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Veröffentlicht am 07.05.2017

Zen und die Kunst der Ermittlung

Inspektor Takeda und der leise Tod
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Der harte Polizeialltag hat bei Claudia Harms, Kriminalhauptkommissarin in Hamburg, Spuren hinterlassen. Sie ist bindungsunfähig, einsam und etwas verbissen. Ein wenig wird ihr Arbeitsalltag aufgelockert ...

Der harte Polizeialltag hat bei Claudia Harms, Kriminalhauptkommissarin in Hamburg, Spuren hinterlassen. Sie ist bindungsunfähig, einsam und etwas verbissen. Ein wenig wird ihr Arbeitsalltag aufgelockert durch den Kenjiro Takeda, einem japanischen Inspektor aus Tokio, der an einem Austauschprogramm teilnimmt. Er fremdelt manchmal noch etwas mit seinem neuen Umfeld, die kulturellen Unterschiede sind doch gewaltig, aber bei seinem geliebten Jazz und seinen sorgsam vorbereiteten Teezeremonien findet er Erholung. Takedas unvoreingenommener Blick auf die deutschen Befindlichkeiten, gibt ihrer gemeinsamen Arbeit oft einen besonderen Kick.
Da bringt ein Einsatz beide an ihre emotionalen Grenzen, aus einem Hochhaus wird ein Kleinkind einfach vom Balkon geworfen. Der Täter ist schnell gefunden, die Mutter und ihr jetziger Lebensgefährte leben im Dreck und andauernden Crystal Meth Drogenrausch. Das vor Hunger und Kälte schreiende Kleinkind war einfach im Weg.
Kurz danach führt sie ein Unfall mit Fahrerflucht ans andere Ende der Hamburger Gesellschaft, das Opfer war ein erfolgreicher Internet-Unternehmer mit Edel-Büro und teuren Vorlieben. Schnell wird Takeda klar, dass hier kein Autounfall vorliegt, dass die Tat ein sorgsam geplanter Mord war. Gibt es gar eine Verbindung zum Fall des getöteten Kindes?
Das ungleiche Duo bereichert sich gegenseitig. Ganz besonders hat mir der „japanische Blick“ gefallen, vieles was selbstverständlich erscheint, wird hinterfragt und bekommt plötzlich einen ganz anderen Stellenwert. Beide Kommissare haben eine besondere Art zu ermitteln und sind sich dabei ähnlicher, als sie sich eingestehen möchten.
Spannende Ermittlungen, im Drogenmilieu, genau wie in der New Commerce Szene fand ich interessant und toll aufgebaut. Der Krimi entwickelt einen Sog, dem ich mich nicht entziehen mochte. Der Plot ist aktuell und realistisch, das Tempo des Krimis bis zur letzten Seite hoch. Die Beschreibung der beiden Kriminalisten hat mir besonders gut gefallen. Wie Claudia und Kenjiro sich annähern, die jeweiligen kulturellen Unterschiede schätzen zu lernen, ist witzig und amüsant. Mit diesem Ermittler-Duo ist dem Autor ein wirklich originelles Gespann gelungen vom dem ich unbedingt mehr lesen möchte.

Veröffentlicht am 06.05.2017

Wiener Spaziergänge

Wien abseits der Pfade Band II
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Seit einiger Zeit gibt es im Braumüller Verlag eine schöne Reihe: „……abseits der Pfade“. Von ortskundigen Autoren werden Stadtspaziergänge in den Hauptstädten und Touristen-Hot Spots vorgestellt, die sich ...

Seit einiger Zeit gibt es im Braumüller Verlag eine schöne Reihe: „……abseits der Pfade“. Von ortskundigen Autoren werden Stadtspaziergänge in den Hauptstädten und Touristen-Hot Spots vorgestellt, die sich außerhalb der üblichen, ausgetretenen Touristenpfade bewegen. Nicht nur, dass man viel Sehenswertes und Denkwürdiges vorgestellt bekommt, man entgeht auch dem Gewühl der breiten Masse.
Mit dem zweiten Band der Wien-Spaziergänge wurde Georg Renöckl betraut, der schon Paris so kundig begleitete.
In 7 Rundgängen führt der Autor durch die verborgenen Innenhöfe der „Durchhäuser“ oder schickt uns im Suppengrün-Spaziergang durch den fast ländlichen anmutenden Stadtrand, wo das Gemüse herangezogen wird, dass täglich frisch auf den Märkten seine Käufer findet. Die alten Gemeindebauten werden vorgestellt und auf vergessene Details und verborgene Schätze aufmerksam gemacht.
Für jeden Besucher Wiens, der mehr möchte, als sich im Touristenstrudel an Stephansdom und Sachertorte abzuarbeiten, der findet hier einen charmanten und lesenswerten Zugang zu dieser liebenswerten Stadt.
Einkaufstipps und Einkehrmöglichkeiten, Plätze zum Ausruhen oder zum Entdecken mit Kindern, es ist für jeden etwas dabei. Im Anhang des Kapitels werden die Adressen und die Kontaktdaten abgedruckt, so dass man sich immer über aktuelle Öffnungszeiten und Themen informieren kann.
Vor jedem Kapitel ist eine kleine Karte abgedruckt, die zur ersten Orientierung taugt. Vielleicht kann sich der Verlag entschließen, eine kleine Übersichtskarte in die Umschlagklappe zu drucken oder gar eine kleine Klappkarte beizulegen, das wäre für jeden Band ein echter Mehrwert und eine Verbesserung.
Ein ganz besonderer Stadtführer; auch für Wienkenner und die, die es erst noch werden wollen.

Veröffentlicht am 03.05.2017

Wenn die Köchin mit dem Winzer...

Ein Weinberg zum Verlieben
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Die passionierte Köchin Rose Bennett verliert am gleichen Tag Job und große Liebe. Sie kriecht bei ihrem großen Bruder unter, um ihre Wunden zu lecken. Um sie aus der Lethargie zu reißen, besorgt er ihr ...

Die passionierte Köchin Rose Bennett verliert am gleichen Tag Job und große Liebe. Sie kriecht bei ihrem großen Bruder unter, um ihre Wunden zu lecken. Um sie aus der Lethargie zu reißen, besorgt er ihr einen Job als Haushälterin eines Weinguts am anderen Ende der Welt – im Shingle Valley in Australien. Er möchte, dass sie dort Augen und Ohren aufhält, denn als Investor sucht er ständig große Weingüter, die eine Übernahme lohnen. Das Weingut hat zwar einen ambitionierten Besitzer, aber auch mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Das passt genau ins Beuteschema von Henry Bennett.
Aber in dieser Liebesgeschichte kommt es anders, als man denkt. Natürlich ist die Geschichte nicht neu, nicht einmal besonders originell – Köchinnen sind gerade sehr in Mode – aber sie ist durchgehend unterhaltsam und witzig geschrieben. Rose Bennett hat ein so sympathisches und zupackendes Wesen, dass ich sie als Leserin sofort ins Herz geschlossen habe. Die Beschreibung der Landschaft und der Weinberge ist gelungen und weckt Reisesehnsüchte. Bis zum Happy End gibt es natürlich noch eine Menge Haken und Umwege, denen ich gern gefolgt bin.
Eine lockeres, unterhaltsames Lesevergnügen für einige entspannte Stunden, zusammen mit einem Glas Wein perfekte Urlaubslektüre.

Veröffentlicht am 01.05.2017

Zwischen Machos und Alpakas

Stallgeruch
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Kriminalkommissar Christian Heldt ist überhaupt nicht begeistert, dass er aus seinem Urlaub geholt wird, um zusammen mit Kollegen Tomek Piotrowski in Duderstadt einen Mordfall zu klären. Schließlich finden ...

Kriminalkommissar Christian Heldt ist überhaupt nicht begeistert, dass er aus seinem Urlaub geholt wird, um zusammen mit Kollegen Tomek Piotrowski in Duderstadt einen Mordfall zu klären. Schließlich finden es die Duderstädter Kollegen nicht sehr prickelnd, dass gleich am nächsten Tag, die Kollegen aus Göttingen anrücken und eine gute Zusammenarbeit wird dann nicht einfach. Aber einer der Zeugen hat einen Draht nach „oben“ und so haben sie keine große Wahl.
Im Gestüt der Familie Mohr, die neben Pferden auch sehr erfolgreich Alpakas züchten, wird die Pferdewirtin Linda ermordet im Stall gefunden. Sie war auch mit dem Juniorchef verlobt und es ist auch kein rechtes Motiv auszumachen. Zwar ist der Seniorchef ein echter Kotzbrocken, aber auf seine zukünftige Schwiegertochter ließ er nichts kommen. Auch der Tierarzt, der das Opfer fand, ist arrogant und unsympathisch, aber sein Alibi ist wasserdicht. Die Stallgehilfin Doreen weiß mehr, als sie sagt und überhaupt will die Familie ganz schnell zum Alltag zurückzukehren. Es scheint, als ob niemand so recht um Linda trauert, nicht einmal ihr Verlobter.
Dominik Kimyon hat mit „Stallgeruch“ seinen ersten Krimi vorgelegt und der Autor sprüht vor Ideen, ein Wortspiel kommt nach dem anderen und witzige Vergleiche finden sich in fast jedem Abschnitt. Das macht Spaß zu lesen, wurde mir aber trotzdem mit der Zeit zu viel. Viele Personen werden eingeführt, vielleicht auch schon im Hinblick auf Folgebände und jede der neuen Figuren wird mit einer Vorgeschichte ausgestattet. Für mich hat das die Spannung etwas zerfasert. Eine stringentere Handlungs- und Spannungsführung hätte mir noch besser gefallen.
Sympathisch dargestellt und gut gefallen haben mir die beiden Ermittler Held und Piotrowski, das ist ein Gespann, das noch viel Potential hat.
Der Plot ist raffiniert ausgedacht und punktet mit einem wirklich überraschenden Finale. Insgesamt ein gelungenes Debüt, das mich sehr neugierig auf die weitere Entwicklung des Autors und seiner Ermittler macht.

Veröffentlicht am 29.04.2017

Mahoney und die Geister der Vergangenheit

Der Freund der Toten
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Der Mann, den alle nur Mahoney nennen ist im Waisenhaus als Findelkind aufgewachsen, dann bekommt er als Erwachsener das Vermächtnis einer verstorbenen Nonne: ein Foto seiner Mutter und eine Botschaft ...

Der Mann, den alle nur Mahoney nennen ist im Waisenhaus als Findelkind aufgewachsen, dann bekommt er als Erwachsener das Vermächtnis einer verstorbenen Nonne: ein Foto seiner Mutter und eine Botschaft mit seinem Namen und seinen Geburtsort.
Als er im irischen Dorf Mulderrig aus dem Bus steigt, erwarten ihn schon viele Dorfbewohner, aber es sind die Toten, die ihm begegnen, ihn begleiten und helfen, das Geheimnis um das Verschwinden seiner Mutter zu lösen. Aber wer ein katholisches irisches Waisenhaus überstand, den schrecken die Toten nicht. Für die lebenden Bewohner des Ortes ist es vorbei mit der gespenstischen Ruhe aus Bigotterie und vorgeschobener Wohlanständigkeit.
Mahoney beginnt nicht nur mit seinen Fragen das Dorf aufzuscheuchen, auch seine Ausstrahlung, sein unverschämt gutes Aussehen bringen die Bewohner, vor allem die weiblichen, aus der Ruhe.
Das Buch übte einen eigenwilligen Sog auf mich aus. Anfangs hatte ich leichte Schwierigkeiten die toten Figuren als solche zu erkennen, aber schon nach wenigen Seiten waren sie mir seltsam vertraut. Das ganze Setting wirkt auf mich ganz typisch irisch: humorvoll, versponnen und voller Glauben an das Übersinnliche. Dabei ist die ganze Handlung sehr real, ein Zeitbild der 50iger und der 70iger Jahre, als der Priester und die Gemeindeschwester noch über ein Dorf bestimmen konnten. Ein Rebell wie Mahoney muss den Unmut all der „Anständigen“ auf sich ziehen, zumal er aussieht wie ein Hippie und Fragen über Ereignisse stellt, an die niemand mehr erinnert werden möchten.
Was ist damals mit seiner jugendlichen Mutter passiert? Ist sie wirklich einfach in den Bus gestiegen und abgehauen und hat ihn als Baby ausgesetzt oder konnte sie nicht mehr fliehen?
Der Roman sprengt die Genres, mehr als nur eine spannende Geschichte, ist es ein Zeitbild, eine Selbstfindung und auch eine Abrechnung mit der Vergangenheit. Ich bin völlig in den Roman eingetaucht, eine Entdeckung, die mich überzeugt hat. Ein toller Stil, der jedem der Protagonisten eine eigene Stimme gibt, ernsthaft und doch immer mit einem Augenzwinkern, war es ein richtiges Lesevergnügen für mich.