Ein großartiges Buch!
Mut. Machen. Liebe.Da die ersten beiden Jugendromane von Hansjörg Nessensohn absolute Highlights für mich waren, stand für mich sofort fest, dass ich auch sein drittes Buch unbedingt lesen muss. Auf „Mut. Machen. Liebe.“ ...
Da die ersten beiden Jugendromane von Hansjörg Nessensohn absolute Highlights für mich waren, stand für mich sofort fest, dass ich auch sein drittes Buch unbedingt lesen muss. Auf „Mut. Machen. Liebe.“ war ich mega gespannt.
Der 19-jährige Paul hat sich dazu entschlossen durch die italienische Pampa zu wandern, in der Hoffnung, auf dieser Reise einiges vergessen zu können: Seinen ehemals besten Freund Jonas, das furchtbare Video, mit welchem Jonas ihn heimlich geoutet hat...Gleich zu Beginn seines Selbstfindungstrip wird er die Bekanntschaft mit der 80-jährigen Liz machen. Sie wird zu seiner Reisebegleiterin werden und beginnt ihm auf ihrer gemeinsamen Wanderung die Geschichte von Helmut und Enzo zu erzählen.
Köln, Sommer 1957: Als Helmut dem italienischen Gastarbeiter Enzo das erste Mal trifft, fühlt er sich sofort zu ihm gezogen – und Enzo auch zu ihm. Helmut ist verwirrt und verunsichert. Er ist doch verlobt, mit seiner wundervollen Marlene, und wird sie demnächst sogar heiraten! Ein Kampf gegen die eigenen Gefühle beginnt, aber Helmut muss sich schließlich eingestehen: Das, was er für Enzo empfindet, ist wahre Liebe. Es ist aber eine Liebe, die nicht sein darf, die nach dem § 175 verboten und strafbar ist.
Dies war also mein drittes Werk aus der Feder von Hansjörg Nessensohn und auch mit diesem hat mir der deutsche Autor ein echtes Highlight bescheren können. Ich finde dieses Buch einfach nur großartig – meine (ziemlich hohen) Erwartungen konnten definitiv vollkommen erfüllt werden. Hansjörg Nessensohn hat mit „Mut. Machen. Liebe.“ einen überaus bewegenden und tiefgründigen Jugendroman aufs Papier gebracht, der wunderschön und schmerzhaft zugleich ist, voller Hoffnung steckt und viele wichtige Themen behandelt wie Selbstfindung, Freiheit, Mut, Freundschaft, Diversität und Queerfeindlichkeit.
Mich hat die Story von den ersten Seiten an in ihren Bann ziehen und durchgehend an die Seiten fesseln können. Es liest sich einfach unheimlich gut! Zum einen wäre da natürlich der flüssige und jugendliche Schreibstil von Hansjörg Nessensohn, der sich für mich erneut superangenehm und leicht hat lesen lassen. Und dann wäre da noch die äußerst gelungene Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird.
Das Buch besitzt zwei parallel laufende Handlungsstränge, die in verschiedenen Zeiten spielen: Der eine nimmt uns in die Gegenwart mit und erzählt von dem 19-jährigen Paul, der sich gerade auf einer Pilgerreise durch Italien befindet, um sich über einiges in seinem Leben klarzuwerden. Der andere entführt uns ins Jahr 1957 nach Köln und handelt von dem jungen Mann Helmut. Durch die ständigen Wechsel der beiden Erzählstränge entsteht ein enormer Lesesog, den man sich nicht mehr entziehen kann. Bei mir zumindest war es so. Ich habe das Buch kaum mehr aus der Hand legen können und regelrecht verschlungen.
Beginnen tut die Geschichte mit Paul, dessen Passagen wir aus seiner Sicht in der Ich-Perspektive erfahren. Wer die anderen beiden Jugendbücher von Hansjörg Nessensohn kennt, hat übrigens schon die Bekanntschaft mit Paul gemacht: Sowohl in „Und dieses verdammte Leben geht einfach weiter“ und in „Delete me“ hat er eine kleine Rolle gespielt. Der Autor hat also auch dieses Mal seine Werke ganz leicht miteinander verknüpft, dies allerdings so, dass sie trotzdem alleinstehende Werke sind. Finde ich richtig genial! Ich mag das irgendwie total gerne, wenn Autorinnen „alte“ Figuren aus vorherigen Büchern erneut einbauen, sodass die Erzählungen ein kleines bisschen in Verbindung stehen, aber dennoch Standalones sind.
Aber zurück zu unserem 19-jährigen Pilgerreisenden. Mir war Paul auf Anhieb sympathisch und da seine Empfindungen und Gedanken sehr glaubhaft und anschaulich dargestellt werden, habe ich mich jederzeit mühelos in ihn hineinversetzen können.
Mir ist Paul beim Lesen richtig ans Herz gewachsen. Er ist liebenswert, mutig und stark und besitzt trotz der schwierigen Zeit, in welcher er sich gerade befindet, eine erfrischend humorvolle Art. Ich habe ihn auf seiner Selbstfindungsreise wirklich nur zu gerne begleitet.
Auch die 80-jährige Liz, auf die Paul gleich zu Beginn seiner Wanderung stoßen wird, habe ich sofort in mein Herz geschlossen. Ich fand diese kluge alte Dame einfach nur klasse! So cool wie sie möchte ich in dem Alter auch gerne sein.
Zwischen Liz und Paul wird sich sehr schnell eine außergewöhnliche Freundschaft entwickeln und dies mitzuerleben hat mir richtig das Herz erwärmt. Unglaublich toll fand ich auch die tiefsinnigen Gespräche der beiden. Diese haben mich ebenfalls sehr bewegt.
Neben den rührenden Momenten hat mir das Duo aber auch jede Menge unterhaltsame Augenblicke beschert. Über das Zusammenspiel der zwei und ihre Schlagabtäusche habe ich mich an vielen Stellen bestens amüsiert.
Dank Liz werden wir Leserinnen und Paul die Geschichte von Helmut und dem Italiener Enzo kennenlernen. Auf ihrer gemeinsamen Reise wird sie ihrem jungen Begleiter stückchenweise von den beiden jungen Männern erzählen und wie die Figuren in der Gegenwart, so haben mir auch die Charaktere in der Vergangenheit wahnsinnig gut gefallen und auch deren Geschichten haben mich zutiefst berührt – und schockiert, wütend und traurig gemacht.
Hansjörg Nessensohn ist es in meinen Augen perfekt gelungen, ein völlig authentisches Bild von zwei schwulen Männern in den 50er Jahren zu skizzieren. Die langsam entstehende Liebe zwischen Helmut und Enzo wird so gefühlvoll und eindringlich dargestellt – gleichzeitig ist sie aber auch ungemein herzzerreißend. Ich fand es einfach nur schlimm zu sehen, wie Helmuts Umfeld auf seine Gefühle für Enzo reagiert und habe entsetzlich mit ihm mitgelitten. Homosexualität wurde damals als eine Krankheit angesehen und war laut dem Paragraphen 175 strafbar. Auch heute noch ist Queerfeindlichkeit leider nach wie vor in vielen Ländern stark vorhanden, aber es hat sich in den letzten Jahren zum Glück schon eine Menge getan, sodass es homosexuelle Menschen in unserer Gesellschaft inzwischen viel leichter haben. Ich hoffe so sehr, dass die Abneigung gegen die gleichgeschlechtliche Liebe irgendwann komplett vorbei sein und überall als genauso wundervoll und normal angesehen wird wie heterosexuelle Beziehungen.
Ich mochte sowohl die Erzählung in der Gegenwart als auch die in der Vergangenheit ungeheuer gerne und könnte gar nicht sagen, welche ich lieber gelesen habe. Mir hat es zudem extrem gut gefallen, wie Hansjörg Nessensohn die beiden Handlungsstränge miteinander verbunden hat.
Da mich auch das Ende vollkommen zufriedenstellen konnte, habe ich das Buch vollauf begeistert wieder zuklappen können, nachdem ich eine unvergessliche Zeit darin verbracht habe.
Fazit: Packend, ergreifend, intensiv – eine wichtige und schmerzlich-schöne Geschichte, die mitreißt und nachhallt!
Hansjörg Nessensohn hat mich auch mit seinem dritten Jugendroman auf ganzer Linie überzeugen und so richtig vom Hocker hauen können. Mich hat das Buch tief berührt, aufgewühlt und erschüttert, es hat mich traurig, wütend, glücklich und hoffnungsvoll gemacht und einfach nicht mehr losgelassen. Ich kann nur sagen: Unbedingt lesen! Lernt die wunderbaren Charaktere und ihre Geschichten kennen. Ich kann jedem, sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen, wirklich nur ans Herz legen „Mut. Machen. Liebe.“ zu lesen. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen!