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Veröffentlicht am 20.02.2019

Großer Hype und wenig dahinter

Anatomie eines Skandals
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Die Staatsanwältin Kate hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Sexualstraftäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Gerade verliert sie einen Fall, als ihr plötzlich ihr Assistent eine ganz besondere Akte ...

Die Staatsanwältin Kate hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Sexualstraftäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Gerade verliert sie einen Fall, als ihr plötzlich ihr Assistent eine ganz besondere Akte auf den Tisch legt.
Sophie Whitehouse führt ein privilegiertes und offensichtlich sorgenfreies Leben. Als Frau des charismatischen Staatssekretärs James Whitehouse haben sich alle ihre Hoffnungen und Ziele im Leben erfüllt. Als er ihr eine Affäre mit seiner Praktikantin gesteht und die Zeitungen titeln „ Freund des Premierministers trifft sich zum Techtelmechtel in den Korridoren der Macht.“ steht ihre Ehe plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Als wäre dies nicht schon schwer genug für die erfolgsverwöhnte Oxford-Absolventin und Mutter zweier Kinder, wird James von seiner Praktikantin Olivia der Vergewaltigung bezichtigt. Sophies Vertrauen in ihren Mann bekommt Risse und die Staatsanwältin Kate scheint ein beträchtliches Interesse an einer Verurteilung von James Whitehouse zu haben. Gibt es eine Verbindung zwischen Kate und James? Hat Sophie jahrelang ihre Augen vor dem wahren Charakter ihres Mannes verschlossen?
Der Roman lebt von Perspektivenwechsel zwischen Kate, Sophie und James und verwirrt mit Zeitsprüngen zwischen den einzelnen Kapiteln bzw. Abschnitten. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Bisweilen sind die Beschreibungen der handelnden Personen etwas langatmig geraten. Gerade Kates Gefühlswelt wird sehr ausschweifend beschrieben, ebenso die Zerrissenheit Sophies. Spannend dagegen sind vor allem die Gepflogenheiten bei Gericht und die zentrale Frage, ob James sich schuldig gemacht hat oder ein Opfer ist. Jedoch verkommt die Gerichtsverhandlung recht schnell zu einem kleinen Nebenschauplatz und spiel schon bald keine zentrale Rolle mehr. Gerade da hatte ich mir mehr erhofft, denn das Thema „Vergewaltigung oder nicht“ ist durch das Aufkommen der „#METOO-Bewegung“ so aktuell wie nie. Doch die Nebenschauplätze wie James Verhalten in seiner Studentenzeit und Sophies Bemühungen, James als Ehemann zu gewinnen, neben viel mehr Raum ein. Am Ende führen einige Handlungsstränge bzw. Überlegungen ins Leere, wie z.B. Sophies Verdacht, dass sie Kate von früher kennen würde. Auch Kates Bemühungen um James‘ Verurteilung wurden nur lieblos und nicht sehr ernsthaft verfolgt. Ihre Rachegelüste sind zwar vorhanden, doch sie macht nicht wirklich etwas daraus. Hier schließt sich irgendwie nicht der Kreis. Mir kommt es so vor, als hätte die Autorin nicht den Bogen zum Anfang der Geschichte bekommen. Zudem passt der Untertitel nicht, denn Olivia kommt so gut wie gar nicht im Roman vor. Dabei soll sie doch diejenige sein, die ihn zerstören will, oder!? Natürlich könnte es sich dabei auch um die Staatsanwältin Kate handeln. Doch deren Versuche, als Super-Staatsanwältin sind ja mehr als mager. Ich dachte wunder was, wie sie sich ins Zeug legt und vielleicht noch ein Ass im Ärmel hat … aber nichts! Sie wütet innerlich, aber ihre einzige Konsequenz ist, dass sie die Zuständigkeit bei Gericht wechselt und nun keine Sexualstraftaten mehr verfolgt. Warum? Sophie ist letztlich zu blind, um Kate wirklich zu erkennen und schiebt den Gedanken schnell wieder beiseite. Olivia ist zwar der Auslöser für die Anklage gegen James Whitehouse, doch sie kommt gar nicht richtig zu Wort. Da ist so viel Potential verschenkt worden, dass es fast schon weh tut. Dabei hätten nur ein paar Änderungen bei den Charakteren vorgenommen werden müssen, um die Geschichte richtig spannend zu machen. James Whitehouse hatte nie ernsthaft um seine Reputation fürchten müssen, denn dazu war die Anklage zu schwach und er ein zu gefestigter und von sich überzeugter Charakter. Letztlich hat die Autorin aus vielen guten Ideen kein gutes Gesamtbild erschaffen können. Die handelnden Personen, allen voran Kate, finde ich stellenweise dermaßen unglaubwürdig, dass ich mir schwer tat, mich mit ihnen in irgendeiner Weise zu identifizieren oder Sympathie für sie zu empfinden. Das große Geheimnis, das James mit Tom, dem Premierminister und seinem Kumpel aus der Zeit in Oxford verbindet, wurde so oft thematisiert und erzeugte erhebliche Spannung. Leider war die Auflösung dann so enttäuschend, dass ich mich gefragt habe, warum Sarah Vaughan so wenig daraus gemacht hat. Letztlich hatte es keine Auswirkungen auf den Prozess oder gar das Leben der Protagonisten. Nach dem großen Hype um das Buch und die Autorin hatte ich mir ein besonderes Lesevergnügen erhofft.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Atmosphäre
  • Spannung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.02.2019

Wenn gleichgeschlechtliche Liebe verboten ist

Allein unter seinesgleichen
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Wie sähe Deutschland aus, hätte Hitler den Krieg gewonnen? Der Autor Christian Kurz hat darauf eine Antwort und diese in einen bedrückenden Roman gepackt.
Im Großdeutschen Reich gibt es zwar keinen Hitler ...

Wie sähe Deutschland aus, hätte Hitler den Krieg gewonnen? Der Autor Christian Kurz hat darauf eine Antwort und diese in einen bedrückenden Roman gepackt.
Im Großdeutschen Reich gibt es zwar keinen Hitler mehr, aber seine Ideologien leben weiter. Die Partei vertritt die einzig gültige Wahrheit und sie steckt ganz enge Grenzen für sämtliche Mitbürger. Die Menschen haben zu funktionieren und nichts zu hinterfragen, das Gedankengut der Partei sieht keine Schwulen vor bzw. hat diese angeblich gänzlich ausgerottet. Doch im Geheimen gibt es diese Männer sehr wohl, auch wenn sie damit täglich ihr Leben riskieren. Sei es der kleine Autor Karl, der heimlich Geschichten für und über Männerliebe schreibt oder der Drucker, der sie als so genannte Winkel-Literatur herausgibt. Der junge Wolfgang lebt in diesem streng reglementierten Reich und wundert sich, dass er sich zu seinem Mitschüler und Kumpel Nils hingezogen fühlt. Doch er kann mit niemanden darüber reden und wird sich erst über seine „Neigung“ bewusst, als er bei seinem Lehrherrn, einem Buchhändler, auf Schwulenmagazine aufmerksam wird. Auch wenn er nun weiß, dass es noch mehr Männer gibt, die sich zueinander hingezogen fühlen, so packt ihn die Angst, denn sein Leben steht auf dem Spiel. Die Staatspolizei verbreitet Angst und Schrecken und ein selbstbestimmtes Leben ist für niemanden unter diesem System möglich.
Was wäre, wenn …? Dieser zentralen Frage geht Christian Kurz mit einer sehr derben, obszönen Sprache und ohne große Gefühle nach. Das war zunächst ganz ungewohnt für mich und ließ mich zweifeln, ob ich auf Dauer damit klar kommen würde. In einem System, das die Menschen im Allgemeinen und „Nicht-Arier“ im Besonderen nur verachtet und in ihrer Lebensweise einschränkt und jede Kleinigkeit maßregelt, kann die Sprache wohl kaum liebevoll sein. Es ist erschreckend, wie die Welt nach einem Sieg Hitlers aussehen würde. Lebenswert? Wohl kaum! Als ich das für mich begriffen habe, kam ich auch mit der Sprache besser klar. Womit ich allerdings immer wieder meine Schwierigkeiten hatte, waren die gebetsmühlenartigen Wiederholungen von Gedanken und Bedenken bzgl. der Vorgaben der Partei. Das unterbricht den Lesefluss und langweilt auf Dauer.
Der Schreibstil kam mir manchmal sehr unbeholfen vor und die Rechtschreib- und Grammatikfehler fielen mir unangenehm auf. Mit der Zeit habe ich mich jedoch auf die Geschichte eingelassen und die Charaktere nahmen immer mehr Gestalt an, wurden glaubhaft und verdienten sich immer mehr mein Mitgefühl. Vor allem mit Wolfgang konnte ich mich anfreunden. Wie muss es für diesen jungen Mann sein, wenn er feststellt, dass er keine Chance hat, sich in diesem Reich zu entfalten? Der keine Zukunft für sich in Großdeutschland sieht und sich nicht einmal seinen Eltern anvertrauen kann? Und Karl, der in eine prekäre Situation gerät und unter Druck gesetzt wird? Wie sehr kann sich ein Mensch verbiegen und selbst verleugnen, bis er daran zerbricht? Die Entwicklung, die Wolfgang im Laufe des Romans durchmacht, ist schön zu beobachten, absolut nachvollziehbar und gibt ein wenig Hoffnung. Als in einem von Karl geschriebenen Werk eine Alternativwelt, angelehnt an unsere, auftaucht, wird erst das Ausmaß der Schreckensherrschaft sicht- und spürbar. Die Vorstellung, dass Hitler den Krieg gewonnen hat und sein „Lebenswerk“ fortgeführt wird, ist beängstigend. Großdeutschland, D-S-A, Deutsch als Weltsprache und die Verbreitung der alleinigen Wahrheit der Partei stehen hier im Mittelpunkt. Erschreckend ist zudem der Drill in der Kompanie und wie die Kadetten einen Mann auf Befehl totschlagen als wäre er ein Stück Holz. Die Menschlichkeit kommt hier völlig abhanden und das Denken wird den Menschen sowieso abgenommen. Für mich eine absolute Horrorvorstellung! Immer mehr zeigt sich, was passiert, wenn die Mächtigen den Untergebenen ein Leben vorgeben und alles verbieten, was ihnen nicht in den Kram passt. Volkslieder, die langweilig und abgedroschen sind; immer gleiche Handlungen in Heimatfilmen; Verachtung für jegliche andere Lebenseinstellung; absolute Gleichheit und Hörigkeit der Partei gegenüber; Einschränkungen, Reglementierungen und eine einzige Kultur; Auslöschen der Vergangenheit, sogar der eigenen; Gehorsam bis zum Tod und vor allem kein selbständiges Denken. Für mich eine absolut grauenvolle Vorstellung! Das Buch lässt mich betroffen und traurig zurück, denn auch wenn es sich um eine fiktive Geschichte handelt, ist der Bezug zur heutigen Zeit durchaus gegeben. Immer wieder wird die Freiheit und Gleichheit aller Menschen eingeschränkt und verleugnet. Auch heute noch kann es gefährlich sein, gegen den Strom zu schwimmen oder seine Meinung ernsthaft zu vertreten. Der Titel „Allein unter seinesgleichen“ ist absolut passend gewählt. Das „Anderssein“ macht einsam, auch neben all den anderen, die sich verstellen und eine Fassade aufrechterhalten müssen.

Veröffentlicht am 05.02.2019

Vom Chaos zum Lebensgefühl Hygge

Das kleine Café in Kopenhagen
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Katie arbeitet in einer der fünf größten Londoner PR-Agenturen und freut sich bereits auf ihre verdiente Beförderung. Doch dann bekommt Josh, ihr Kollege und Freund, den Posten und das auch noch durch ...

Katie arbeitet in einer der fünf größten Londoner PR-Agenturen und freut sich bereits auf ihre verdiente Beförderung. Doch dann bekommt Josh, ihr Kollege und Freund, den Posten und das auch noch durch eine Idee, die ursprünglich von Katie stammt. Damit degradiert er sich zum Ex-Freund und offenbart seinen wahren, miesen Charakter. Als Katies Chefin Megan ihr einen vermeintlich unmöglich zu bewerkstelligenden Auftrag überträgt, greift Katie nach diesem Strohhalm, ohne zu ahnen, was alles auf sie zukommt. Für den dänischen Geschäftsmann Lars Wilder, der in London ein Kaufhaus eröffnen will, soll sie eine PR-Strategie entwerfen. Getreu dem Motto „Hygge“, mit dem sie gar nichts anzufangen weiß, soll Katie Wilder helfen, ein Wohlfühl-Kaufhaus mit dänischem Lifestyle in London zu etablieren. Mit 6 Journalisten im Gepäck reist Katie nach Kopenhagen, um dem glücklichsten Land der Welt auf die Schliche zu kommen. Bald schon fühlt sich Katie wie eine Kindergärtnerin, die einen Haufen eigenwilliger und zickiger Journalisten zu betreuen hat. Eine Mammutaufgabe, denn die 3 Frauen und 3 Männer denken gar nicht daran, sich in einer Gruppe zusammen zu finden und einer der Männer sorgt bei Katie ungewollt für Herzklopfen. Doch in Eva, Lars Wilders Mutter und Besitzerin des bezaubernden kleinen Cafés Varme, hat sie eine zuverlässige Freundin und in deren Café ein zweites, heimeliges Zuhause gefunden.
Dieser schöne Roman rund um eine ungewöhnliche Reisegruppe zum Hygge-Gefühl in Kopenhagen macht gute Laune und Lust auf den Besuch der dänischen Hauptstadt. Die Autorin Julie Caplin vermittelt dieses heimelige Gefühl der Dänen nicht nur gekonnt, sondern sie entführt den Leser sehr schnell in den Norden in die Heimat der Kleinen Meerjungfrau.
Mitunter liest sich der Roman wie ein kleiner Insider-Reisebericht, was nicht verwundert, da Julie Caplin bereits in verschiedenen europäischen Großstädten gelebt und gearbeitet hat. Ihre Lust am Reisen ist ganz deutlich auf jeder Seite der Geschichte zu spüren. Es kam mir oft so vor, als stünde ich mitten in Kopenhagen und würde das Rathaus oder die Frelsers Kirke bestaunen. Die pure Neugier hat mich immer wieder über die eingeflochtenen Stationen der Reisegruppe nachlesen lassen. So habe ich nebenbei etwas über Kopenhagen gelernt und verspüre nun den großen Wunsch, dorthin zu reisen. Julie Caplin fügt mühelos und mit einem Augenzwinkern herrliche Kabbeleien zwischen Katie und dem störrischen Ben, die Sehenswürdigkeiten von Kopenhagen und die Lebensart der Dänen zu einer wunderschönen Geschichte zusammen. Alle Charaktere der illustren Reisegesellschaft sind mit ihren Eigenheiten, Stärken und Schwächen so unverwechselbar und bildhaft herausgearbeitet, dass sie einem das Gefühl vermitteln, mitten unter ihnen das Lebensgefühl der Kopenhagener zu erfahren. Da sitze ich als Leserin ein ums andere Mal bei Eva im Café Varme, streite mich mit Ben und schmunzle über den unverbesserlichen Conrad. Um die Mischung perfekt zu machen, entwickelt sich zwischen Katie und Ben eine Liebesgeschichte, die sich ganz allmählich einschleicht, ohne dass sie zu sehr in den Vordergrund tritt. Der Schreibstil ist stets leicht und lässt die Zeilen nur so dahin fliegen. Ein absoluter Wohlfühlroman!
Eine Diskrepanz zwischen dem Klappentext und dem Roman ist mir aufgefallen. Im Klappentext wird angekündigt, dass die Reisegruppe das Institut für Glücksforschung besucht und im Roman wird dieser Besuch weder beschrieben noch irgendwie erwähnt.
"... Es sind fünf Tage zu verschiedenen Zielen, darunter ein Besuch des Dänischen Instituts für Glücksforschung. ..." Auszug aus dem Klappentext
Schade, dass die beiden nächsten Romane noch nicht auf Deutsch veröffentlicht wurden. Vielleicht hole ich sie mir aber auch auf Englisch – mal sehen!

Veröffentlicht am 29.01.2019

Tödliche Eisskulpturen

Winterkalt: Thriller
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In einer kalten Winternacht wird die Rechtsmedizinerin Julia Schwarz zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen: in einer überlebensgroßen Eisskulptur verbirgt sich die Leiche einer jungen Frau mit einem Spiegel ...

In einer kalten Winternacht wird die Rechtsmedizinerin Julia Schwarz zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen: in einer überlebensgroßen Eisskulptur verbirgt sich die Leiche einer jungen Frau mit einem Spiegel in der Hand. Die Tote kann zunächst nicht untersucht werden, da das Eis sie völlig umhüllt. Nicht nur Julia fragt sich, wie die tote Frau in die Eisskulptur hineingekommen ist und wie es möglich war, diese ungesehen in einem Park mitten in Köln aufzustellen. Ihr Freund, Kriminalkommissar Florian Kessler, und Julias neue Assistentin Lenja machen sich sofort an die Arbeit und auf eine aufwändige Spurensuche, um den Mord aufzuklären. Währenddessen kämpft die junge, ehrgeizige Ballerina Annabelle um die begehrte Stelle der Primaballerina bei einer bevorstehenden Ballettaufführung. Steht sie im Visier des eiskalten Mörders? Oder spielt sie eine ganz andere Rolle?
Wie bereits im Buch „Der Flüstermann“ zeichnet sich der Thriller durch sehr geschickte Perspektivenwechsel und einen fesselnden Schreibstil aus. Catherine Shepard hat mich bereits mit den ersten Seiten gepackt und nicht mehr los gelassen. Neben den kleinen Einsichten in das Leben des Mörders kommt auch das Privatleben von Julia Schwarz und Florian Kessler zur Sprache. Das finde ich generell ganz interessant, denn Rechtsmediziner, Polizisten etc. sind ja auch nur Menschen und ihr Leben besteht nun mal nicht nur aus Arbeit. Nur habe ich mich immer gefragt, warum Julia Schwarz sich so stark in die Ermittlungen einbringen darf und ihr Vorgesetzter ihr nicht Einhalt gebietet. Der Spannung der Geschichte tat es jedoch keinen Abbruch, so dass ich diesen Gedanken mit der Zeit vernachlässigt habe. Im Laufe der Geschichte gab es für mich eine ganze Handvoll Verdächtige. Wie die unterschiedlichen Spuren sich dann aber immer wieder verloren, fand ich sehr gekonnt und spannend geschrieben. Ich konnte mir nie wirklich sicher sein, den richtigen Verdächtigen zu haben. Der stetige Perspektivwechsel steigert die Spannung und gibt einen guten Einblick in das Wesen und Leben der verschiedenen Akteure. Die kurzen Kapitel halten den Spannungsbogen zudem stets auf einem hohen Niveau. Die Aufklärung der Morde mündet in einer Überraschung und bringt erschreckende Einsichten in das Gefühlsleben des Eismörders.
Die angenehme Stimme von Svenja Pages haucht den Charakteren gekonnt Leben ein. Der Einsatz von Akzenten und unterschiedlichen Stimmfärbungen (gerade bei den Männern) half mir als Hörerin, die Personen auseinanderzuhalten. Ein bisschen weniger stark hätte ich mir die Stimme der französischen Ballettlehrerin gewünscht. Das war mir dann doch fast zu viel.
Neben einer packenden Handlung finden sich tolle, stimmige Charaktere im Thriller und sowohl Titel als auch Cover passen hervorragend zusammen! Eine tolle Unterhaltung - gerade im Winter!

Veröffentlicht am 27.01.2019

Spannender Thriller ohne Schnick-Schnack

Die Macht der Rache
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Eine blutüberströmte Frau versteckt sich bei strömendem Regen hinter einem Baum. Da flüstert ihr eine Stimme zu, dass niemand sie so begehren würde wie sie. Ihr Gedanke gilt der kleinen Leonie und dass ...

Eine blutüberströmte Frau versteckt sich bei strömendem Regen hinter einem Baum. Da flüstert ihr eine Stimme zu, dass niemand sie so begehren würde wie sie. Ihr Gedanke gilt der kleinen Leonie und dass sie sie braucht.

Dirk Rasper wird trotz schlampiger Ermittlungsarbeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Er soll 3 Frauen ermordet haben, doch er beteuert immer wieder seine Unschuld. Sogar als er bereits Jahre in der Justizvollzugsanstalt einsitzt, rückt er nicht davon ab. Inzwischen hegt jedoch seine Frau Beate Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit, da Spuren in einem Keller eindeutig auf Dirk hinweisen. Es vergehen viele Jahre, in denen Dirk als ruhiger Gefangener sein Leben im Gefängnis verbringt und nichts auf eine Änderung seiner Situation hinweist. Da bekommt er einen Zellengenossen namens Liam, der kurz darauf vom brutalen Häftling Hartmann schwer misshandelt wird. Bei einem Fußballspiel wird genau dieser Häftling getötet und Dirk nimmt diesen Mord auf sich. Bei der Überstellung in eine andere Haftanstalt gelingt ihm nach einem Autounfall die Flucht. Von nun an lebt er in einem heruntergekommenen Fabrikgebäude und hat nur einen Wunsch: er will seine Freiheit und seine Familie wieder haben. In der Zwischenzeit ist er Vater der kleinen Leonie geworden, die er noch nie zu Gesicht bekommen hat. Da kommt Hauptkommissar Klare ins Spiel. Er hat sich in Raspers Fall verbissen und will die Ungereimtheiten und schlampigen Ermittlungen im Fall der 3 ermordeten Frauen aufklären. Doch kann er Raspers Beteuerungen glauben? Kann Klare dem vermeintlich unschuldigen Familienvater helfen?

Der Schreibstil ist knapp und nüchtern gehalten, ohne dass Nebensächlichkeiten den Blick auf das Wesentliche, die Handlung an sich, verstellen. Das erzeugte schnell Spannung und ließ mich durch die Seiten rasen, was hervorragend zum Genre Thriller passt. Manchmal blieben kleine Fragen offen und die brachten mich etwas aus dem Konzept. Dem Verständnis für die Handlung hat es jedoch keinen Abbruch getan. Zudem hat H.C. Scherf in der Leserunde geduldig und ausführlich die Fragen beantwortet.
Der Perspektivenwechsel und das schnelle Voranschreiten der Handlung hielten mich in Atem und es fiel mir schwer, innerhalb der Leseabschnitte innezuhalten, um meine Eindrücke zusammenzufassen. Ganz besonders gut gefielen mir die Beschreibungen des Gefängnisalltags und die unterschiedlichen Hierarchien bei den Gefangenen. Manchmal kam es mir so vor, als würde ich selber in der JVA sitzen und die Häftlinge sehen und hören.
Der Autor hat den Charakter von Dirk Raspers ambivalent angelegt. Sehr geschickt spielt er mit den ganz unterschiedlichen Wesenszügen: beherrscht, unscheinbar, berechnend, lauernd, anpassungsfähig, sportlich und gutaussehend, planvoll und ruhig, gewaltbereit und gefährlich, liebevoll und beständig in seiner Liebe zu Beate. So nimmt der Hauptakteuer im Laufe des Thrillers immer mehr Gestalt an, ohne dass er wirklich greifbar und als Frauenmörder zu identifizieren wäre. Ständig gerieten meine Sympathien für Dirk ins Schwanken und das Misstrauen wuchs. Zu keinem Zeitpunkt konnte ich mir sicher sein, dass er unschuldig ist. Vielmehr hoffte ich, dass ihm die Frauenmorde untergeschoben wurden. Beate bekommt innerhalb des Thrillers ebenfalls immer mehr Konturen und meine anfängliche Sympathie für sie geriet im Laufe des Buches immer mehr ins Wanken. Der Autor schafft es tatsächlich, mich in die Geschichte hineinzuziehen. So hoffe, bange und leide ich mit und versuche immer wieder, die Verdächtigen einzugrenzen, was mir jedoch schwerfiel. Es blieb bei einer Vermutung. Absolut gelungen fand ich den Showdown zum Ende. Meine Nerven waren zum Zerreißen angespannt und ich konnte förmlich die Schlussszenen sehen und die Stimme des Frauenmörders hören. H.C. Scherf hat mich die Spannung fühlen lassen und wird damit seinem Anspruch an die Geschichte mehr als gerecht. Ich kann den Thriller all jenen Lesern empfehlen, die sich gerne durch ein spannendes, klug konstruiertes und erzähltes Buch treiben lassen – ohne sich durch Kleinigkeiten von der Handlung ablenken zu lassen.