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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.09.2022

Drei Generationen von Frauen

Wildtriebe
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Ich muss ehrlich zugeben: nach ein paar Seiten habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt das richtige Zielpublikum bin und die Handlung mich in irgendeiner Weise tangiert.
Das Setting - ländlich, Bauernhof;
die ...

Ich muss ehrlich zugeben: nach ein paar Seiten habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt das richtige Zielpublikum bin und die Handlung mich in irgendeiner Weise tangiert.
Das Setting - ländlich, Bauernhof;
die Thematik - Menschen, die ohne Kommunikation untereinander einfach ihre Arbeit erledigen und sich einsam und unverstanden fühlen.
Irgendwann habe ich allerdings nicht mehr darüber nachgedacht, war in der Story drin und habe mich in die Gedankenwelt der Frauen fallen lassen.
Da gibt es Lisbeth, die Bäuerin des Hofes, die fest in Traditionen verankert ist, nicht viel hinterfragt und so lebt, wie viele Frauen vor ihr. Und ihre Schwiegertochter Marlies, die als Teenager die ersten Hippies bewunderte und als Nichtbäuerin auf den Hof kommt, sich bevormundet fühlt und nicht angenommen - heimatlos auf einmal.
Zuletzt kommt die dritte Generation dazu, Joanna, Marlies Tochter und Lisbeths Enkeltochter, die sich keinen Zwängen unterwirft und, geboren in einer modernen Zeit, ganz andere Wege für sich und dem Miteinander findet.
Das Buch hat stellenweise heftig geschmerzt, weil all die ungesagten Dinge so viel Platz einnehmen und die Protagonistinnen so sehr leiden: unter den Missverständnissen, dem nicht anerkannt werden, der inneren Einsamkeit. Man schwankt zwischen Mitgefühl und Verständnislosigkeit - sieht sich mal der einen, dann wieder der anderen verbunden.
Ute Mank hat eine schlichte Sprache gewählt, die gut zum bäuerlichen Ambiente passt und auch unterstreicht, dass wir es hauptsächlich mit Gedanken zu tun haben, unausgesprochene Dinge, oftmals nicht zu Ende gedachte Sätze.
Letztlich fand ich das Buch sehr eindringlich und einnehmend und es hat mich sehr oft zum Nachdenken gebracht.

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Veröffentlicht am 06.09.2022

Informatives Abtauchen in zwanzig Jahre Literatur

Die Buchhändlerin von Paris
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Schon das Buchcover ist einfach zu verlieben, ein Gemälde wie von Hopper, stimmungsvoll und passend zum Roman.
Dieser beginnt mitten im Ersten Weltkrieg und wir lernen Sylvia Beach, eine junge literaturbegeisterte ...

Schon das Buchcover ist einfach zu verlieben, ein Gemälde wie von Hopper, stimmungsvoll und passend zum Roman.
Dieser beginnt mitten im Ersten Weltkrieg und wir lernen Sylvia Beach, eine junge literaturbegeisterte Amerikanerin kennen, die in Paris eine Buchhandlung betritt und sich sofort verliebt. Nicht nur in das Flair des Ladens, sondern auch in die Besitzerin Adrienne Monnier.

Die Erzählung ist keine erfundene Geschichte, sondern handelt von der Begründerin der "Shakespear and Company" Buchhandlung in Paris und somit der ersten Herausgeberin, des damals in den Staaten verbotenen Schriften "Ulysses" von James Joyce. Und um die Problematiken, die die Erstauflage, diese heute so verehrten Wälzers, begleiteten und um die schwierige Beziehung zwischen ihr und Joyce, aber auch um die Höhen und Tiefen des Ladens geht es vornehmlich. Kerri Maher versteht es, dieses Ereignis unheimlich lebendig und liebevoll zu schildern. Wir begegnen in dieser wundervollen Buchhandlung vielen literarischen Berühmtheiten, bevor sie dazu wurden. Maher hält sich dabei eng an die Fakten und haucht den Protagonisten liebevoll Leben ein, sie kommen mit Stärken, Schwächen und ab und zu auch mit Schrullen daher.

Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, dass ich das eine oder andere alte Buch auf meine Wunschliste gesetzt habe, im Internet nach Fotos der Protagonisten suchte und tauchte völlig ab in diese Zeit.

Ein Muss für Literatur- und Historienfreunde, die viel Freude mit diesem Buch haben werden, dass von Claudia Feldmann übersetzt wurde.

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Psychodrama das einen bis zur letzten Seite packt

Was damals geschah
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Libby erbt an ihrem 25. Geburtstag völlig überraschend eine herrschaftliche Villa in einer der teuersten Gegenden in London. Sie weiß, dass sie als Baby adoptiert wurde und dass ihre Eltern starben. Aber ...

Libby erbt an ihrem 25. Geburtstag völlig überraschend eine herrschaftliche Villa in einer der teuersten Gegenden in London. Sie weiß, dass sie als Baby adoptiert wurde und dass ihre Eltern starben. Aber wer waren ihre Eltern tatsächlich und was war damals wirklich passiert.

Zwei unterschiedlichen Erzähler kommen in diesem Buch zu Wort und das steigert die Spannung mitunter ganz schön. Es ist eine dramatische Familientragödie, die ruhig erzählt aber sehr einnehmend ist und man kann kaum aufhören zu lesen. Ich mochte den Schreibstil und die Komplexität der Story sehr, auch die einzelnen Charaktere sind toll gezeichnet.
Es hat mich an ein Psychodrama erinnert, ein Drama über Manipulation und Abhängigkeit.

Wunderbar übersetzt wurde dieses tolle Buch von Carola Fischer.

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Veröffentlicht am 31.08.2022

Unbeschreibliches Debüt

Was auf das Ende folgt
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Nach diesem Buch bin ich mir tausendprozentig sicher: Chris Whitaker ist ein Schriftstellergott!
Sein erster in Deutschland erschienener Roman "Von hier bis zum Anfang" hatte mich ja schon total gepackt ...

Nach diesem Buch bin ich mir tausendprozentig sicher: Chris Whitaker ist ein Schriftstellergott!
Sein erster in Deutschland erschienener Roman "Von hier bis zum Anfang" hatte mich ja schon total gepackt und überzeugt, aber sein Debütroman, der jetzt erst in Deutschland veröffentlicht wurde, ist der absolute Wahnsinn!
Mir fehlen einfach die Worte, ausser Superlativen fällt mir nichts ein, das auch nur annähernd sein erzählerisches Können beschreibt.
Der Kern der Geschichte ist kurz und knapp: der dreijährige Harry verschwindet nachts einfach aus seinem Zimmer und seine alleinerziehende Mutter ist am Boden zerstört. Die ganze Kleinstadt Tall Oaks ist auf den Beinen, um den kleinen Harry zu suchen.

Das Buch beginnt mit dem Verschwinden Harrys und wir lernen drei Monate später einige der Bewohner von Tall Oaks kennen. Zugegeben, anfangs muss man dran bleiben, es ist ein wenig verwirrend, die vielen verschiedenen Personen zuordnen zu können, aber mit ein wenig Aufmerksamkeit ist man schnell sortiert und kann sich auf die einzelnen - mitunter sehr skurrilen - Charaktere einlassen.
Mit Humor und beeindruckender Dramatik gelingt es Whitaker die Charaktere so zu vertiefen, dass man vergisst ein Buch zu lesen und die einzelnen Personen wahrhaftig vor dem inneren Auge Gestalt annehmen und lebendig werden. Was für eine erzählerische Gabe!
Das Buch entwickelt sich rasch zum Pageturner und man kann es kaum aus der Hand legen, weil man einfach wissen muss, was es mit der einen oder anderen Gestalt auf sich hat und wohin die Handlung geht. Und im letzten Drittel stönt man hin und wieder schon mal "Jesses!" oder "ach du Sche..." - es ist einfach packend bis zur letzten Seite.

Und Wolfgang Müller hat dieses großartige ergreifende Werk ganz wunderbar übersetzt

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Veröffentlicht am 29.08.2022

Toll recherchiert - nichts für schwache Nerven

Unwert - Der Weg des Kirschmädchens
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Wow... selten hat ein Buchcover so wenig gepasst wie in diesem Fall. Obligatorische Frau von hinten, vor beliebigem Hintergrund (so irre kreativ!... nicht). Was optisch wie ein schnulziges Historiendrama ...

Wow... selten hat ein Buchcover so wenig gepasst wie in diesem Fall. Obligatorische Frau von hinten, vor beliebigem Hintergrund (so irre kreativ!... nicht). Was optisch wie ein schnulziges Historiendrama daher kommt, ist extrem harter Stoff, der mit Sicherheit nichts für zart Besaitete ist.
Dieser großartig recherchierte Roman (bitte Nachwort unbedingt lesen!) beschreibt ein Kapitel des sogenannten Dritten Reichs, das kaum auszuhalten ist: die Verhinderung "unwerten" Lebens, also die Sterilisation bei Menschen, die vermeintlich Erbkrankheiten weiter geben könnten. Wie willkürlich die Auswahl getroffen wurde, wie Ärzte ihre Macht missbrauchen und wie Menschen unschuldig unter diesem Missbrauch leiden mussten - das alles kann man in diesem hochwertigen Buch lesen.
Die Erzählform ist recht trocken und aus unterschiedlichen Perspektiven, und nur durch diese leichte Distanz erträgt man das Gelesene auch.
Wer sich für diverse Themen aus diesem historischen Zeitraum interessiert, wir in diesem Buch mit einer Thematik konfrontiert, die nicht so häufig zu finden ist und ich kann ganz klar eine Leseempfehlung aussprechen.

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