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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.09.2022

Sanfter, vielschichtiger Roman

Jahre mit Martha
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„Jahre mit Martha“ war für mich ein echter Glückstreffer. Denn das Buch ist einfach eine Wucht. Es ist wundervoll geschrieben, erzählt nicht nur von einer ungewöhnlichen Liebe, sondern auch vom Erwachsenwerden ...

„Jahre mit Martha“ war für mich ein echter Glückstreffer. Denn das Buch ist einfach eine Wucht. Es ist wundervoll geschrieben, erzählt nicht nur von einer ungewöhnlichen Liebe, sondern auch vom Erwachsenwerden und dem Leben als Migrant in der der Bundesrepublik. Es ist ein Buch, über Begegnungen, die das Leben nachhaltig beeinflussen, über Erwartungshaltungen und das Zurückgewiesen werden. Und es klingt noch lange nach, nachdem man es aus der Hand gelegt hat.

Zum Inhalt: Jimmy, der eigentlich Željkos Draženko Kovačević heißt, und das Kind bosnischer Einwanderer ist, verliebt sich im Alter von 15 Jahren in die gut 20 Jahre ältere Martha. Sie ist Professorin in Heidelberg, er das Kind ihrer Putzfrau. Und trotzdem zieht es die beiden zueinander hin. Martha eröffnet Jimmy eine Welt der Bücher und der Kultur und nimmt ihn auf eine Art ernst, die er bisher nicht kannte. Die beiden bleiben über die Jahre in Kontakt, entwickeln sich zueinander hin und entfernen sich voneinander. Was bleibt ist eine prägende Zeit.

Die Geschichte umreißt einen jahrzehntelangen Zeitrahmen, die Übergänge in der Geschichte sind fließend, es werden hauptsächlich Schlüsselerlebnisse aus dem Leben von Jimmy erzählt. Dieser erzählt aus der Ich-Perspektive seine Erlebnisse, wie er Martha kennenlernte, wie sich ihre Wege kreuzten und verloren, wie sie einander wiederfanden und aufgaben. Er erzählt vom sozialen Aufstieg und dem Scheitern, von familiären Werten und der Suche nach der eigenen Identität. Die Erzählung wirkt wie eine Erinnerung, so als würde Jimmy uns Geschichten und Anekdoten aus seinem Leben erzählen. Die Wortwahl ist pointiert, man merkt Jimmy sein Bildungsniveau und die Liebe zu Worten, die er mit Zeitungen und Büchern kultiviert hat, an. Für den Leser ergibt sich daraus eine sprachlich versierte, clevere Erzählung, die ich beim Lesen sehr genossen habe.

Das Buch ist nicht einfach eine komplizierte Liebesgeschichte, wie man vielleicht auf den ersten Blick vermuten mag. Es geht viel um Herkunft und Heimat, um das Gefühl der Zugehörigkeit und das Leben als Migrantenkind. Jimmy will sich nicht mit dem Leben, das seine Eltern sich aufgebaut haben, abfinden. Er strebt nach höherer Bildung, nach Zugehörigkeit zu den kultivierten Kreisen der Gesellschaft, in denen sich Martha und auch sein Literaturprofessor an der Uni, bewegen.

Das Buch lässt sich wunderbar und flüssig lesen, die Ereignisse werden teilweise fast schon romantisch verklärt beschrieben, es erzeugt eine intime Atmosphäre, die zum Verweilen und Reflektieren einlädt. Es hat stellenweise was von einem Coming-Of-Age, lässt sich aber nicht in eine Schublade pressen. Für mich ein unerwartetes Highlight, bei dem ich gerne noch länger verweilt hätte. Ein Wahnsinns-Buch, das man lesen sollte.

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Veröffentlicht am 02.09.2022

Kurzweilige Kurzgeschichte

Ich verliebe mich so leicht
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Ein berühmter Name auf einem Buchcover ist immer eine gute Werbung, so auch bei „ich verliebe mich so leicht“ von Hervé Le Tellier, der mit einem Buch „Die Anomalie“ einen riesigen Erfolg gelandet hat. ...

Ein berühmter Name auf einem Buchcover ist immer eine gute Werbung, so auch bei „ich verliebe mich so leicht“ von Hervé Le Tellier, der mit einem Buch „Die Anomalie“ einen riesigen Erfolg gelandet hat. Auch das Cover mutet wieder ansprechend an, weckt in mir Sehnsucht und Fernweh und macht neugierig auf die Geschichte. Ich habe das Hörbuch gehört und war überrascht, dass das Vorlesevergnügen nur knappe 1,5 h umfasste; also eher Kurzgeschichtenformat hatte. Dafür erscheint mir der Preis ziemlich happig, wie ich zugeben muss. Trotzdem empfand ich die Geschichte als sehr kurzweilig, an „Die Anomalie“ reicht es aber definitiv nicht heran.

Zum Inhalt: ein 50-jähriger Mann reist von Paris nach Schottland, um dort seine zwanzig Jahre jüngere Geliebte zu besuchen. Liebestrunken, wie er ist, malt er sich die Begegnung in allen Farben aus. Die Angebetet scheint allerdings wenig erfreut zu sein, ihn anzutreffen. Sie hat ihn nicht eingeladen, schlimmer noch, verbringt sie ihre Zeit vor Ort lieber mit einem anderen Mann. Bedeutet das das Ende der Beziehung und der Geschichte?

Der auktoriale Erzähler dieses Buches hat mir richtig gut gefallen. Er spricht den Leser direkt an, adressiert ihn und wirkt dadurch wie ein plastischer Erzähler, jemand der mit im Raum steht, die Protagonisten beobachtet und über sie erzählt. Das fand ich irgendwie erfrischend und für diese Kurzgeschichte gut geeignet. Die Stimme des Vorlesers fand dich sehr angenehm, sie hat auch feine Untertöne gut rübergebracht, wirkte an den passenden Stellen schelmisch und hat viel zum Unterhaltungswert beigetragen. Die beiden Hauptcharaktere bleiben durch diese Art der Erzählung relativ unnahbar und blass, sie werden auch nicht mit Namen angesprochen, sondern immer nur mit „unser Held/unsere Heldin“.

Die Liebesgeschichte selbst wirkt sehr verkappt: ein Mann, der seiner Gespielin hinterherreist. Diese, so hat er scheinbar selbst bereits erkannt, begann sich ab dem Punkt zurückzuziehen, wo sie ernste Gefühle bei ihm wahrnahm. Er selbst ist zudem sehr auf sich selbst und seine Bedürfnisse fixiert, rechtfertig damit, sich seiner einstigen Geliebten quasi aufzudrängen und ist schlussendlich enttäuscht, wenn die ob seiner großen Gesten nicht vor Liebe zergeht. Und dann trifft unser Held auch noch eine potenzielle andere Liebeskandidatin.

Bevor die Geschichte richtig beginnen konnte, war sie quasi auch schon vorbei. Gut, der Handlungsstrang von Held und Heldin in Schottland war eigentlich auch durch, warum also diese unglückselige Begegnung weiter in die Länge ziehen. Das nimmt dem Buch halt aber auch die Tiefe. So bleibt es eine kurzweilige Kurzgeschichte. Kann man lesen, keine Frage, man verpasst aber nichts, wenn man es nicht tut. Für den Preis kann ich nicht zu einem Kauf raten.

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Nüchtern, aber irgendwie auch ernüchternd

Auf See
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Ich liebe Dystopien, deswegen dachte ich, dass diese doch sehr realitätsnahe, beunruhigend realistische Dystopie für mich genau das richtige sein könnte. Mit dem Cover kann ich ehrlich gesagt nichts anfangen, ...

Ich liebe Dystopien, deswegen dachte ich, dass diese doch sehr realitätsnahe, beunruhigend realistische Dystopie für mich genau das richtige sein könnte. Mit dem Cover kann ich ehrlich gesagt nichts anfangen, im Buchladen wäre ich da einfach drüber weggegangen. Vielleicht war für mich der Lesezeitpunkt einfach nicht der richtige, aber ich bin nicht so richtig an das Buch herangekommen und die Geschichte wirkte eher ernüchternd auf mich. Ich habe das Hörbuch gehört und werde vielleicht wenn es Zeit ins Land gegangen ist, nochmal einen Versuch mit dem Buch starten.

Zum Inhalt: Yada lebt in einer kommunenartigen Gemeinschaft einer selbstgegründeten Seestadt mitten in der Ostsee, die ihr Vater ins Leben gerufen hat. Diese isolierte Zone soll ihre Bewohner vor dem Chaos einer zusammenbrechenden Gesellschaft und dem Ende der freien Welt bewahren. Doch an der Umsetzung hapert es und die Insel zerfällt mit den Jahren. Yada macht die Entdeckung, dass der Rest der Welt vielleicht gar nicht so verloren ist, wie es ihr immer vorgemacht wurde.

Das Thema fand ich an sich erstmal unglaublich spannend und einfach sehr nahbar, weil es bei uns quasi um die Ecke spielt. Weltuntergang, freie Staatenbildung, Anarchie, Dystopie- ich liebe es. Ich hatte allerdings bei diesem Buch das Gefühl, dass das Thema Dystopie und Weltenchaos schnell in den Hintergrund gedrängt wurde und einer extravaganten Familiengeschichte Platz gemacht hat, was ich so nicht erwartet hatte. Yada ist die Protagonistin, die auch in der Ich-Perspektive erzählt. Ihre Erzählstränge werden aber immer wieder von Helena, einer Künstlerin und selbstgeschaffenen Prophetin, unterbrochen. Für mich hat das den Lesefluss gestört und tatsächlich Spannung rausgenommen. Ich muss mich nach dem Perspektivenwechsel immer wieder kurz neu orientieren.

Ich weiß nicht, ob es am Hörbuch lag, Theresia Enzensberger liest ihr Buch selbst. Die Erzählwiese ist sehr nüchtern gehalten, was mir anfangs auch gut gefallen hat, die Sprechtonus wirkte auf mich nach einiger Zeit aber dann doch sehr monoton und ermüdend, sodass ich nicht länger am Stück hören konnte und dadurch auch immer wieder auf der Geschichte geworfen wurde. Der Twist der Geschichte war eigentlich schon vorhersehbar, über die Umsetzung des ganzen bin ich auch Tage nachdem ich das Buch beendet habe, immer noch sehr unschlüssig.

Das Buch konnte mich als Hörbuch leider nicht fesseln. Vielleicht passt dieses Buch auch einfach nicht in meinen Lesealltag und ich muss mir nochmal eine ruhige Woche nehmen, um mich dem ganzen anders anzunähern. Da das Buch auf der Longlist für den Buchpreis steht, muss ja was dran sein. Ich war allerdings ziemlich ernüchtert und würde es daher erstmal auch nicht weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Achterbahn der Gefühle

Zehn Jahre du und ich
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„Zehn Jahre du und ich“ hat so ein richtig kitschiges Cover. So richtig Romcom-kitschig, dass man eigentlich schon weiß man zu erwarten hat, nämlich einen Katherine Heigl Film im Buchformat. Und was soll ...

„Zehn Jahre du und ich“ hat so ein richtig kitschiges Cover. So richtig Romcom-kitschig, dass man eigentlich schon weiß man zu erwarten hat, nämlich einen Katherine Heigl Film im Buchformat. Und was soll ich sagen- genau so war es. Das Buch ist eine klassische Romcom in Stile Enemies to Lovers und sie hat mich zum Lachen, zum Weinen und zum Verzweifeln gebracht. Dieses Buch war eine echte Achterbahnfahrt.

Zum Inhalt: Becca und Ally sind beste Freundinnen seit Kindertagen. Und auch nachdem Ally David gefunden hat, dem Becca nichts abgewinnen kann, bleiben die beiden eng verbunden. Bis Ally stirbt und sich plötzlich alles ändert. Das sollte das Ende von Beccas und Davids Geschichte sein, aber es gerade erst der Anfang. Denn Ally hat einen Plan für die beiden.

Die Charaktere sind einfach fantastisch ausgearbeitet und Becca und David sind so richtige „Typen“, bedienen das eine oder andere Klischee und wirken einfach wahnsinnig plastisch. Zu Anfang vielleicht nicht unbedingt sympathisch, dafür fand ich beide zu eigensinnig, aber mit dem Verlauf der Geschichte lernt man beide schätzen und lieben. Auch wenn es mit David bei mir länger gedauert hat, nachdem er ziemlich zu Anfang einen saublöden Kommentar in Beccas Richtung bringt, der einfach so typisch Macho ist, dass ich ihn kurz mal richtig ätzend fand.

Die Geschichte bewegt sich sehr geschmeidig zwischen humorvollen, bissigen und emotionalen Episoden und hat von allem etwas. Es wird gelacht, geweint, getrauert, geliebt, gehasst und gehofft. Und bei mir als Leser ist wahnsinnig viel davon angekommen, was ich so überhaupt nicht erwartet hatte. Natürlich alles wahnsinnig idealisiert, dass der Plan der toten Freundin so 1a aufgeht und das Leben ihrer zwei liebsten Menschen sich in genau den Bahnen bewegt, die sich sich erhofft hat. Aber für diese Vorhersehbarkeit liest man ja teils auch solche Bücher.

Abgesehen davon, dass das Buch thematisch halt absolut nichts neues war, hat es mich sehr gut unterhalten und sich fantastisch lesen lassen. Starke 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Wie gut kennst du deine Nachbarn?

Was nebenan passiert ist
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„Was nebenan passiert ist“ hat ein sehr auffälliges Cover, das an andere Bücher aus dem Thriller-Genre erinnert. Das irritiert mich immer ein bisschen, weil ich direkt Assoziationen mit einer anderen Autorin ...

„Was nebenan passiert ist“ hat ein sehr auffälliges Cover, das an andere Bücher aus dem Thriller-Genre erinnert. Das irritiert mich immer ein bisschen, weil ich direkt Assoziationen mit einer anderen Autorin hatte. Ansonsten finde ich es optisch für einen Thriller sehr passend und einen echten Eyecatcher. Inhaltlich hat mich das Buch total überrascht, das Buch ist ein wendungsreicher, packender Thriller.

Zum Inhalt: Friederike hatte sich ihren Umzug in die ruhige Wohngegend des Düsseldorfer Vorstadtgebiets eigentlich anders vorgestellt. Mit ihrem Mann wollte sie eine Familie gründen, zur Ruhe kommen, häuslich werden. Stattdessen geht ihr Mann für einen Job nach München und Friederike verliert ihr Kind. Trost sucht sie in der Familie ihrer Nachbarin Alexa, deren Kinder es ihr besonders angetan haben. Bis ist eines Nachmittags die Nachbarstochter tot in ihrem Zimmer auffindet, den Vater schwer verletzte daneben. Von Alexa und ihrer anderen Tochter Rebecca keine Spur. Was ist nebenan passiert?

Die Geschichte wird aus Friederikes Perspektive erzählt, was den Leser auf zweierlei Art an ihrer Beschreibung der Vorkommnisse zweifeln lässt: erstens war sie selbst nicht anwesend und kann daher keine Fakten, sondern nur Mutmaßungen liefern. Zweitens wirkt sie als sehr unzuverlässige Erzählerin, da der Leser immer mehr von ihren eigenen, psychischen Problemen erfährt. Das lässt den Leser natürlich an allem zweifeln, was sie erzählt. Sie wirkt oft nicht vertrauenswürdig, hat aggressive Mordfantasien und wird immer verzweifelter in ihrem Wunsch nach einem Kind. Das hat die Autorin geschickt eingefädelt, dass ausgerechnet ihre Perspektive die ist, die der Leser teilt.

Es werden die Ereignisse vor und nach dem Mord geschildert, wobei nicht nur Alexas Leben auf den Prüfstand gestellt wird, sondern auch Friederikes Ehe. Besonders Friederikes unerfüllter Kinderwunsch ist ein zentrales Thema im Buch, was Friederike einerseits nahbar macht, aber auch die ganze Bandbreite ihrer Unsicherheiten und menschlichen Abgründe offenbart. Der Leser kann im Buch eigentlich niemandem so recht trauen, alle wirken auf ihrer Art verdächtig, auch wenn niemand ein schlüssiges Motiv zu haben scheint. Es hat mir sehr gefallen, wie hier mit dem Leser gespielt wird.

Das Buch ist wirklich fesselnd, auch wenn der eigentliche Mord nur kurz erwähnt wird und nur den Rahmen für die restliche Handlung vorgibt. Aber diese Unterschwellige Bedrohlichkeit, die Anschuldigungen und Vorwürfe sorgen dafür, dass man als Leser dranbleiben und den Fall lösen will. Die eigentliche Auflösung habe ich tatsächlich nicht kommen sehen, was ich super fand.

Alles in allem hat mir das Buch unerwartet gut gefallen. Die Autorin hat es geschaffte, die Ereignisse und Personen sehr bildhaft darzustellen, sodass ich mich gut in die Geschehnisse hineinversetzen konnte. Ein wirklich stimmungsvoller Thriller, und das ganz ohne blutige und grausame Passagen!

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