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Veröffentlicht am 07.07.2021

Sam und Lucy

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
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Wie viel von diesen Hügeln ist Gold – C. Pam Zhang

Wow, was für eine Geschichte! Wie eine Naturgewalt hat mich der Sog mitgerissen und nur schwerlich wieder ausgespuckt. Dieses bemerkenswerte Debüt lebt ...

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold – C. Pam Zhang

Wow, was für eine Geschichte! Wie eine Naturgewalt hat mich der Sog mitgerissen und nur schwerlich wieder ausgespuckt. Dieses bemerkenswerte Debüt lebt vom großen schriftstellerischen Talent der Autorin und einem starken, sehr besonderen Erzählton.

Zwei Geschwister, Sam und Lucy, sind allein unterwegs mit ungewissem Ziel. Sie sind Waisen und in diesem Land niemals wirklich angekommen – obwohl beide hier im Wilden Westen, zur Zeit des Goldrausches geboren wurden. Sie führen ein Pferd mit sich und eine große Kiste mit der Leiche ihres Vaters.

Es ist eine Geschichte über die Suche nach Wurzeln, nach der eigenen Identität. Auch über tiefsitzenden Rassismus und festgelegte Geschlechterrollen. Und darüber, was der Verlust eines Elternteils auslösen kann. Über Verrat und Verzweiflung. Und über die Hoffnung, doch noch Gold zu finden und es auf die Sonnenseite des Lebens zu schaffen. Vor allem eine Geschichte über die verzweifelte Suche nach einem Zuhause. Es sind also eine ganze Menge Themen, denen sich die Autorin hier zuwendet. Das eigentlich besondere an diesem Werk ist aber die literarische Umsetzung. Denn die ist grandios.

Ein beinahe poetischer Schreibstil, der die Rauheit des Wilden Westens perfekt mit den Märchen und Sagen aus der chinesischen Mythologie verbindet. Poetisch und tiefsinnig greift die Autorin existenzielle Fragen auf, spielt mit ihren Lesern und deren (verborgenen) Vorurteilen. Immer wieder wird man auf eine falsche Fährte geführt, dazu gezwungen, sich mit all diesen Themen auseinanderzusetzen. Immer wieder ist dieser Roman für eine Überraschung gut. Das beginnt bereits bei der Einteilung.  Die Geschichte ist in vier Teile gegliedert – und jeder davon überrascht,  ist völlig anders als der vorhergehende und trotzdem passend.  In jedem neuen Teil werden Überzeugungen über den Haufen geworfen, eine neue Sicht der Dinge präsentiert.

Es ist eine überragende Atmosphäre, der man bei dieser Lektüre ausgesetzt ist. Leider ist es zwar eine sehr düstere, unheilschwangere Grundstimmung, aber fesselnd. Grausame, brutale Szenen werden mit wenigen Worten umrissen und wirken dadurch nur noch umso stärker.

Auf jeden Fall ein Leseerlebnis der besonderen Art. Man muss sich darauf einlassen,  es lohnt sich.

Edit: noch Tage nach der Lektüre lässt mich die Geschichte nicht los, hadere ich mit dieser oder jener Entwicklung. Die beiden Kinder sind beinah lebendig geworden, ihr Schicksal hat mich sehr berührt.

5 Sterne und eine dringende Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 03.07.2021

Szenen einer Ehe

Der Brand
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Der Brand – Daniela Krien
Dieser Roman der hochgelobten Autorin soll eine Ehe thematisieren, aus der sich nach vielen gemeinsamen Jahren die Liebe verflüchtigt hat. Das tut er auch, aber nicht besonders ...

Der Brand – Daniela Krien
Dieser Roman der hochgelobten Autorin soll eine Ehe thematisieren, aus der sich nach vielen gemeinsamen Jahren die Liebe verflüchtigt hat. Das tut er auch, aber nicht besonders intensiv. Dafür beschäftigt er sich zusätzlich noch mit viel zu vielen großen Themen – leider alles nur am Rande. Mehr ist auf gut 260 Seiten auch gar nicht möglich.
Rahel und Peter sind seit dreißig Jahren verheiratet und haben sich in letzter Zeit ziemlich entfremdet. Woran liegt das? Bis zu welchem Grad ist sowas normal? Fragen, die sich wohl fast jeder selbst einmal stellt. Ein geplanter Urlaub fällt ins Wasser, dafür müssen sie kurzfristig für drei Wochen das Haus eines befreundeten Ehepaars hüten. Die beiden wechseln sich damit ab, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen, eine Annäherung findet nur zögerlich statt.
Über diese Ehe erfährt man leider gar nicht so viel, wie es der Klappentext vermuten lassen würde. Vielmehr reißt die Autorin noch etliche andere Themen an. Das schwierige Verhältnis zur Tochter, die noch schwierigere Beziehung zur bereits verstorbenen Mutter, die Frage, wer eigentlich der eigene Vater ist, psychische Erkrankungen, Älterwerden,… Im Prinzip erfährt man die Dinge ausschließlich aus Rahels Sicht. Und über allem eine große Sprachlosigkeit.
Was man Frau Krien zugutehalten muss, ist ihr wunderbarer Sprachstil. Sie hat eine besondere Art, sich auf die kleinen Dinge zu konzentrieren. Es ist eine schöne Sprache, die man gerne liest. Einige wunderbare Textstellen sind zu finden, poetisch und einfach das wahre Leben. Ungeschönt und wahr.
Leider täuscht das für mich nicht darüber hinweg, dass der Inhalt nicht hält, was er verspricht. Das eigentliche Grundthema wurde nicht richtig ausgearbeitet. Viele zusätzliche Themen werden angerissen und so stehen gelassen. Insgesamt gibt das ein eher unrundes Bild. Die Handlung hat etwas Alltägliches, gar belangloses. Am Ende konnte sie mich leider nicht wirklich berühren. Davon hatte ich mehr erwartet.
3 Sterne.

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Veröffentlicht am 29.06.2021

Stürmische Zeiten

Der Windhof
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Dieser Roman verbindet zwei berührende Frauenschicksale miteinander.
Mel hat nach dem Tod ihres Mannes große Schwierigkeiten wieder zurück ins Leben zu finden. Erst als ihre Oma Lene stürzt und auf ihre ...

Dieser Roman verbindet zwei berührende Frauenschicksale miteinander.
Mel hat nach dem Tod ihres Mannes große Schwierigkeiten wieder zurück ins Leben zu finden. Erst als ihre Oma Lene stürzt und auf ihre Hilfe angewiesen ist, beginnt sie ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Sie fährt zu ihr auf den Windhof im Westerwald. Dort findet sie langsam wieder zu sich selbst. Lene erzählt von ihrem bewegten Leben und ihrer Liebe während des Zweiten Weltkriegs. Und Mel fängt an, eine Zukunft für sich selbst zu sehen, vielleicht mit dem netten Landarzt ihrer Oma?

Ein klassischer Frauenroman mit viel Liebe und noch mehr Gefühlen. In weiten Teilen auch sehr vorhersehbar, aber auch das gehört dazu. Ab und an lese ich solche Romane mittlerweile sehr gerne und so konnte mich auch dieser in seinen Bann ziehen. Wobei ich persönlich auf die Kriegsgeschichte verzichten hätte können. Aber trotzdem - schön geschrieben, ein sehr gefühlvoller Roman fürs Herz.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 27.06.2021

Fangarme der Mafia

Der Tintenfischer
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Der Tintenfischer – Commissario Morello ermittelt in Venedig – Wolfgang Schorlau

Das ist der zweite Band einer Krimireihe, wobei ich den ersten nicht kannte und das für mich kein Problem darstellte.

Alles ...

Der Tintenfischer – Commissario Morello ermittelt in Venedig – Wolfgang Schorlau

Das ist der zweite Band einer Krimireihe, wobei ich den ersten nicht kannte und das für mich kein Problem darstellte.

Alles beginnt mit dem versuchten Selbstmord eines jungen Nigerianers, der sich im coronabedingt menschenleeren Venedig von einer Brücke stürzt. Antonio Morello und seine Kollegin Anna Klotze können ihn retten und geraten unversehens in ein Geflecht aus sizilianischer und nigerianischer Mafia. Die beiden reisen Hals über Kopf nach Sizilien, der Heimat Morellos. Dort allerdings warten seine alten Feinde der Mafia bereits darauf, ihm den Garaus zu machen.

Dieser Krimi ist sehr politisch und sehr gut recherchiert. Es gibt zahlreiche wissenswerte Fakten zu aktuellen Themen unserer Zeit. Doch auch das italienische Lebensgefühl kommt nicht zu kurz. Insbesondere der kulinarische Genuss spielt eine wichtige Rolle. Hinten im Buch werden dazu sogar noch die passenden Rezepte geliefert. Herrlich!

Morello und Anna Klotze sind angenehm authentische und sympathische Ermittler, zwischen denen es humorvoll knistert. Der Schreibstil ist dabei gehoben und sehr passend.

Die ein oder andere glückliche Wendung kann man mit Sicherheit als unwahrscheinlich kritisieren. Irgendwie kommen die beiden immer wieder nur um Haaresbreite davon. Aber egal – für mich hat das insgesamt schon gepasst!

Eine Lektüre, die ich sehr genossen habe. Auf jeden Fall werde ich diese Reihe im Auge behalten! Sehr gute 4 Sterne von mir!

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Veröffentlicht am 25.06.2021

Über die Verwicklungen der Liebe

Schicksal
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Schicksal – Zeruya Shalev

Zeruya Shalev ist eine bekannte Stimme israelischer Literatur, auch wenn dies für mich ihr erster Roman war. Erwartet habe ich geschichtliche Hintergründe über das Land Israel ...

Schicksal – Zeruya Shalev

Zeruya Shalev ist eine bekannte Stimme israelischer Literatur, auch wenn dies für mich ihr erster Roman war. Erwartet habe ich geschichtliche Hintergründe über das Land Israel und das heutige Zusammenleben zwischen den Religionen und Kulturen. Dass eben dies meiner Meinung nach zu kurz kommt, ist mein größter Kritikpunkt.

Atara sucht nach dem Tod ihres Vaters Meno dessen erste Frau Rachel auf, mit der er gemeinsam im Untergrund gekämpft hatte. Von ihr erhofft sie sich Antworten über die Vergangenheit des Vaters, dem sie nie nahekommen konnte. Das ist die Ausgangssituation dieses Romans. Bald konzentriert sich der Fokus der Geschichte jedoch auf die abgekühlte Ehe Ataras. Shalev beschreibt diese Szenen einer enttäuschten Liebe sehr authentisch und realitätsnah. Es ist eine lesenswerte, gnadenlos ehrliche Sicht auf diese Beziehung. Eine Liebe auf dem Seziertisch quasi. Dann kommt es zu einer Katastrophe und ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich die Handlung leider kaum noch weiter. Gerade der Handlungsstrang um Rachel gerät sehr in den Hintergrund. Und so gerät diese Geschichte zu einer Beziehungsanalyse und Aufarbeitung diverser Kindheitstraumata. Das ist durchaus lesenswert, könnte im Prinzip aber überall spielen. Das Potenzial des Schauplatzes Israel sehe ich leider etwas verschenkt.

Sprachlich bewegt sich Frau Shalev auf höchstem Niveau. Literarisch hochwertig und poetisch entführt sie ihre Leser tief in die Gedankenwelt ihrer weiblichen Protagonistinnen Atara und Rachel. Es ist ein Lesegenuss. Schade nur, dass mich die Entwicklung der Handlung nicht ebenso begeistern konnte. Deshalb gibt es von mir hier 4 Sterne.

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