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Veröffentlicht am 20.10.2022

Liebe oder Obsession, begründete Sorge oder Paranoia?

Eine Liebe
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Die Übersetzerin Nat hat sich ein kleines reparaturbedürftiges, düsteres und feuchtes Häuschen in Spanien auf dem Land gemietet. „La Escapa“ heißt der Ort, in dem sie sich niederlässt.

In dem kleinen ...

Die Übersetzerin Nat hat sich ein kleines reparaturbedürftiges, düsteres und feuchtes Häuschen in Spanien auf dem Land gemietet. „La Escapa“ heißt der Ort, in dem sie sich niederlässt.

In dem kleinen Dorf gibt es einen Tante Emma Laden, dessen junge redselige Verkäuferin sich sehr für Nat und ihre Gründe, hier in dieser langweiligen Gemeinde zu leben, interessiert. Sie erzählt Nat im Gegenzug auch allerlei über den Ort und seine teils eigentümlichen Bewohner.

Ihren einschüchternden und wenig kooperativen Vermieter lernt Nat recht bald persönlich kennen. Er ist ein „unangenehmer Typ“, der keine Scheu hat, ohne Anzuklopfen ihr Haus zu betreten.(S. 16)
Ihm hat sie ihren neuen Gefährten zu verdanken: Einen scheuen Hund, den sie „Sieso“ nennt.

Es dauert nicht lange, bis ihr der langhaarige, rotbärtige „Hippie“ über den Weg läuft, der eigentlich Píter heißt. Er ist ein aufmerksamer, zuvorkommender Nachbar, der sich allerdings mit Ratschlägen und Kritik nicht zurückhält.

Nat macht sich daran, ihr neues Reich auf Vordermann zu bringen und Sieso zu erziehen. Sowohl Haus, als auch Garten und Hund entpuppen sich nämlich nicht als das, was Nat sich ursprünglich erhofft hat.

Eines Tages bekommt sie Besuch von der fröhlichen und hilfsbereiten Romafamilie sowie von der freundlichen und verwirrten alten Roberta aus dem gelben Haus, die von der Verkäuferin des Tante Emma Ladens als „Hexe“ bezeichnet wurde.

Den „Dicken“ lernt Nat in seiner Bar kennen und den Rest des Dorfes auf der Nachbarschaftsversammlung, die einberufen wird, um Neuerungen und Verbesserungen einzuführen.

Der freundliche und schüchterne „Deutsche“ gibt Nat Rätsel auf, denn er sieht so überhaupt nicht deutsch aus - „wenigstens gemäß dem Klischee“ - (S. 56) und soll ein unabhängiger Einzelgänger sein.
Er beliefert sie mit Gemüse und bietet ihr an, das undichte Dach zu reparieren. Eigentlich wäre das ja die Aufgabe ihres Vermieters, aber dieser verweigert geradewegs die Reparatur. Er habe kein Geld für einen Handwerker.
Der Preis, den „der Deutsche“ dafür verlangt ist, gelinde gesagt, seltsam, heikel und jenseits von allem, was Nat und der Leser erwarten.

An dieser Stelle, einem überraschenden und verblüffenden Wendepunkt, verändert sich das Leseerlebnis.

Die Geschichte nimmt Fahrt auf und gewinnt an Tiefe.
Ich wurde extrem neugierig, wie es weitergeht und worauf alles hinauslaufen wird.

Dass auf diese unerwartete Wende noch eine völlig unvorhergesehene, berührende und erschütternde Entwicklung folgt, macht den Roman zu einem Pageturner der besonderen Art.
Besonders auch deshalb, weil die psychische Befindlichkeit und Veränderung der Protagonistin Nat detailliert, nachvollziehbar und stimmig aufgegriffen und beleuchtet wird.
Was, wenn Geist und Psyche auf Irrwege geraten?
Was wenn eine fixe Idee paranoide Ausmaße hervorruft?
Was wenn Kontrolle und Mißtrauen Konsequenzen haben?
Wohin führt das alles?
Geht das alles gut?

Sara Mesa schreibt unverblümt, nüchtern und klar.
Kein Wort zu viel, keines zu wenig. Kein Drumherumreden.
Sie lässt sich viel Zeit, um uns Nat, ihr neues Zuhause und die Bewohner von La Escapa nahezubringen und obwohl Tempo und Intensität in der zweiten Hälfte des Buches zunehmen, lässt sie sich nicht davon abhalten, die Innenwelt und die psychische Veränderung von Nat genau unter die Lupe zu nehmen.

Die Grundstimmungen der Geschichte sind Melancholie, Mißtrauen und Feindseligkeit. Eine Liebe, wie der Titel ankündigt, sucht man vergeblich. Es geht eher um eine Obsession, die paranoides Erleben zur Folge hat.

Die Autorin seziert sowohl das Innenleben der Protagonistin als auch das dörfliche Umfeld präzise und bildhaft.

Ich empfehle den Roman gerne all denjenigen, die sich für diese Art von Literatur begeistern können:
Literatur, die eine Protagonistin ins Zentrum stellt, die alles andere als sympathisch ist.
Literatur, deren Stimmung nicht gerade von Heiterkeit geprägt ist.
Literatur, die eine bestechend klare Sprache hat.
Literatur, die Innenleben und Außenwelt akribisch und gekonnt seziert und beschreibt.
Literatur, die psychologisch dicht ist.







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Veröffentlicht am 25.09.2022

Eine Bereicherung für jedes Kochbuchregal und für den Gaumen!

MEZCLA
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Mein Mann und ich, wir sind begeisterte Fans von Yotam Ottolenghi. Seit mindestens 3 Jahren kochen und backen wir seine Rezepte rauf und runter.

Als wir kürzlich davon gehört haben, dass eine ehemalige ...

Mein Mann und ich, wir sind begeisterte Fans von Yotam Ottolenghi. Seit mindestens 3 Jahren kochen und backen wir seine Rezepte rauf und runter.

Als wir kürzlich davon gehört haben, dass eine ehemalige und langjährige Mitarbeiterin von ihm, Ixta Belfrage, ihr erstes eigenes Kochbuch auf den Markt gebracht hat, war es keine Frage für uns, auch dieses Werk zu testen.
Dass Yotam Ottolenghi sie als „Ausnahme-Köchin mit unerschöpflichen Ideen“ bezeichnet, hat diese Entscheidung untermauert.

Wir haben uns erstmal zusammen aufs Sofa gesetzt und das orange-pink-knallige Kochbuch „Mezcla“ neugierig geöffnet.

Schon auf der Innenseite des Buchdeckels blicken wir auf ein farbenfrohes Buffet und nach einer originellen, aber schlicht gehaltenen Inhaltsangabe und dem farbig- fröhlichen Hinweis, dass nun die Einleitung folgt, lernen wir Ixta Belfrage kennen.

Zuerst erklärt sie, was hinter dem spanischen Titel „Mezcla“ steckt und wir erfahren, dass uns nicht nur ein Mix an Aromen und Zutaten erwartet, sondern dass auch die äußerst sympathische Köchin und Autorin aufgrund ihrer gemischten Abstammung selbst ein „Mix“ ist.

Sie wuchs inmitten von Weingärten der Toskana bei ihrer brasilianischen Mutter und ihrem in Amerika geborenen Vater auf, dessen Eltern in Mexiko lebten.

Im Alltag und auf Reisen lernte die Köchin mit dem mexikanischen Vornamen diese drei Länder und ihre Küchen kennen, was sich in den vielfältigen Rezepten widerspiegelt.

Nachdem Ixta Befrage vielen ihrer v. a. weniger bekannten bzw. in Deutschland üblichen oder exotischen Zutaten wie Maniok, Ghee, Miso oder Kochbananen ein paar Seiten widmet, geht’s los mit den Rezepten.

Schon beim Durchblättern läuft einem das Wasser im Mund zusammen.
Ixta Belfrage sortiert nach vegetarischen Gerichten, sowie Rezepten mit Fisch oder Fleisch.
Die appetitanregenden Fotos führen schon nach kurzer Zeit dazu, dass man den Kochlöffel schwingen und sich eine der Köstlichkeiten zubereiten will.

Mit Süßspeisen im Kapitel „Zu Guter Letzt“ und einem Register, in dem man Rezepte nach Hauptzutaten findet, beendet sie ihr wunderbares Werk.

Wir haben inzwischen einige der Rezepte nachgekocht und ich möchte einige Lieblingsgerichte kurz erwähnen, die uns allesamt ins Schwärmen gebracht haben.

Die „Gratinierten Ofen-Auberginen mit Salsa roja“ schmecken sensationell. Käseliebhaber kommen hier voll auf ihre Kosten und wenn die Sauce fertig ist, dann geht der Rest ruckzuck.

Das „Kürbis-Salbei-Nudel-Gratin“ nennen wir „Friss Dich dumm - Lasagne“, was ja schon alles aussagt. Sie ist fix gemacht, weil alles nur in den Ofen geschoben, also nicht vorher gekocht werden muss.

Die „Garnelenklöse mit Maispüree“ gehören ebenfalls in die Meisterklasse. Dieses Gericht ist ein absolutes Wohlfühlessen und wir mussten erneut staunen, auf welch‘ kreative und schmackhafte Ideen diese tolle Köchin kommt.

Das „Crème brûlée mit Zimt“ war das i-Tüpfelchen an einem geselligen Abend mit Gästen und der „Bananenkuchen mit Sesam und Ahornsirup“ hat uns mit seiner Gleichzeitigkeit aus weich und knusprig begeistert. Ein Klecks Sahne oder eine Kugel Vanilleeis dazu und man kann nicht anders, als genießen und sich anschließend wohlig zurücklehnen.

Ich möchte dieses wunderbare Werk, das fröhlich und knallig daherkommt und jedes Kochbuchregal bereichert, unbedingt empfehlen!

Die Rezepte sind originell, vielseitig und lecker. Dass die Zutaten in jedem gut sortierten Supermarkt oder ggf. online leicht erhältlich und dass die meisten Gerichte relativ zügig zubereitet sind, spricht auch dafür, sich dieses tolle Buch zuzulegen.

Wir können und müssen Yotam Ottolenghi uneingeschränkt zustimmen:
Ixta Belfrage ist „Eine Ausnahmeköchin mit unerschöpflichen Ideen“.

Chapeau!






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Veröffentlicht am 23.08.2022

Was für ein außergewöhnlicher, packender und abgründiger Psychothriller!

Auf der Lauer liegen
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Es ist November 1980, wir befinden uns in Irland.

Schon auf den ersten beiden Seiten wird der Mord an Annie Doyle geschildert.
Um die Täter wird kein Geheimnis gemacht: Andrew und Lydia Fitzsimons erwürgen ...

Es ist November 1980, wir befinden uns in Irland.

Schon auf den ersten beiden Seiten wird der Mord an Annie Doyle geschildert.
Um die Täter wird kein Geheimnis gemacht: Andrew und Lydia Fitzsimons erwürgen und erschlagen die 22-jährige heroinabhängige Frau, die sich vermutlich an ihrem Geld bedient hat bzw. ihnen Geld schuldet.

Selbst dass die soeben Ermordete im riesigen Garten der Familie Fitzsimons begraben wird, erfahren wir schon im ersten Kapitel, das wie alle folgenden mit dem Vornamen eines der Protagonisten überschrieben ist und aus dessen Sicht erzählt wird.

Lydia und Andrew Fitzsimons sind schon ein seltsames Gespann, das mit seinem Sohn Laurence ein riesiges Anwesen im Süden von Dublin bewohnt.
Lydia, eine dominante, herrische, unterkühlte und verwöhnte Frau, die ihren Sohn Laurence ähnlich vergöttert, wie einst ihr Vater sie vergötterte, hat vor 22 Jahren auf Wunsch ihres Vaters den konfliktscheuen und unterwürfigen Andrew geheiratet.

Andrew war damals der Referendar ihres Vaters, der als Anwalt eine eigene Kanzlei führte.
Inzwischen ist Andrew ein angesehener und gut verdienender Richter am Strafgericht.
Trotz des üppigen Einkommens steckt das Paar seit einem Jahr in finanzieller Not.

Das zweite Kapitel wird von Karen erzählt. Sie ist die jüngere, unauffällige, fleißige und hübsche Schwester der seit den Teenagerjahren schwer erziehbaren, unangepassten und rebellischen Annie Doyle mit der Hasenscharte.
Karen berichtet von dem gemeinsamen Aufwachsen mit ihrer Schwester sowie von ihrer anfänglichen Verwirrung und späteren Sorge, nachdem Annie so plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist.
Die beiden ungleichen Schwestern hatten nämlich trotz aller Unterschiede und Konflikte eine liebevolle und enge Verbindung zueinander.

Laurence, den übergewichtigen 17-jährigen Sohn der Täter, lernen wir im nächsten Abschnitt kennen. Aufgrund der finanziellen Probleme seiner Eltern ist er seit Kurzem auf einer öffentlichen Schule. Er wird dort von seinen Mitschülern gemobbt. Die sich entwickelnde Freundschaft mit der aufgeweckten Helen dämpft sein Unglücklichsein etwas.
Laurence belauscht eines Tages die Befragung seines Vaters durch einen Detective und ist regelrecht geschockt, als er die Lügen seines Vaters vernimmt.

Die folgenden Kapitel werden, wie oben bereits erwähnt, immer aus einer anderen Sicht erzählt. Mal berichtet Laurence, der Sohn der Täter, mal Karen, die Schwester der Getöteten und mal Lydia, eine der Mörder.

Wir erfahren u. a., dass Laurence mit seiner Neugierde, Ahnung und Zerrissenheit eine ganz zentrale Bedeutung hat, dass Andrew, sein Vater psychisch und Körper zerfällt und dass Lydia, seine neurotische Mutter eine überaus kühle, berechnende, intrigante und manipulative Seite hat.

Mehr verrate ich nicht.
Es wäre zu schade, auch nur einen Moment der Spannung vorwegzunehmen. Denn spannend und wendungsreich ist die Geschichte zweifellos. Ich flog nur so durch die Seiten und kurz vor Ende stockte mir doch tatsächlich der Atem aus Fassungslosigkeit vor so viel boshaftem, selbstsüchtigem und letztlich psychopathischem Verhalten.

Liz Nugent hat nicht nur einen unglaublich packenden Plot mit unzähligen Überraschungen entworfen.
Sie schreibt frisch und lebendig und schafft es, den Leser emotional zu fesseln. Detailgenau erfasst und beschreibt sie psychologische Aspekte, so dass der Sog in die Geschichte auch dadurch entsteht, dass alles so nachvollziehbar und glaubwürdig wirkt.

Dieser Psychothriller ist grandios! Abgründig, böse, makaber und schlüssig.







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Veröffentlicht am 03.08.2022

Packender historischer Roman über den Tulpenhandel in Holland.

In Zeiten des Tulpenwahns
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Der historische Roman „In Zeiten des Tulpenwahns“ spielt in Haarlem / Niederlande zu Beginn des 17. Jahrhunderts.

Mit Beginn der Lektüre beobachten wir den Gärtner Nicolaes, der mit seinem 6-jährigen ...


Der historische Roman „In Zeiten des Tulpenwahns“ spielt in Haarlem / Niederlande zu Beginn des 17. Jahrhunderts.

Mit Beginn der Lektüre beobachten wir den Gärtner Nicolaes, der mit seinem 6-jährigen geliebten Töchterlein Grietje im Schlepptau durch seinen Garten zum Tulpenbeet geht.
Der Tulpenliebhaber Nicolaes taucht dort in die Schönheit der Blüten ein und verspürt Schmerz und Liebe, als ihn sein geliebtes Kind aus seiner Versunkenheit herausreißt.
Schmerz um seine bei einem Brand verstorbene Frau und Liebe zu dem kleinen Mädchen, das ihm geblieben ist.

Dann machen wir einen Zeitsprung nach vorn und erleben mit, wie die inzwischen 16-jährige Margriet sich auf den Weg zu ihrer ersten Arbeitsstelle in einer Bleicherei macht.
Auf diesem Weg begegnet der zurückhaltenden und arglosen Margriet eine dreiköpfige Flüchtlingsfamilie aus Frankreich, die sich in ihrer Nachbarschaft niederlassen wird.
Jacques, der etwa gleichaltrige Sohn wird ihr schon bald ein unbehagliches Gefühl bereiten. Zurecht, wie wir miterleben werden!

Auch andere Männer werden das Gefühlsleben der zu einer schönen jungen Frau herangewachsenen Margriet auf den Kopf stellen.
Und Frans, der junge Graf, wird sich sogar heftig und erfolgreich um sie bemühen…

Nicolaes wird bewusst, dass er sich langsam aber sicher um die Mitgift seiner Tochter kümmern muss und so wird aus dem Gärtner und Hobbytulpenzüchter schließlich ein Tulpenhändler, der sich auf riskante Spekulationsgeschäfte einlässt und den tiefste Verzweiflung zu einer Tat treibt, die niemand von ihm vermutet hätte.

Susanne Thomas schreibt ausdrucksstark, poetisch und atmosphärisch über das Goldene Zeitalter in Holland, über eine berührende Vater-Tochter-Beziehung und über eine tragische Liebesgeschichte.

Sie erzählt lebendig und packend vom Handel mit
Tulpen, über gesellschaftliche Unterschiede aufgrund sozialer Herkunft und von Standesgrenzen und Standesdünkel.
Wir lesen von Machenschaften, Racheakten und Intrigen sowie über Hoffnungslosigkeit, die seltsame bzw. verhängnisvolle Blüten treibt.

Eigentlich ist es unfassbar, dass Menschen damals Unsummen ausgaben oder sogar alles aufs Spiel setzten, um bestimmte Tulpenzwiebeln zu ergattern.
Es ist mehr als Faszination, Ehrgeiz und Streben.
Es ist eine Gier, die wahnhafte Ausmaße annimmt.

Aber wie die Geschichte der Menschheit zeigt, bleibt und blieb es nicht bei Tulpen, die solch eine Bewegung - ein Aufblühen und einen Niedergang - auslösten bzw. auslösen.
Immer wieder gibt es Situationen, die dazu führen, dass der gesunde Menschenverstand aussetzt und Menschen bereit sind, ihr Schicksal herauszufordern.

Besonders gut gefiel mir, im Verlauf der Lektüre zu erfahren, in welcher Beziehung sämtliche Protagonisten zueinander stehen und einen Einblick ins Dorfgeschehen zu bekommen.

Am Ende betrachtet man ein farbenprächtiges Bild, das sich aus vielen Puzzleteilen zusammensetzt.
Die Metaphern und Vergleiche aus der Malerei passen dabei wunderbar zur Gesamtkomposition.

Ich musste immer wieder staunen, denn überraschende, ergreifende und tragische Wendungen verblüfften mich und führten zu einem fulminanten Ende, das ich zu Beginn niemals erwartet hätte.

Susanne Thomas erzählt eine außergewöhnliche Geschichte.
„In Zeiten des Tulpenwahns“ ist ein leise beginnender und immer spannender werdender Roman, den ich sehr gern weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 12.06.2022

In der Kürze liegt die Würze

Der Schiffskoch
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Mit Beginn der Lektüre befinden wir uns auf dem Feuerschiff Texel.
Da ich als Schwäbin und Landratte mit nautischen Begriffen nur wenig anfangen kann, musste ich erst mal recherchieren, um schließlich ...

Mit Beginn der Lektüre befinden wir uns auf dem Feuerschiff Texel.
Da ich als Schwäbin und Landratte mit nautischen Begriffen nur wenig anfangen kann, musste ich erst mal recherchieren, um schließlich zu erfahren, dass es sich dabei um ein vor Anker liegendes, mit einem Leuchtfeuer ausgestattetes Schiff handelt, das ähnlich wie ein Leuchtturm der Navigation der Seeschifffahrt dient.
Prima, schon wieder was gelernt!

Wir befinden uns also auf dem Feuerschiff Texel, das in der Nordsee vor der niederländischen Gemeinde Den Helder vor Anker liegt.

Der knapp 35-jährige Schiffskoch Lammert hat die Matrosen und Maschinisten gerade mit Haschee versorgt.
Dann schwenkt die Kamera weiter. 2 Wochen Freitörn.
Der Schiffskoch Lammert verbringt die freie Zeit in seinem Häuschen in einem ruhigen Warftdorf in der Nähe des Meeres.

Eines Morgens holt Lammert das Kochbuch seiner Mutter vom Dachboden. Er sucht und findet darin das Rezept von „Gulai kambing“: „Ziegencurry, aber von einem Böckchen, das noch nicht entwöhnt ist. Wenn man das einmal gekostet hat, weiß man, wie zart Schmorfleisch sein kann. Das vergisst man nie wieder.“ (S. 13)

Kaum ist die Idee geboren, dieses Gericht auf dem Schiff zu kochen, besorgt er sich bei Beitske, der einzigen Bäuerin im Dorf, ein Ziegenböcklein.

Einige Zeit später sitzt der Koch mit genau diesem Ziegenböcklein in seiner Kombüse und schält Kartoffeln.
Und noch ein bisschen später öffnet er eine Zigarrenkiste, die er aus seinem Seesack hervorgekramt hat. „Schnell überdeckten ungewöhnliche Aromen den Tabakgeruch und füllten die Kombüse. Der Duft von Zimt und frischer Muskatnuss war weiter nichts Besonderes, aber Zitronengras, Kokos, Kardamom, Kemirinuss, Koriander, Kreuzkümmel, ja sogar Ingwer und Kurkuma waren noch nie auf dem Feuerschiff gewesen. Das Böckchen schnupperte neugierig.“ (S. 33)
Tja… wenn das Böckchen wüsste.

Wie die Geschichte weitergeht verrate ich natürlich nicht. Nur so viel: Das Zicklein beginnt bald, den Matrosen nachzulaufen, bringt den Alltag auf dem Feuerschiff gründlich durcheinander und letztlich endet alles anders als gedacht…

Thematisch spielen Fieberwahn und wahnhafte Psychose keine kleine Rolle und wir lernen den einsamen und öden, manchmal aufgrund des Wetters auch gefährlichen Alltag der Seemänner auf einem Feuerschiff kennen. Seemänner, die dem Gerede der Leute nach aber gar keine richtigen Seemänner sind: „Die Leute sagen, wir wären hier nicht auf See, weil wir nirgendwo hin fahren…Aber wir sind hier mehr auf See als alle Anderen zusammen. Wir leben auf See, die Anderen sind nur auf dem Wasser zu einem Hafen unterwegs, zu einem Ort, an dem es keine See mehr gibt. Für sie ist die See eine Unterbrechung, für uns ist die See eine Bestimmung.“ (S. 91)

Es werden schmerzhafte Kindheitserlebnisse angedeutet.
Der Schiffskoch Lammert war, so habe ich mir das zusammengereimt, im Krieg zwischen den Niederlanden und Indonesien (1945-1949) ein kleiner Junge. Aus dieser Zeit stammt wohl das Rezept des oben erwähnten indonesischen Gerichts.
Der Seemanns Snoek, der im Laufe der Geschichte wahnhaft wird ist wohl ein unerwünschter und ungeliebter Lehrerssohn.

Die Geschichte um Lammert und das Böcklein ist fesselnd und sehr unterhaltsam, manchmal fast witzig, letztlich dramatisch.

Die lebendigen Beschreibungen erwecken die Szenen zum Leben, die Bilder und Metaphern sind ausdrucksvoll und die Sprache ist schön und gediegen.

Das Feuerschiff Texel existiert übrigens wirklich. Es ist das älteste Feuerschiff der Niederlande und war von 1952 bis 1992 im Dienst. Seither ist es ein Museumsfeuerschiff, das im Museumshafen Willemsoord in Den Helder liegt.

Mir hat dieses schmale Bändchen nicht zuletzt wegen seinen überraschenden Wendungen äußerst gut gefallen. Es ist eine um die 100 Seiten kurze, intensive und packende Geschichte, die mich prima unterhielt und mich in eine mir ziemlich fremde Welt entführte.

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