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Veröffentlicht am 16.05.2022

Ein Buch mit prominenten Gästen

Fast ein Idyll
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Das Titelbild ist eine tolle Aufnahme aus alter Zeit. Ich frage mich, welcher Mann es als erster wagte vom Ganzkörpertrikot auf beziehungsweise in eine Badehose umzusteigen?
Prominente Gestalten aus der ...

Das Titelbild ist eine tolle Aufnahme aus alter Zeit. Ich frage mich, welcher Mann es als erster wagte vom Ganzkörpertrikot auf beziehungsweise in eine Badehose umzusteigen?
Prominente Gestalten aus der Vergangenheit treten in diesem Buch auf. Vom Nobelpreisträger Erwin Schrödinger bis zu Cleopatra, von Josephine Baker bis zu Jane Austen, von Franz Joseph dem Ersten bis zu Marilyn Monroe, Max Schmeling und Goethe, Archimboldo und Bach, sie alle haben ihre kurzen Auftritte in diesem Buch. Manche direkt, so wie Erwin Schrödinger, der versucht einem Achtjährigen seine Theorie zu erklären, weil er kein Katzenmörder ist, auch wenn die Leute ihn dafür halten. Und das Schöne ist: der Knirps versteht die Quantenphysik auf Anhieb. Jane Austen hat Zeit ihres Lebens Briefe an ihre Schwester Cassandra geschrieben. Susanne Falk lässt sie in diesem Buch gleich fünf Mal zur Feder greifen und Cassandra schreiben. Eine kurze zarte Romanze bahnt sich in ihren Briefen an, nur um im letzten Brief ein jähes Ende zu finden.
Die Halbwertszeit eines Flügeladjutanten bei Hofe oder einer Millionärsgattin in den USA scheint in diesem Buch recht kurz zu sein.
Einer der sympathischsten Auftritte hat Max Schmeling, der große Boxer. Nun 84jährig geht er jeden Morgen schwimmen ins Freibad und hat eine riesige Wasserrutsche für die Kinder gespendet.
Josephine Baker tritt nicht direkt auf, nur ihr Vogel Strauß, der ein unrühmliches Ende findet. Madame braucht seine Federn und sein Leder. Marilyn Monroe sieht ihrem berühmten Liebhaber nach der gemeinsam verbrachten Nacht nach. Traurig, aber sie teilt das Schicksal aller Geliebten dieser Welt. Kein Mann wird je seine Frau für eine Geliebte verlassen.
Heute weniger bekannte Persönlichkeiten wie Amelia Erhard, Emilie Flöge, Dinah Washington lösen sich ab mit Beethoven, Bertha von Suttner, Selma Lagerlöf, Marlene Dietrich, Johannes Brahms und Clara Schumann, Shakespeare und Percy B. Shelley.
Wie ein Rahmen umfassen die beiden Anekdoten um Kaiser Franz Joseph I. das Buch. In der Eröffnungsszene erschießt der Kaiser seinen Flügeladjutanten versehentlich bei der Jagd, in er Schlussszene lässt er sich von seiner Geliebten mit Gugelhupf und schnellem Sex trösten.
Ich mochte die subtile Ironie die über den Buchseiten schwebt. Bei manchen lauter, direkter, so wie in den Episoden mit Franz Joseph I. oder das Gespräch zwischen Kleopatra und ihrem Gärtner, andere feiner, hintergründiger, wie „Ein Sommertag“ (Johannes Brahms und Clara Schumann). Ein tiefes menschliches Verstehen zeigt sich in allen Episoden, exemplarisch in den Seiten um den jungen Bach oder um Beethoven, der im Glockenläuten endlich was hören und empfinden kann.
Ich hätte gerne weiter gelesen, das Buch erschien mir viel zu kurz. Vielleicht sind Fortsetzungen geplant, gell Frau Falk?

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Veröffentlicht am 16.05.2022

Sieht so eine Papyrus Staude aus? Der Stoff aus dem Träume früher waren.

Papyrus
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Herrliches Buch. Allein schon die Zitate zu Anfang des Buches haben mich gefangen genommen. Und das Eröffnungskapitel: die geheimnisvollen Reiter, die jeder Gefahr trotzen auf der Suche nach dem geschriebenen ...

Herrliches Buch. Allein schon die Zitate zu Anfang des Buches haben mich gefangen genommen. Und das Eröffnungskapitel: die geheimnisvollen Reiter, die jeder Gefahr trotzen auf der Suche nach dem geschriebenen Wort, spannend und poetisch zugleich.
Das Buch ist eine interessante und manchmal auch dramatische Sammlung von Anekdoten, Geschichten, Sagen, Forschungen und Erinnerungen über die Anfänge von allem, könnte man sagen. Über die Schrift und ihre Entwicklung, über die Bibliothek, die ihren Anfang offiziell in Alexandria nahm, aber als Sammlung von Schriften schon früher, in Mesopotamien in Rudimenta vorhanden war – in Archiven mit Listen über Wein oder Vieh.
Die große, berühmte und faszinierende Bibliothek von Alexandria nimmt einen zentralen Teil des Buches ein. Immer wieder berichtet die Autorin über diese Institution. Sei es über ihre Papyrussammlungen, über ihre Leiter und Verwalter, über ihre Leser und Besucher. Wer sich bei den Ptolemäern einschleichen wollte, überbrachte Geschenke in Form von beschriebenen Papyrusrollen. Immer wieder kehrt Vallejo zu dieser Bibliothek zurück, erzählt noch etwas aus ihrer reichen Geschichte, macht sie zum Leitmotiv, zu Ariadnes roten Faden durch die Schriftwelt der Antike.
Dazwischen immer wieder Anekdoten aus der Kindheit der Autorin, wie sie ihre Liebe zu den Büchern entdeckte, ja, wie sie überhaupt zum Buch fand. Übrigens, wir hatten ähnliche Lektüren in der Kindheit, bei mir kam noch Karl May hinzu. Ab und zu kommen auch Buchgeschichten neuerer Jahrhunderte zu Wort, wie z.B. die US-amerikanische Buchhändlerin Helen und der Londoner Antiquar Frank, anrührend ohne rührselig zu wirken.
Ein Satz, genauso schnörkellos und direkt geschrieben, wie das ganze Buch, hat es mir besonders angetan: „Wann immer irgendwo das letzte Exemplar eines Buches verbrannte, verfaulte oder von Insekten gefressen wurde, starb eine Welt.“ (S. 619). Wahre Worte die mich dankbar werden lassen für jedes Buch, das überlebt.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Spannend und vielschichtig

Wo die Wölfe sind
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Schottlands wenige verbliebene Wälder sind arg in Mitleidenschaft geraten durch den Rotwildverbiss. Abschuss oder eine naturnahe Lösung, die ökologisch gesehen, der ganzen Region zugutekommen würde? Aber ...

Schottlands wenige verbliebene Wälder sind arg in Mitleidenschaft geraten durch den Rotwildverbiss. Abschuss oder eine naturnahe Lösung, die ökologisch gesehen, der ganzen Region zugutekommen würde? Aber da sind sture Bauern, die das nicht einsehen wollen. Wölfe sind und bleiben der Feind. Die Bauern fürchten um ihr Vieh, um die Kultur der Highlander die von Wölfen bedroht wird, Kinder jammern, die Wölfe würden Bambi umbringen, usw. Fazit: Wölfe sind wilde gefährliche Bestien und haben in Schottland nichts verloren. Eine Gruppe von Naturwissenschaftlern wollen aber Wölfe hier wieder ansiedeln. Was sich in Yellowstone Naturreservat in den USA und auch in Deutschland (siehe Lausitz) hervorragend bewährt hat, sollte, so die Meinung der Biologen, auch in Schottland funktionieren. Unter den Wissenschaftlern ist Inti Flynn, die eine besondere Begabung (oder Fluch, wie man es nimmt) hat. Inti ist ein Mirror-Touch-Synästhet. Sie kann die Schmerzen ihrer Mitmenschen aber auch von Tieren oder Bäumen spüren.
Zusammen mit Aggie, Inties Zwillingsschwester sind die Mädchen das Jahr über in Australien, bei der Mutter und in den Sommerferien in Kanada, bei dem Vater. Der Vater ist sehr naturverbunden und vermittelt diese Naturverbundenheit auch seinen Töchtern. Wie die Mädchen zwischen den Eltern aufwachsen, wie sie ihre Kindheit und Jugend verbringen, Aggies katastrophale Ehe mit Gus, all dies erfahren wir in Rückblicken, während Inti am Wolfsprojekt weiterarbeitet.
Der Widerstand gegen die Wölfe in einem Teil der Bevölkerung wächst, Inti macht sich den Bauern Stuart zum Feind. Inti fordert Stuart heraus, bezichtigt ihn vor allen Leuten seine Frau zu schlagen. Etwas, von dem alle wussten, aber solange es nicht ausgesprochen wurde, war ja nichts passiert, wird nun offen zu Tage gezerrt. Die Bedrohungen gegen die Wölfe und gegen Inti nehmen zu. Die Lage spitzt sich zu, bis Inti beschließt einzugreifen, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. In einer stürmischen Nacht geht Inti hinaus, in die Berge und muss den Wolf töten, der Schafe und auch zwei Menschen angefallen hat. Diese Nacht ist an Dramatik kaum zu überbieten.
Inti ist der Mittelpunkt des Romans. Die Liebe zwischen Inti und ihrer Schwester, zwischen Inti und Duncan, zwischen Inti und den Wölfen, alles steht in einem tiefen Zusammenhang, wie die Bäume des zitternden Riesen, „… ich spürte den Herzschlag unter und über mir und ringsherum, die älteste Sprache von allen“ (S. 125). Diese älteste Sprache ist die Liebe, die alles zusammenhält und der sich Inti zu keiner Zeit entziehen will.
Das Buch liest sich in weiten Teilen wie ein Buch über Naturschutz und Wolfsverhalten, aber auch wie eine Liebesgeschichte und wie ein Krimi, eigentlich ist es von allen etwas. Und das macht das Buch so spannend.
Der Stil ist sehr fesselnd: normalerweise fließt die Erzählung so vor sich hin, versieht uns mit den nötigen Informationen, um im Geschehen voranzukommen, doch dann plötzlich, am Ende eines Absatzes oder eines Kapitels fällt eine kurze Bemerkung oder ein Satz, der das vorhin gesagte relativiert, es in einem anderen Licht erscheinen lässt. Dann muss man das erst verarbeiten, die Worte eindringen lassen, das Kapitel oder den Absatz noch einmal überdenken.
Genau wie im Vorgängerroman spürt man die tiefe Naturverbundenheit der Autorin, merkt dass die Wölfe (oder die Zugvögel) nicht nur Mittel zum Zweck sind für ein gutes Buch, sondern dass McConaghy sich mit Naturschutz und allem was dazu gehört, eindringlich auseinandergesetzt hat.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Schalom!

Der letzte Schrei
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Der blutrote Lippenstift wie eine Gewehrkugel ist ein großartiges Titelmotiv für einen Krimi. Der Eyecatcher schlechthin.
Ein direkter Einstieg in die Handlung macht es dem Leser nicht gerade leicht, auch ...

Der blutrote Lippenstift wie eine Gewehrkugel ist ein großartiges Titelmotiv für einen Krimi. Der Eyecatcher schlechthin.
Ein direkter Einstieg in die Handlung macht es dem Leser nicht gerade leicht, auch hier einzusteigen. Ein Fohlen, das Wölkchen ausstößt? Und wieso ist Oded vor dem Türsteher so schüchtern und versucht ihn trotzdem anzumachen? Und welche Rampe ist gemeint? Aber halt. Wir sind in Israel, mit der Selektion auf der Rampe kann nur die schreckliche Selektion des Lagerführers beim Eintritt in das KZ gemeint sein. Oder der Satz: „Und ich hätte in Ausschwitz keine Kartoffelschale mit dir geteilt…“ (S. 334), ist auch einer jener Sätze die mir die Luft zum Atmen nehmen. Aber: Wir sind in Israel. Die dürfen darüber Witze reißen, die sich für uns wie ein Schlag in den Plexus anfühlen. Und beim Weiterlesen wird klar: wir sind nicht ausschließlich im Hetero-Milieu. Da tummeln sich Homosexuelle, Transgender und andere sexuell um- und neuorientierte in den Seiten des Buches.
Über allen residiert, operiert, bedroht und erpresst der halbseidene und steinreiche Binyamin Direktor die Menschen. Oded Chefer soll für ihn herausfinden, was mit Carine Carmeli, einem Internetsternchen los ist, die seit ein paar Wochen depressiv wirkt. Schnell findet Oded heraus, dass da mehr dahintersteckt als eine verschmähte Teenie-Liebe und dass womöglich eine Verbindung zu einem transgender Mann besteht, der/die seit der Party bei Binyamin verschwunden ist. Oded entdeckt immer mehr Übereinstimmungen zwischen dem Verschwinden von Gabriele auf der Party und einem anderen jungen Transgender, Prince, der seit ein paar Wochen wie vom Erdboden verschluckt ist.
Zu den Recherchen kommen noch Odeds private Probleme hinzu, seine unglückliche Liebe zu Stas, Binyamins Bodyguard, die Probleme mit der Familie. Und trotzdem wird Oded die Fälle lösen.
Die Dialoge sind gewitzt und durchtrieben, man könnte diesen Leuten (ist das geschlechtsneutral genug?) ewig zuhören, mit ihren Sticheleien und Eifersüchteleien. Da wird verbal mit harten Bandagen gekämpft. Allem Anschein nach ist das Transvestiten und Transgender Milieu nichts für zartbesaitete. Für uns Leser ist dieser permanente Schlagabtausch mit seinem Sarkasmus und Ironie genussvolle Lektüre. Bis wieder eine Anspielung auf den Holocaust fällt, das mir das Lachen vergeht.
Wer während dieser Dialoge richtig schwer arbeiten musste, ist Markus Lemke, der geniale Übersetzer. Aus dem Neuhebräischen diese Repliken so ehrlich und manchmal auch brutal zu übersetzen war bestimmt nicht einfach.

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Veröffentlicht am 19.04.2022

Schön und spannend ohne allzu viel Blutvergießen

Tiefes, dunkles Blau
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Zürich und der Zürcher See sind nicht nur Kulissen in diesem Krimi. Diesen Eindruck gewann ich von den ersten Seiten an. Beide spielen eine zentrale Rolle. So wie die Stadt und der See von Kobler beschrieben ...

Zürich und der Zürcher See sind nicht nur Kulissen in diesem Krimi. Diesen Eindruck gewann ich von den ersten Seiten an. Beide spielen eine zentrale Rolle. So wie die Stadt und der See von Kobler beschrieben werden, fast wie zentrale Gestalten, muss man ihnen auch Beachtung schenken.
Für einen modernen Krimi kommt Seraina Kobler mit nur einer Leiche und einem Mordversuch aus. Es muss nicht immer Blut in Strömen fließen, um einen Krimi gut werden zu lassen. Dafür aber gibt es ein brisantes Thema: die Genschere die erst vor ein-zwei Jahren entdeckt und entwickelt wurde, und die Frage, ob Forschung geheim bleiben soll oder offen zugänglich. Vor allem wenn es sich um solch wichtige Themen handelt, wie das Eingreifen in das genetische Erbgut der Menschen. Gut dokumentiert, sowohl was die Genforschung betrifft, als auch wie Polizeiarbeit verläuft, (schade, nichts mit Special Victims Unit oder Criminal Minds, zwinker-seufz) wirkt alles in diesem Buch glaubwürdig: Thema, Handlung, Charaktere und das besondere Setting.
Der Stil von Seraina Koblenz ist auf den ersten Blick etwas langatmig, gewinnt dadurch aber an Tiefe.
Diogenes hat dem Buch ein wunderschönes Titelbild mit einer herrlichen Aussicht auf Zürich verpasst. Ein Grund zum Buch zu greifen oder die Koffer zu packen. Gruezzi!

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