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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.08.2021

Zutiefst bewegend

The Green Mile
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Stephen King hat schon vor vielen Jahren – eher Jahrzehnten – die Grenzen des Horrorgenres hinter sich gelassen und in diverse Richtungen gearbeitet. „The Green Mile“ gehört zu diesen Ausflügen in andere ...

Stephen King hat schon vor vielen Jahren – eher Jahrzehnten – die Grenzen des Horrorgenres hinter sich gelassen und in diverse Richtungen gearbeitet. „The Green Mile“ gehört zu diesen Ausflügen in andere Genres. Und mit welcher Intensität der Meister dieses Drama zu Papier bringt, verursacht mir eine Gänsehaut.

Das fängt schon bei den Charakteren an. Paul Edgecomb und seine Mitarbeiter im Todestrakt sind mehr als Kollegen. Sie sind Freunde, die respektvoll miteinander umgehen und aufeinander achten. Und auch den Gefangenen wollen sie die letzten Jahre, Monate und Tage vor der Hinrichtung erträglich gestalten. Diese Menschlichkeit ist der Kern von „The Green Mile“, der Dreh- und Angelpunkt.

Denn auch John Coffey – die Initialen sind kein Zufall – steht für diese Menschlichkeit. Er nimmt klaglos die Strafe an, die ihm auferlegt wurde, und bringt trotz seiner Situation im Todestrakt unfassbar viel Mitgefühl für seine Mitmenschen auf. Vor allem die Dialoge zwischen ihm und Edgecomb gehen unter die Haut.

Überhaupt sind die Charaktere eine der größten Stärken des Romans, auch abseits der Protagonisten. Sei es der fiese Percy Wetmore, der sich am Leid der Gefangenen ergötzt, sei es der hünenhafte Brutus Howell, der das Herz am rechten Fleck hat, oder sei es Eduard Delacroix, ein Gefangener, der seine letzte Lebensfreude aus einer kleinen Maus als Freund zieht.

Und dann verwebt King dieses intensive Drama um Todesstrafe, Rassismus und Sühne mit genau der richtigen Prise Phantastik. Die Handlung wird dadurch nicht weniger glaubwürdig, im Gegenteil: Durch diese Phantastik bekommt der Roman etwas Märchenhaftes, das den bedrückenden Themen ein klein wenig Härte nimmt.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Gruseliges aus Aventurien

DSA 3: Die Zeit der Gräber
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Wenn es um die Romane des Schwarzen Auges geht, ist es wie bei jeder Reihe, an der eine Vielzahl an Autoren mitwirkt. Nicht jeder Schuss ist ein Treffer, nicht jeder Roman schafft es, eine gute Geschichte ...

Wenn es um die Romane des Schwarzen Auges geht, ist es wie bei jeder Reihe, an der eine Vielzahl an Autoren mitwirkt. Nicht jeder Schuss ist ein Treffer, nicht jeder Roman schafft es, eine gute Geschichte zu erzählen und gleichzeitig die aventurische Welt in all ihren Facetten aufzuzeigen. Manche scheinen auch beides nicht zu schaffen.

„Die Zeit der Gräber“ gelingt es, beides unter einen Hut zu bringen. Und was mir besonders gut gefallen hat: Der Roman spart nicht mit unappetitlichen Beschreibungen. Wo in vielen anderen DSA-Büchern deftige Szenen einfach ausgeblendet oder nur knapp angedeutet werden, hält Björn Jagnow voll drauf. Hey, es geht um Anhänger des Namenlosen und gottlose Praktiken, da ist der Weichspül-Modus einfach fehl am Platz.

Gleichzeitig ist die Atmosphäre durchgängig recht düster und damit genau passend zu den Tagen des Namenlosen. Dass die Geschichte nun nicht Pulitzer-Preis-verdächtig ist – geschenkt! Sie ist solide, unterhaltsam und in der DSA-Reihe definitiv eins der blutigsten Werke. Auch die Charaktere sind vielleicht nicht total vielschichtig und komplex, aber sie erfüllen ihren Zweck und tragen ihren Teil zu der kurzweiligen Tour durch einen überraschend düsteren DSA-Roman.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Blutarmer Horror

Kinder der Nacht
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Dan Simmons’ Roman betrachtet das Thema „Vampire“ mal von einer erfrischend anderen Seite. Mit Kate als Ärztin wird das Ganze aus medizinischer Sicht verarbeitet. Das ist sehr interessant, manchmal aber ...

Dan Simmons’ Roman betrachtet das Thema „Vampire“ mal von einer erfrischend anderen Seite. Mit Kate als Ärztin wird das Ganze aus medizinischer Sicht verarbeitet. Das ist sehr interessant, manchmal aber auch zu medizinisch, etwa wenn Kate und eine Kollegin über mehrere Seiten hinweg mit Fachausdrücken nur so um sich werfen. Das passiert nicht zu oft, aber wenn, dann ist der Grat zwischen informativ und langatmig sehr schmal. Trotzdem ist es mal etwas anderes als die romantische Weichei-Version des Vampirs, wie sie leider nur allzu oft zu finden ist.

Die Story selbst hat mich nicht vollends überzeugt. Einerseits fand ich die Idee prima, vor allem die beiden Perspektiven: einmal Kates Sicht und einmal die Erinnerungen von Dracula. Aber nach den ersten 200 Seiten dachte ich, das Ganze entwickelt sich in eine komplett andere Richtung. Wie die Handlung dann tatsächlich verlief, war okay, aber so richtig glücklich war ich auch nicht damit.

Und was mir sehr gefehlt hat, war das Blut. Blutrünstige, mordende, bestialische Vampire. Düsterer Grusel mit Gänsehautfaktor. Obwohl Simmons ganz offensichtlich sehr intensiv für seine Geschichte recherchiert hat, ist dadurch der Horror ein bisschen auf der Strecke geblieben.

Kate als Protagonistin ist eine gute Wahl: Sie ist stark, selbstbewusst, verbissen und kämpft für das, was ihr wichtig ist. Unterstützt wird sie dabei von dem undurchsichtigen Rumänen Lucian und dem Priester Michael O’Rourke (wer „Sommer der Nacht“ gelesen hat, wird sich hier ganz besonders freuen). Aber wem kann man trauen und wer ist vielleicht ein Verräter?

Stilistisch zeigt Dan Simmons auch in „Kinder der Nacht“ sein ganzes Können. Das Vampirthema wird erfrischend anders präsentiert, was ihn wohltuend von der breiten Masse an romantischen Vampir-Romanen abhebt. Aber mir persönlich war es zu blutarm und zu ungruselig.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Verrückt oder nicht verrückt, das ist hier die Frage

Trauma
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Von der Thematik her hat mich „Trauma“ direkt begeistert. Eine Frau, eine Mörderin sogar, in der Psychiatrie – aus diesem Stoff lässt sich doch prima was anstellen. Das Setting ist top, und durch Leilas ...

Von der Thematik her hat mich „Trauma“ direkt begeistert. Eine Frau, eine Mörderin sogar, in der Psychiatrie – aus diesem Stoff lässt sich doch prima was anstellen. Das Setting ist top, und durch Leilas Ich-Perspektive findet man sich schnell in die ungewöhnliche Situation. Es gibt auch keine Perspektivwechsel, so dass die Leser gemeinsam mit Leila herausfinden müssen, was wirklich passiert ist.

Neben Leila lernt man auch andere Patienten auf der Station, die behandelnde Ärztin sowie Leilas Familie kennen. Rasch verdächtigt Leila ihren Ehemann Nicolai, die Tat begangen zu haben. Doch durch ihren begrenzten Spielraum kann sie nur mit dem arbeiten, was sie während der Therapie herausfindet – nämlich das, was in ihrem Kopf unter Trauma und Angst verborgen liegt.

Wo Leilas Ich-Perspektive für die Thematik eigentlich großartig ist, gelangt die Geschichte dadurch jedoch auch schnell an ihre Grenzen. Denn Leila verliert sich zu oft in sich wiederholenden Überlegungen, die wieder und wieder durchgekaut werden. Im Lauf des Romans und mit zunehmendem Wissensstand wandeln sich diese Überlegungen zwar immer wieder ab, aber hier offenbart „Trauma“ einige Schwächen.

Und so kommt es durch den interessanten Aufbau auch dazu, dass die Auflösung im Finale einfach nicht überzeugen kann und sich sehr konstruiert liest. Da stellt sich der Roman mit seiner Perspektive selbst ein Bein.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Rätselraten um Mörder und Opfer

Sommernacht
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Das hat Spaß gemacht! Das klassische Krimimotiv des „Whodunit“, also des „Wer hat es getan?“, wird in „Sommernacht“ auf erfrischende Weise bearbeitet. Denn während man normalerweise zu Beginn eine Leiche ...

Das hat Spaß gemacht! Das klassische Krimimotiv des „Whodunit“, also des „Wer hat es getan?“, wird in „Sommernacht“ auf erfrischende Weise bearbeitet. Denn während man normalerweise zu Beginn eine Leiche hat und dann dem Ermittler bei seinen Untersuchungen folgt, geht Lucy Foley hier einen anderen, aber nicht weniger interessanten Weg.

Denn zunächst einmal lernen wir die wichtigsten Personen kennen, decken Stück für Stück ihre Gedanken und kleinen (oder größeren) dunklen Geheimnisse auf. Nach und nach kommen Zwist, Probleme und auch mögliche Motive zum Vorschein. Und diese Motive zeigen sich, obwohl man erst ziemlich spät erfährt, wer das Opfer überhaupt ist – und noch viel später, wer es umgebracht hat.

Die Perspektivwechsel zwischen den einzelnen Figuren, unter anderem der Braut, des Trauzeugen und der Hochzeitsplanerin, sind klasse, vor allem weil sie auf verschiedenen zeitlichen Ebenen rund um den Hochzeitstag spielen. Und so lässt sich schon von Anfang an prima miträtseln, wer der Mörder sein wird – und wer überhaupt umgebracht werden könnte.

Für mich persönlich hätte die Offenbarung der Leiche gern ein bisschen früher kommen können, denn ab diesem Zeitpunkt nimmt der Roman so richtig Fahrt auf. Denn auch wenn die Identität des Opfers endlich klar ist, gibt es immer noch genügend Rätsel für die Leser. Schließlich haben die meisten Anwesenden einen guten Grund für Rache und nahezu jede wichtige Figur könnte den Mord begangen haben.

Warum allerdings der nichtssagende Titel „Sommernacht“ gewählt wurde, anstatt den Originaltitel „The Guest List“ („Die Gästeliste“) einfach ins Deutsche zu übersetzen, konnte ich nicht nachvollziehen. Schließlich passt der Originaltitel wie die Faust aufs Auge zum Inhalt. Aber das Cover sieht klasse aus und macht richtig Lust aufs Lesen.

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