Zutiefst bewegend
The Green MileStephen King hat schon vor vielen Jahren – eher Jahrzehnten – die Grenzen des Horrorgenres hinter sich gelassen und in diverse Richtungen gearbeitet. „The Green Mile“ gehört zu diesen Ausflügen in andere ...
Stephen King hat schon vor vielen Jahren – eher Jahrzehnten – die Grenzen des Horrorgenres hinter sich gelassen und in diverse Richtungen gearbeitet. „The Green Mile“ gehört zu diesen Ausflügen in andere Genres. Und mit welcher Intensität der Meister dieses Drama zu Papier bringt, verursacht mir eine Gänsehaut.
Das fängt schon bei den Charakteren an. Paul Edgecomb und seine Mitarbeiter im Todestrakt sind mehr als Kollegen. Sie sind Freunde, die respektvoll miteinander umgehen und aufeinander achten. Und auch den Gefangenen wollen sie die letzten Jahre, Monate und Tage vor der Hinrichtung erträglich gestalten. Diese Menschlichkeit ist der Kern von „The Green Mile“, der Dreh- und Angelpunkt.
Denn auch John Coffey – die Initialen sind kein Zufall – steht für diese Menschlichkeit. Er nimmt klaglos die Strafe an, die ihm auferlegt wurde, und bringt trotz seiner Situation im Todestrakt unfassbar viel Mitgefühl für seine Mitmenschen auf. Vor allem die Dialoge zwischen ihm und Edgecomb gehen unter die Haut.
Überhaupt sind die Charaktere eine der größten Stärken des Romans, auch abseits der Protagonisten. Sei es der fiese Percy Wetmore, der sich am Leid der Gefangenen ergötzt, sei es der hünenhafte Brutus Howell, der das Herz am rechten Fleck hat, oder sei es Eduard Delacroix, ein Gefangener, der seine letzte Lebensfreude aus einer kleinen Maus als Freund zieht.
Und dann verwebt King dieses intensive Drama um Todesstrafe, Rassismus und Sühne mit genau der richtigen Prise Phantastik. Die Handlung wird dadurch nicht weniger glaubwürdig, im Gegenteil: Durch diese Phantastik bekommt der Roman etwas Märchenhaftes, das den bedrückenden Themen ein klein wenig Härte nimmt.