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Veröffentlicht am 27.12.2022

Hochspannend, athmosphärisch und eiskalt!

In der Stille der Polarnacht
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Die Weihnachtsfeiertage habe ich in diesem Jahr in der Arktis verbracht 😉 Naja...zumindest teilweise.

Dieser außergewöhnliche (und außergewöhnlich gute) historischer Roman erzählt von einer rein weiblichen ...

Die Weihnachtsfeiertage habe ich in diesem Jahr in der Arktis verbracht 😉 Naja...zumindest teilweise.

Dieser außergewöhnliche (und außergewöhnlich gute) historischer Roman erzählt von einer rein weiblichen Polarexpedition im Jahr 1853 - die es so natürlich nicht wirklich gegeben hat, aber deren Grundlage reale Ereignisse bilden.

1845 versuchte John Franklin die "Nordwest-Passage" zu finden - er und seine Männer kehrten nie zurück. Seine Witwe Jane Franklin finanzierte diverse Suchexpeditionen - und hier setzt die Autorin an. Im Roman sucht die betuchte Witwe gezielt nach unerschrockenen Frauen für eine rein weibliche Expedition, da die Männer keinen Erfolg hatten.

In Virginia Reeve findet sie eine geeignete Expeditionsleiterin - doch 2 Jahre später sitzt diese wegen Mordes an einer anderen Teilnehmerin auf der Anklagebank. Was geschah wirklich auf der Expedition? Das Buch erzählt abwechselnd vom Gerichtsprozess und den Geschehnissen in der Arktis. Das gibt dem Roman unheimlich viel Spannung!

Ich war lediglich ein Aspekt hat mich dazu bewogen einen halben Stern abzuziehen: in dem Buch kommen sämtliche "Typen" vor, die zur Zeit "in" sind in der Literatur - homosexuell, transgender, mit Behinderung, people of colour... wirklich realistisch war das nicht bei der kleinen Gruppe von Personen, die beleuchtet werden.

Insgesamt bin ich aber sehr begeistert von diesem außergewöhnlichen Buch und finde es sehr schade, dass (noch) nicht mehr Bücher von Greer MacAllister in Deutschland erschienen sind. Hoffentlich gibt es bald weitere!

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Veröffentlicht am 19.12.2022

Sensationell!

Fifty-Fifty
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Wie würde ich jemandem, der den Autor nicht kennt, die Bücher von Steve Cavanagh beschreiben? „So wie John Grisham. Nur besser!“

Nachdem ich „Thirteen“ von Steve Cavanagh schon im April zum Thriller des ...

Wie würde ich jemandem, der den Autor nicht kennt, die Bücher von Steve Cavanagh beschreiben? „So wie John Grisham. Nur besser!“

Nachdem ich „Thirteen“ von Steve Cavanagh schon im April zum Thriller des Jahres erklärt hatte, hatte ich aber meine Zweifel, ob er an diesen furiosen Roman mit seinem neuen Werk wirklich anknüpfen kann.

Kann er! Fifty-Fifty hat erneut eine unheimlich spannende Grundidee und sobald man einmal angefangen hat, kann man das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen!

Zwei Schwestern wählen unabhängig voneinander den Notruf und melden die Ermordung ihres Vaters. Die Notrufe erfolgen im Abstand von nur einer Minute. Beide halten sich dabei im Haus des Vaters auf. Beide bezichtigen die jeweils andere Schwester, den grausamen Mord verübt zu haben. Welche der jungen Frauen sagt die Wahrheit? Und welche spielt ein ausgeklügeltes Spiel?

Steve Cavanagh versteht es unheimlich gut, den Plot so zu stricken, dass man beim Miträtseln im Unklaren bleibt und immer wieder Zweifel an der eigenen Theorie aufkommen. Er schickt die Leser auf falsche Fährten und interessante Spuren werden des Öfteren zunichte gemacht, weil sich plötzlich herausstellt – das hätte jetzt auch die andere Schwester sein können.

Ich muss dem Autor für seine großartigen Plots einfach Respekt zollen – wie er die Fälle aufbaut, ist wirklich sensationell und seine Art zu schreiben hat mich richtig gepackt. Die Story ist dynamisch und voller Rätsel, gleichzeitig gibt sie einen unheimlich interessanten Einblick in das US-amerikanische Rechtssystem.

Die Dialoge der Verteidiger im Prozess, z.B. bei den Kreuzverhören der Gutachter, waren auf dem Punkt. Präzise nehmen sie die Sachverständigen auseinander und die Story wirkt dabei an keiner Stelle konstruiert. Das muss man als Autor erstmal schaffen!

Hier hilft es natürlich ungemein, dass Cavanagh selbst lange Zeit als Anwalt gearbeitet hat und dieses Metier in- und auswendig kennt. Das merkt man seinen Romanen an und das macht gerade die Beschreibung der Gerichtsprozesse so authentisch.

Dass der Thriller an einigen Stellen doch sehr plastisch ist und ins Detail geht, was die im Buch vorkommenden Morde angeht, war für mich persönlich ein Tick zu viel. Aber das muss man bei dieser Art von Roman wohl hinnehmen.

Ich bin jedenfalls – spätestens nach diesem zweiten Volltreffer von Cavanagh – ein großer Fan und werde auch die anderen Bücher rund um Eddie Flynn lesen. Auch hier nochmal ein Lob – diese Hauptfigur ist nicht einfach ein „Gutmensch-Anwalt“, sondern ein cleverer Typ, der sich vor seiner Anwaltskarriere als Trickbetrüger durchgeschlagen hat. Trotzdem ist er sympathisch und nimmt die Leser für sich ein.

Cavanagh macht mit dieser Reihe alles richtig und ist auf dem Weg, die Ikone John Grisham einzuholen. Oder zu überholen?

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Veröffentlicht am 28.11.2022

Kleine Helden!

Federleicht
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Was für ein wunderschönes, lehrreiches und unterhaltsames Buch! Hier passt mal wirklich alles zusammen - die liebevolle Gestaltung, die unterhaltsam präsentierten Fakten und die Geschichte eines kleinen ...


Was für ein wunderschönes, lehrreiches und unterhaltsames Buch! Hier passt mal wirklich alles zusammen - die liebevolle Gestaltung, die unterhaltsam präsentierten Fakten und die Geschichte eines kleinen Spatzenmädchens, das uns im Buch immer wieder begegnet.

Wenn ich jemandem ein Buch vorschlagen müsste, das als Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk geeignet ist, dann wäre es definitiv dieses. Denn schließlich kennt absolut jeder die kleinen frechen Piepser, die in Mitteleuropa allgegenwärtig scheinen - und es doch nicht (mehr) sind. Den Blick auf ihre Situation zu lenken, die stellvertretend für so viele Probleme der heutigen Zeit steht, ist mit diesem Buch perfekt gelungen.

Denn angesichts der Horden von Spatzen, die in der Nähe von Cafes und Biergärten geradezu ungeduldig auf die nächsten Brötchenkrümel warten (und dabei mitunter echt nervig sein können), ist es kaum denkbar dass sie eine bedrohte Art sind. Und doch - die Spatzenpopulation ist in den letzten 100 Jahren um bis zu 70 % zurückgegangen. Tendenz? Man kann es sich leider denken...

Die Autoren zeigen in ihrem Buch auf, dass man das Gefüge Natur immer im Ganzen betrachten muss, welche Faktoren sich gegenseitig bedingen und dass manche Maßnahmen wie Dominosteine Folgen auslösen, an dessen Ende ein Ende stehen kann. Das vom Spatz. Oder, wenn wir es übertreiben, das vom Mensch. So schnell kanns gehen... Diese Zusammenhänge untechnisch und kurzweilig präsentiert zu bekommen, ist unheimlich interessant und schult definitiv das Problembewusstsein. Meine ersten Taten nach dem Lesen? Vogelhaus auf Tauglichkeit prüfen, Futter kaufen (natürlich nun das sinnvolle Futter - schließlich hab ich was gelernt aus dem Buch!), Spatzen-Wellnessbereich einrichten. Und nun: die Piep-Show genießen und sich daran freuen, dass man etwas Gutes tut.

Neben der Geschichte des Spatzenmädchens „Federle“, die sich durch das ganze Buch zieht, gibt es von den Autoren auch Tipps zum spatzenfreundlichen Garten und für sinnvolle Nisthilfen, eine Übersicht über das „Spatzenjahr“ und Hinweise zur Ersten Hilfe, falls man mal über einen jungen Bruchpiloten stolpert, der unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist.

Abgerundet wird das liebevoll gestaltete Buch von Illustrationen des Malers Bernd Pöppelmann. Der auf Tiermalerei spezialisierte Künstler hat mit feinen Bleistiftzeichnungen die Eigenarten der Spatzen eingefangen und viele alltägliche, aber auch besondere Spatzensituationen festgehalten. Diese Zeichnungen geben dem Buch noch einmal eine ganz besondere Wertigkeit, genau so wie der hübsche bunte Inneneinband.

Wer nach dem Lesen dieses Buches nicht sofort in den nächsten Baumarkt sprintet, um ein Vogelhaus zu kaufen, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen! Es ist ein ganz wunderbares Buch, das uns daran erinnert, immer das Besondere im Alltäglichen zu suchen (und zu hinterfragen) - für mich ist dieses Buch DIE Geschenkidee fürs diesjährige Weihnachtsfest. Ich wünsche ihm ganz viele begeisterte Leser und die Aufmerksamkeit, die es verdient!



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Veröffentlicht am 11.11.2022

Ein Bergmann jammert nicht!

Die Sehnsucht nach Licht
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Wie oft habe ich beim Lesen dieses Romans gedacht: „Oh Gott, wie beschwerlich!“ Heutzutage können wir uns kaum noch vorstellen wie anstrengend der Arbeitsalltag früherer Generationen war. Wie bescheiden ...

Wie oft habe ich beim Lesen dieses Romans gedacht: „Oh Gott, wie beschwerlich!“ Heutzutage können wir uns kaum noch vorstellen wie anstrengend der Arbeitsalltag früherer Generationen war. Wie bescheiden man früher gelebt hat. Und wie zufrieden man trotzdem mit der Situation war!

Ein Bergmann jammert nicht - daran erinnern die Protagonisten dieses Romans ihre Kinder und Enkel des öfteren. Denn es ist ein hartes Leben - aber sie würden es um keinen Preis der Welt missen wollen.

Kati Naumann nimmt uns in diesem Roman mit unter Tage - weit hinunter, bis 1.800 m unter die Erdoberfläche. Sie zeigt uns eine verborgene Welt, die kaum einer von uns je wirklich erfahren hat. Gleichzeitig hält sie mit diesem Roman die Geschichte des Bergbaus im Erzgebirge und der Region rund um Aue und Bad Schlema fest. Und erzählt außerdem eine spannende und intensive Familiengeschichte.

Das sind gleich drei Dinge auf einmal - und sie verbindet das alles so geschickt, dass man beim Zuklappen des Romans nach dem Lesen denkt: mehr geht nicht.

Die Handlung ist in zwei Erzählsträngen aufgebaut. Einerseits begleiten wir im Jahr 2019 Luisa Steiner, die in einem Besucherbergwerk arbeitet. Luisa besucht regelmäßig ihre Großtante Irma im Altenheim. Als die Rede auf Irmas Bruder Rudolf kommt, der in den 1950er Jahren spurlos verschwand, will sie mehr darüber herausfinden, damit ihre geliebte Großtante endlich Frieden finden kann.

Zwischen diesen Kapiteln wird chronologisch die Geschichte von Luisas und Irmas Familie über die letzten 100 Jahre erzählt - von der Zeit vor dem ersten Weltkrieg bis nach der Wende und dem Ende des Bergbaus in der Region. Während Luisa und Irma versuchen, dem Schicksal von Rudolf auf die Spur zu kommen, lernen die Leser die Familie Steiner genau kennen. Sie begleiten ihren Alltag und ihre Traditionen, aber auch den Wandel, dem die Region um Schlema immer wieder unterworfen ist. Von der Bergbausiedlung zum mondänen Kurbad, von den Anfängen der Wismut AG nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Wendezeit. Und immer müssen sich die Mitglieder der Familie Steiner den Umständen anpassen, ihre Werte hinterfragen und sich zum Teil auch einfach durchboxen. Aber: ein Bergmann jammert nicht und deshalb ist der Roman nicht nur ein Zeugnis der mitunter schwierigen Lebensbedingungen, sondern vor allem auch die Geschichte einer Familie, in der man immer zusammenhält - egal was kommt.

Ich habe mit den Steiners gelitten und gefeiert, getrauert und geliebt. Ich habe sie lieb gewonnen, die Robusten wie die Sensiblen, die Brummigen und die Plappermäulchen. Ich bin unheimlich froh, diese Geschichte und damit auch einen Teil meiner Heimat - ich bin selbst am Fuß des Erzgebirges aufgewachsen - (neu) entdeckt zu haben. Jedem, der sich für deutsche Geschichte interessiert, kann ich diesen atmosphärischen Roman nur wärmstens ans Herz legen!

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Veröffentlicht am 21.09.2022

Ein ganz besonderes Kerlchen

Das Glück hat acht Arme
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Wer hätte gedacht, dass ich mal von einem Pazifischen Riesenkraken schwärme? Also ich selbst am allerwenigsten Aber Marcellus ist eben ein ganz besonderes Kerlchen. Sagt Terry, der Leiter des Aquariums ...

Wer hätte gedacht, dass ich mal von einem Pazifischen Riesenkraken schwärme? Also ich selbst am allerwenigsten Aber Marcellus ist eben ein ganz besonderes Kerlchen. Sagt Terry, der Leiter des Aquariums von Sowell Bay, in dem Marcellus seit 4 Jahren lebt. Und er hat recht.

Marcellus kann lesen. Und er kann noch viel mehr, was ein Mensch einem Pazifischen Riesenkraken niemals zutrauen würde. Fingerabdrücke zuordnen zum Beispiel, die sich zuhauf an der Scheibe seines Beckens sammeln. Was man nicht alles tut aus Langeweile… Ab und zu unternimmt Marcellus Ausflüge. Nachts, wenn das Aquarium still ist und keiner merkt wie er aus seinem Becken ins Nachbarbecken gleitet und sich eine der köstlichen Seegurken einverleibt.

Außer Tova. Die 70jährige Reinigungskraft braucht eine Aufgabe nach dem Tod ihres Mannes und deshalb putzt sie abends im Aquarium. Als sie Marcellus eines Nachts das Leben rettet, weil er sich bei seinem Ausflug in Kabeln verheddert hat und nicht in sein Becken zurückkommt, freunden sich die beiden an… eine merkwürdige Freundschaft, aber eine, die letztlich beider Leben zum Besseren verändern wird.

Neben Tova spielt Cameron eine Hauptrolle. Der 30jährige hatte es nicht leicht im Leben. Nachdem seine Mutter ihn verließ, als er 9 Jahre alt war, wuchs er bei seiner Tante auf. Mit Liebe, aber wenig Geld und noch weniger Perspektiven. Er hat viel versucht, aber nichts zu Ende gebracht. Sein Selbstwertgefühl ist gleich Null. Doch ein altes Foto seiner Mutter führt ihn nach Sowell Bay, wo er nach und nach dessen Bewohner kennenlernt. Auch Tova. Und auch Marcellus. Und er ahnt nicht, dass sich damit auch sein Leben komplett ändern wird.

Die Geschichte, die Shelby Van Pelt hier vor den Lesern ausbreitet, ist wunderbar stimmig und rund. Zwar wusste ich auf den ersten 100 Seiten noch nicht, wohin die kurzen Kapitel mit Marcellus als Erzähler und die längeren Kapitel über Tova, Cameron, Ethan und Jeanne führen würden… doch je weiter ich las, desto mehr brachte mich Marcellus auf die Fährte der Story. Und die ist wirklich bezaubernd und liebenswert, ohne kitschig zu wirken. Ich hatte zwar anfangs ein paar Probleme mit Cameron und hätte ihn manchmal am liebsten in den Hintern getreten… aber wie Jeanne schon sagte: er ist ein guter Junge. Er brauchte eben nur etwas länger, um zu sich zu finden. Und zum Glück hatte Marcellus viel schneller eins und eins zusammengezählt als die Menschen (und vielleicht einige Leser…). Denn wie sagt er so schön? „Menschen. Meistens sind sie stumpfsinnig und tollpatschig. Doch hin und wieder sind sie erstaunlich kluge Geschöpfe.“

Marcellus ist ein ungewöhnlicher und trotzdem absolut liebenswerter tierischer Held, den ich mit Sicherheit nicht so schnell vergessen werde. Nicht nur, dass er mein Interesse an den Kreaturen der Tiefsee geweckt hat, er hat mir auch eine wunderbare Geschichte beschert, die bestimmt auf der Top 10 Liste meiner diesjährigen Lesehighlights zu finden sein wird!


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