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Veröffentlicht am 14.06.2024

Die Samen

Die Zeit im Sommerlicht
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Die Zeit im Sommerlicht - Ann-Helen Laestadius
Ein berührender Roman über ein dunkles Kapitel der schwedischen Geschichte: die Nomadenschulen und deren (Um-)Erziehungsmethoden. Eine Maßnahme, die zum weitreichenden ...

Die Zeit im Sommerlicht - Ann-Helen Laestadius
Ein berührender Roman über ein dunkles Kapitel der schwedischen Geschichte: die Nomadenschulen und deren (Um-)Erziehungsmethoden. Eine Maßnahme, die zum weitreichenden Trauma über Generationen führte.
Fünf samische Kinder, die aus ihren Familien gerissen und in ein solches Nomaden-Internat gesteckt wurden, werden in diesem Roman vorgestellt. Doch nicht nur die schwere Schulzeit dieser Kinder ist ein Thema – viele weitere Handlungsstränge spielen in der Zukunft, zeigen diese Kinder als Jugendliche, Erwachsene, Eltern, Partner. Und hier wird bedrückend klar, welch große Schäden diese Menschen davongetragen haben. Diverse Traumata, der Verlust der eigenen Kultur und Sprache, ein Gefühl der Wurzellosigkeit. Fünf Figuren, die allesamt unterschiedlich mit ihren seelischen Verletzungen umgehen, ihren Schmerz teilweise auch an die nächste Generation weitergeben.
Dass diese Zeit in der Nomadenschule für die Kinder hart war, wird schnell klar. Dieses Thema alleine hätte aber keinen Roman gefüllt. Extrem spannend fand ich daher die Frage, wie sich derartige Erziehungsmethoden auf die betroffenen Personen auswirken, auf ihre Familien und Nachkommen.
Nebenher erfährt man noch so einiges über die Kultur der Samen, ihre Schwierigkeiten in der Gesellschaft und die Rentierzucht.
Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht ganz leicht. So viele verschiedene Namen, in verschiedenen Zeiten. Die Handlung springt munter vor und zurück und es dauert ein wenig, bis man sich zurechtfindet.
Dass es derartige „Umerziehungsanstalten“ auch in Europa gegeben hat, war mir bislang unbekannt. Eine beeindruckende und erschreckende Lektüre. Toll geschrieben, hat mich sehr berührt.
5 Sterne

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Toni

Im Tal
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Im Tal – Tommie Goerz
Ein Tal in der fränkischen Schweiz und sein Bewohner Toni Rosser, die tragische Hauptfigur dieses beeindruckenden Romans. Denn Toni, der ohne Mutter und mit einem tyrannischem Vater ...

Im Tal – Tommie Goerz
Ein Tal in der fränkischen Schweiz und sein Bewohner Toni Rosser, die tragische Hauptfigur dieses beeindruckenden Romans. Denn Toni, der ohne Mutter und mit einem tyrannischem Vater in einem abgelegenen Tal in der fränkischen Schweiz aufwächst, schafft es zeitlebens nicht, seiner kaltherzigen Kindheit zu entkommen. Diese Geschichte umfasst das ganze Leben Tonis – von seiner Geburt 1897 bis zu seinem Tod im Jahre 1968. Immer wieder zieht es den erwachsenen Toni hinaus in die Welt und immer wieder kehrt er doch in sein Tal zurück. Glücklich wird er nirgendwo und einsam ist er immer und überall. Zwei große Kriege erlebt und überlebt er, doch die Schatten der Vergangenheit wird er einfach nicht los. Isoliert und verkümmert wie er aufgewachsen ist, hat er es leider nie gelernt mit Menschen umzugehen, Zwischenmenschliches bleibt ihm fremd. Ein ewiger Einzelgänger.
Dies ist eine sehr bedrückende, atmosphärisch erzählte Geschichte über die Folgen von fehlender Wärme und Sozialisation in der Kindheit. Nicht nur der traurige Charakter und das einsame Leben Tonis wird detailliert und nachvollziehbar beschrieben, sondern es gibt auch zahlreiche wunderbare Naturbeschreibungen.
Die Sprache ist recht einfach gehalten, zunächst aus der Perspektive des Jungen Toni erzählt, später dann des einsamen, ungebildeten, in einfachsten Verhältnissen lebenden Mannes Toni Rosser. Das passt also sehr gut und wirkt authentisch. Es wird deutlich, wie unfähig er ist, sich seiner eigenen Gefühle überhaupt klarzuwerden, bzw. damit umzugehen. Geschweige denn mit denen anderer.
Der Tod Anton Rossers stellt den Einstieg in diesen Roman dar und auch das Ende. Dazwischen die Schilderung eines tragischen Lebens, von aller Welt missverstanden und gemieden. Ergreifend und beeindruckend. 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 04.06.2024

Duffy und Riggs

Cruel Castaways - Cold-Hearted
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Duffy und Riggs
Dies ist der wunderbare Abschluss der Cruel-Castaways-Trilogie von L.J. Shen.
Den Schreibstil dieser Autorin mag ich wirklich sehr und auch inhaltlich konnte ich wieder richtig mitfiebern. ...

Duffy und Riggs
Dies ist der wunderbare Abschluss der Cruel-Castaways-Trilogie von L.J. Shen.
Den Schreibstil dieser Autorin mag ich wirklich sehr und auch inhaltlich konnte ich wieder richtig mitfiebern. Innerhalb eines Tages war dieser doch recht umfangreiche Roman durchgelesen...
Es ist eine wunderschöne Liebesgeschichte, die da zwischen Duffy und Riggs entsteht. Insbesondere auch die expliziten Szenen mochte ich wieder sehr. Dennoch gibt es ebenso gleich mehrere schwere Themen, die hier sehr gefühlvoll behandelt werden.
Wieder ein richtig tolles Leseerlebnis.
5 Sterne

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Der absolute Wahnsinn

Trophäe
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Trophäe – Gaea Schoeters
Eigentlich wollte ich diesen Roman gar nicht lesen: Ein mittelalter weißer Mann, der mithilfe von einheimischen Führern im afrikanischen Busch seinen Jagdfantasien nachgeht – nein ...

Trophäe – Gaea Schoeters
Eigentlich wollte ich diesen Roman gar nicht lesen: Ein mittelalter weißer Mann, der mithilfe von einheimischen Führern im afrikanischen Busch seinen Jagdfantasien nachgeht – nein danke! Doch dann häuften sich die 5-Sterne-Bewertungen und ich wurde doch neugierig.
Sprachlich ist diese Geschichte ganz wunderbar erzählt. Obwohl ich mich für Safari-Jagden etc. überhaupt nicht interessiere, konnte ich hier gut mitfiebern. Der Schreibstil ist detailreich und fesselnd. Angesichts des Inhalts fällt die Sprache allerdings bald gar nicht mehr ins Gewicht.
Unser weißer Jäger Hunter White (haha) ist nun eben dabei seine Big Five (musste ich ebenfalls erst googeln) vollzumachen. Das Nashorn fehlt ihm noch. So weit so gut. Es ist spannend erzählt, Hunter ist ein Unsympath wie er im Buche steht und eine latente Abneigung gegen das Abschlachten von Tieren zum Spaß (auch wenn diverse Vorteile genannt werden, allem voran die Finanzspritze aus der Ersten Welt), begleitet mich.
Knapp vor der Hälfte des Romans nimmt die Handlung eine radikale Wendung, auf die ich nicht eingehen kann, ohne zu spoilern. Mit so etwas hatte ich auf keinen Fall gerechnet; es liegt jenseits der Vorstellungskraft eines normalen Menschen. Diese Wendung provoziert und hebt die Handlung auf eine gänzlich neue Ebene. Buchstäblich atemlos und starr vor Entsetzen konnte ich diesen Roman nicht mehr zur Seite legen, bis zum bitteren Ende.
Also handwerklich ist das ziemlich gut gemacht. Man könnte allerdings schon fast befürchten, traumatisiert aus dieser Lektüre herauszugehen. Vergessen wird man einige Szenen wohl kaum mehr.
Grandiose Leistung, wenn auch extrem unangenehme Leseerfahrung.
5 Sterne.

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Veröffentlicht am 06.05.2024

Beeindruckender Plot

Das andere Tal
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Das andere Tal – Scott Alexander Howard
Was für ein grandioser Plot!
Das fantastische Setting besteht aus einer Reihe identischer Täler, die jeweils um zwanzig Jahre zeitversetzt existieren. Geht man ...

Das andere Tal – Scott Alexander Howard
Was für ein grandioser Plot!
Das fantastische Setting besteht aus einer Reihe identischer Täler, die jeweils um zwanzig Jahre zeitversetzt existieren. Geht man nach Westen, reist man 20 Jahre in die Vergangenheit. Richtung Osten, geht es 20 Jahre in die Zukunft. Die Sache mit dem Reisen ist natürlich nicht so einfach, schließlich darf der Lauf der Dinge nicht einfach durcheinander gebracht werden. Und genau hier setzt der philosophische Kerngedanke dieses Romans an: Was passiert, wenn man in die Vergangenheit oder in die Zukunft eingreift? Welche Auswirkungen hätte dies auf einen selbst, auf Freunde und Familie? Und gibt es nicht doch Härtefälle, die ein Eingreifen rechtfertigen könnten?
Anfangs begleiten wir die Schülerin Odile, ein schüchternes Mädchen, eine Einzelgängerin mit erfolgversprechenden Zukunftsaussichten. Als sie zufällig erkennt, dass ihr Mitschüler Edme bald sterben wird, hat sie ein großes Geheimnis zu bewahren. 20 Jahre später hat sich das Blatt gewendet. Als Gendarmin schreitet sie tagaus tagein die Grenzen zwischen den Tälern ab und scheint sich mit ihrem eintönigen Los abgefunden zu haben. Oder?
Gerade der erste Teil dieses unglaublichen Debüts trägt einige Elemente eines Jugendromans. Die Geschichte ist extrem spannend und süffig geschrieben. Mühelos gleitet man durch die Seiten. Doch der Schein trügt. Spätestens beim ersten Wechsel in ein anderes Tal wird klar, wie komplex, verwirrend und tiefgründig das dahinterliegende Dilemma ist. Jeder Besuch eines anderen Tals, jedes Eingreifen in Geschichte bzw. Zukunft hat weitreichende Folgen. Dabei ist ebendieser Wunsch einzugreifen so unglaublich natürlich und menschlich.
Ein Roman, der nachdenklich macht und dennoch fesselt. Das ist für mich ganz große Literatur. Der Autor hält sich nicht mit hochtrabender Sprache auf, sondern stößt seine Leser auf direktem Wege auf die ganz großen Fragen der Philosophie und der Menschlichkeit.
Ich bin begeistert. 5 Sterne.


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