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Veröffentlicht am 29.03.2023

Highlight

Brüderchen
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Brüderchen – Clara Dupont-Monod
Was passiert mit einer Familie, wenn ein behindertes, ein besonderes Kind hineingeboren wird? Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr wie es mal war. Beziehungen verändern ...

Brüderchen – Clara Dupont-Monod
Was passiert mit einer Familie, wenn ein behindertes, ein besonderes Kind hineingeboren wird? Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr wie es mal war. Beziehungen verändern sich, Familienmitglieder leiden auf verschiedenste Art und Weise. Genau diese Verschiebungen im so fragilen wie gleichzeitig so robusten Familiengefüge sind das Thema dieses bemerkenswerten Romans.
Mich persönlich hat diese Geschichte sehr berührt. Mit Beziehungen in der Familie kennt sich jeder aus. Es ist etwas, das uns ausmacht, das selbstverständlich ist. Dazu kommt, dass die Figuren dieses Romans keine Namen tragen. Keiner von ihnen. Es gibt Mutter und Vater, den großen Bruder, die Schwester und natürlich das Brüderchen. Ich hätte es wohl nicht für möglich gehalten, aber gerade dieses „Namenlose“ scheint dem Leser die Familie noch näher zu bringen. In diese bestehende, gut funktionierende vierköpfige Familie wird also nun ein Kind hineingeboren, das anders ist. Es wird niemals laufen, sprechen lernen. Klar, im ersten Moment dominieren Schmerz und Trauer bei den Eltern. Den Geschwistern wird die Bedeutung erst nach und nach klar werden.
Es ist faszinierend und bedrückend zugleich, wie die einzelnen Familienmitglieder leiden und versuchen mit der Situation zurecht zu kommen. Denn das ist ganz unterschiedlich. Geprägt werden sie durch die Behinderung des Brüderchens jedoch alle, die Geschwister bis hinein in ihr eigenes Erwachsenenleben. Gut, dass die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Ganz besonders erwähnenswert und absolut genial finde ich jedoch die Erzählperspektive aus der Sicht der Steine in den Mauern am Hof der Familie. Wohlwollend und doch mit etwas Distanz berichten sie von dem Geschehen am Hof in den französischen Cevennen. Nicht nur die Steine, auch die Menschen, die auf dem Hof leben sind sehr naturbezogen. So gibt es auch immer wieder tolle Beschreibungen der Natur in den Bergen. Wirklich absolute Klasse!
„Die Berge machten seekrank. Auf dem Hof fühlte es sich manchmal so an, als wäre man von gigantischen, in der Bewegung erstarrten Wellen umgeben, auf denen grüne Gischt schäumte. Wenn Wind aufkam und an den Bäumen rüttelte, hörte man ein Meeresrauschen. Dann erinnerte der Hof an eine sturmumtoste Insel.“
Eine Sprache, die so knapp und klar, beinahe lapidar erzählt und doch beinahe poetisch und auf den Punkt die großen Themen unseres Lebens behandelt. Jeder Satz ist eine Wucht. So erschafft die Autorin auf gerade mal 176 Seiten ein extrem berührendes, kraftvolles Werk über eine Familie, die mit einem Schicksalsschlag fertig werden muss. Die dabei immer wieder scheitert, jedoch niemals aufgibt.
Ein Werk, das mich absolut begeistert zurücklässt. Großartig! 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Gaunt und Ellwood

Durch das große Feuer
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Durch das große Feuer – Alice Winn
Eigentlich meide ich ja alles, was auch nur im Entferntesten nach Kriegsliteratur aussieht. Zu trostlos, zu grausam. Doch dieser Roman hat ein Element, das mich neugierig ...

Durch das große Feuer – Alice Winn
Eigentlich meide ich ja alles, was auch nur im Entferntesten nach Kriegsliteratur aussieht. Zu trostlos, zu grausam. Doch dieser Roman hat ein Element, das mich neugierig gemacht hat: gleichgeschlechtliche Liebe auf dem Schlachtfeld.
Es sind noch Kinder, als wir die englischen Eliteschüler Henry Gaunt und Sidney Ellwood 1914 am Vorabend des ersten Weltkrieges kennenlernen. Die verbotene Anziehung ist bereits deutlich spürbar, beide versuchen jedoch diese zu leugnen. Beide melden sich zum Kriegsdienst ehe sie volljährig sind und erst im Grauen des Krieges scheint ihre Liebe eine Chance zu haben.
Tatsächlich hat Alice Winn eine sehr angemessene Art und Weise von den Schrecken des Krieges zu erzählen. Ungeschönt und direkt, brutal und grausam – doch gibt es da immer noch einen Funken Hoffnung und eine große Liebe, die die Figuren und auch den Leser aufrecht hält. Schonungslos erzählt die Autorin von Gefallenen, Kriegsverletzungen und posttraumatischen Belastungsstörungen, die die Betroffenen ein Leben lang begleiten. Aber sie berichtet auch von Loyalität, tiefer Freundschaft und Liebe im Angesicht des Todes.
Ein wunderbares Debüt, das mich absolut mitreißen und fesseln konnte. Sehr lange habe ich bereits kein Buch über Krieg mehr derart verschlungen. 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Presley und Levi

Perfect Player
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Presley und Levi
Eine turbulente, wunderschöne Liebesgeschichte, die mir sehr gut gefallen hat.
Presley und Levi sind beides sehr sympathische Charaktere, mit denen man gut mitfiebern kann. Auch den Schreibstil ...

Presley und Levi
Eine turbulente, wunderschöne Liebesgeschichte, die mir sehr gut gefallen hat.
Presley und Levi sind beides sehr sympathische Charaktere, mit denen man gut mitfiebern kann. Auch den Schreibstil empfand ich als sehr angenehm.
Ein spannender Roman, den ich innerhalb eines Tages durchgesuchtet habe.... 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 05.02.2023

Heathcliff

Sturmhöhe
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Sturmhöhe – Emily Bronte
Dies ist eindeutig einer meiner absoluten Lieblingsklassiker. Es ist ein regelrechter Sturm an Gefühlen, den die Autorin in ihrem Werk entfesselt.
Allem späteren Übel zugrunde ...

Sturmhöhe – Emily Bronte
Dies ist eindeutig einer meiner absoluten Lieblingsklassiker. Es ist ein regelrechter Sturm an Gefühlen, den die Autorin in ihrem Werk entfesselt.
Allem späteren Übel zugrunde liegt die grenzenlose Liebe zwischen Catherine und Heathcliff, die zusammen aufgewachsen waren. Nur leider ist Heathcliff nicht standesgemäß, ist er doch nur ein Findelkind ohne Stammbaum, mit ungeklärter Herkunft. So entscheidet sich Catherine für einen Anderen und bricht sich selbst und Heathcliff damit das Herz. Tatsächlich folgt diesem Verrat ein jahrzehntelang andauernder Rachefeldzug Heathcliffs gegenüber den Angehörigen der beiden Familien. Bodenloser Hass und eiskalte Berechnung bestimmen von nun an seine Pläne und Schachzüge.
Wirklich sympathische Protagonisten muss man in diesem Roman wirklich lange suchen. Die meisten Figuren begegnen einander mit extremer Abneigung und Bosheit. Überhaupt ist es eine sehr düstere, wenn auch faszinierende Atmosphäre, in der die Geschichte spielt.
Erzählerisch und sprachlich ist dieses Werk schlichtweg genial. Poetische und raffinierte Satzkonstruktionen, die genau auf den Punkt treffen. Bereits die Erzählperspektive ist besonders: die langjährige Hausangestellte Ellen berichtet von den Irrungen und Wirrungen der Familie. Sie hat damit zwar eine Sichtweise aus nächster Nähe, dennoch auch einen gewissen neutralen Standpunkt. Einfach klasse!
Es ist wirklich selten, dass mich ein „etwas angestaubter Klassiker“ derart fesseln und in seine ganz eigene Welt entführen kann. In diesem Fall eine Welt voller Abgründe. Ewig schade, dass Emily Bronte tatsächlich nur diesen einen Roman veröffentlicht hat.
Natürlich 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 03.02.2023

Mungo

Young Mungo
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Young Mungo – Douglas Stuart
Das Cover provoziert, ebenso wie der Inhalt des Romans. Nur wie ich finde, auf einer ganz anderen Ebene, weswegen ich das Cover für nicht optimal gewählt halte. Ja, es geht ...

Young Mungo – Douglas Stuart
Das Cover provoziert, ebenso wie der Inhalt des Romans. Nur wie ich finde, auf einer ganz anderen Ebene, weswegen ich das Cover für nicht optimal gewählt halte. Ja, es geht um die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen zwei Jungs, gerade 15 und 16 Jahre alt, im Glasgow der 90er Jahre. So brisant Homosexualität in diesem Milieu am Rande der Gesellschaft auch war, ist es für mich doch nicht das Hauptthema dieses Buches. Aber von vorne.
Mungo wächst in sozial äußerst schwierigen Verhältnissen auf. Gesellschaftlich in der sozialen Unterschicht angesiedelt, mit einer sehr jungen Mutter, die es nicht schafft, ihrer Verantwortung für die Kinder gerecht zu werden und mehr weg denn da ist. Zwischen Verwahrlosung, Alkohol, Gewalt und Bandenkriegen zwischen Protestanten und Katholiken ist dies zuallererst einmal ein etwas trister Coming of Age Roman.
Erzählt wird in zwei verschiedenen Handlungssträngen. Zum Einen die chronologische Entwicklung der Ereignisse, wie etwa die langsame Annäherung der beiden Jungs – eine wirklich süße Liebesgeschichte. Der zweite Erzählstrang findet etwas später statt. Mungo wird mit zwei Männern zu einem Ausflug an einen See geschickt – um ihn zu einem „Mann“ zu machen. Die Hintergründe und Zusammenhänge werden erst nach und nach klar.
Das eigentliche Thema dieses Werks, das immer wieder auftaucht und schockiert ist Gewalt: von alltäglichen Prügeleien und Übergriffigkeiten, häuslicher Gewalt, Nötigung, Vergewaltigung. Es ist schockierend und trostlos, in welchem Milieu diese Kinder aufwachsen müssen. Und wie unvermögend die Erwachsenen sind, sie davor zu schützen.
Der Autor hat einen recht direkten Schreibstil, der den Inhalt noch verstärkt. Etliche Figuren lässt er auch in einem dialektähnlichen Slang sprechen. Der Umgangston ist rüde, Sprache und Ton derb. Es ist sehr authentisch, aber auch extrem brutal, ekelerregend. Man möchte die Augen vom Text abwenden, ist jedoch zu sehr mittendrin, zu gefesselt. Zum Glück sind da immer wieder diese friedlich schönen Szenen mit Mungos Schwester Jodie. Zwei arme Kinder in einer rauen Welt, die nur einander haben.
Alles in allem eine oft sehr unangenehme, jedoch geniale Leseerfahrung! Mungo hat mich diese Tage sehr beschäftigt. Dies ist wohl eine Figur, die länger im Gedächtnis haften bleibt. 5 Sterne und eine große Leseempfehlung!

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