Verzweifelter Kampf einer Mutter
Die stille KammerBei „Die Stille Kammer“ handelt es sich um einen Psychothriller der auf 2 Zeit- und Handlungsebenen angelegt ist. Auf der einen Seite kommt Emma Cartwright alias Susan Webster (Ich-Erzählerin) im Jahre ...
Bei „Die Stille Kammer“ handelt es sich um einen Psychothriller der auf 2 Zeit- und Handlungsebenen angelegt ist. Auf der einen Seite kommt Emma Cartwright alias Susan Webster (Ich-Erzählerin) im Jahre 2013 zu Wort und zwischendurch schwenkt die Autorin zu Jack (ebenfalls Ich-Erzähler) in den Jahren 1987 bis 2009 um.
Die Handlung beginnt im Jahre 2013 mit Susan Webster, einer verurteilten Kindsmörderin, die unter ihrem neuen Namen Emma Cartwright ein neues Leben begonnen hat. Sie ist etwas naiv, sehr vertrauensselig, voller Selbstzweifel und ängstlich. Als Frau eines privilegierten IT-Spezialisten hatte sie einst ein sorgloses Leben, in dem sich die Tage um Mode und Events drehten. Von dieser selbstbewussten Frau ohne Sorgen ist nach dem Tod ihres Sohnes Dylan nichts geblieben. Sie erinnert sich nicht an ihre vermeintliche Tat und kämpft schwer mit Selbstvorwürfen und Selbsthass. Susan ist geschieden von Mark und der Einzige, der zu ihr während der Verhandlung und in der ersten Zeit im Gefängnis gehalten hat, ist ihr Vater. Ihn hat sie von sich geschoben, weil sie ihn nicht mit ihrem verkorksten Leben „belästigen“ wollte und dachte, sie hätte die Einsamkeit verdient. In ihrer Zellengenossin Cassie, die wegen Mordes an der Geliebten ihres Mannes im Gefängnis sitzt, hat sie eine loyale, toughe und zuverlässige Freundin gefunden. Cassie ist ungeheuer hübsch, aber Männern gegenüber absolut misstrauisch und ablehnend. Eines Tages taucht das Foto eines 3jährigen Jungen mit Dylans Namen auf der Rückseite in Susans Briefkasten auf und kurz danach steht Nick Whitley, ein gutaussehender, charmanter, hilfsbereiter und geheimnisvoller Journalist bei ihr auf. Damit beginnt Susans verzweifelte Suche nach der Wahrheit und ihrem möglicherweise noch lebenden Sohn Dylan.
1987: Jack verfügt nicht nur über jede Menge kriminelle Energie, er ist ein absoluter Machtmensch, Egoist, manipuliert seine „Bruderschaft“, brilliert als ausgezeichneter Lügner und ist zudem brutal und rücksichtslos. Für ihn gelten nur seine eigenen Gesetze und nicht einmal vor dem Leben eines anderen hat er Respekt.
Was hat die Jungsclique/Bruderschaft um Jack auf der Durham University mit Susan Websters Geschichte zu tun? Wer steckt hinter den Vorfällen, die Susan zutiefst erschrecken und sie glauben lässt, ihr Sohn Dylan könne noch leben? Warum hilft ihr ausgerechnet der Journalist Nick, um hinter die Geschehnisse zu blicken? Wer hatte einen Grund, Susan als Kindsmörderin dastehen zu lassen? Das sind nur ein paar von unendlich vielen Fragen, die sich Susan, aber auch der Leser stellt. Die Spannung ist gleichbleibend hoch, ohne dass der Leser überfordert wird.
Am Ende überschlagen sich die Ereignisse und Jenny Blackhurst lässt den Leser in tiefe menschliche Abgründe blicken. Das Grauen greift schon während des Lesens mit kalten Fingern nach dem Leser und lässt ihn nicht mehr los. Die ungeheuerlichen, rücksichtslosen und brutalen Taten mehrerer Menschen und auch das Schweigen und Verdrängen der Taten ließen mich sprachlos zurück. Dabei ist die Handlung des Psychothrillers nicht weit von der Realität entfernt. Es gibt nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der jüngsten Geschichte immer wieder charismatische, manipulative und grausame Machtmenschen, die andere in ihren Bann ziehen und zu brutalen Handlungen verleiten. Wer möchte schon in einer Gruppe Gleichgesinnter der „Spielverderber“ sein? Oft entsteht eine Gruppendynamik und diese wird dadurch verstärkt, dass alle Beteiligten in einem Boot sitzen – sprich: gemeinsam Straftaten begehen und somit lieber mitmachen und schweigen. Die Autorin überzeugt mit der Darstellung menschlicher Abgründe und zeigt gekonnt wie eine einzelne Person eine ganze Gruppe beeinflussen und manipulieren kann. Dadurch entsteht eine Dynamik und alle machen mit, obwohl sie genau wissen, dass es unrecht ist. Da stellt sich die Frage, sind sie einfach Mitläufer, ist es ihnen egal, haben sie Angst, sich gegen den Anführer aufzulehnen oder wollen sie einfach dabei sein? Sehen sie in den Anführer eine Respektperson?
Jenny Blackhurst schafft mit ihrem Schreibstil und den wechselnden Erzählperspektiven eine düstere und beklemmende Atmosphäre, die sich mit jedem Kapitel verstärkt. Die Charaktere – vor allem Susan und Jack – sind sehr authentisch und plastisch beschrieben, so dass ich sie bildlich vor Augen hatte. Das war nicht immer leicht zu verkraften. Mit Susan habe ich mitgelitten und hätte ihr am liebsten geholfen und Jack fand ich so abstoßend, dass ich richtig wütend wurde. Ein paar Klischees tauchen im Buch auf, doch haben sie mich nicht groß gestört. Das Cover des Buches schimmert sehr schön und die Diskrepanz zwischen dem düsteren Hintergrund, dem Schmetterling und den Blutstropfen wird dadurch noch verstärkt. Ich habe das Buch innerhalb eines Tages verschlungen und kann es Thrillerfans nur empfehlen.