Ein Ausbruch in die Freiheit?
Die GefängnisinselÖsterreich hat nicht nur dieses Jahr einen regelrechten Ausbruch an kreativer Energie! Spannendes, nervenzehrendes Buch, das ich gern las!
Martin Eichendorf, Journalist, saß mehr als zwei Jahre unschuldig ...
Österreich hat nicht nur dieses Jahr einen regelrechten Ausbruch an kreativer Energie! Spannendes, nervenzehrendes Buch, das ich gern las!
Martin Eichendorf, Journalist, saß mehr als zwei Jahre unschuldig im supranationalen Hochsicherheitsgefängnis Werra I auf Xias, einer Gefängnisinsel ein. Noch schlimmer als Alcatraz?
Immerhin gelingt ihm als erstem und einzigen die Flucht aus der Anlage. Eine Odyssee jedoch steht ihm bevor. Von Thessaloniki über Bulgarien, Serbien, Kroatien, Slowenien bis in die Steiermark. Immer mit der peinigenden Angst im Nacken wieder geschnappt werden zu können.
In Wien bekommt er die ersehnte Hilfe, aber es kommt zur unvorhergesehenen Wende. Wird Martin seine Unschuld beweisen können oder war alles umsonst?
Die Ballade von der Freiheit - so könnte der Untertitel des Buches lauten. Es ist sehr gut aufgebaut und mit der subjektiven Perspektive Martins kann man sehr dicht in seine Psyche abtauchen.
Xias kann man dann beinahe vergleichen mit der Teufelsinsel in Südamerika. Ein Justizirrtum und das Leben eines Menschen ist für immer zerstört.
Faszinierendes Lesevergnügen und ich habe es mit Begeisterung in mich aufgesogen. Klasse!!
Freiheit. Wie selbstverständlich scheint uns allen dieses Gut zu sein, die wir nicht in Diktaturen leben. Aber wie schnell kann diese Illusion zerstört werden, auch in stabilen Demokratien. Das sieht man ja an Julian Assange und der geschickten Inszenierung in Schweden, die sich letztlich dank Ecuadors und Großbritanniens gegen ihn gewandt hat. Lege dich nicht mit den USA an! lautet die offensichtliche Botschaft. Du darfst deren Kriegsverbrechen nicht publik machen, wenn dir etwas an deiner Freiheit liegt!
Merken wir erst dann wie kostbar Freiheit ist, wenn wir sie verloren haben? Deswegen ist dieses Buch hier eine äußerst gelungene Ballade und Parabel über die Freiheit an sich.
Ja, und es stimmt! Freiheit ist unglaublich facettenreich! Eine Frau, die zwangsverheiratet wird, ist nicht im Gefängnis, aber nicht frei. Sklaven ebensowenig. Can Dündar ist zwar in Deutschland frei, kann aber nie mehr in die Türkei reisen, wenn er nicht ins Gefängnis will. Seine Freiheit ist also auf andere Weise beschnitten. Apropos beschnitten. Mädchen, denen das in Afrika als Kleinkinder noch widerfährt, beraubt man ihrer sexuellen Selbstbestimmung, nimmt ihnen also ihre Freiheit, unversehrt zu sein und sexuell gesehen eine eigene Wahl zu treffen.
Und Armut. Wer wenig Geld hat ist zwar frei, weil meist nicht inhaftiert, aber durch Geldmangel trotzdem nur begrenzt frei, weil ihm viele Optionen gar nicht erst offenstehen.
Thomas Sailer schreibt klug und differenziert über dieses Thema, mit philosophischer Färbung und sympathischem Hauptprotagonist - fesselnd!
Das Buch ist von 2018. Der Ausbruch an literarischer Kreativität österreichischer Autor / innen nicht nur dieses Jahres, sondern auch jener davor ist wahrhaft im positiven Sinne erstaunlich und sollte erforscht werden! Superb!