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Veröffentlicht am 06.03.2021

Benvenuti a Girifalco!

Der Zirkus von Girifalco
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Dies ist der zweite Roman Domenico Daras, der in Girifalco spielt. Dadurch beschert er uns ein wunderschönes Wiedersehen mit Girifalco, ein Dorf das seit seinem ersten Roman (Der Postbote von Girifalco) ...

Dies ist der zweite Roman Domenico Daras, der in Girifalco spielt. Dadurch beschert er uns ein wunderschönes Wiedersehen mit Girifalco, ein Dorf das seit seinem ersten Roman (Der Postbote von Girifalco) uns ans Herz gewachsen ist. Die Menschen in Girifalco sind wie überall: herzensgut, gleichgültig, böse, manchmal niederträchtig; sie lieben, sie hassen, sie lachen oder weinen, sie verzweifeln an der Welt oder sind unbeschreiblich glücklich. Alt und jung, alle werden vor unseren Augen zu realen Gestalten, aus dem Leben gegriffen.
Die ersten acht Kapitel stellen uns ein paar der Bewohner von Girifalco vor, mit all ihren Sorgen oder Freuden, Hoffnungen, Wünschen und Erwartungen.
Zuerst lernen wir Lulu kennen, der in der Nervenheilanstalt lebt. Er tut niemanden etwas zu leide, zieht trotzdem den Hass Caracantulus auf sich, der sich letztendlich aber zu seinem Gunsten auswirken wird. Lulu ist mit einem einmaligen musikalischen Gehör ausgestattet. So kann er jede einmal gehörte Melodie meisterhaft wiedergeben, indem er auf einem Baumblatt bläst. Lulus Herzenswunsch ist es, seine Mutter wiederzusehen, die versprach ihn aus der Nervenanstalt zu holen. Er glaubt ihr Gesicht in einem Madonnenbild zu erkennen und trägt es deswegen ständig auf seiner Brust.
Dann wäre da Archidemu, der Stoiker, der einst seinen Bruder unter nie geklärten Umständen verlor und ihn seither immer sucht.
Mararosa, die Böse. Als Kind war sie schon neidisch und missgünstig auf alle anderen Kinder um sie. Als ihr Vater ihre Heirat mit Servatura verbietet, wird ihr Hass auf die Mitmenschen noch größer. Es vergeht kein Tag an dem sie nicht heimlich Rorò verflucht, die Frau die Servatura dann geheiratet hat. Obwohl selbst verheiratet und mit einem Kind gesegnet, kann sie der Welt im Allgemeinen und Rorò im Besonderen nicht verzeihen.
Mararosas Gegenpole sind Cuncettina und Rorò. Beide Frauen werden einem sofort sympathisch. Die vom Schicksal begünstigte Rorò liebt und lebt nur um ihrem Mann Servatura jeden Wunsch zu erfüllen, und sei er auch noch so klein.
Cuncettina hat es schwer, sehr schwer, in einem Mikrokosmos, in dem der Wert einer Frau an der Zahl ihrer Kinder gemessen wird. Sie kann keine Kinder empfangen, jeden Monat erlebt sie eine herbe Enttäuschung. Jedes Mal, wenn im Ort eine Frau schwanger wird, reiben es ihr die anderen Frauen so richtig unter die Nase und weiden sich an ihrem Leid. Dabei wird Cuncettina nie neidisch, nie missgünstig. Sie gönnt den anderen Frauen ihre Schwangerschaften, sie versucht ihrem Mann eine gute Frau zu sein, würde ihn auch frei geben, um ihn eine andere Frau heiraten zu lassen, die ihm Kinder gebären könnte. Selbstlos und traurig. Als sie die vierzig längst überschritten hat bleibt ihre Regel aus. Zuerst glaubt sie, die Wechseljahre wären da. Doch einige Symptome lassen sie an den Wechseljahren zweifeln. Leider erfahren wir nicht, ob Cuncettinas Herzenswunsch sich erfüllen wird, ich drücke ihr ganz fest die Daumen.
Venanziu, der beste Schneider des Ortes im öffentlichen Leben und der beste Liebhaber im Geheimen, setzt so ziemlich allen Ehemännern heimlich Hörner auf. Offiziell schürt er sogar die Gerüchte, er wäre schwul, nur um so mehr seinem erfüllten Sexleben frönen zu können. Er liebt keine der vielen Frauen, er verlebt nur schöne Schäferstündchen mit ihnen und die Frauen sind alle zufrieden. Sie sind verheiratet, kein Ehemann schöpft je einen Verdacht. Und dann passiert das unglaubliche: Venanziu verliebt sich in Micaela, eine Zirkuskünstlerin. Diese Liebe erscheint auf seinem persönlichen Firmament gerade in dem Moment, in dem er entdeckt, dass seine Virilität nachlässt, dass seine Manneskraft endlich ist. Schön ist, dass diese Liebe nie sexuell ausgelebt wird, unausgesprochen schwebt sie zwischen ihnen in den wenigen Augenblicken, in denen sie sich gegenüberstehen. Venanziu ist sich wohl auch des Altersunterschieds zwischen ihnen bewusst. Er, der Epikureer, verzichtet darauf, Micaela Avancen zu machen, sie ins Bett zu bekommen.
Angeliaddu ist noch ein Kind, hat aber alle Bitterkeit dieser Welt erfahren. Seine Mutter wurde von ihren Eltern verstoßen als sie mit ihm schwanger war, in Girifalco bei der alten Varvaruzza fand sie Unterschlupf. Angeliaddu ist von Anfang an ein Ausgestoßener. Sein „Vergehen“: er hat von Geburt an im Nacken eine Strähne weißes Haar und ist blond, in einer Gegend wie Kalabrien, wo alle Menschen schwarze oder braune Haar haben, fällt er sofort auf.
Das wären die acht Personen, eine kleine Auswahl aus Girifalco. Um sie herum ihre Angehörigen, Freunde, Feinde, das ganze Dorf. Neben Mararosa, der Bösen tun sich durch ihre Niedertracht und Missgunst auch der Vermessungstechniker Discianzu hervor, der Angeliaddus Mutter nachstellt und weil von ihr abgewiesen sich an ihrem Sohn rächt, ihn des Reliquiendiebstahls fälschlicherweise bezichtigt. Dann wäre da noch Caracantulu der den Verlust seiner drei Finger bei einem Arbeitsunfall in Deutschland vor vielen Jahren vor dem Dorf geheim hält und einen Handschuh trägt. Von Juckreiz an der Hand gequält hasst er alle und jeden, am meisten aber den unschuldigen und geistig zurückgebliebenen Lulu. Weil Lulu seine nackte Hand gesehen hat, beschließt er Lulu zu vernichten. Er beschuldigt ihn der sexuellen Belästigung eines Mädchens. Der nächste Böse ist Grafathas. Er stammt nicht aus Girifalco sondern kommt mit dem Zirkus ins Dorf.
Der Zirkus, ach ja der Zirkus: Ort der Wunder, der Magie, für einige der Bewohner von Girifalco auch Ort der Erlösung. Angeliaddu findet hier Schutz, genau wie Lulu, Cuncettina wagt auf eine Schwangerschaft zu hoffen, Mararosa wünscht sich eine Vereinigung mit Servatura. Taliana findet hier ihre Eltern wieder, die sie einst verstoßen hatten und die sie nun reuevoll begrüßen, sie haben sie all die Jahre über gesucht. Und all dies im Zirkuszelt.
Durch den Zirkus lernt Angeliaddu am Trapez trainieren, kann dadurch Discianzus Tochter aus dem Feuer retten, worauf Discianzu beschließt, bei seiner Mutter Abbitte zu leisten und verhilft ihr zu einer gut bezahlten Arbeitsstelle. Nach der Heldentat des Jungen bringt ihm plötzlich das ganze Dorf Achtung und Sympathie entgegen, sein Leben und das seiner Mutter wendet sich zu Guten.
Caracantulu erleidet einen zweiten Unfall im nächtlichen Zirkuszelt und überwindet seinen Menschenhass. Durch diesen Unfall wird Grafathas Anschlag auf Batral vereitelt. Es ist, als ob das Böse keine Macht im Zirkuszelt hat. Lulu kann hier auftreten und alle mit seiner Musik beeindrucken. Vergessen, Null und nichtig sind die Anschuldigungen, er hätte sich an einem Mädchen vergriffen. Die Pfleger in der Nervenheilanstalt hatten sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Lulu diese für lächerlich erklärt.
Die wunderschöne Sprache Domenico Daras meisterhaft ins Deutsche übertragen von Anja Mehrmann verzaubert, nimmt uns mit auf eine italienische Reise, von der wir wünschen, sie möge nie enden. Einige Sätze verwandeln sich in Sentenzen, die uns begleiten, helfen, die Welt besser zu verstehen. Was ist ein Wunsch? „…ein Wunsch ist Zeit, die sich strukturiert, eine Vergangenheit aus Bedauern, eine Zukunft aus Möglichkeiten und eine Gegenwart des Wartens.“ (Seite 129).
Oder nehmen wir den kurzen Exkurs über Barmherzigkeit: „“…auch in der unfehlbaren Himmelsmechanik ist Platz für Barmherzigkeit. Denn Barmherzigkeit ist nur eine andere Bezeichnung für die Ausnahme, die Abweichung von der Regel. Barmherzigkeit ist das orbitale und menschliche Echo, das die Welt hin und wieder nachjustiert, die geringfügige Abweichung, die die Regel außer Kraft setzt, die Umlaufbahn eines Asteroiden, … der Weg, den die Vorsehung einschlägt, wenn der Mechanismus blockiert“ (Seiten 373-374)
Mittels der Sprache tauchen wir tief ein in Girifalco, leben, lieben und leiden mit den Bewohnern mit, gehen abends in den Zirkus betreten mit den Einwohnern ihre Häuser, lernen sie schätzen, lieben, manchmal auch ablehnen. Aber keiner von ihnen ist so abgrundtief schlecht, als dass sie nicht auch das Wunder der Barmherzigkeit streift und sie sich läutern.
Und so nehmen uns die einzelnen Schicksale der Bewohner Girifalcos gefangen, berühren unsere Herzen, um uns erneut dann in unsere eigene vertraute Welt zurück zu entlassen. Girifalco ist uns nicht fremd. Es ist überall. Wir müssen es nur entdecken.

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Veröffentlicht am 02.03.2021

Topf und Deckel

Heimweh nach uns
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So bezeichnen sich Lena und Malte. Sie passen wunderbar zusammen, sind seit vielen Jahren ein Paar, haben mittlerweile zwei Kinder, alles könnte gut sein. Aber der stressige Alltag hat sie beide gefangen. ...

So bezeichnen sich Lena und Malte. Sie passen wunderbar zusammen, sind seit vielen Jahren ein Paar, haben mittlerweile zwei Kinder, alles könnte gut sein. Aber der stressige Alltag hat sie beide gefangen. Zwischen aufreibenden Jobs, Terminen der Kinder, Haushalt, Planung für einen Hauskauf, fühlt sich Lena immer mehr aufgerieben. Das kennen wir wohl alle. Dieses Gefühl nicht zu genügen, im Job und als Mutter zu versagen, den Ehemann zu vernachlässigen aber auch sich selbst. Burnout, Rückenschmerzen, Anblaffen der Kinder und Malte sind die Folgen. Lena beschließt auf langem Zureden ihrer Schwester endlich einen Yoga Kurs zu beginnen. Bei Reik und auf seinem Bauernhof kommt Lena endlich zum Aus- und Entspannen, findet sie langsam zu sich selbst.
Natürlich muss sich der angestaute Frust, all die ungesagten Wörter zwischen den Eheleuten entladen, es kommt zu einer temporären Trennung. Malte hatte diese Trennung gewollt, er beendet sie auch, in einer ganz und gar romantischen Art, die uns Mädels dahinschmelzen lässt.
Bemerkenswert fand ich, dass sich beide sehr bemühen und eigentlich am gleichen Strang ziehen, was Kinder, Haus und Arbeit anbelangt. Dass Lena erst so spät in die Krise gerät, liegt mit Sicherheit auch an Malte, der mit allen Mitteln versucht sie zu unterstützen.
Das Buch ist aus Lenas Sicht geschrieben, wir können uns vielleicht auch deswegen so gut in sie hineinversetzen.
Das Titelbild ist zum Hineinträumen schön! Das satte Nachtblau und die Landschaft sind so richtig stimmig.

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Veröffentlicht am 01.03.2021

Charmant und schräg

Tinte & Siegel
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Kevin Hearne ist immer eine Überraschung gut. Dieses Mal hatte er die bezaubernde Idee, gemalte Siegel für die Magie zu verwenden. Es gibt Siegel aller Art: zum Heilen nach Kämpfen, zum Vortäuschen von ...

Kevin Hearne ist immer eine Überraschung gut. Dieses Mal hatte er die bezaubernde Idee, gemalte Siegel für die Magie zu verwenden. Es gibt Siegel aller Art: zum Heilen nach Kämpfen, zum Vortäuschen von Polizeimarken, zum unbesehen irgendwo Eindringen, zum kurzfristigen Ausschalten von Überwachungskameras, zum Ausschalten des Kurzzeitgedächtnisses, zur sexuellen Erfüllung. (Könnte ich bitte von letzteren ein paar haben, so nebenebei?)
Diese Siegel verwendet Al Mac Bharrais aber nicht nur für oder gegen die magischen Wesen, die ihm begegnen, sondern auch um sich bei Freunden für Gefälligkeiten zu bedanken oder auch gegen die Polizei und auch um die vielen tausend Überwachungskameras, die in Großbritannien überall hängen, zu überlisten. Die ermittelnden Polizisten haben absolut keine Chance gegen Al.
Zur Seite im Kampf gegen Feenschmuggel stehen Al der rosa Hobgoblin Buck Foi. (Man vertausche bitte mal kurz die Anfangsbuchstaben – Ups!) und die schlagkräftige Halbgöttin Nadia, die ihrem eigenen Gott mit Käse und Whisky frönt, ansonsten offiziell als Buchhalterin / Geldwäscherin für Al arbeitet.
Zu dritt mischen sie die Bösewichte, seien es Menschen oder magische Wesen, ganz gehörig auf; es kommt zu zwei „saftigen“ hollywoodreifen Showdowns, aber dank Genesungssiegel gehen diese Abenteuer glimpflich für die drei Helden aus und die Bösen kriegen ihre wohlverdiente Strafe.
Auch ein alter Bekannter taucht wieder auf, der eiserne Druide Atticus und sein Hund Oberon aus „Oberons blutige Fälle“ haben in diesem Buch einen Gastauftritt.
Das ganze Buch strotzt vor humorvollen Einfällen, verbalen Witz, der manchmal etwas derb gerät und skurrilen Situationen. Für Liebhaber von Fantasy und Humor kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 01.03.2021

Commissario! Che piacere!

Das Karussell der Verwechslungen
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Allein der Anfang hat es mir schon angetan: Der Commissario erschlägt fast in Notwehr eine Fliege und macht sich dann Gewissensbisse, ob er wohl – wegen einer Verwechslung – die falsche Fliege totgeschlagen ...

Allein der Anfang hat es mir schon angetan: Der Commissario erschlägt fast in Notwehr eine Fliege und macht sich dann Gewissensbisse, ob er wohl – wegen einer Verwechslung – die falsche Fliege totgeschlagen hat. Caro Signor Montalbano, lass Dir gesagt sein: jede platt geschlagene Fliege ist eine gute Fliege. Da gibt es keine Möglichkeit der Verwechslungen!
Als nächstes versucht Montalbano einen eskalierenden Streit zu schlichten, gerät selbst aber in die Schlägerei und wird prompt von den Carabinieri vor seinem Haus am Meer verhaftet. Die Carabinieri halten ihn für einen der Streithähne. Und das wäre die nächste Verwechslung.
Die dritte große Verwechslung ist der vermeintliche Einbrecher, der von der tapferen Adelina mit einer Bratpfanne niedergehauen wird. Auch wenn er kein Einbrecher ist, kommt keine schlüssige Erklärung wieso er Salvo Montalbano nicht im Commissariat aufsucht, sondern heimlich bei ihm zu Hause eindringt. Die Polizei allein hat Tag und Nacht geöffnet, die Mitarbeiter dürfen auch ein Privatleben haben!
Das ganze Hörbuch strotzt nur so von italienischem Temperament. Die agierenden Personen sind uns teils aus vorhergehenden Romanen und Verfilmungen bekannt, wie das Team um Montalbano. Einen besonderen Platz in meinem Herzen nimmt der genial-trottelige Cattarella ein, abgekürzt Cataré gerufen. Seine Wortverdrehungen haben etwas direkt schon fast Geistreiches an sich. Ich frage mich, wie lange der Übersetzer für diese Wortverdrehungen gebraucht hat, damit sie im Deutschen einen Sinn ergeben. Und Catarellas Namengedächtnis ist phänomenal. Er vergisst die Namen von 12 bis Mittag. Aber sein sonniges Gemüt macht alles wieder wett. „Edle Einfalt, stille Größe!“ Nun ja, still ist Cataré nicht, aber treuherzig.
Überhaupt, Andrea Camilleris Sprache: ist gar nicht so einfach. Wenn er in seinen ersten Krimis noch hochitalienisch schrieb, mit ab und zu einem sizilianischen Wort darin, bedient er sich im Laufe der Zeit immer mehr des sizilianischen Wortschatzes, als setze er voraus, dass seine Leserschaft in Italien selbstverständlich auch sizilianisch sprechen muss, egal ob aus Milano, Torino oder Alto Adige. Leider kommt das in der Übersetzung nicht so rüber. Wie auch? Das Sizilianische mit einer deutschen Mundart zu ersetzen? Schwäbisch? Platt? Würde komisch klingen.
Ein allerhöchstes Lob geht an Bodo Wolf. Er lässt den Krimi zu einem Hörgenuss werden. Wenn er den Commissario sprechen lässt, oder Überlegungen anstellt oder nachdenklich übers Meer schauen lässt, sieht man direkt Luca Zingaretti, den Darsteller Montalbanos in den Filmen, wie er gestikuliert, die Augen verdreht, die Mimik wechselt. Bodo Wolfs Stimme löst ein wahres Kopfkino bei mir aus. Und Sehnsucht nach Meer und einer italienischen Trattoria.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Es gibt sie doch noch, die wahren Sprachkünstler

Aus der Mitte des Sees
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Und Moritz Heger ist mit Sicherheit solch ein Künstler.
Danke, Diogenes! Du hast uns durch Moritz Heger ein Sprachkunstwerk beschert. Komplexe Sätze, die sämtliche Möglichkeiten der deutschen Syntax ausschöpfen, ...

Und Moritz Heger ist mit Sicherheit solch ein Künstler.
Danke, Diogenes! Du hast uns durch Moritz Heger ein Sprachkunstwerk beschert. Komplexe Sätze, die sämtliche Möglichkeiten der deutschen Syntax ausschöpfen, reicher Wortschatz, wunderschöne Sprachbilder all dies lässt nur einen Schluss zu: das Buch ist ein wahrer Genuss. So z.B. auf Seite 13: da wird das Betrachten einer Landschaft nicht zum bloßen Schauen, sondern „Man kann mit der Hand des Blicks über sie hinstreichen.“ Oder auf Seite 133 wird der hereinbrechende Tag so beschrieben: „Allmählich wurde es hell, das Schwarz zog sich in meine Kutte zurück“. Diese Metapher des herannahenden Morgens hat mich zum Nachdenken gebracht. Empfindet Bruder Lukas sein Mönchshabit als dunklen Zwang? Oder gewährt er der schönen Nacht die er auf der Bank nachdenkend verbracht hat, Zuflucht in seinem Gewand?
Für Bruder Lukas ist Schwimmen mehr als nur Sport, als Bewegung im Wasser. Beim Schwimmen meditiert er, findet zu sich selbst, findet Antworten, mit denen er leben kann. So erklärt er: „Das Wasser unter mir ist ein Berg, der mich ins Hohlkreuz drückt. Es ist nicht anstrengend, nicht im Geringsten“. Das Wasser als tragenden Berg. Während des Schwimmens und der Stunden, die er auf dem Badesteg verbringt, findet Bruder Lukas Frieden, kann auch mit Andreas Frieden schließen. Andreas hat das Kloster verlassen, geheiratet, einen Sohn gezeugt. Und er hat Bruder Lukas verlassen, der nun die Verantwortung für die greisen Mönche allein tragen muss. Seine inneren Monologe, in denen er Zwiesprache hält, mal mit Andreas, mal mit Pater Alban und später mit Sarah, machen eigentlich die Handlung des Buches aus. Andreas und Alban kommen nicht direkt zu Wort, wir sehen sie nur durch Lukas‘ Augen. Aber Sarah spricht, erzählt von ihrem Leben, laut oder leise. In dieser Beziehung passt sie zu Bruder Lukas. Sie führt auch stumme Zwiegespräche.
Das Ende ist offen. Bruder Lukas muss sich nicht entscheiden, für Frau und Kind oder das Kloster. Es ist als ob dieses entlegene Männerkloster, weit weg von dem Zölibat Streit der katholischen Kirche einen eigenen Weg gefunden hat. Ob die deutschen Kardinäle das auch so sehen?

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