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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.03.2019

Das wichtige Jahr 1945 aus verschiedenen Perspektiven

Café Engel
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Mit „Café Engel“ reiht sich Marie Lamballe ein in die Vielzahl der historischen Familien-Trilogien, die derzeit auf den Markt schwemmen. Aber der Erfolg gibt den Büchern in der Regel recht – epische Familiensagas ...

Mit „Café Engel“ reiht sich Marie Lamballe ein in die Vielzahl der historischen Familien-Trilogien, die derzeit auf den Markt schwemmen. Aber der Erfolg gibt den Büchern in der Regel recht – epische Familiensagas im historischen Gewand sind gefragt wie noch nie. Auch in bin eine begeisterte Leserin solcher Bücher – wenn sie gut geschrieben und mitreißend sind.

Letzteres kann ich hier auf jeden Fall unterschreiben. Der erste Teil dieser Trilogie katapultiert den Leser in die letzten Kriegsmonate – in den Winter des Jahres 1945. Doch nicht nur die Zustände im Café Engel werden hier beleuchtet. Das Buch erzählt vom Schicksal mehrerer Personen, deren Verbindung zum Café Engel erst im Laufe der Geschichte offenbar wird.
Besonders im ersten Drittel haben mich die Schilderungen gefangen genommen. Da ging es z. B. um Soldaten in Gefangenschaft, ostpreußische Flüchtlinge, aber auch um die vormals berühmten Künstler, die vor dem 2. Weltkrieg im Café Engel gegenüber des Theaters ein und aus gingen. Ihre Schicksale demonstrieren den Wahnsinn des Krieges aus ganz verschiedenen Perspektiven und die Lektüre geht nah.

Leider kann das Buch nicht über die gesamte Länge halten, was es im ersten Drittel verspricht. Als die Handlungsstränge langsam aufeinander zu laufen, hatte ich den Eindruck, dass die Charaktere zugunsten der Dramatik arg „zurechtgebogen“ wurden. Eine ehemals patente junge Frau mit dem Herz auf dem rechten Fleck wird zur missgünstigen Furie, der alternde Cafebesitzer (der in Gefangenschaft seinen jungen Kameraden ein Vorbild an Genügsamkeit und Mut war) wird zum wehleidigen Pascha. So ganz nachvollziehbar erklärt waren diese Sinneswandel für mich nicht. Ganz im Gegenteil – es wird noch eins draufgesetzt und nach einer kleinen Wendung wird die missgünstige Schnepfe plötzlich wieder zur liebevollen Freundin…

So sehr ich das Buch auch beim Lesen genossen habe – diese Missklänge wollten nicht aus meinem Kopf verschwinden, ich konnte sie nicht einfach ausblenden. Das Buch ist dadurch für mich nicht ganz „rund“, so dass ich es im guten Mittelfeld mit 3,5 Sternen ansiedele.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Authentizität
  • Figuren
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 03.03.2019

Mit Witz und (Ge-)Wissen

Unverfrorene Freunde
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Ich hatte gerade mal das Vorwort gelesen, da wusste ich schon: dieses Buch und ich – das wird was! Die unterhaltsame Art, in der Klemens Pütz und Dunja Batarilo vom Leben und Wirken eines Pinguinforschers ...

Ich hatte gerade mal das Vorwort gelesen, da wusste ich schon: dieses Buch und ich – das wird was! Die unterhaltsame Art, in der Klemens Pütz und Dunja Batarilo vom Leben und Wirken eines Pinguinforschers erzählen, lässt einen sofort Sympathie empfinden. Ich habe mich dadurch schnell auf das Buch und seine Geschichten einlassen können.

Ich habe unheimlich viel über Pinguine in ihren ganz unterschiedlichen Arten und Lebensräumen gelernt, ich habe ihnen quasi beim Brüten zugeschaut, mit ihnen Krill gejagt und die putzigen Küken beim Erwachsenwerden beobachtet. Ich habe aber auch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als ich erfahren habe, welchem Wandel ihr Lebensraum unterworfen ist – und wie katastrophal sich das auswirken könnte.

Mir hat gefallen, dass Klemens Pütz die Dinge nicht nur von einem Moralapostel-Standpunkt aus betrachtet. Natürlich grämen ihn Plastikinseln im Ozean, Überfischung und der Klimawandel – aber er weiß, dass er als Einzelner hier wenig ausrichten kann. Deshalb versucht er, im Rahmen seiner Möglichkeiten Gutes für die Tiere zu tun bzw. zu erreichen – und freut sich auch über kleine Erfolge. Das hat ihn mir sehr sympathisch gemacht.

Bei mir selbst hat das Buch einen großen Eindruck hinterlassen. Ich bin mir nun viel bewusster darüber, wie schädlich auch kleine Umweltsünden für das große Gefüge der Tier- und Pflanzenwelt sein können.
Ich habe mir – ähnlich wie Klemens Pütz – schon überlegt, mit welchen Kleinigkeiten ich im Alltag dazu beitragen kann, dass die Bedingungen für Pinguine und auch andere gefährdete Tierarten besser werden oder zumindest nicht schlechter. Und ich denke, wenn ein Buch das bei einem Leser erreicht – ein Nachdenken und vielleicht sogar ein Umdenken – dann hat es seinen Zweck wirklich bestens erfüllt.

Mein Wissen wurde erweitert und mein Gewissen nachhaltig berührt. Danke, Klemens Pütz, für dieses Buch (auch im Namen deiner Schützlinge, der Pinguine)! Ich hoffe, dass es noch viele, viele Leser finden wird.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Wo beginnt Schuld? Wo endet Menschlichkeit?

Deutsches Haus
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Dieser Roman thematisiert eins der dunkelsten Kapitel deutsch-polnischer Geschichte: das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die junge Dolmetscherin Eva kommt mehr oder weniger durch ...

Dieser Roman thematisiert eins der dunkelsten Kapitel deutsch-polnischer Geschichte: das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die junge Dolmetscherin Eva kommt mehr oder weniger durch Zufall dazu, beim Prozess gegen ehemalige Kommandanten und Angestellte des Lagers zu übersetzen. Was sie dort erfährt, geht ihr nahe und bringt sie um den Schlaf. Noch ahnt sie nicht, dass auch ihr eigenes Leben eine Verbindung nach Auschwitz hat.

Eva wird als eher zurückhaltende junge Frau dargestellt, die zunächst leicht zu beeindrucken und leicht zu führen ist. Ihr Verlobter, ein reicher Versandhauserbe, schätzt genau das: eine Frau, die ihm zu Willen ist. Im Laufe des Buches entwickelt Eva aber Selbstbewusstsein, was zu großen Konflikten führt. Nicht nur ihr Verlobter, auch ihre Eltern und ihre Schwester lernen neue Seiten an ihr kennen.
Seinen Höhepunkt erreicht die Geschichte, als Eva das Geheimnis ihrer Familie herausfindet und sämtliche Wert- und Moralvorstellungen in Frage stellt. Das ist der Dreh-und Angelpunkt dieser Geschichte: Wo beginnt Schuld? Und wo endet Menschlichkeit? Das Buch liefert einen Ausgangspunkt für eigene Gedanken – wie hätte man selbst sich verhalten? Welchen Weg wäre man gegangen in einer Gesellschaft, die von blindem Gehorsam und Aktionismus lebte? Ein schwieriges Thema, das sich aber lohnt zu hinterfragen .
Auch wenn ich Evas Bestrebungen und ihre Moralvorstellungen absolut unterstreichen kann, habe ich doch beim Lesen leider keine richtige Verbindung zu ihr aufbauen können. Das ist der Grund, weshalb ich das Buch nicht mit 5, sondern „nur“ mit 4 Sternen bewerte – Eva war beim Lesen eine spannende Figur, aber keine Freundin für mich.

Davon aber ganz abgesehen – mit diesem Buch sollte sich einfach jeder einmal beschäftigt haben.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Das Beste kommt zum Schluss!

Gut Greifenau - Morgenröte
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Dieser Spruch bewahrheitet sich beim Abschlussband der Gut-Greifenau-Saga. Das Buch ist für mich das Beste der drei Romane, denn es beinhaltet eine unheimlich dichte und spannende Geschichte vor einem ...

Dieser Spruch bewahrheitet sich beim Abschlussband der Gut-Greifenau-Saga. Das Buch ist für mich das Beste der drei Romane, denn es beinhaltet eine unheimlich dichte und spannende Geschichte vor einem sehr gut recherchierten historischen Hintergrund (Ende des 1. Weltkriegs / Beginn der Weimarer Republik). In diesem Band machen einige der Figuren erstaunliche persönliche Entwicklungen durch und man fiebert mit ihnen und hofft, dass sie ihr persönliches Glück finden werden.

Man muss natürlich auch bedenken, dass bei zwei Vorgängerbänden (wo die Geschichten ja schon ausführlich vorbereitet werden können) der Abschlussband viel komplexer daherkommen kann als ein einzelner Roman. Aber hier muss ich wirklich sagen: es lohnt sich, die Romane nacheinander zu lesen und immer tiefer in die Welt um Gut Greifenau einzutauchen. Mir hat es jedenfalls sehr viel Spaß gemacht und ich kann die Romane jedem empfehlen, der sowohl unterhalten werden als auch sein Wissen über die Zeit des 1. Weltkriegs vertiefen möchte.

Ich bin schon etwas traurig, dass dies nun der Abschluss der Trilogie war und ich mich von den lieb gewonnenen Figuren verabschieden muss. Ich kann nur hoffen, dass Hanna Caspian bald wieder eine Idee für eine ähnlich fulminante Geschichte hat – auch gern wieder als mehrbändige Saga angelegt. Oder vielleicht gibt es doch noch mehr über Gut Greifenau zu erzählen, zum Beispiel in der Zeit des Nationalsozialismus? Ich jedenfalls würde mich sehr drüber freuen….

Veröffentlicht am 07.02.2019

Die Melancholie des hohen Nordens

Die Glocke im See
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Für diesen Roman sollte man sich etwas Zeit lassen. Es ist definitiv kein Buch, das man einfach so „wegschnurbsen“ kann. Schon am Anfang, als mit einer Legende aus dem Tal um Butangen in die Geschichte ...

Für diesen Roman sollte man sich etwas Zeit lassen. Es ist definitiv kein Buch, das man einfach so „wegschnurbsen“ kann. Schon am Anfang, als mit einer Legende aus dem Tal um Butangen in die Geschichte eingeführt wurde, wusste ich: dieses Buch ist „anders“. Und so war es dann auch.

Ich gebe zu, der Einstieg war für mich etwas zäh, ich musste mich an den Schreibstil des Autors gewöhnen und bin zunächst nicht ganz warm geworden damit. Aber als es dann in die eigentliche Story ging und die Hauptpersonen auftraten, wurde alles plötzlich verständlicher und greifbarer. Über die fast 500 Seiten mauserte sich das Buch sogar zu einem mitreißenden Pageturner.

Der Autor bleibt mit der Geschichte und seiner Erzählweise dem treu, was ich als typisch skandinavisch bezeichnen würde: ehrlich, manchmal etwas spröde und dann manchmal auch wieder sehr poetisch. Für mich fängt er diese immer mitschwingende Melancholie des hohen Nordens sehr gut ein. Die eiskalten Winter, die langen dunklen Nächte, aber auch die überbordende Freude, wenn im April der Frühling ins Tal zieht. Die Natur und das Leben mit der Natur spielen hier eine große Rolle und wer mehr darüber erfahren will, wie es im Norwegen des späten 19. Jahrhunderts zuging, wird hier fündig.

Besonders faszinierend fand ich die Geschichte und Mystik der norwegischen Stabkirchen, die hier auch ausführlich behandelt werden. Damit hatte ich mich bisher noch nie beschäftigt und so war der Roman für mich auch ein kleines Lehrbuch in Geschichte und Architektur. Und dass meine Wahlheimat Dresden eine große Rolle spielt, war das Schmankerl, das noch obendrauf kam.

Wer sich nicht vor der etwas schwermütigen Grundstimmung scheut, könnte mit diesem Buch eine kleine Leseperle entdecken.