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Veröffentlicht am 06.04.2025

Der Mann am Os

Ósmann
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Osmann – Joachim R. Schmidt
Der Mann am Os
Ein weiterer isländischer Roman um die Zeit um 1900, der die langsame Hinwendung dieses abgelegenen Landstrichs und seiner manchmal recht speziellen Bewohner, ...


Osmann – Joachim R. Schmidt
Der Mann am Os
Ein weiterer isländischer Roman um die Zeit um 1900, der die langsame Hinwendung dieses abgelegenen Landstrichs und seiner manchmal recht speziellen Bewohner, zur Moderne thematisiert. Literarisch lohnte sich eine Reise nach Island bisher für mich meistens. Im Besonderen begleitet dieses vorwiegend traurige Werk einfühlsam, aber mit dem typisch isländischen trockenen Humor, das Leben eines Mannes, der tatsächlich gelebt hat.
"Er war Jon Magnusson, der Mann am Os, er spielte die Rolle des Fährmanns, die Rolle seines Lebens, alles andere wäre gelogen."
Es ist eine ganz besondere Erzählweise aus einer Perspektive, die sich erst ganz gegen Ende wirklich zu erkennen gibt und die ganz wunderbar den Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne beleuchtet. Sehr geschickt und geheimnisvoll erzählt, erschafft der Autor eine wunderbare Atmosphäre.
Ein wirklich entbehrungsreiches, karges Leben mit vielen Schicksalsschläge, das Osmann und seine Zeitgenossen da führen. Osmanns Leben wird nur in Schlaglichtern auf seine wichtigen Meilensteine beleuchtet. Auch wenn viele Jahre vergangen sind, reichen wenige Worte aus um zu wissen, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen ist. Durchaus empathisch, doch auch ein wenig lakonisch, gibt der Erzählstil wunderbar das Lebensgefühl jener Zeit wieder.
"Ja, damals wurde viel und dumm gestorben."
Man muss sich ein wenig Zeit nehmen um sich auf diese nicht ganz leicht zugängliche Geschichte einzulassen. Dann jedoch entfaltet sich eine wunderbar authentische Atmosphäre und ein Panorama des Island jener Zeit.
Klasse! 5 Sterne


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Veröffentlicht am 02.04.2025

Abgründe

Mathilda
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Mathilda – Mary Shelley
Dies ist der zweite Roman der Autorin, der jedoch zu Lebzeiten nicht veröffentlicht wurde.
Bisher kannte ich nur „Frankenstein“ aus ihrer Feder und war sehr gespannt auf diesen ...

Mathilda – Mary Shelley
Dies ist der zweite Roman der Autorin, der jedoch zu Lebzeiten nicht veröffentlicht wurde.
Bisher kannte ich nur „Frankenstein“ aus ihrer Feder und war sehr gespannt auf diesen Klassiker. Wie auch ihr Erstlingswerk fällt auch dieser Roman durch eine extrem düstere, geradezu apokalyptische Atmosphäre auf.
Die gerade einmal 20jährige Mathilda zieht sich völlig von der Welt zurück und gibt sich ganz ihrer drängenden Todessehnsucht hin. Vorgeschichte: nach 16jähriger Abwesenheit taucht ihr Vater (der den Tod der Ehefrau ebenso lange nicht verwinden konnte) in ihrem Leben auf und entwickelt mehr als nur Vatergefühle seiner Tochter gegenüber. Diese Begegnung endet tragisch und Mathilda ist der Meinung, von nun an nur noch fern der restlichen Menschheit auf ihren Tod warten zu können.
Man vermutet es wohl schon, ich konnte ehrlicherweise weder Handlungen noch Gefühle der Protagonisten wirklich nachvollziehen. Alles ein wenig sehr melodramatisch. Die schweren Themen Inzest (obwohl hier nicht wirklich was passiert) und Todessehnsucht ziehen sich nicht nur durch Mary Shelleys Werk, sondern haben wohl laut Nachwort auch autobiographische Hintergründe. Da ich schon einiges über die Autorin gelesen habe, fand ich das sehr spannend.
Wo die überwältigende Einsamkeit und Trauer, das Wissen um die Andersartigkeit bei „Frankenstein“ ergreifend und poetisch waren, berührten mich ganz ähnliche Monologe bei Mathilda weit weniger. Ist ihr Schicksal doch weitgehend ein selbstgewähltes.
Lesenswert – 3 Sterne

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Veröffentlicht am 31.03.2025

Trauerarbeit

Der Junge
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Der Junge – Fernando Aramburu
Ein neues Werk des spanischen Autors des Bestsellers „Patria“. Anders als jenes, ist dieses jedoch mit 256 Seiten ein eher schmales Bändchen.
Es ist ein schreckliches Unglück, ...

Der Junge – Fernando Aramburu
Ein neues Werk des spanischen Autors des Bestsellers „Patria“. Anders als jenes, ist dieses jedoch mit 256 Seiten ein eher schmales Bändchen.
Es ist ein schreckliches Unglück, bei dem der sechsjährige Nuco, sowie 49 weitere Kinder und drei Lehrer, 1980 bei der Explosion im Keller seiner Schule ums Leben kam. Dieser Roman beschäftigt sich mit dem riesigen Verlust und den extrem unterschiedlichen Möglichkeiten für die Angehörigen damit umzugehen.
Während Nucos Vater, Jose Miguel, die Ereignisse schnell hinter sich lassen will und Erinnerungen vermeidet, lässt die Mutter Mariaje der Verlust nicht los. Sehr verständlich, obwohl auch sie zur eher pragmatischen Sorte gehört.
Besonders spannend fand ich die Figur des Großvaters Nicasio. Um nicht daran zu zerbrechen, weigert er sich einfach, den Tod des Enkels anzuerkennen. Weiterhin geht er mit ihm an der Hand spazieren und führt Gespräche mit ihm. Schwierig wird da vor allem der Kontakt mit seiner Tochter Mariaje, die davon nichts hören will. Und dann verschwindet Jose Miguel.
Es ist eine verwobene Familiengeschichte, die immer wieder für eine Überraschung gut ist. Wie inhaltlich, ist dieser Roman auch erzähltechnisch extravagant. Nicht nur, dass die Geschichte immer wieder von unterschiedlichen Figuren aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, nein, auch der Text selbst kommt zu Wort.
Ein Roman, der zeigt, wie unterschiedlich Trauerarbeit aussehen kann. Sehr berührend und ruhig – extrem menschlich. Wunderbar erzählt.
5 Sterne

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Veröffentlicht am 29.03.2025

Abschied

Im Schnee
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Im Schnee – Tommie Goerz
Vor etwa einem Jahr konnte mich das Debüt des Autors von sich überzeugen, nun hat mir auch sein neues Werk „Im Schnee“ ganz hervorragend gefallen. Die Themen sind ähnlich: ein ...

Im Schnee – Tommie Goerz
Vor etwa einem Jahr konnte mich das Debüt des Autors von sich überzeugen, nun hat mir auch sein neues Werk „Im Schnee“ ganz hervorragend gefallen. Die Themen sind ähnlich: ein einsamer, alternder Mann, der auf sein gelebtes Leben zurückschaut und das ganz spezielle Einfühlungsvermögen, mit Tommie Goerz vom einfachen Leben auf dem Dorf und den einfachen Leuten erzählt.
Die Totenglocke läutet für den Schorsch, der ein besonderer Freund des Ich-Erzählers Max gewesen ist. Wie das auf dem Land so üblich ist, gibt es eine Totenwacht für den Schorsch. Es wird sich erinnert und erzählt, getrunken und gelacht. Die Erinnerungen gehen teilweise weit zurück und betreffen oft die ganze Dorfgemeinschaft und schweifen auch häufig vom Schorsch ab. So eine Dorfgemeinschaft hält zusammen, komme, was wolle – und so gibt es auch die ein oder andere unschöne Geschichte, die da zu Tage kommt.
„Doch, wenn man schweigt, kommt man sehr gut miteinander aus. Worüber man nicht spricht, das gibt es nicht. Alte Dinge rührte man nicht an. Man wollte, man musste ja zusammenleben.“
Der Autor liefert ein sehr authentisches Bild einer Dorfgemeinschaft – mit den positiven wie den negativen Seiten. Es scheint mir, ich bin in einem ganz ähnlichen Dorf aufgewachsen, denn ja, genauso war es und ich glaube dort und mancherorts ist es noch immer so – an solchen Orten laufen die Uhren einfach langsamer. Und so wie Tommie Goerz das erzählt, muss er dabei gewesen sein. Es ist die Sprache, der Umgangston, die Begebenheiten – als Städter kann man das gar nicht so schreiben.
Es ist ein Abschied und die Rückschau auf ein Leben, auf ein Miteinander mit schrulligen Nachbarn, auf tragische Schicksalsschläge und fragwürdige Entscheidungen, die eigentlich keine waren. Denn „das war bei uns schon immer so“.
Ein sehr leises, nachdenkliches Buch, das in weniger als 200 Seiten eine intensive Atmosphäre zaubert und sicherlich lange im Gedächtnis bleibt.
Ganz große klasse, 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 27.03.2025

Das Mädchen und der Bär

Pearly Everlasting
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Pearly Everlasting – Tammy Armstrong
Ganz besonders ist diese Geschichte über eine berührende Freundschaft zwischen einem Mädchen und einem Bär in Kanada um 1934.
Pearly bezeichnet Bruno als ihren Bruder ...

Pearly Everlasting – Tammy Armstrong
Ganz besonders ist diese Geschichte über eine berührende Freundschaft zwischen einem Mädchen und einem Bär in Kanada um 1934.
Pearly bezeichnet Bruno als ihren Bruder und tatsächlich kamen die beiden im selben Winter zur Welt und wurden von Pearlys Eltern mitten im Wald in einem Holzfällercamp aufgezogen. Als die beiden fünfzehn sind, geschieht ein Mord im Camp und Bruno wird beschuldigt und weggebracht. Das Mädchen macht sich auf den Weg durch die winterlichen kanadischen Wälder um Bruno zu suchen.
Man erfährt viel über das einfache, kärgliche Leben in den Wäldern Kanadas – viel über Entbehrungen und harte Arbeit, aber eben auch über die Schönheit der Natur und die Segen des Aufwachsens in ebendieser.
Neben der tiefen Freundschaft zwischen Mädchen und Bär ist dies in erster Linie eine fesselnde Abenteuergeschichte. Beide müssen gefährliche Situationen bewältigen, in einer Zeit völlig frei von moderner Technik.
Es ist eine komplexe Geschichte, toll erzählt, sehr literarisch teilweise, aber auch eingängig und fesselnd. Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen, dennoch hat mir noch irgendetwas gefehlt, das ich nicht zu fassen bekomme.
4 Sterne


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