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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Großes historisches Abenteuer

Kinder des Meeres
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Dieser Roman hat mir mal wieder so richtig Lust auf historische Erzählungen gemacht. Nachdem ich sie eine ganze Weile zugunsten von Krimis und ein paar Frauen-Schmonzetten links liegen gelassen hatte, ...

Dieser Roman hat mir mal wieder so richtig Lust auf historische Erzählungen gemacht. Nachdem ich sie eine ganze Weile zugunsten von Krimis und ein paar Frauen-Schmonzetten links liegen gelassen hatte, ist mein Appetit auf historisches Lesefutter nun wieder da Und mit historisch meine ich nicht die Zeit von 1900 an, sondern so richtig, richtig historisch. Denn mit diesem Roman befinden wir uns in der Zeit Heinrich des Achten (ja, der mit den vielen Frauen).

Charlotte Lyne hat mich mit ihrem Schreibstil gleich fesseln können. Sie beschreibt die historischen Begebenheiten in einem Stil, der dem heutigen Leser geläufig ist – aber dennoch so, dass man sich die Details lebhaft vorstellen kann. Ob es immer korrekt ist, den Protagonisten zum Teil recht moderne Redewendungen bzw. Floskeln in den Mund zu legen, darüber kann man sicher trefflich streiten. Aber für mich ließ sich das Buch dadurch wunderbar leicht lesen und ich war immer mitten drin im Geschehen.

Die Geschichte an sich handelt von einer Freundschaft zwischen drei Menschen, die stärker ist als die oftmals widrigen Umstände der damaligen Zeit. Natürlich birgt es eine Menge Zündstoff, wenn drei Kinder (zwei Jungen und ein Mädchen) zusammen erwachsen werden und so eng befreundet sind. Ihre gegensätzlichen Charaktere tun das Übrige und so kommt es zu allem, was ein guter historischer Abenteuerroman haben muss: Liebe, Verrat, Intrigen. Nicht immer fand ich es zu 100 % nachvollziehbar, wie die Hauptpersonen Anthony, Sylvester und Fenella reagiert haben oder wie sie mit schwierigen Situationen umgegangen sind. Soviel Großmut kann ich mir in einer Zeit, in der es des öfteren ums nackte Überleben ging, nicht vorstellen. Aber eine mitreißende Geschichte, die einen über die gesamten 600 Seiten zu fesseln vermag, ist es trotzdem.

PS: Den Klappentext finde ich nicht so gelungen, da er im Grunde das ganze Buch vorwegnimmt. Die „Rivalität“ zwischen den Männern um die Gunst von Fenella entwickelt sich erst im letzten Drittel und die erwähnte Seeschlacht findet wirklich erst auf den letzten 50 Seiten statt. Zum Glück ist die Geschichte dazwischen so spannend, dass der vorweggenommene Showdown nicht ganz so ins Gewicht fällt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gelungener Mix aus Krimi, Politthriller und "Milieustudie"

Blutgeld
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Spätestens nach diesem Buch weiß man sicher, dass unheimlich vieles auf dem schwarzen Kontinent genau eins nicht ist: nämlich schwarz. Oder weiß. Nein, es gibt kein schwarz/weiß, es gibt grau in wahnsinnig ...

Spätestens nach diesem Buch weiß man sicher, dass unheimlich vieles auf dem schwarzen Kontinent genau eins nicht ist: nämlich schwarz. Oder weiß. Nein, es gibt kein schwarz/weiß, es gibt grau in wahnsinnig vielen Schattierungen. Und alles, was auf den ersten Blick logisch erscheint, wird bei genauerem Hinsehen diffus. So, als würde man zu lange in einen grauen Himmel sehen, so dass die Helligkeit vor den Augen zu flackern beginnt. So in etwa muss man sich diesen Roman vorstellen.

Die Grundsituation ist noch nachvollziehbar: Bei einer Drogenrazzia wird ein junger Afrikaner festgenommen, der in der Vernehmung von der Geiselnahme eines Norwegers durch afrikanische Guerillatruppen erzählt. Aber dann… Die Kriminalpolizei wird hellhörig. Das Außenministerium wird hinzugezogen. Die Geisel ist der Sohn eines schwerreichen norwegischen Industriellen. Irgendwie scheint Öl im Spiel zu sein… Ganz sicher sind mehrere afrikanische Rebellengruppen im Spiel. Und damit nimmt eine hochkomplexe Geschichte um die üblichen Faktoren – Geld, Macht, Einfluss – ihren Lauf.

Man muss sich wirklich konzentrieren, um der Handlung gut folgen zu können. Es mischen viele unterschiedliche Parteien, Gruppierungen, Einzelpersonen mit – das hat mich am Anfang etwas angestrengt. Auch, weil ich die vielen norwegischen und afrikanischen Namen zunächst nur schwer auseinanderhalten konnte. Oft musste ich kurz innehalten um zu überlegen, wer das denn jetzt war und in welchem Zusammenhang er schon einmal aufgetaucht ist. Aber das Durchhalten lohnt sich, denn nach dem ersten Drittel wird man mit den Figuren sicherer und es kommen nicht mehr so viele dazu. Das hat wieder mehr Lesefreude gegeben. Außerdem muss man dem Autor zugute halten, dass er es geschafft hat, trotz des schwierigen Themas einen gut lesbaren Erzählstil zu finden.

Man erfährt in diesem Buch viel über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konflikte in afrikanischen Staaten. Besonders das Thema Kindersoldaten wird recht schonungslos offengelegt. Das ist keine angenehme Lektüre – aber sicherlich eine Wahrheit. Besonders dafür muss man diesem Kriminalroman dankbar sein: dass hier Themen aufgegriffen werden, die der „Wohlstandseuropäer“ sonst gern bequem beiseite schiebt.

Deshalb hoffe ich, dass möglichst viele Leute diesen Roman lesen und sich darauf besinnen, wie gut es uns Europäern geht: mit klaren politischen Strukturen (auch wenn sie nicht jedem gefallen), mit einem funktionierenden Polizeiapparat (auch wenn er derzeit an Grenzen stößt), einer hochwertigen hygienisch-medizinischen Versorgung und mit dem Bewusstsein, dass wir nicht – wie so viele Afrikaner - jeden Tag ums nackte Überleben kämpfen müssen.

Wer sich also für einen Blick über den Tellerrand interessiert – auch wenn er nicht angenehm ist – dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.