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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.04.2018

Große Erwartungen – nur teilweise erfüllt

Die Villa am Meer
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Das Cover von „Die Villa am Meer“ weckte große Erwartungen in mir. Da ich die Ostsee und die Bäderarchitektur liebe, habe ich mich nach einer Geschichte gesehnt, die die Entstehung der Villenviertel thematisiert ...

Das Cover von „Die Villa am Meer“ weckte große Erwartungen in mir. Da ich die Ostsee und die Bäderarchitektur liebe, habe ich mich nach einer Geschichte gesehnt, die die Entstehung der Villenviertel thematisiert und die Zeit der Jahrhundertwende wieder aufleben lässt. Das hat dieser Roman auch geschafft.

Aber leider bin ich mit den beiden Hauptfiguren, Katharina und Greta, nicht so recht warm geworden. Mit beiden konnte ich mich nicht identifizieren. Beide waren mir in vielen Situationen nicht recht sympathisch und/oder ich konnte ihre Entscheidungen oder Handlungen nicht nachvollziehen.

Deshalb konnte ich auch nicht so richtig in dem Buch schwelgen, sondern habe viele Passagen eher mit Distanz, zuweilen auch mit einer gewissen Skepsis, gelesen.

Dazu kommt, dass der Roman einen sehr großen Zeitabschnitt abdeckt – über 20 Jahre. Da kann man natürlich nicht flüssig alle Vorkommnisse erzählen, sondern muss prägnante Stellen herausgreifen, an denen die Figuren Entscheidungen treffen müssen oder etwas Schicksalhaftes passiert. Dadurch wirkte das Buch auf mich aber etwas „bruchstückhaft“.

Der Schreibstil hat mir gefallen, er war gut und flüssig zu lesen. Trotzdem konnte mich das Buch nicht über die Maßen fesseln. Gesundes Mittelmaß nach meiner Einschätzung.

Veröffentlicht am 18.04.2018

Für mich jetzt schon eins der Lesehighlights 2018!

Fräulein Hedy träumt vom Fliegen
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Fräulein Hedy ist ne Wucht! Die resolute Persönlichkeit hat ihren neuen Physiotherapeuten eingestellt, weil er so gut Papierflieger faltet. Sie besteht darauf, im hohen Alter von 88 Jahren mit „Fräulein ...

Fräulein Hedy ist ne Wucht! Die resolute Persönlichkeit hat ihren neuen Physiotherapeuten eingestellt, weil er so gut Papierflieger faltet. Sie besteht darauf, im hohen Alter von 88 Jahren mit „Fräulein von Pyritz“ angesprochen zu werden, und das, obwohl sie eine Tochter hat. Sie tritt nachts auf ihren Balkon und ruft laut „Timbuktu!“ Schrullen einer senilen alten Dame? Man könnte es vermuten, und doch steckt da in Fräulein Hedy soviel Gewitztheit und sogar Berechnung.

Im Laufe des Buches erfährt der Leser nicht nur Hedys Lebensgeschichte, sondern auch die Gründe für die oben genannten „Schrullen“. Und die sind weitaus ernster, als man sich auf den ersten 50 Seiten vorzustellen vermag! Im Laufe der stolzen 524 Seiten dieses Buches kippt der Ton dieser Geschichte von komisch zu ernst und es werden viele schwierige Themen angesprochen. So viele, dass ich mich gefragt habe, ob die Geschichte damit nicht ein wenig zu überladen ist. Andererseits – als ich fertig war mit dem Lesen dieses Buches, empfand ich es als eine runde Geschichte und auch als ein Buch, das in mir nachklingen wird.

Der Ton des Romans ist mal leicht und mal schwer, amüsante bzw. zum Teil wirklich witzige Szenen (ich sage nur: das Gespräch mit der Gutachterin) wechseln sich mit ernsten, unbequemen Szenen ab. Trotzdem konnte ich kaum aufhören zu lesen und habe den Roman förmlich verschlungen. Für mich ist es kein Buch, das man nach dem Lesen einfach ins Regal stellt und vergisst. Ich werde beim Anblick des orangenen Umschlags immer gewisse Bilder vor Augen haben und genau das soll ein Buch ja tun: Bilder im Kopf erzeugen, die möglichst nachwirken. Deshalb denke ich schon heute sagen zu können: es ist eins meiner Lesehighlights 2018. Und ich empfehle es hier gerne weiter.

Veröffentlicht am 15.04.2018

Lese-Kurzurlaub auf einer Hallig

Strandfliederblüten
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Mit diesem Buch kann man durchaus Urlaub machen – nicht nur, indem man das Buch mit auf die Reise nimmt, sondern auch, indem man es sich zuhause gemütlich macht und einfach gedanklich auf die Reise geht. ...

Mit diesem Buch kann man durchaus Urlaub machen – nicht nur, indem man das Buch mit auf die Reise nimmt, sondern auch, indem man es sich zuhause gemütlich macht und einfach gedanklich auf die Reise geht. In diesem Fall an die Nordseeküste, auf eine Hallig.

Gabriella Engelmann hat ja schon in einigen Romanen bewiesen, dass sie den Leser an idyllische Stellen entführen kann, diesmal ist es die (fiktive) Hallig Fliederoog. Ich war jedenfalls nach dem Lesen des Romans tiefenentspannt und meine auch, etwas mehr über das doch recht schwierige Leben auf so einem kleinen Eiland (bloß nicht Insel sagen!) erfahren bzw. gelernt zu haben.

Wie es bei Unterhaltungslektüre üblich ist, kann man sich natürlich denken, mit wem die Hauptfigur anbandeln wird und dass sie am Ende ihr neues Leben auf der Hallig so sehr lieben lernt, dass sie dort bleibt. Aber es geht ja auch nicht darum, ein möglichst unvorhersehbares Ende zu konstruieren. Da ist mir eine gut erzählte Geschichte ohne spektakuläres, aber weit hergeholtes Ende viel lieber! Und deshalb konnte ich mit diesem Roman gut entspannen und werde auch in Zukunft wieder zu Büchern von Frau Engelmann greifen.

Veröffentlicht am 10.04.2018

Eine schwere Zeit in der Tuchvilla

Die Töchter der Tuchvilla
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Der zweite Teil der Saga um die Frauen der Tuchvilla konzentriert sich auf die Jahre des ersten Weltkriegs. Nach und nach werden die Männer zum Kriegsdienst eingezogen und die Frauen sind weitgehend auf ...

Der zweite Teil der Saga um die Frauen der Tuchvilla konzentriert sich auf die Jahre des ersten Weltkriegs. Nach und nach werden die Männer zum Kriegsdienst eingezogen und die Frauen sind weitgehend auf sich allein gestellt. Tuchfabrikant Johann Melzer versucht, seine Fabrik durch die schweren Zeiten zu manövrieren, aber die Aufträge bleiben aus und so werden in der Tuchfabrik schließlich sachfremde, aber kriegsrelevante Aufträge ausgeführt.

Einigen Raum nehmen in diesem Band auch die Schilderungen der Soldaten an der Front ein, insbesondere am Beispiel des Dieners Humbert, bei dem der Kriegsdienst ein schweres Trauma auslöst. An seinem Beispiel wird deutlich, dass selbst die Überlebenden nach dem Krieg andere Menschen sind und mit schweren psychischen Problemen zu kämpfen haben.

Wie schon der erste Teil wird auch dieser Band wieder von Anna Thalbach gelesen, deren wandelbare Stimme ich mittlerweile eng mit der Tuchvilla-Trilogie verknüpfe. Frau Thalbach entfacht ein wahres Feuerwerk der Emotionen mit ihrer Stimme und auch wenn es zum Teil etwas übertrieben wirkte, so passte es doch gut zu dieser Geschichte.

Und was soll ich sagen... der dritte Teil liegt schon zum Anhören bereit

Veröffentlicht am 03.04.2018

Gegen das Vergessen

Die Vergessenen
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Wieviel wissen wir wirklich von den Greueltaten während des 2. Weltkriegs? Wie weit würden wir selbst gehen, um andere zu schützen oder zu retten? Und kann es sein, dass man jemanden liebt, auch wenn man ...

Wieviel wissen wir wirklich von den Greueltaten während des 2. Weltkriegs? Wie weit würden wir selbst gehen, um andere zu schützen oder zu retten? Und kann es sein, dass man jemanden liebt, auch wenn man seine Gesinnung verabscheut?

Solche Fragen stellt man sich unweigerlich beim Lesen dieses Romans, der unter Pseudonym von der bekannten Krimiautorin Inge Löhnig geschrieben wurde. Er rückt Kriegsverbrechen in den Vordergrund, die mittlerweile kaum noch jemand als Zeitzeuge beschreiben kann. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, Dinge anzusprechen, die so gern unter den Teppich gekehrt wurden.

Vielschichtig erzählt der Roman, von den Geschehnissen in der (fiktiven) Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg in der Nähe von München, die jedoch eng an historisch belegte Fakten aus einer ebensolchen Münchner Klinik angelehnt sind. Während im Erzählstrang der jetzigen Zeit eine Journalistin auf Spurensuche geht, um die Rolle ihrer Tante Kathrin bei den Euthanasieverbrechen zu klären, wird parallel dazu die Geschichte dieser Tante erzählt. Und es gibt kein Schwarz und kein Weiß. Kathrin ist eine Frau, der alle Menschen etwas bedeuten – ob krank oder gesund - und damit stößt sie bei ihrer Arbeit in der Pflegeanstalt an Grenzen. Angst kämpft mit Moral und Liebe mit Entsetzen. Dass all das nicht zu trennen ist, und dass am Ende zu oft das Recht des Stärkeren und nicht die Gerechtigkeit siegt, wird dem Leser hier vor Augen geführt.

Aber nicht nur das Thema, auch die Erzählweise ist spannend und nach einem etwas gemächlichen Anfang konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. So muss ein Roman sein! Deshalb vergebe ich dafür gerne 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.