Was bleibt
Der Duft des LebensAviv wird im Zuge seiner Geburt unmittelbar zum Waisenkind, so dass die Hebamme Selma ihn an Kindes statt annimmt. Behütet wächst er auf, lernt von seiner liebevollen, fürsorglichen Mutter, seine Umwelt ...
Aviv wird im Zuge seiner Geburt unmittelbar zum Waisenkind, so dass die Hebamme Selma ihn an Kindes statt annimmt. Behütet wächst er auf, lernt von seiner liebevollen, fürsorglichen Mutter, seine Umwelt bewusst und feinfühlig wahrzunehmen. Aviv verkörpert in allem das Gute, obwohl auch er nicht frei von Fehlern ist. Er ist wissbegierig und möchte alles um sich herum verstehen. Einen guten Freund findet er in dem Bettler Filip, von dem er sehr viel lernen kann.
Sein Gegenpol in dieser Parabel ist Dr. Kaminski. Ein Mensch, der die Welt um sich herum durch seine bloße Anwesenheit zu einem dunklen, kalten Ort macht. Das personifizierte Böse. Ein Mensch ohne Seele, der jedoch nichts mehr begehrt, als endlich auch einmal „Mensch“ sein zu können; er möchte das haben, was er schon so manches Mal in den Augen eines Gegenübers hat erahnen konnte und was man wohl braucht, um geliebt werden zu können.
„Der Duft des Lebens“ habe ich sehr gerne gelesen. Oft geht es um den Kampf von Gut gegen Böse in Büchern; hier ist dieses Kräftemessen vielleicht letztlich mehr mental, als in der Grausamkeit von Kaminski zu finden. Aviv wächst mit der Zeit zu einem ebenbürtigen Gegner, muss jedoch nicht in die Dunkelheit hinabsteigen, um das Böse zu besiegen. Aber er muss jedoch auch durch ein Tal der Tränen, um sich vollends entwickeln zu können.
Der Grundgedanke, dass eine Menschenseele einen Duft bei ihrem Entweichen und Aufbruch in die Weltenseele entfaltet, finde ich sehr schön. Ist die Seele doch für mich etwas Unfassbares. Dass dunkle Seelen einfach nur verkümmern könnten, statt posthum Schlechtes zu bewirken, finde ich tröstlich.
Die Idee, etwas vom Menschen einzufangen, um etwas Großes, Mächtiges zu erschaffen, ist nicht neu. Aber neu umgesetzt und damit letztlich einzigartig.
Schon anhand der Leseprobe war mir bewusst, dass ich in ein ganz besonderes Kleinod hineinlesen darf. Clara Maria Bagus bedient sich einer ganz besonderen, selten zu findenden Sprachform und erzeugt damit eine wunderbare Stimmung. Das Cover, schlicht aber doch anziehend gestaltet, passt m. E. hervorragend zum Inhalt.
Clara Maria Bagus, Der Duft des Lebens, gebundene Ausgabe, Literatur, Ullstein leben Verlag, 16,00 €, 352 Seiten, Erscheinungstermin 10.08.2018