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Veröffentlicht am 17.07.2017

Kleinstadt am Ende der Welt

Das vorwitzige Frauenzimmer
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„Das vorwitzige Frauenzimmer“ (im Englischen Original: For the Records) ist ein weiterer Roman der US-amerikanischen Autorin Regina Jennings. Die Handlung spielt im Jahre 1885 in der Kleinstadt Pine Gap ...

„Das vorwitzige Frauenzimmer“ (im Englischen Original: For the Records) ist ein weiterer Roman der US-amerikanischen Autorin Regina Jennings. Die Handlung spielt im Jahre 1885 in der Kleinstadt Pine Gap irgendwo in Missouri. Die junge Betsy Huckabee konnte sich bisher erfolgreich gegen alle Verehrer und somit auch gegen eine Heirat wehren. Sie lebt im Haus ihres Onkels und seiner neuen Frau, wo sie einerseits die Kinder und den Haushalt betreut, andererseits dem Onkel bei Recherchearbeiten und der Herausgabe einer Lokalzeitung hilft. Ihr grosser Traum ist es, mit ihren Zeitungsartikeln über den Stadtrand hinaus bekannt zu werden und für eine grosse Zeitung schreiben zu können. Leider passiert in dem verschlafenen Nest am Ende der Welt, kaum etwas worüber sich zu berichten lohnt. Dies ändert sich als der schneidige Deputy Joel Puckett aus Texas nach Pine Gap zwangsversetzt wird. Puckett muss sich nicht nur mit dem unfreundlichen und inkompetenten Sheriff Taney, den „Bald Knobbers“, einer Gruppe von maskierten Männern aus dem Dorf, welche zur Selbstjustiz greifen, herumschlagen, sondern auch mit der vorwitzigen, neugierigen und alles andere als leicht loszuwerdenden Betsy Huckabee.

Das Buch ist in einem christlichen Verlag erschienen und christliche Werte spielen eine wichtige Rolle. Dieser Hinweis sollte aber auch für der christlichen Religion weniger verbundene Leser kein Hinderungsgrund sein, dieses Buch zu lesen. Es werden weder Dutzende von Bibelzitaten angebracht, noch ist die Handlung langweilig. Im Gegenteil, es gibt durchaus auch blutige Szenen, wie es sich für einen Roman mit Cowboys und Revolverhelden, mit unfähigen Sheriffs und Männern, die das Gesetz in die eigene Hand nehmen, gehört. Ein Unterschied liegt möglicherweise in der Sprache. Während in anderen Roman mit ähnlicher Thematik geflucht und geschimpft wird, ist dies in „Das vorwitzige Frauenzimmer“ nicht der Fall. Einfluss auf das Lesevergnügen hat dies keinesfalls.
Der Erzählstil ist einfach und der Handlung kann gut gefolgt werden. Die Figuren werden liebevoll porträtiert und insbesondere Betsy ist wohl jedem Leser auf Anhieb sympathisch. Sehr schön sind auch einige Details. Zum Beispiel schaut Betsy jeweils welche Kleidung an der Garderobe hängt und nimmt dann wahlweise, den einen oder anderen Mantel. Solche Szenen verdeutlichen die Zustände der damaligen Zeit, als nicht wie heute, die meisten mehrere Winterjäcken oder –mäntel im Schrank hängen haben.

„Das vorwitzige Frauenzimmer“ ist ein beschaulicher Roman, in welchem auch mal Spannung aufkommt und eine Liebesgeschichte nicht fehlen darf. Das Buch bietet sicherlich einige Stunden Unterhaltung, letztendlich hat mir jedoch etwas gefehlt, das den Roman von anderen seiner Art abheben würde.

Veröffentlicht am 10.07.2017

starke Frauen im 20. Jahrhundert

Claire
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Nathalie C. Kutscher ist unter verschiedenen Pseudonymen und in diversen literarischen Genres, unter anderem Dark Fantasy, Thriller, Erotik, vertreten. „Claire“ ist ein historischer Roman, welcher das ...

Nathalie C. Kutscher ist unter verschiedenen Pseudonymen und in diversen literarischen Genres, unter anderem Dark Fantasy, Thriller, Erotik, vertreten. „Claire“ ist ein historischer Roman, welcher das Leben und Wirken starker junger Frauen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufzeigt. Claire, die einzige Tochter der Familie wird in ihrer Kindheit und Jugend stark von ihrer konservativ eingestellten Mutter geprägt. Als Michelle, die junge, selbstsichere und moderne Angetraute ihres Bruders, in ihr Leben tritt, stehen für Claire grosse Veränderungen bevor. Michelle zeigt ihr den Weg in eine neue Welt. Eine Welt, in welcher Frauen ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Claires Wunsch Kunst zu studieren, wird von ihren Eltern erfüllt und so zieht sie vom beschaulichen Boston ins grosse, weltoffene, aufregende New York. Bereits vor ihrem Umzug, hat Claire festgestellt, dass sie sich von Frauen angezogen fühlt und in ihrer Zimmergenossin Josephine findet sie die grosse Liebe. Eine Liebe, für die es sich zu kämpfen lohnt, obwohl in den 1920er Jahren eine lesbische Beziehungen alles andere als einfach war.

Die Idee, die Geschichte eines lesbischen Paares zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit all ihren Hürden und Schwierigkeiten zu erzählen, ist anregend. Kutscher zeigt dabei nicht nur die Probleme auf, welche sich einem homosexuelles Paar stellen, sondern allgemein die Stellung der Frau zur damaligen Zeit und die langsame Loslösung von festgefahrenen Rollenbildern. Der Weg der schüchternen und zu Beginn etwas naiven Claire zu einer selbstbewussten und starken Frau wird liebevoll und anschaulich dargestellt.
Die Tatsache, dass Claire als Ich-Erzählerin fungiert, erlaubt uns einen Einblick in ihre Gedanken und Emotionen. Der Leser teilt ihre Ängste, Wünsche, Freuden und Geheimnisse und kann sich so gut in sie hereinversetzen und sich mit ihr identifizieren. Die Sprache ist einfach gehalten und spiegelt so gut Claires Hintergrund. Die Sätze wirken zum Teil etwas holprig, was vor allem an der manchmal ungewöhnlichen und schwerfälligen Syntax liegt. Zahlreiche Tipp- und Grammatikfehler erschweren das Lesen stellenweise zusätzlich. Claires Leben wird bis in die 1960er Jahre verfolgt, was nicht ohne Auslassungen geschehen kann. Dennoch wäre an einigen Stellen eine ausführlichere Darstellung wünschenswert gewesen. Der Klappentext erwähnt, dass sich Josephine in Mafia Kreisen aufhält. Auch da wäre eine eingehendere Beschreibung, welche über die oberflächlich gehaltene Erwähnungen der Mafia hinausgeht, schön gewesen.

Das Buch zeigt die Geschichte von Claire und Josephine auf eine liebevolle Art und Weise auf. Der Schluss ist mir persönlich zu pathetisch. Die gesamte Frauenbewegung(en) auf diese eine Generation zu projizieren und die Zurschaustellung der weltoffenen, amerikanischen Gesellschaft der 1960er Jahre sind hier etwas übertrieben. Dennoch bleibt es eine schöne Geschichte, aus der man jedoch mehr hätte machen können.

Veröffentlicht am 06.07.2017

alles ändert sich und bleibt doch gleich

Die Hummerkönige
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Die Hummerkönige hat etwas Unaufgeregtes, Langsames, nahezu Leichtes, was den Leser Schritt für Schritt oder besser Welle für Welle in seinen Bann zieht. Bereits auf den ersten Seiten fühlt es sich so ...

Die Hummerkönige hat etwas Unaufgeregtes, Langsames, nahezu Leichtes, was den Leser Schritt für Schritt oder besser Welle für Welle in seinen Bann zieht. Bereits auf den ersten Seiten fühlt es sich so an, als wenn man mit nackten Füssen im kalten Meerwasser steht. Man weiss, dass da draussen etwas lauert, etwas Unbekanntes, Verhängnisvolles. Trotzdem oder gerade deswegen, bleibt man stehen. Mehr noch, macht einige Schritte vorwärts, angelockt von dem Unsichtbaren.

Genauso verhält es sich mit Alexi Zentners Buch. Das Mystische, Unerklärliche lockt genauso wie das Verlangen mehr über die Familie Kings, die „Königsfamilie“ auf Loosewood Island, zu erfahren. Sowie das Meer mit jeder Welle denjenigen gefangen nimmt, der sich hinaus getraut, so fesselt diese Familiengeschichte den Leser mit jeder Seite mehr und hinterlässt auch nach dem finalen Umblättern einen bleibenden Eindruck.

Der ruhigen und gelassenen Erzählweise mutet zu Beginn etwas Oberflächliches und Distanziertes an. Keine Distanz zwischen dem Leser und den Charakteren, eher eine Distanziertheit zwischen den Charakteren und den Geschehnissen. Ein Junge ertrinkt, das Leben geht weiter. Eine Mutter nimmt sich das Leben, trotzdem müssen Köder ausgelegt, Körbe geleert, Hummer gefangen werden.

Zentner gibt kaum Einblick in die Psyche der Figuren. Erstaunlicherweise führt dies nicht dazu, dass sich der Leser nicht mit ihnen identifizieren kann. Viel mehr glaubt man sich schon bald selber mit auf dem Hummerboot, spürt die Wellen unter sich, schmeckt das salzige Meerwasser. Dennoch bleibt ein fahler Nachgeschmack, da der Leser der einzige ist, welcher das Erlebte reflektiert. Vieles bleibt unausgesprochen, Geheimnisse werden gehütet, auf Aussprachen wartet man vergeblich.

Über weite Teile ohne Hektik erzählt, wird der Roman auf seinem Höhepunkt zum Pageturner. Wenn auf rauer, stürmischer See um Menschenleben gekämpft wird, ist es vorbei mit der Gelassenheit und der Puls des Lesers schnellt unweigerlich in die Höhe. Wie so oft folgt auf Sturm Sonnenschein, doch das Meer hat seine Opfer gefordert. Obwohl die Verluste für nahezu alle Figuren eine Zäsur in ihrem Leben bedeutet und sich alles ändert, so bleibt doch alles gleich. Eine neue Hummersaison beginnt und die Boote fahren hinaus aufs Meer.

Alexi Zentners Werk besticht durch seine entschleunigte Erzählweise. Es nimmt uns mit auf eine Reise in die abgelegene Gegend von Nova Scotia, lässt uns das Gehetze des Alltags vergessen und von einem Leben auf einer kleinen Insel träumen. Eine Insel, auf welcher die Bewohner einander unaufgefordert beistehen und gemeinsam allem trotzen, was das Meer und das Leben für sie bereit hält.

Veröffentlicht am 06.07.2017

wundervolle Sprache

Was man von hier aus sehen kann
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„Was man von hier aus sehen kann“ ist ein weiterer Roman der deutschen Autorin Mariana Leky.
Die Ich-Erzählerin Luise lebt mit ihren Eltern und ihrer Grossmutter Selma in einem kleinen Dorf irgendwo Abseits ...

„Was man von hier aus sehen kann“ ist ein weiterer Roman der deutschen Autorin Mariana Leky.
Die Ich-Erzählerin Luise lebt mit ihren Eltern und ihrer Grossmutter Selma in einem kleinen Dorf irgendwo Abseits vom Trubel der Grossstadt in einer kleinen, heilen Welt. Als Selma jedoch eines Nachts von einem Okapi träumt, ist es vorbei mit der Beschaulichkeit im Dorf. Auch wenn vorgeblich nicht jeder daran glaubt, so tun es im Grunde doch alle. Denn wenn Selma von einem Okapi träumt, stirbt jemand. Wer, dass weiss man nicht. Doch innerhalb der nächsten 24 Stunden wird es passieren. So war es schon immer, wenn Selma im Traum ein Okapi sah.



Wer hier nun einen Pageturner erwartet liegt falsch. Sehr falsch sogar. Es wird zwar ein Todesopfer geben und ein Mensch wird zu Grabe getragen, doch in diesem Buch geht es um viel mehr.
Es geht um Trauer und Verlust. Um Freude und neue Bekanntschaften. Um Liebe, ob laut ausgesprochen oder seit Jahren geheim gehalten. Um Verliebtsein, um Verlassen und Verlassen werden, um die Endlichkeit des Lebens und um Neuanfänge. Dies alles und vor allem all die Dorfbewohner, die unterschiedlicher nicht sein könnten, porträtiert Mariana Leky in einer wunderbaren Art und Weise. Ihr Erzählstil ist eigenwillig, unaufgeregt und wunderschön poetisch ohne dabei abgehoben zu wirken. Sie ist nicht aus auf Schenkelklopfer und doch gibt es unzählige Szenen, die dem Leser ein Schmunzeln oder Lachen ins Gesicht zaubern. Die Autorin versteht es die Perspektive zu wechseln und den Fokus auf Sachen, Aktionen, Geschehnisse zu legen, die oft übersehen oder nicht bewusst wahrgenommen werden.

„Was man von hier aus sehen kann“ ist nicht einfach mit Worten zu beschreiben und jede Zusammenfassung dieser Geschichte würde nicht nur unpassend, sondern auch unzulänglich sein. „Was man von hier aus sehen kann“ muss man gelesen haben, um es zu verstehen.
Ich empfehle dieses Buch all denjenigen, für welche Lesen ein Genuss ist. Denjenigen, welche gerne einen Satz zweimal lesen, um ihn dann in sich aufzunehmen, auszukosten, zu geniessen. Denjenigen, welche zufrieden sind, ein einzelnes Kapitel zu lesen und die Augen zu schliessen, nicht nur ein-, sondern auch auszuatmen. Und insbesondere all denjenigen, welche die Welt hereinlassen wollen.

Veröffentlicht am 06.07.2017

zu wenig Tiefgang

Überleben ist ein guter Anfang
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n „Überleben ist ein guter Anfang“ erzählt Andrea Ulmer die Geschichte von sechs unterschiedlichen Frauen die ein gemeinsames Schicksal teilen. Sie alle erhielten die Diagnose Brustkrebs und kämpfen bereits ...

n „Überleben ist ein guter Anfang“ erzählt Andrea Ulmer die Geschichte von sechs unterschiedlichen Frauen die ein gemeinsames Schicksal teilen. Sie alle erhielten die Diagnose Brustkrebs und kämpfen bereits mehr oder weniger lang dagegen an. In einer Selbsthilfegruppe finden sie zueinander. Als Sieglinde, die älteste der Frauen, im Alter von 83 Jahren überraschend stirbt, beschliessen die anderen Sieglindes Traum von einer Weltreise in die Tat umzusetzen und bereisen gemeinsam sechs der sieben Kontinente.

Andrea Ulmer verarbeitet in diesem Roman auch ihr eigenes sowie das Schicksal ihrer Mutter, welche an Brustkrebs gestorben ist. Sie schafft dies auf eine ganz eigene, leichte und durchaus humorvolle Art. Der Schreibstil ist flüssig, der Leser hat keine Mühe der Geschichte zu folgen und kann sich sehr gut in die verschiedenen Schauplätze hineinversetzen. Dass eine der Protagonistinnen vorzugsweise in ihrer Mundart spricht, lockert das Ganze mit etwas Lokalkolorit auf.

Die Reisenden müssen nicht nur ihre Ehemänner alleine zu Hause lassen, was nicht selten zu lustigen Episoden führt, sie müssen auch über ihren eigenen Schatten springen und sich herausfordernden Situationen stellen. Dabei versteht es Ulmer die unterschiedlichen Figuren zu porträtieren, obwohl eine tiefergehende Analyse der Charaktere durchaus wünschenswert gewesen wäre. Die Figuren bleiben oberflächlich und ihre Beschreibung verläuft zumeist auf physischer Ebene ohne dass eingehender auf die Psyche der fünf Protagonistinnen eingegangen wird.

Obwohl alle der im Buch beschriebenen Figuren – seien es die krebskranken Frauen oder ihre anteilhabenden Familienangehörigen – eine Entwicklung durchmachen, erlebt keine davon eine richtiggehende Katharsis. Alle ertragen ihr Schicksal mit einer gewissen Ergebenheit und ohne damit zu hadern. Dies lässt die Tatsache, dass alle an Krebs leiden in den Hintergrund treten. Selbst der Tod von Sieglinde schafft es nicht den Leser wachzurütteln und sich in ernstzunehmender Weise mit der tragische Thematik auseinanderzusetzen. Stirbt eine bereits 83-jährige Person, ist der Grund für ihren Tod eher zweitrangig. So wie die Geschichte verläuft und die Figuren charakterisiert werden, könnten die fünf Frauen durchaus aus einem anderen Grund miteinander verbunden oder befreundet sein. Der Brustkrebs gilt hier zwar als gemeinsamer Nenner, dennoch setzt sich der Roman zu wenig damit auseinander.
Aus diesem Grund ist „Überleben ist ein guter Anfang“ eine unterhaltsame Lektüre, welche den Leser leider nicht wirklich zu fesseln vermag und weniger Tiefgang hat als die Buchbeschreibung erhoffen lässt.