weiß ihre Leser sehr zu fesseln und findet immer wieder einen spannenden Twist. So blieb der Spannungsbogen bis zum Ende sehr hoch.

Ich mag es sehr, wenn bei einem in Österreich angesiedelten Krimi das auch in der Sprache spürbar ist. Die Austriazismen tragen viel zu Authentizität bei und wer mit dem einen oder anderen Wort nichts anzufangen weiß, kann im angehängten Glossar nachschlagen.

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Veröffentlicht am 04.07.2021

Fesselnder historischer Krimi

Feuer in der Hafenstadt
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Kapitän Hauke Sötje hat vor England sein Schiff und seine Mannschaft verloren. Er ist der einzige Überlebende der Havarie. Aber Sötje ahnt, dass es beim Untergang nicht mit rechten Dingen zuging. Zwar ...

Kapitän Hauke Sötje hat vor England sein Schiff und seine Mannschaft verloren. Er ist der einzige Überlebende der Havarie. Aber Sötje ahnt, dass es beim Untergang nicht mit rechten Dingen zuging. Zwar wurde er vor Gericht freigesprochen, was sicher auch seinem Anwalt von Lahn zu verdanken war, den die kaiserliche Marine gestellt hat, aber gleichzeitig wurde ihm ein ehrenvoller Freitod nahegelegt.

Nur noch eine Aufgabe will er vorher erfüllen und die führt in nach Glücksstadt. Dort gerät er zufällig in einen Mordfall und in eine Brandstiftung und von Lahn, der auch in Glückstadt weilt, beauftragt ihn als Sonderermittler die Intrigen gegen die neugegründete Glücksstädter Heringsfischerei aufzuklären. Bei dieser Gelegenheit lernt er Sophie Struwe kennen, eine Fabrikantentocher, die durch die Brandstiftung Ruf und Zuhause verloren hat.

Das ist der erste Band der historischen Krimireihe um Kapitän und Ermittler Hauke Sötje. Er wurde im Emons Verlag neu aufgelegt.

Der Krimi trifft die Atmosphäre des jungen 20. Jahrhunderts sehr gut. Der Kaiser plant den Aufbau einer Flotte, auch um im Vergleich zu England gut dazustehen. Gleichzeitig soll auch die Fischerei an einigen deutschen Hafenstädten ausgeweitet werden. Das weckt Begehrlichkeiten von vielen Seiten. Hauke als Hauptprotagonist ist eine aufrechte, energische Persönlichkeit. Ruhig, fast wortkarg aber immer auf Gerechtigkeit aus. Dass sein Ruf durch die Havarie Schaden nahm traf ihn sehr, aber noch schlimmer traf in der Tod seiner Leute, für die er sich verantwortlich fühlt.

Der Autorin gelingt die Zeitreise ausgesprochen gut. Jedes Kapitel beginnt mit einem kleinen Ausriss aus der Zeitung „Glückstädter Fortuna“ aus dem Jahr der Handlung. Dazu mischt sie historische Details sehr kenntnisreich mit ihrer Romanhandlung. Das versetzt den Leser perfekt in die Vergangenheit.

Intrigen und Spionage machen den Plot sehr spannend und ein Ermittler mit angeschlagenem Ruf, der sich gegen die Pickelhauben-Gendarmen durchsetzen muss, ist ein origineller Ausgangspunkt.

Ein interessanter historischer Krimi, der viel vom Alltagsleben der Kaiserzeit vermittelt und auf weitere Abenteuer von Hauke Sötje neugierig macht.

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Veröffentlicht am 02.07.2021

Dora Maar

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe
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Henriette Theodora Markovitch (1907 – 1997) ist den meisten wohl unter ihrem Künstlernamen Dora Maar bekannt und dieser Name ist untrennbar mit Pablo Picasso verbunden.

In Paris geboren und in Buenos ...

Henriette Theodora Markovitch (1907 – 1997) ist den meisten wohl unter ihrem Künstlernamen Dora Maar bekannt und dieser Name ist untrennbar mit Pablo Picasso verbunden.

In Paris geboren und in Buenos Aires aufgewachsen, kehrt sie als junge Frau mit ihrer Familie nach Paris zurück. Sie ist zur Künstlerin berufen, auch wenn die namhaften Akademien Frauen damals noch verschlossen waren. Aber als Fotografin kann sie sich schon sehr früh einen Namen machen. Ihre Bilder waren vom Surrealismus geprägt, mit Doppelbelichtung erzielte sie aussagekräftige Motive und ihre Modefotos waren außergewöhnlich und neu. Sie hatte sich ihren Namen gemacht.

Als sie Picasso begegnete, war das ein Einschnitt in ihrem Leben. Eine leidenschaftliche Amour fou begann. Dora wurde zum Modell, zur Muse. Doch die Beziehung war nicht einfach. Picasso schätzte Frauen sehr, aber nicht als eigenständige Künstlerin. So wurde Dora Maars Schaffenskraft ausgebremst.

Bettina Storks hat eine Romanbiografie geschrieben und sich mit Herzblut dieser außergewöhnlichen Frau angenähert. Das Buch hat mich fasziniert und ganz gegen meinen Willen mein Picasso Bild auch verändert. Man kann diese Frau nicht ohne ihren Geliebten erfassen. Die Leidenschaft der Beziehung, aber auch die Leiden, die sie an seiner Seite erdulden musste waren außergewöhnlich. Picasso war notorisch untreu, Frauen faszinierten ihn so lange, bis er sie erobert hat und in sein Netz gezogen hat. Fast könnte man sagen, bis er sie klein gemacht hat, dann löste er sich.

Für Dora, die familiär auch eine Disposition dazu hatte, endete die Beziehung mit einem Zusammenbruch und einer Depression, die sie ihr restliches Leben begleitet hat.

Ein Leben aus Fotografien, Schriften und Nachlässen so lebendig zu gestalten, dass ich meinte, die Frau zu kennen, ist der Autorin sehr gut gelungen. Über Dora Maar wurde sehr viel geschrieben und man kann sie ihr natürlich nicht annähern, ohne Picasso mit einzubeziehen. Aber Bettina Storks gibt ihrer künstlerischen Entwicklung und ihrer Originalität als Fotografin den gebührenden Platz. Das hat das Buch für mich ausgezeichnet.

Das Cover verweist auf die lose Reihe des Aufbau Verlags, die sich den „Mutigen Frauen zischen Kunst und Liebe“ widmet.

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