Großer Hype und wenig dahinter
Anatomie eines SkandalsDie Staatsanwältin Kate hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Sexualstraftäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Gerade verliert sie einen Fall, als ihr plötzlich ihr Assistent eine ganz besondere Akte ...
Die Staatsanwältin Kate hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Sexualstraftäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Gerade verliert sie einen Fall, als ihr plötzlich ihr Assistent eine ganz besondere Akte auf den Tisch legt.
Sophie Whitehouse führt ein privilegiertes und offensichtlich sorgenfreies Leben. Als Frau des charismatischen Staatssekretärs James Whitehouse haben sich alle ihre Hoffnungen und Ziele im Leben erfüllt. Als er ihr eine Affäre mit seiner Praktikantin gesteht und die Zeitungen titeln „ Freund des Premierministers trifft sich zum Techtelmechtel in den Korridoren der Macht.“ steht ihre Ehe plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Als wäre dies nicht schon schwer genug für die erfolgsverwöhnte Oxford-Absolventin und Mutter zweier Kinder, wird James von seiner Praktikantin Olivia der Vergewaltigung bezichtigt. Sophies Vertrauen in ihren Mann bekommt Risse und die Staatsanwältin Kate scheint ein beträchtliches Interesse an einer Verurteilung von James Whitehouse zu haben. Gibt es eine Verbindung zwischen Kate und James? Hat Sophie jahrelang ihre Augen vor dem wahren Charakter ihres Mannes verschlossen?
Der Roman lebt von Perspektivenwechsel zwischen Kate, Sophie und James und verwirrt mit Zeitsprüngen zwischen den einzelnen Kapiteln bzw. Abschnitten. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Bisweilen sind die Beschreibungen der handelnden Personen etwas langatmig geraten. Gerade Kates Gefühlswelt wird sehr ausschweifend beschrieben, ebenso die Zerrissenheit Sophies. Spannend dagegen sind vor allem die Gepflogenheiten bei Gericht und die zentrale Frage, ob James sich schuldig gemacht hat oder ein Opfer ist. Jedoch verkommt die Gerichtsverhandlung recht schnell zu einem kleinen Nebenschauplatz und spiel schon bald keine zentrale Rolle mehr. Gerade da hatte ich mir mehr erhofft, denn das Thema „Vergewaltigung oder nicht“ ist durch das Aufkommen der „#METOO-Bewegung“ so aktuell wie nie. Doch die Nebenschauplätze wie James Verhalten in seiner Studentenzeit und Sophies Bemühungen, James als Ehemann zu gewinnen, neben viel mehr Raum ein. Am Ende führen einige Handlungsstränge bzw. Überlegungen ins Leere, wie z.B. Sophies Verdacht, dass sie Kate von früher kennen würde. Auch Kates Bemühungen um James‘ Verurteilung wurden nur lieblos und nicht sehr ernsthaft verfolgt. Ihre Rachegelüste sind zwar vorhanden, doch sie macht nicht wirklich etwas daraus. Hier schließt sich irgendwie nicht der Kreis. Mir kommt es so vor, als hätte die Autorin nicht den Bogen zum Anfang der Geschichte bekommen. Zudem passt der Untertitel nicht, denn Olivia kommt so gut wie gar nicht im Roman vor. Dabei soll sie doch diejenige sein, die ihn zerstören will, oder!? Natürlich könnte es sich dabei auch um die Staatsanwältin Kate handeln. Doch deren Versuche, als Super-Staatsanwältin sind ja mehr als mager. Ich dachte wunder was, wie sie sich ins Zeug legt und vielleicht noch ein Ass im Ärmel hat … aber nichts! Sie wütet innerlich, aber ihre einzige Konsequenz ist, dass sie die Zuständigkeit bei Gericht wechselt und nun keine Sexualstraftaten mehr verfolgt. Warum? Sophie ist letztlich zu blind, um Kate wirklich zu erkennen und schiebt den Gedanken schnell wieder beiseite. Olivia ist zwar der Auslöser für die Anklage gegen James Whitehouse, doch sie kommt gar nicht richtig zu Wort. Da ist so viel Potential verschenkt worden, dass es fast schon weh tut. Dabei hätten nur ein paar Änderungen bei den Charakteren vorgenommen werden müssen, um die Geschichte richtig spannend zu machen. James Whitehouse hatte nie ernsthaft um seine Reputation fürchten müssen, denn dazu war die Anklage zu schwach und er ein zu gefestigter und von sich überzeugter Charakter. Letztlich hat die Autorin aus vielen guten Ideen kein gutes Gesamtbild erschaffen können. Die handelnden Personen, allen voran Kate, finde ich stellenweise dermaßen unglaubwürdig, dass ich mir schwer tat, mich mit ihnen in irgendeiner Weise zu identifizieren oder Sympathie für sie zu empfinden. Das große Geheimnis, das James mit Tom, dem Premierminister und seinem Kumpel aus der Zeit in Oxford verbindet, wurde so oft thematisiert und erzeugte erhebliche Spannung. Leider war die Auflösung dann so enttäuschend, dass ich mich gefragt habe, warum Sarah Vaughan so wenig daraus gemacht hat. Letztlich hatte es keine Auswirkungen auf den Prozess oder gar das Leben der Protagonisten. Nach dem großen Hype um das Buch und die Autorin hatte ich mir ein besonderes Lesevergnügen erhofft.