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Christina19

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.09.2023

Hass und Gewalt als Teil der Menschheit(sgeschichte)

NOVA
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Als seine Frau und sein Sohn bedroht werden, lernt sich Davide neu kennen. Trotz der Gefahr für seine Familie ist er nämlich nicht in der Lage, einzugreifen und sie zu beschützen. Stattdessen ist der Neurochirurg ...

Als seine Frau und sein Sohn bedroht werden, lernt sich Davide neu kennen. Trotz der Gefahr für seine Familie ist er nämlich nicht in der Lage, einzugreifen und sie zu beschützen. Stattdessen ist der Neurochirurg wie gelähmt und schaut zu, wie ein Fremder die Situation brutal klärt. Unfähig zu Gewalt macht sich Davide daran, seine Kräfte zu entdecken und zu lernen, diese einzusetzen.

In „NOVA“ lernen wir eine Hauptfigur kennen, die sehr gebildet erscheint und sanftmütig auftritt. Meinungsverschiedenheiten klärt Davide mit Worten – nichts läge ihm ferner als seinen Mitmenschen Schaden durch eine körperliche Auseinandersetzung hinzufügen zu wollen. Entsprechend beschreibt er sich selbst als „Feigling“. Dieser bleibt Davide jedoch nicht, denn er macht im Laufe des Romans eine deutliche Entwicklung durch: Er lernt Aggressionen, Wut und die damit verbundene Gewalt als Urinstinkte kennen, die in jedem Menschen tief verwurzelt sind und die sich nicht dauerhaft unterdrücken lassen. Sein Mentor vermittelt ihm jedoch, dass man die Gewalt beherrschen können muss, ehe sie den Menschen beherrscht. Nicht in jeder Situation gelingt das und so gipfelt auch der Roman in einem erschütternden Finale. Hier stellt sich die Frage, ob Wut, Hass und Gewalt wirklich der richtige Weg sind, um sich zur Wehr zu setzen.
Neben Davide stehen vor allem seine Frau Barbara und sein Sohn Tomasso im Fokus des Geschehens. Mit ihnen und ihren Erlebnissen enthält das Buch einige Nebenschauplätze, die zwar unterhaltsam, für den Kern der Handlung meines Erachtens jedoch nicht relevant sind.
Sprachlich empfand ich den Roman stellenweise etwas herausfordernd, da er viele fachliche Termini enthält, insbesondere solche aus dem medizinischen Bereich.

Veröffentlicht am 04.09.2023

Warum man seine Pläne nicht aufschieben sollte

Kleine Probleme
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Lars, 49 Jahre alt, Familienvater, hat große Pläne: Als Autor möchte er sein Lebenswerk, „das beste Buch der Welt“, schreiben. Außerdem will er mit dem Rauchen aufhören, muss noch die Steuererklärung machen ...

Lars, 49 Jahre alt, Familienvater, hat große Pläne: Als Autor möchte er sein Lebenswerk, „das beste Buch der Welt“, schreiben. Außerdem will er mit dem Rauchen aufhören, muss noch die Steuererklärung machen und das Bett seiner Tochter sollte er auch noch aufbauen. Wäre da nicht die fehlende Motivation, die dafür sorgt, dass er alles vor sich herschiebt, über Tage, Monate, Jahre. Als der 31. Dezember anbricht und sich damit wieder ein Jahr dem Ende neigt, versucht Lars endlich all seine Punkte auf der To-do-Liste abzuhaken und damit Johanna, die nach 25 Jahren Beziehung Abstand von ihm genommen hat, zurückzugewinnen.

Auf das Buch bin ich durch sein Cover aufmerksam geworden, das ein Bild des japanischen Malers Ohara Koson ziert und mir ausgesprochen gut gefällt! Der dargestellte weiße Reiher im Regen spiegelt den Protagonisten perfekt wider. Auch Lars, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, hat manchmal das Gefühl, im Regen zu stehen und abgehängt zu sein, denn aller Anfang ist schwer, wie er selbst feststellt. Als er nun am letzten Tag des Jahres all seine Aufgaben erledigen will, verlässt ihn immer wieder die Motivation. Er verliert sich ständig in Gedanken oder Erinnerungen, kommt dabei regelrecht ins Philosophieren und schweift mitunter sehr weit aus. All das kostet ihm eine Menge Zeit und so hatte ich als Leser das Bedürfnis, den Protagonisten wachzurütteln und anzutreiben. Ich konnte es Johanna, der Mutter seiner beiden Kinder, also gut nachempfinden, dass sie jahrelang das Gefühl hatte, sich um ihn kümmern zu müssen und schließlich Zeit für sich selbst brauchte.
Obwohl der Protagonist teilweise zu bedauern ist, schildert er seine Erlebnisse mit viel Humor, sodass ich an etlichen Stellen des Buches schmunzeln musste. Sprachlich war der Roman für mich sehr originell, da er mit teilweise langen Sätzen, manchmal unvollständigen Sätzen und kreativen Verbildlichungen daherkommt. Zuerst musste ich mich an diesen Erzählstil gewöhnen, fand dann aber doch schnell rein und habe ihn bis zum Schluss sehr genossen.
Eine klare Empfehlung für diesen Roman, mit dem Nele Pollatschek aufzeigt, warum man seine Pläne nicht aufschieben sollte.

Veröffentlicht am 30.08.2023

Essen ist auch (k)eine Lösung

Der berühmte Tiefpunkt
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Schon lange fühlt sich Marieke am Arbeitsplatz vergessen. Während ihre Kolleginnen mit den ihnen anvertrauten Senioren in einen Neubau wechseln durften, verbringt sie ihre Zeit als Pflegekraft noch immer ...

Schon lange fühlt sich Marieke am Arbeitsplatz vergessen. Während ihre Kolleginnen mit den ihnen anvertrauten Senioren in einen Neubau wechseln durften, verbringt sie ihre Zeit als Pflegekraft noch immer in dem maroden Gebäude, kümmert sich alleine um die Bewohner ihrer Station und füttert ihnen tagtäglich dasselbe Essen. Als sie nun auch noch ihr Freund vor die Tür setzt, scheint Marieke am absoluten Tiefpunkt angekommen zu sein. Sie leiht sich ein Auto, in dem sie von nun an schläft, und hat kaum mehr als die Kleider, die sie am Leib trägt. In all ihrem Kummer spendet ihr vor allem Eines Trost: Essen. Der Grund hierfür liegt in ihrer Vergangenheit, die sie bald einholt. Schritt für Schritt schreitet Marieke voran und findet allmählich einen Weg aus ihrer Situation.

Der Roman erzählt in kurzen Kapiteln von der ebenso liebenswürdigen wie bedauernswerten Protagonistin. Man begleitet sie bei ihrer täglichen Arbeit in einem Pflegeheim, in dem deutlich die Missstände aufgezeigt werden – vom Personalmangel über die damit verbundene Knappheit an Zeit für die einzelnen Senioren bis hin zur inakzeptablen Wohnsituation. Regelmäßige Rückblenden bringen uns Marieke näher, indem sie Aufschluss über ihre Kindheit geben und ihr Verhältnis zu den Eltern und Geschwistern beleuchten. Was anfangs noch nicht zu erkennen ist, wird nach und nach immer deutlicher: Mariekes Erinnerungen an eine glückliche Kindheit trügen sie und hervor treten zerrüttete Familienverhältnisse und ein Kindheitstrauma, das bis in die Gegenwart strahlt. Eine besondere Rolle in ihrem Leben nimmt in diesem Zusammenhang die Zubereitung aufwändiger Gerichte und der Genuss der Speisen ein. Ihre Leidenschaft ist es schließlich, die ihr ein Stück weit bei der Befreiung aus ihrer miserablen Situation hilft. Obwohl das Ende einen positiven Ausblick gewährt, hätte ich mir gewünscht, dass Marieke ihre schwierige Kindheit besser aufarbeitet.

Veröffentlicht am 26.08.2023

Eine ungewöhnliche Idee mit einem Ende, das mich ratlos zurücklässt

Weil da war etwas im Wasser
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In seinem Debütroman, der für den Deutschen Literaturpreis nominiert ist, bringt uns Luca Kieser einen Riesenkalmar näher. Als dieser ein Tiefseekabel berührt, beginnen seine Tentakel zu erzählen. Sie ...

In seinem Debütroman, der für den Deutschen Literaturpreis nominiert ist, bringt uns Luca Kieser einen Riesenkalmar näher. Als dieser ein Tiefseekabel berührt, beginnen seine Tentakel zu erzählen. Sie berichten zunächst von den Lebensgeschichten einer jungen Praktikantin auf einem Frosttrawler sowie einer älteren Frau, die für einen Geheimdienst in der Antarktis arbeitet. Durch einen Zufall treffen sie aufeinander, wobei dies, wie man noch erfährt, nicht die einzige Verbindung im Leben der beiden ist... Die Tentakel erzählen außerdem von Schriftstellern, die sich dem vermeintlichen Ungeheuer aus der Tiefsee gewidmet haben: Jules Verne, Peter Benchley und schließlich ein junger Autor der Gegenwart, der wiederum die Erlebnisse mit seinem eigenen „Tentakel“ schildert.

Die Idee, ein Tier bzw. dessen Gliedmaßen erzählen zu lassen, ist ebenso außergewöhnlich wie grandios. Der Autor schreibt dabei jedem Tentakel eine Eigenschaft zu: vom Armen über den Süßen bis zum Bisschen-Schüchternen. Jeder von ihnen vermittelt seine Geschichte, wobei die unterschiedlichen Erzählstränge und die Vielzahl an Figuren für mich mitunter etwas verwirrend waren. Sehr gelungen finde ich die Zusammenhänge, sie sich im Laufe des Romans auftun und dafür sorgen, dass sich alles mehr und mehr zu Gesamtbild zusammenfügt. Manche Stellen vermochten es, mich in ihren Bann zu ziehen, während sich andere mir nicht erschlossen und mich entsprechend ratlos zurückließen. Daher bin ich nun auch etwas nachdenklich über die Kernaussage des Romans, insofern es denn eine gibt: In meinen Augen geht es wohl darum, ein Tier wie den Kalmar nicht zum Monster zu degradieren, sondern als das faszinierende Wesen wahrzunehmen, das er ist. Es geht aber ein Stück weit auch darum, falsche Scham abzulegen, offen über alle erdenklichen Themen zu sprechen, insbesondere mit Sexualität aufgeschlossen umzugehen.
Zuletzt einige Sätze zum Aufbau des Buches, den ich als sehr besonders empfinde: Kieser verwendet in seinem Roman eine Reihe an Paratexten wie Fußnoten mit Anmerkungen oder Verweisen sowie einen Anhang mit Tagebucheinträgen und einem Familienstammbaum. Beim Lesen wird man aktiv aufgefordert, vor- oder zurückzublättern und in anderen Kapiteln zu lesen. Zum besseren Verständnis der Handlung sollte man diesen Anweisungen folgen.

Veröffentlicht am 21.08.2023

Außergewöhnliche Gartenfragen in sehr ansprechender Gestaltung

Werden Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?
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„Werden die Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?“ ist ein Nachschlagewerk für Hobbygärtner und solche, die es werden wollen. Anders als in den ...

„Werden die Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?“ ist ein Nachschlagewerk für Hobbygärtner und solche, die es werden wollen. Anders als in den übrigen Gartenbüchern, die ich bereits besitze, werden in diesem Buch viele außergewöhnliche Fragen gestellt und ausführliche Antworten geliefert. Die Fragen sind sehr übersichtlich in fünf Kapitel eingeteilt:
1 Was baue ich an?
2 Wo baue ich an?
3 Erlebnis Eigenanbau
4 Wer knabbert an meinen Pflanzen?
5 Ernten und Verarbeiten
Unter den Fragen sind solche, die Hobbygärtner mit ein wenig Erfahrung bereits selbst beantworten können, z. B. Muss ich wirklich jedes Jahr alles neu aussäen? Das Buch enthält jedoch auch eine Vielzahl an Inhalten, die auch für erfahrene Gärtner interessant sind, z. B. wie man herausfindet, ob die Samen noch leben, wie man seinen eigenen Dünger herstellt und wie man ohne Komposthaufen kompostiert.
Besonders gut gefällt mir die Gestaltung der einzelnen Seiten. Diese sind sehr übersichtlich dargestellt und mit wahnsinnig schönen Illustrationen versehen.
Bestimmt werde ich dieses Buch noch öfter zur Hand nehmen - insgesamt ein gelungenes und zu empfehlendes Nachschlagewerk!