Eine Geschichte, die alles ist: mitreißend, bewegend, überwältigend, traumatisierend
SolitoJavier wünscht sich nichts mehr als endlich wieder mit seinen Eltern vereint zu sein. Diese waren in seiner frühen Kindheit aus El Salvador nach La USA geflohen, sodass der Junge seither bei seiner Tante ...
Javier wünscht sich nichts mehr als endlich wieder mit seinen Eltern vereint zu sein. Diese waren in seiner frühen Kindheit aus El Salvador nach La USA geflohen, sodass der Junge seither bei seiner Tante und seinen Großeltern in einfachen Verhältnissen aufwächst. Javier träumt oft davon, wie es wohl wäre, seine Mutter umarmen zu können, seinen Vater zu sehen, bei großen Fastfoodketten zu essen und die Schule der Gringos zu besuchen.
Als er neun Jahre alt ist, nimmt ihn Kojote, der als Schlepper schon vielen Menschen in die USA verholfen hat, mit auf die lange Reise. Vor dem Jungen liegen Wochen voller Strapazen, ungeahnten Herausforderungen und Gefahren. Begleitet wird er von Fremden, die für ihn zur Familie werden – und mit ihm ist immer auch die Ungewissheit, ob er es bis in das Land seiner Hoffnung schaffen wird, ohne von La Migra entdeckt zu werden.
In „Solito“ erzählt Javier Zamora die wahre Geschichte seiner Flucht in die USA. Obwohl er diese erst viele Jahre später als Erwachsener zu Papier gebracht hat, schafft er es die Reise so zu erzählen, als hätte er sie erst gestern erlebt. Seine detailreichen Beobachtungen, Gedanken und Empfindungen sind die eines Neunjährigen, was der Autor mit seiner Erzählweise gut vermittelt. In seine Geschichte fließen insbesondere in der wörtlichen Rede immer wieder spanische Wörter und Sätze ein. Das macht das Erzählte noch authentischer, sorgt allerdings auch dafür, dass der Lesefluss gestört wird, da man immer wieder für die Übersetzung ins Glossar blättern muss.
Zamora lässt uns an allen Einzelheiten seiner Flucht teilhaben (wer vorab keine groben Informationen zum Inhalt wissen möchte, sollte ab hier nicht mehr weiterlesen!). Der Autor nimmt uns mit bei seinem schweren Abschied von seiner Familie in El Salvador und bei langen Busfahrten durch Guatemala. Er erzählt davon, was es wirklich heißt, 18 Stunden lang in einem kleinen und überfüllten Boot auf dem offenen Meer vor Mexiko zu treiben. Er berichtet von der Isolation, wenn er eine Unterkunft tagelang nicht verlassen durfte, von unbequemen Nächten in zu engen Betten und von seiner Wanderung quer durch die Sonora-Wüste. Er schreibt von dem Durst, der ihn plagte, von den Schmerzen in seinen Beinen, der Angst vor der Polizei und der Einwanderungsbehörde, der Sehnsucht nach seinen Eltern und dem Druck, stark sein zu müssen.
Mit Javier Zamora wird die Flucht so lebendig als wäre man selbst dabei gewesen. Seine Geschichte lässt sich daher kaum mit einem Wort beschreiben. „Solito“ ist mitreißend, herzergreifend und traurig, überwältigend und traumatisierend. In jedem Fall ist sie aber eines: eine unbedingte Leseempfehlung!