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Veröffentlicht am 08.08.2019

Der Krieg nimmt keine Rücksicht

Das goldene Palais
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Zum Inhalt

„Das goldene Palais“ von Natascha Salomons erzählt die Geschichte der „Goldbaums“ oder doch der „Rothschilds“?

Dem in der Frankfurter Judengasse geborenen Mayer Amschel Rothschild, der als ...

Zum Inhalt

„Das goldene Palais“ von Natascha Salomons erzählt die Geschichte der „Goldbaums“ oder doch der „Rothschilds“?

Dem in der Frankfurter Judengasse geborenen Mayer Amschel Rothschild, der als der Gründer der Rothschilddynastie gilt, war es noch verboten, außerhalb des Frankfurter Ghettos Grundbesitz zu erwerben. Seine Söhne zählten dagegen zu den wohlhabendsten Europäern und wurden in Österreich und England in den Adelsstand gehoben. (Wikipedia Geschichte der Rothschilds).

Die Geschichte der Goldbaums hat exakt diese Gründungsgeschichte.

Das Buch erzählt die Zeit von 1911 bis November 1917 in Europa. Es beginnt in Wien und endet in London.

Auf jeden Fall ist es die Geschichte einer Dynastie des Bankenadels. „Das goldene Palais“ bildet ein Stück Zeitgeschichte ab und es zeigt, wie begehrt das jüdische Geld und wie wenig geachtet die jüdischen Menschen nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und Russland waren.

„Wie der alte Moses Goldbaum die fünf Bruder Dov, Moses, Robert, Jakob und Salomon in die Finanzmetropolen Europas ausgesandt hatte, damit sie Goldbaum-Bankhäuser gründeten. Jedem Bruder wurde die Samenkapsel einer Sykomore, in Silber eingefasst, mitgegeben (wegen ihrer symbolischen Widerstandskraft und der Fähigkeit, noch auf den kärgsten Grund zu gedeihen), ein Empfehlungsschreiben des Fürsten ihres Vaters und das Versprechen, die Kreditlinie des Vaters in Anspruch nehmen zu dürfen.“

Gut florierende Bankhäuser in ganz Europa, die untereinander ihre Partnerschaft und Verbundenheit durch Heirat festigten, waren das Ergebnis. Greta die Tochter des Wiener Goldbaum-Zweiges soll den Sohn des Londoner Goldbaum-Zweiges heiraten. Greta lässt sich auf das Abenteuer ein. Natascha Salomon erzählt Gretas Geschichte mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

In Russland gibt es Progrome und trotz ihres immensen Kapitals und obwohl der Zar, das Geld benötigt, können die Goldbaums diese nicht wirklich verhindern. Und teilen Gretas französischem Cousin Henry mit, dass er im Land unerwünscht sei, sie hätten schon genügend Juden.

Die Goldbaums konnten auch den Ersten Weltkrieg nicht verhindern. Der Kriegseintritt der USA 1917 mischt die Karten neu.

Greta

Greta ist eine beeindruckende junge Frau, die sich nicht so einfach in eine Rolle pressen lässt. Sie hat eine sehr enge Beziehung zu ihrem Bruder Otto, der ihre kleine Eskapaden belächelt und sie oftmals aus schwierigen Situationen rettet.

Obwohl es sich bei ihrer Ehe mit Albert um eine arrangierte Ehe handelt, findet Greta Glück, Liebe und Geborgenheit. Allerdings sieht sie, wie ihr Cousin Henry und ihr Bruder, sich oftmals wegen der von ihnen erwartenden Pflichterfüllung verbiegen und Henry dadurch seine große Liebe und noch viel mehr verliert.

Greta findet Halt bei ihrer Schwiegermutter und schafft sich ein Refugium, einen Garten, den sie selbst plant, anlegt und mit eigenem Personal bewirtschaftet. Dieser Freiraum gehört ihr und gibt ihr Kraft.

Als Frau hat sie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einige Zwänge und als eine „Goldbaum“ noch viel mehr. Trotzdem verbiegt sich Greta nicht und findet einen eigenen Weg sich treu zu bleiben.

Sprachliche Gestaltung

Natascha Salomons erzählt meist aus der Perspektive Gretas, aber sie wechselt auch zu anderen Perspektiven. Sehr interessant fand ich die Perspektive von Karl, der Kanalratte. Vom Stand der Goldbaums, einer der reichsten Familien Wiens, hinab zu Karl, der sein Geld damit verdient, Knochen aus den Kanälen zu fischen und von den Almosen der Goldbaums zu leben. Durch diese Gegenüberstellung wird der Reichtum dieser Dynastie noch sichtbarer. Karl begegnet dem Leser wieder gegen Ende des Buches. Auch dann wird wieder der Bogen zu den Goldbaums gespannt.

Natascha Salomons berichtet und erzählt chronologisch, gibt den Geschehnissen unterschiedlich Raum. Das bringt Dynamik ins Geschehen.

Cover und äußere Erscheinung

Das Buch wird in Jahreszahlen von 1911 bis 1917 aufgeteilt. Den einzelnen Kapitelüberschriften werden die Monate hinzugefügt, fast schon wie ein Tagebuch oder Kalender. Das gefällt mir durch den historischen Zusammenhang sehr gut.

Und es hat ein Lesebändchen – ich liebe Lesebändchen.

Das Cover ist passend gewählt. Es zeigt Greta, aber nur bis von den Füßen bis unter die Augen in einem tiefgrünen ärmellos ausgeschnittenen Abendkleid. Aber die Augen sieht man eben nicht. Die Augen, wie sagt man so schön, die Fenster zu Seele.

Das Cover zeigt Greta in ihrer Rolle als Frau Albert Goldbaum. Wer die wirkliche Greta kennenlernen möchte, muss das Buch aufschlagen, lesen und vor allem auch zwischen den Zeilen lesen.

Gibt es ein Hörbuch

Leider bis jetzt noch nicht!

Fazit

Und dann kommt der Krieg. Plötzlich ist Greta in ihrer neuen Heimat der „FEiND“ und wird gemieden. „Das goldene Palais“ ist nun das vierte Buch, das ich innerhalb weniger Monate gelesen habe, dass sich mit dieser Zeit und dem Ersten Weltkrieg beschäftigt. Und jedes Mal ergreift mich ein Grauen und bodenlose Angst davor, jemals so etwas erleben zu müssen.

Natascha Salomons gelingt es, diese kriegsmüde angsterfüllte, hoffnungslose Atmosphäre des Krieges mit ihren Worten zu spiegeln und zu zeigen, dass der Krieg sie letztendlich alle zu Verlierern macht. Dieser Erste Weltkrieg der die Menschen ungeschützt Waffen wie Artillerie und Maschinengewehren aussetzt und zum ersten Mal in Farbbildern das Grauen ablichtet.

Gustav Klimt wird auch in das Buch geschrieben. Seine Geliebte verkauft Greta Kleider im Stile Klimts, die noch dazu ohne Corsage getragen werden! Revolution der Frauen! Die Titanic geht unter und wurde nicht von „Goldbaums“ versichert. Erst 1916/17 strecken die Goldbaums ihre fühle nach Amerika aus.

Das Buch hat mir Freude gemacht. Ich konnte mich gut mit Greta identifizieren und mag sie sehr. Ihre Stärke, aber auch ihren Pragmatismus, aus Dingen, die sie nicht ändern kann, das Beste herauszuholen.

Die Autorin hat sehr gut recherchiert und als Hintergrund einfließen lassen. Das hat mir gut gefallen. Auch den immer stärker werdenden Antisemitismus hat die Autorin sensibel veranschaulicht.

Dieses Buch ist absolut lesenswert.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Eine schonungslose Bestandsaufnahme und eine hinreißende Liebeserklärung

Winterjournal
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Eine schonungslose Bestandsaufnahme und eine hinreißende Liebeserklärung


Zum Inhalt „Winterjournal“

Bei Paul Auster ist die Antwort jedoch vielschichtiger! Er offenbart, und zeigt sich, in all seinen ...

Eine schonungslose Bestandsaufnahme und eine hinreißende Liebeserklärung


Zum Inhalt „Winterjournal“

Bei Paul Auster ist die Antwort jedoch vielschichtiger! Er offenbart, und zeigt sich, in all seinen Büchern sehr privat und offenbart dem Leser, viel von seinem inneren Ich. Aber zurück zum „Winterjournal“.



„Winterjournal“ von Paul Auster ist der erste Teil seiner Biografie. Ein Jahr später folgte der zweite Teil, „Bericht aus dem Inneren“.



Es ist eine Biografie, die Spuren folgt, die das Leben auf dem eigenen Körper hinterlassen hat. Es sind nicht nur Narben und Blessuren auf der Haut, sondern es sind auch Narben des Lebens. Jeder erinnert sich an diese „Unfälle“, weil sie Narben auf unserem Körper hinterlassen haben, die mit Schmerzen verbunden waren. Es ist mit seinen Worten: Eine Phänomenologie des Atmens und es ist ihm ein Bedürfnis, die Worte jetzt niederzuschreiben.



Paul Auster gibt sich in vielen einzelnen Episoden, die er aus der Erinnerung heraus erzählt, zu erkennen, indem er sich öffnet und dem Leser Details seines Lebens preisgibt. Ehrlich und ungeschönt, manchmal geradezu exhibitionistisch beschreibt er, was er erlebte. Es sind weniger die einzelnen Geschehnisse, die beeindrucken, sondern es sind, die Gedanken und Erinnerungen, die er dazu beiträgt.



Zwiegespräch

Als Erstes fiel mir die Erzählperspektive auf. Paul Auster wählte die zweite Person Singular, also das „Du“.



Das gesamte Buch wird aus dieser Perspektive erzählt. Der Autor war 64 Jahre alt, als er „Winterjournal“ schrieb. Es handelt sich um keine Erzählung, ich betrachte es als ein Zwiegespräch mit sich selbst. Auf mich wirkt es, als ob er sich selbst auf Geschehnisse aufmerksam macht und es erstaunt wahrnimmt. Beispiele:



Er weist sein fiktives Du darauf hin, wann er das erste Mal gedanklich jemanden getötet hat.



Der Leser sieht, wie tiefsinnig und reflektiert Paul Auster mit seinen Erinnerungen umgeht.



Wie zuverlässig sind diese Erinnerungen? Oft verknüpft er diese mit Sinneseindrücken. Nur diese merkt man sich. Verletzungen, Schmerzen körperlicher, aber auch seelischer Art. Einer seiner ersten bewussten Erlebnisse war, dass ihm das Nachbarskind den Spielzeugrechen auf seinen Kopf schlug, als er selbst erst drei oder vier Jahre alt war.



Schuld ist ein zentrales Thema

Es geht um Schuld. Mit 52 Jahren war er mit seiner Frau, seiner 15-jährigen Tochter und dem Familienhund mit dem Auto auf dem Heimweg. Doch die Autofahrt endete mit einem schweren Unfall. Obwohl er keine Schuld trug, setzte er sich danach nie mehr ans Steuer.



Er offenbart Schnipsel seines Lebens, Er macht sich selbst auf Erinnerungen aufmerksam. Es geht um familiäre Geheimnisse oder auch Abgründe.



Verlust

Es geht um Verlust bzw. den Umgang mit Verlust. Es beginnt mit dem oben schon angedeuteten Verlust des geliebten Hundes. Der Leser erfährt seine Trauer und den Umgang mit dem Tod des Vaters und den Tod der Mutter. Vor allem seine Mutter nimmt einen großen Teil des Buches ein.



Wie geht man damit um, wenn man erfährt, dass man innerhalb weniger Wochen sterben muss, ohne die Möglichkeit daran etwas ändern zu können. Paul Auster thematisiert das fiktiv, indem er sich über einen Film, der davon handelt, identifiziert.



Der Winter naht!

Der Winter naht! Der Winter, die letzte der Jahreszeiten, bevor das Jahr zu Ende geht. Es wächst nichts mehr. Die Blüte und Fülle ist vergangen. Ich denke, deswegen hat Paul Auster den Namen „Winterjournal“ gewählt, was ich sehr passend finde. Paul Auster spricht schonungslos ehrlich über zahlreiche Liebesbeziehungen. Es waren nie oberflächliche „One-Night-Stands“. Er sucht immer die Begegnung mit dem Menschen hinter den Äußerlichkeiten. Auch das Aufwachsen seines Sohnes auf erster Ehe und der Tochter schildert er liebevoll.



Die Liebe

Und dann geschieht es, dass er Siri Hustvedt begegnet und er weiß, er ist dort, wo er immer hin wollte. Dieses Buch ist ein einzigartiges Bekenntnis zu seiner Frau. Es ist ein Liebesbrief, wie man ihn kaum schöner hätte entwerfen können. Er preist ihre Schönheit, ihre Herzenswärme und ihre Intelligenz, ohne schmalzig oder übertrieben zu wirken. Und man spürt sein Erstaunen und die ihn beruhigende Erleichterung, dass sie tatsächlich seine Gefährtin ist.



Ein Buch, das Herz und Seele berührt

Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst bald 60 werde und mir, seit einiger Zeit täglich bewusst ist, dass ich keine Zeit mehr vergeuden darf.



Ich habe beim Lesen nicht den Schriftsteller, sondern den Menschen Paul Auster kennengelernt.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Was wäre, wenn ...

Maschinen wie ich
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Zum Inhalt „Maschinen wie ich“

„Maschinen wie ich“ ist das erste Buch, das ich von Ian McEwan lese. Ich war sofort angetan von seinem Schreib- und Erzählungsstil. Er unterfüttert Charlies Denk-Monologe ...

Zum Inhalt „Maschinen wie ich“

„Maschinen wie ich“ ist das erste Buch, das ich von Ian McEwan lese. Ich war sofort angetan von seinem Schreib- und Erzählungsstil. Er unterfüttert Charlies Denk-Monologe mit Fakten. Es geschieht viel auf 400 Seiten und es geschieht noch viel mehr, wenn man Charlies Seelenleben betrachtet. Ich bin noch etwas zerrissen, in wiefern ich das Geschehene gliedern kann. Dazu möchte ich zuerst eine Kurzvita von Alan Turing vorstellen.

Alan Turing

Alan Mathison Turing (* 23. Juni 1912 in London; † 7. Juni 1954 in Wilmslow, Cheshire) war ein britischer Logiker, Mathematiker, Kryptoanalytiker und Informatiker. Er gilt heute als einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung und Informatik. Turing schuf einen großen Teil der theoretischen Grundlagen für die moderne Informations- und Computertechnologie. Als richtungsweisend erwiesen sich auch seine Beiträge zur theoretischen Biologie.

Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete er an der Decodierung, der mit der „Enigma“ verschlüsselten feindlichen Funksprüchen. Aufgrund der militärischen Brisanz gelangten viele seiner Forschungsergebnisse später an die Öffentlichkeit.

Turing entwickelte den Turing-Test zum Überprüfen des Vorhandenseins von künstlicher Intelligenz.

1952 wurde Turing wegen seiner Homosexualität (damals noch als Straftat verfolgt), zur chemischen Kastration verurteilt. An den Folgen der Hormonbehandlung erkrankte er an einer Depression. Zwei Jahre später wählte er den Suizid.

In Computing machinery and intelligence (Mind, Oktober 1950) griff Turing die Problematik der künstlichen Intelligenz auf und schlug den Turing-Test als Kriterium vor, ob eine Maschine dem Menschen vergleichbar denkfähig ist. Da der Denkvorgang nicht formalisierbar ist, betrachtet der Test nur die Antworten einer Maschine im Dialog mit einem Menschen, d. h. das kommunikative Verhalten der Maschine. Wenn dieses von einem menschlichen Verhalten nicht unterscheidbar erscheint, soll von maschineller Intelligenz gesprochen werden. Er beeinflusste durch die Veröffentlichung die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz maßgeblich.
Wikipedia 27.Juni17.26

Posthume Ehrungen
Der Turing Award wird jährlich von der Association for Computing Machinery an Personen verliehen, die bedeutende Beiträge zur Informatik geleistet haben. Er wird weithin als „Nobelpreis“ der Informatik angesehen.


Weltenbau „Maschinen wie ich“

Wo sind wir? Ich werde die Rezension um Alan Turing bauen. Ian McEwan hat eine fiktive Welt geschaffen, in der Alan Turing sich 1952 nicht das Leben nimmt, sondern als homosexueller Wissenschaftler im Rentenalter unbehelligt und frei lebt und immer noch forscht. So hätte Alan Turings Leben auch verlaufen können! Spielen wir das Szenario weiter. Alan Turing hat sich schon in 40er Jahren mit künstlicher Intelligenz beschäftigt und mit seinem Test exakt festgelegt, ab wann man von maschineller Intelligenz reden kann. Wir sind in den 80er Jahren. Also hätte Turing 30 Jahre weiter forschen können. Gewiss hätten ihm genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden. Im Buch erfahrt ihr, wie dieser „fiktive“ Wissensstand erreicht wurde. Der Autor entwirft eine glaubhafte fiktive Wissenschaftsgeschichte.

Aber Ian McEwan hat nicht nur die Weltgeschichte verändert, sondern auch die Politik, das Zeitgeschehen und die Geschichte.

Die Handlung „Maschinen wie ich“

Ich beginne mit den Fakten: Wir haben drei Hauptfiguren: Charlie, Miranda und Adam. Wie im tatsächlichen Leben gilt auch hier: Drei sind einer zuviel. Aber es handelt sich hier keineswegs und eine einfache ménage à trois. Es ist noch viel mehr.

Charlie liebt neue Technikspielereien und ist einer der ersten „Besitzer“ eines Androiden. Ja, ein Android! Adam ist der Android und führt tatsächlich ein eigenständiges Leben. Zumindest reagiert seine Umwelt so auf ihn. Er trifft eigenständige Entscheidungen. Er ruft bei seinen Mitmenschen Gefühle hervor. Er wird als Mann wahrgenommen und begehrt. Charlie hält ihn für eine bessere Ausgabe des Menschen. Er und Miranda haben seine Charakterzüge ausgesucht. Aber ist es möglich, einen Menschen nach Rezept zu „backen“?

Ian McEwan zeigt dem Leser im besten „Show it – don’t Tell it“ die Probleme, die dieses Konzept heraufbeschwören kann. Eine lernfähige Maschine, die ausgestattet mit guten Rahmenbedingungen, Gesetzen und Verhaltensregeln ihr „Leben“ unter den Menschen führt. Diese Maschine lernt und saugt Wissen auf. Aber diese Maschine lernt nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch wie wir Menschen unser Leben meistern, wie wir uns an Regeln halten oder sie umgehen. Wie geht eine Maschine damit um? Eine Maschine, deren Basis der Binärcode ist?


Inwieweit können Maschinen ein Bewusstsein erreichen? KI


5/5 Punkten

Sprachliche Gestaltung

Ian McEwan hat einen sehr schönen Sprachstil. Das Buch ist in der Ich-Form, aus der Perspektive Charlies geschrieben. Du fängst an zu lesen und liest und liest und merkst nicht, dass du schon am Ende bist.

5/5 Punkten

2. Cover und äußere Erscheinung

Das Cover zeigt Zwei Männer und eine Frau. Die Männer schwarz gekleidet, die Frau im türkisen Kleid und hohen Schuhen. Die Frau ist dem linken Mann zugewendet. Der linke Mann sieht modisch gekleidet mit schwarzem Anzug und weißem Hemd. Der rechte Mann hat ein etwas lockere Körperhaltung und ein weißer Papier oder Buch in der Hand. Ich nehme an, dass dieser Charlie ist. Hat er die Gebrauchsanweisung für Adam in der Hand?

Es gefällt mir gut. Es bildet die Geschichte ab. Ist Adam der bessere Mensch?


5/5 Punkten


3. Playlist?


https://www.youtube.com/watch?v=NS7Rh...


Gibt es ein Hörbuch

Ja! Ich habe es mit Audible gehört. Die Hörbücher vom Diogenes Verlag sind nicht im BookBeat Katalog enthalten. Das Hörbuch wird von Wanja Mues gesprochen. Der Sprecher war mir bislang nicht bekannt, hat mir aber für dieses Buch sehr gut gefallen. Ich mache das immer daran fest, ob das Kopfkino gut funktioniert. Und das klappt gut!



Fazit

„Maschinen wie ich“ von Ian McEwan basiert auf einem genialen intelligenten Konzept, woraus der Autor den Weltenbau entwickelt hat. Das Buch ist eine Utopie oder vielleicht eine Dystopie? Das ist eine Frage der Philosophie.

Der Autor baut die fiktive Wissenschaftsgeschichte und das fiktive Zeitgeschehen überzeugend in die Handlung ein. Ausgangspunkt ist das fiktive Leben Alan Turings.

Das Buch hat mich herausfordernd unterhalten. Ian McEwan legt seinen Finger auf gesellschaftliche Probleme, und zwar genau dorthin, wo es schmerzt: Kindesmissbrauch und damit zusammenhängend, der juristische Umgang mit Opfern, gerade bei Vergewaltigungen, wird den Opfern oft eine Teilschuld zugesprochen.

Politische Entscheidungen, die Menschenleben kosten. Wir machen uns viel zu wenig Gedanken über die Zukunft, und die damit zusammenhängenden Technologien. Noch immer werden in den wenigsten Ländern der Welt konsequent die Menschenrechte eingehalten.

Aber am allerbesten hat mir der Schreibstil gefallen. Der Autor erzählt nicht einfach, sondern die Geschichte entwickelt sich, aber nicht nur die Handlungsstränge, sondern auch das, was wir im Fantasybereich den Weltenbau nennen. Dadurch wirkt das fiktive Geschehen authentisch.

EIN GROSSARTIGER AUTOR

Ich möchte zu diesem Buch noch ein Zitat meines leider verstorbenen Helden und Vorbildes einfügen. Von Stephen Hawking

I fear that AI (Artificial Intelligence) may replace humans altogether. If people design computer viruses, someone will design AI that replicates itself. Mehr dazu: https://www.cambridge-news.co.uk/news...


@Diogenes
Vielen Dank für das schöne Rezensionsexemplar!


Ich vergebe insgesamt 5/5 Punkten.




Veröffentlicht am 25.06.2019

Gelungenes Ende!

Dignity Rising 4: Leuchtende Rache
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ZUM INHALT „LEUCHTENDE RACHE“
„Leuchtende Rache“ ist der letzte Band der Dignity Rising Reihe. Ich war sehr gespannt, ob es der Autorin Hedy Loewe im vierten Band gelingt, die Fäden der Handlungsstränge ...

ZUM INHALT „LEUCHTENDE RACHE“
„Leuchtende Rache“ ist der letzte Band der Dignity Rising Reihe. Ich war sehr gespannt, ob es der Autorin Hedy Loewe im vierten Band gelingt, die Fäden der Handlungsstränge wieder zusammenzuführen.

Wir befinden uns immer noch im 24. Jahrhundert. Arragos glaubt, die oberste Rätin Nilufesh sei tot, dann würde der Oberste Rat nur noch aus ihm, Arragos bestehen. Inzwischen ist aus dem Schwelen der Rebellion ein organisierter Widerstand geworden. Als Galionsfigur dienen die Leuchtende Botin und der Space-Gladiator Painted Rage.

Begonnen hat alles im Jahr 2336. damit, dass Jon seine Frau Shay nach Jahren wiedersieht. Der Rat hat immer wieder ihre Verbindung sabotiert. Das zieht sich, wie ein roter Faden durch alle Bücher. Das ist auch der Motor vielen weiteren Handlungsstränge. Werden sie am Ende mit ihrer Familie Ruhe und Glück finden?

Was ist aus dem obersten Rat geworden? Lug und Trug, Intrigen, Korruption und die Gier nach noch mehr Macht hat erreicht, dass der Leidensdruck für die Bevölkerung immer weiter wuchs und die Rebellion hervorbrachte.

Arragos versucht mit seinen „Schergen“, den ersten Boten und deren Botenkriegern, seine Macht zu erhalten, und das System immer weiter auf ihn zu prägen..

Was ist mit den Botenpaaren? Einige werden oder wurden getötet. Aber es gibt auch welche, die sich neu orientiert haben und auf die Seite der Rebellen wechselten. Wer? Nun, das müsst ihr selbst herausfinden!

Eindeutig finden im letzten Band der Höhepunkt und der finale Kampf statt. Eine Rebellion verlangt ihre Opfer, auch in den eigenen Reihen. Es werden viele Menschen für „die Sache“ sterben. So ist das auch in „Leuchtende Rache“.

5/5 Punkten

PROTAGONISTEN “LEUCHTENDE RACHE“
Am meisten hat mich, wie ich schon bei der Rezension des letzten Buches, erwähnte, die Botenkriegerin Devenja fasziniert. Sie ist in keiner Familie aufgewachsen, hat von niemandem soziales oder ethisches Verhalten vorgelebt bekommen und ist trotzdem in der Lage, gut und böse zu unterscheiden und das Richtige zu tun.

Ich habe bestimmt auch schon mehrfach erwähnt, dass die Charaktere sorgfältig entwickelt wurden. Entsprechend ihrer Veranlagungen, haben sie die Story vorangebracht und sind gereift.

5/5 Punkten.

SPRACHLICHE GESTALTUNG
Die Kapitel haben eine angenehme Länge und die Autorin wechselt öfter die Erzählperspektive. Dadurch kommt der Leser den Charakteren ziemlich nah und erkennt die unterschiedlichen Beweggründe und Ziele.

5/5 Punkten

COVER UND ÄUSSERE ERSCHEINUNG
Das Cover ist im gleichen Stil, wie seine Vorgänger gehalten. Man kann erkennen, dass es eine Reihe ist. Auf dem Titelbild ist eine Protagonistin abgebildet. Ich denke, dass es sich hier vielleicht um Devenja handelt. Und der Space als Hintergrund passt gut.

5/5 Punkten

FAZIT
Ich finde es persönlich sehr schwierig, eine mehrbändige Reihe zufriedenstellend für Autor und Leser zu Ende zu bringen und alle Handlungsstränge zu berücksichtigen oder begründet, welche zu übersehen. Ich bin oftmals vom Ende enttäuscht.

Aber Hedy hat das prima hinbekommen. Das liegt vor allem wahrscheinlich da dran, dass die Geschichte nicht konstruiert wirkt. Die Autorin hat die Charaktere entwickelt und die verhalten sich und wachsen an ihren Aufgaben – die Geschichte entwickelt sich von selbst, weil die Figuren aufgrund ihres Wesens sich nur in einem gewissen Rahmen verhalten können. Dadurch wirkt es natürlich und nachvollziehbar.

Aber was Hedy Loewe am allerbesten kann, ist es, „Bösewichtige“, dafür aber umso schönere Charaktere zu erschaffen. Und die sind wirklich abgrundtief böse – nicht nur ein bisschen.

Ich bin nun wirklich eher kein Freund von Liebesromanen, weil mir meist die Story zu flach ist. Aber hier ist die Geschichte tiefgängig und „Love“ ist mit heißer Erotik gespickt. Und es passt! Die Liebesgeschichten sind eher Privatsache der Protagonisten und der Leser darf daran teilnehmen. Oder anders ausgedrückt, selbst wenn die Liebesgeschichten nicht da wären, wäre immer noch der Ablauf wie aus kleinen Aufruhren eine spannende Revolutionsgeschichte da. Und das ist stark!

Dennoch wäre es traurig, wenn die Liebesgeschichten fehlen würden. Dadurch erfährt der Leser sehr viel über die Charaktere und kann sich mit ihnen identifizieren oder kann sie einfach mögen oder sogar lieben. Ich habe sogar geheult, als ein Botenkrieger von seinem Liebsten verraten und elend gemeuchelt wurde. Ach ist das schön, wenn man so richtig in der Geschichte drin ist.

Ich habe vor einigen Monaten „Planspiel Beta Atlantis“, den ersten Band der neuen Reihe Hedy Loewes gelesen, und hoffe, dass diese Serie sich auch so spannend entwickelt. Der erste Band hat das schon erreicht.

Ich vergebe insgesamt 5/5 Punkten.

@Hedy Loewe und Carlsen Verlag. Vielen Dank für das schöne Rezensionsexemplar!

Veröffentlicht am 11.06.2019

Kurzgeschichten aus dem wahren Leben

Das rote Notizbuch
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„DAS ROTE NOTIZBUCH“ VON PAUL AUSTER
ZUM INHALT „DAS ROTE NOTIZBUCH“
„Das rote Notizbuch“ von Paul Auster ist eine Sammlung von kurzen Geschichten, von denen keine länger als zehn Seiten ist. Es sind Erlebnisse ...

„DAS ROTE NOTIZBUCH“ VON PAUL AUSTER
ZUM INHALT „DAS ROTE NOTIZBUCH“
„Das rote Notizbuch“ von Paul Auster ist eine Sammlung von kurzen Geschichten, von denen keine länger als zehn Seiten ist. Es sind Erlebnisse aus dem „Real Life“ des Autors oder seinem Umfeld.

Bei der Recherche stieß ich auf den Text „Ein Leben in Worten“ von Paul Auster – Ein Gespräch mit Inge Brigitte Siegumfeldt“. Frau Siegumfeldt ist Professorin für Literaturwissenschaft in Kopenhagen und hat für eine Studie über Paul Austers Werk, über eine Dauer von drei Jahren, mit dem Autor intensive Gespräche zu den einzelnen Büchern geführt und in diesem Text niedergeschrieben. Auch „Das rote Notizbuch“ wurde besprochen.



PAUL AUSTERS GEDANKEN ZU „DAS ROTE NOTIZBUCH“
Paul Auster bezeichnet „Das rote Notizbuch“ als ars poetica.

Für den Autor zeigen diese Texte die „Mechanik der Realität“, er stellt fest, dass es seltsame Überschneidungen von Ereignissen geben kann, die wir manchmal als „schicksalhaft“ bezeichnen.

Es sind Geschichten, die man durchaus unterschiedlich interpretieren kann. Manche Deutungen schließen sich gegenseitig aus, dennoch sind beide gleich wahr.



Paul Auster erzählt in „Das rote Notizbuch“ Geschichten, die nicht in der Phantasie entstanden sind, sondern reale Erlebnisse sind. Er zeigt damit, wie komplex unser Leben ist.

Was ist Zufall? Was ist Schicksal? Haben wir einen freien Willen? Sind wir vorbestimmt? Manche Texte haben bei mir ein Gänsehautfeeling entfacht. Können solche Zusammenhänge wirklich Zufall sein?

Die Texte weisen aber auch darauf hin, dass Erinnerungen sehr subjektiv. Wir erinnern der Vergangenheit mit heutigem Wissen, Gefühlen und Werten. Vergangene Vorkommnisse werden durch Emotionen, Gerüche oder sonstige Empfindungen ausgelöst und bzw. oder verstärkt. Paul Auster erinnert sich voll Stolz an eine Begebenheit seiner Kindheit und befragt die andere an dieser Szene beteiligte Person, wie sie das Geschehen empfand. Aber die andere Person erinnert sich gar nicht mehr daran, weil sie die Wichtigkeit der Handlung damals gar nicht wahrnahm.

Wer kennt nicht den Spruch: „Und wenn du denkst es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her!“ Auch dazu gibt es eine Geschichte. Wenn so etwas passiert, ist man dankbar und verwundert.

Ich glaube, wir alle können mit solchen Geschichten aufwarten, der eine mehr, der andere weniger, weil er nicht darauf achtet.

Das Leben steckt voller Widersprüche. Dialektisch zieht es uns in unterschiedliche Richtungen, letztendlich werden wir nur glücklich, wenn wir die goldene Mitte wählen.

5/5 Punkten

SPRACHLICHE GESTALTUNG
Paul Auster sagt selbst, dass die kleinen Texte dem Aufbau von Witzen entsprächen. Es gibt Keine raffinierten Wortschöpfungen, nein! In minimalistischer Sprache läuft alles auf die Pointe zu.

Der Autor erzählt ohne Dramaturgie oder narrativen Kniffe. Es geht nur um den Inhalt und der spricht für sich selbst.

5/5 Punkten

COVER UND ÄUSSERE ERSCHEINUNG
Diese Originalausgabe gab es erstmalig vollständig 2012 bei New Directions, New York. Die Texte wurden zuvor schon in einer der u. g. Ausgaben veröffentlicht:

Englische Fassung „The Red Notebook and Other Writings“, London 1995

Deutsche Fassung: „Das rote Notizbuch“ Rowohlt 1996.

„Die Kunst des Hungers“ Rowohlt Paperback 1997

„Das rote Notizbuch“ erweiterte Neuausgabe 2001.


Das Buch ist ein wahres Schmuckstück. Wie bei mehreren Büchern von Paul Auster dominieren im Cover die Farben Rot, Schwarz und Weiß.

Der Untergrund ist ein dunkleres Grau, worauf P A U L A U S T E R D A S R O T E N O T I Z B U C H in genausolchen Lettern und ohne Zeilenumbruch gedruckt wurde. Der Name des Autors in Rot und der Titel in Schwarz. Rechts unten steht noch der Verlag, Rowohlt in kleineren Lettern. Das sieht richtig edel aus.

Das Buch wird im August als Taschenbuch von Rowohlt erneut herausgegeben.

5/5 Punkten

FAZIT
Paul Auster entdeckte ich über die Recherche zur Literatur seiner Frau Siri Hustvedt, die inzwischen zu meiner Lieblingsautorin wurde. Im Netz findet man gemeinsame Auftritte der beiden, die mein Interesse immer mehr wachsen ließen. Beide thematisieren Bereiche aus dem täglichen Leben und hinterfragen diese. Was hat dazu beigetragen, der Mensch zu werden, der man heute ist? Was wäre, wenn wir vor Jahren eine andere Entscheidung getroffen hätten. Jede Entscheidung, die wir treffen, hat weitreichende Folgen. Und dann gibt es noch genau diese Zufälle oder unbegreiflichen Zusammenhänge, wovon die Geschichten in „Das rote Notizbuch“ handeln.

Beim Lesen stelle ich mir die Frage, was will der Autor mit dem Text erreichen? Will er überhaupt etwas bezwecken? Oder ist es für den Autor ein Zwang, die Geschichte niederzuschreiben, ohne zu hinterfragen? Auch hier fragte ich mich, Was will Paul Auster mit dem kleinen roten Notizbuch den Lesern vermitteln?

Ich glaube, er möchte zeigen, dass wir, wenn wir mit offenen Augen durchs Leben gehen und vielleicht einmal innehalten, beobachten oder anderen Menschen zuhören, wir die unglaublichsten Zusammenhänge oder Zufälle entdecken.. Geschichten werden nicht nur erfunden. Sie geschehen in jeder Sekunde in unserem Leben, wir müssen sie nur sehen.

@Rowohlt: Vielen Dank für das wunderschöne Rezensionsexemplar!

Ich vergebe insgesamt 5/5 Punkten.