In einer fernen Zukunft hat die Menschheit Krankheit, Armut, Kriege und den natürlichen Tod besiegt. Die medizinischen Möglichkeiten reichen vom Zurücksetzen des Körpers in ein jüngeres Alter bis hin zur völligen Wiederherstellung nach einem tödlichen Unfall. Da die Menschen nun nicht mehr sterben können, muss der Überbevölkerung eine Grenze gesetzt werden. Diese Aufgabe übernehmen die Scythe, indem sie bestimmte Personen zur sogenannten Nachlese, also zur Tötung auswählen. Hierbei sollten die 10 Gebote des Scythetums befolgt werden, doch gibt es einige Scythe in der Gemeinschaft, die diese Regeln zugunsten der eigenen Vorlieben und Vorteile ausnutzen. Citra und Rowan werden vom Scythe Faraday als Lehrlinge für die Ausbildung auserwählt, obwohl sie beide nicht bereit sind zu töten!
Ich finde die Idee der Unsterblichkeit und die daraus resultierenden Probleme für eine Gesellschaft faszinierend und war neugierig, wie sich der Autor die Lösung dafür vorstellt. Dass für die Tätigkeit der Scythe eine besondere, mentale Stärke und eine unabhängige, aber mitfühlende Persönlichkeit vonnöten ist, wurde eingehend beschrieben, doch gibt es wie in allen mächtigen Positionen schwarze Schafe, die ihre Macht missbrauchen und sogar Freude beim Töten empfinden. Obwohl man bei diesen Charakteren eindeutig von den Bösen sprechen kann, waren meiner Meinung nach die Handlungen von Faraday und später auch Citra nicht viel humaner. Als Faraday in Citras Familie kommt, denken natürlich alle, dass einer von ihnen nachgelesen werden soll, aber hinterher stellt sich heraus, dass er nur ein Abendessen wollte und wegen der Nachbarin kam. Das ist grausam und unnötig, den Menschen solche Angst zu machen. Da diese Welt sich rühmt so hochentwickelt zu sein, sollte es (wenn es denn schon sein muss), menschenwürdigere Methoden geben, jemanden umzubringen, als dafür Küchenmesser oder andere archaische Waffen und Kampftechniken zu benutzen!
Rowan bringt seinen Unmut hierüber am Anfang deutlich zum Ausdruck, auch wenn er sich damit selbst in Schwierigkeiten bringt. Mir hat seine aufmüpfige Art sehr gut gefallen und er sorgt mit seinen Selbstzweifeln und viel Einfallsreichtum für so manche Überraschung. Rowan und Citra sind sehr unterschiedlich in ihrem Charakter und wie sie mit der sich ergebenden Bedrohung umgehen. Citra hat mich in ihrer Entwicklung etwas enttäuscht, da sie am Ende eine heftige und für mich erschreckende und nicht nachvollziehbare Tat begeht.
Die Auszüge aus den Nachlese-Tagebüchern der verschiedenen Charaktere, die immer wieder eingeschoben werden, tragen sehr zum Verständnis ihrer Denkweise und der Traditionen der Scythe bei, wobei gewisse Parallelen zur heutigen katholischen Religion auffällig sind (Konklave, Verzicht auf Familie). Ich fand die Beschreibung des originellen und skurrilen Kults der Tonisten, die den Tönen einer Stimmgabel huldigen, ebenfalls sehr interessant und auch ein wenig lustig.
Leider hat man für meinen Geschmack zu wenig über den Thunderhead, das kollektive Bewusstsein der Menschheit erfahren. Er regelt selbständig sämtliche Belange des Lebens und ist in der Lage, auf alle Fragen eine Antwort zu finden. Die Scythe dürfen ihn nur als Datenspeicher nutzen, um in ihren Entscheidungen nicht beeinflusst zu werden. Hoffentlich wird im nächsten Teil genauer darauf eingegangen.
Insgesamt hat mir dieser erste Band mit kleinen Einschränkungen sehr gut gefallen und ich bin gespannt auf die Fortsetzung.