Atmosphärisch, melancholisch und wunderschön
Hard Land "In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb". Gleich mit dem ersten Satz fasst Benedict Wells die Handlung seines Romans „Hard Land“ zusammen. Und doch steckt so viel mehr darin.
Sam, ...
"In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb". Gleich mit dem ersten Satz fasst Benedict Wells die Handlung seines Romans „Hard Land“ zusammen. Und doch steckt so viel mehr darin.
Sam, 15, ist ein schüchterner Außenseiter ohne Freunde. Er wohnt mit seinen Eltern in Grady, einer öden Kleinstadt in Missouri, von wo die jungen Menschen wegziehen, sobald sich die Gelegenheit dazu ergibt. Sams ältere Schwester Jean lebt schon lange in Kalifornien; sie meldet sich kaum, und zu seinem verschlossenen, wortkargen Vater findet der Junge keinen Zugang. Nur mit seiner lebhaften, bücherverrückten Mutter kann er relativ offen reden. Dass sie unheilbar an Krebs erkrankt ist, überschattet das Leben der Familie seit Jahren.
Die Geschichte spielt im Sommer 1985, Sam wird demnächst 16. Er nimmt einen Ferienjob im örtlichen Programmkino an und lernt dadurch Kirstie, Hightower und Cameron kennen, die ein paar Jahre älter sind als er und in Kürze zu ihren über das ganze Land verstreuten Universitäten aufbrechen werden. Nach anfänglichem Zögern nehmen die drei Sam in ihre Clique auf. Zusammen mit seinen neuen Freunden erlebt er einen rauschhaften Sommer voller „ersten Male“. Gleichzeitig muss er sich einigen seiner Ängste stellen und auf bittere Art und Weise lernen, erwachsen zu werden.
Erzählt wird die Geschichte aus Sams Perspektive. Dabei ist der Autor sprachlich ganz nah bei seinem sympathischen Protagonisten. Ich hatte tatsächlich öfter das Gefühl, neben dem Jungen am Virgin Lake zu sitzen und ihm zuzuhören. Der Roman lebt von seiner authentischen Atmosphäre, ich habe mich schnell darin heimisch gefühlt und mit den Eltern und den Jugendlichen in derselben Weise mitgefühlt.
Nicht nur die zahlreich erwähnten Film- und Musiktitel haben mich an meine eigene Jugend erinnert. Auch all die längst vergessen geglaubten Zweifel, Hoffnungen und Ängste dieses Lebensabschnittes hat der Autor so eindringlich dargestellt, dass bei mir zwischen Lächeln und Melancholie oft nur ein paar Zeilen lagen.
So traurig der Grundton der Geschichte auch ist, schafft es Wells doch immer wieder, die Schwermut durch eine witzige oder hoffnungsvolle Passage aufzuhellen. Wenn es mir an manchen Stellen zu sentimental wurde, habe ich ein Auge zugedrückt, denn insgesamt hat mich der Roman glänzend unterhalten und ist zu einem meiner Lieblingsbücher 2021 geworden.