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Veröffentlicht am 15.03.2024

Ein modernes »Northanger Abbey«

Northanger Abbey
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Die schottische Thrillerautorin Val McDermid hat sich mit »Northanger Abbey« auf ein ganz besonderes Experiment eingelassen und einen Liebesroman geschrieben. Das Genre ist schon ungewöhnlich genug, aber ...

Die schottische Thrillerautorin Val McDermid hat sich mit »Northanger Abbey« auf ein ganz besonderes Experiment eingelassen und einen Liebesroman geschrieben. Das Genre ist schon ungewöhnlich genug, aber noch ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass sie einen bestehenden Roman der großen Schriftstellerin Jane Austen in die heute Zeit transformiert hat. Sie hat sich »Northanger Abbey« vorgenommen und neu geschrieben. Dabei aber das 19. Jh. gegen das 21. Jh. ausgetauscht. Herausgekommen ist ein sehr frisch wirkender jugendlicher Liebesroman, der immer noch genügend Auskunft über das gesellschaftliche gebaren der britischen Bevölkerungsschichten gibt. Das Projekt ließe sich auch als „Val McDermid feat. Jane Austen“ nicht besser beschreiben, um es mit heutigen Worten zu sagen.


Catherine Morland, genannt Cat, 17 Jahre, Tochter eines Pfarrers in Dorset, jüngere Schwester von James, lebt in ihrer kleinen, liebevollen Familie. Sie ist das, was heute als Bücherjunkie bezeichnet wird. Sie verschlingt Bücher und lebt auch in ihren Tagträumen in den Geschichten, die sie liest. Vorrangig sind das momentan Vampirromane. Ihre Tagträume lassen die reale Welt mit der virtuellen Welt verschmelzen.

Eines Tages wird sie von den Nachbarn, einem freundlichen kinderlosen Ehepaar namens Allen, zu einem Buchfestival nach Edinburgh eingeladen. Mr Allen fährt seit vielen Jahren jedes Jahr teils geschäftlich dort hin. Dieses Jahr fährt seine Gattin mit und denkt mit der Nachbarstochter Cat an eine nette Begleitung. Cat nimmt die Einladung natürlich an, schließlich kann das nur ein großes Abenteuer werden. Etwas anderes als ein Abenteuer erwartet sie eh nicht vom Leben. Genauso wie in den Geschichten.

Cat gewinnt in Edinburgh neue Freunde, lernt neue Menschen kennen und besonders die Familie Tilney, denen das Anwesen Northanger Abbey gehört., welches etwas außerhalb Edinburghs liegt. Die Tilneys laden Cat dann ihrerseits nach Northanger Abbey ein. Dort muss sie in den alten Gemäuern mit verschlossenen Türen, Gängen und Treppen feststellen, dass irgendetwas mit dieser Familie nicht zu stimmen scheint. Der Tod deren Mutter vor wenigen Jahren erscheint ihr besonders mysteriös.

Val McDermid hat den Stoff von Jane Austen hervorragend umgesetzt und auch die deutsche Übersetzung hat das gängige moderne Vokabular, um der Geschichte einen frischen Anstrich zu geben. SMS, Facebook, Twitter gehören genauso dazu wie aktuelle Buch- und Musiktitel. Die weiblichen Figuren stehen voll im heutigen Leben und lassen nichts vom generösen Staub des 19. Jh., wie es zwangsläufig im Original erscheint, spüren. Gerne bin ich Cat gefolgt, wie sie ihren Weg ins Leben findet und zu dem Schluss gelangt, dass das reale Leben nicht das ihrer Romanhelden ist.

Eine hinreißende, moderne Liebesgeschichte nicht nur für Jugendliche.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.03.2024

Viel Neufundland, viel Familie, Leichen und Ermittlungen

Two for the Tablelands
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Auch diesen zweiten Kriminalroman von Kevin Major würde ich eher als Roman denn als Krimi bezeichnen. Obwohl es nicht an kriminellen Momenten mangelt und darin ermittelt wird, passt er nicht ganz in das ...

Auch diesen zweiten Kriminalroman von Kevin Major würde ich eher als Roman denn als Krimi bezeichnen. Obwohl es nicht an kriminellen Momenten mangelt und darin ermittelt wird, passt er nicht ganz in das traditionelle Krimigenre. Definitiv bringt er den Lesern sein Neufundland nahe mit vielen Beschreibungen und Anmerkungen über die Landschaft, die Historie und die Menschen, die dort leben.

In den Tablelands von Neufundland gibt es viele Sehenswürdigkeiten: wunderschöne Natur, beeindruckende Felsformationen und – eine Leiche. Sebastian Synard, der nach seinem ersten ungewollten Mordfall eine offizielle Lizenz als Privatdetektiv erhalten hat, stolpert wortwörtlich zusammen mit seinem Sohn bei einer Wanderung über seinen nächsten Fall.

Es wird schnell klar, dass der tote Student ein Mordopfer ist. Allerdings ist Sebastian nicht der Einzige, der an der Aufklärung des Verbrechens interessiert ist: Die Tante des Opfers kommt mit einer vielversprechenden Spur aus Mexiko angereist. Sie ist überzeugt, dass der Stiefvater der Täter sein muss. Sebastian wird so motiviert, den Fall aufzuklären, dass er sofort einen Flug nach Mexiko bucht.

Die Erzählweise von Kevin Major in diesem Roman verhindert, dass es zu einem Krimi wird. Sie ist unterhaltsam und nie eintönig. Die Ermittlungen spielen eher eine Nebenrolle. Dafür rücken sein Sohn und die Region in den Vordergrund.

Kevin Major lässt seinen Erzähler in einem lockeren Plauderton sprechen. Sebastian berichtet von seinem eigenen Leben, seinem Verhältnis zum neuen Freund seiner Ex-Partnerin, seiner Beziehung zu seinem Sohn und den geologischen Besonderheiten der neufundländischen Region. Letzteres hat natürlich mit dem Mordopfer zu tun, der hier Geologie studierte.

Obwohl Sebastian seinen Sohn als Kumpel anspricht, fühlt man sich als Leser auch wie Sebastians Kumpel. Die Eigenschaft des Protagonisten scheint darin zu bestehen, Kumpel zu sein, aber aus der Abneigung gegen den neuen Partner seiner Ex kann, der Detective ist, ist noch keine feste Freundschaft geworden, aber immerhin eine gute Akzeptanz.

Der Mordfall des Geologiestudenten im Wald wird mit großer Kraftanstrengung gelöst, denn obwohl der Protagonist nun eine Ausbildung zum zertifizierten Privatdetektiv hinter sich hat, will man ihm oftmals nicht die Rechte eines Polizisten zugestehen. Außerdem gerät er mehrmals in höchste Gefahr, wenn er den Verbrechern ziemlich nahe kommt. Sogar Sebastian ist als Helfer der Polizei nicht vor weiteren Mordversuchen sicher.

Die Leser dieses Romans »Two for the Tablelands« werden auf sympathische Figuren treffen, sogar die Verbrecher sind so getarnt. Man sollte auf Überraschungen vorbereitet sein, denn was zu Beginn leicht erscheint, entpuppt sich am Ende als völlig anders. Mir hat dieser neufundländische Roman sehr gefallen und ich konnte eine kleine Rückkehr zu einer Region erleben, die ich vor fast einem halben Jahrhundert besucht hatte.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

Veröffentlicht am 22.02.2024

Leichen ohne Kopfhaut – Skalpjagd

Skalpjagd
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Erneut erschien mit »Skalpjagd« ein Kanada-Krimi von Frauke Buchholz, der sich um die Thematik der indigenen Bevölkerung rankt. Es ist der dritte Fall für Ted Garner.

Ted Garner, einer der erfolgreichsten ...

Erneut erschien mit »Skalpjagd« ein Kanada-Krimi von Frauke Buchholz, der sich um die Thematik der indigenen Bevölkerung rankt. Es ist der dritte Fall für Ted Garner.

Ted Garner, einer der erfolgreichsten Profiler der Royal Canadian Mountain Police (RCMP) besucht einen Kongress von Psychologen in Vancouver. Die Vorträge rauschen an ihm vorbei, manche hält er für esoterischen Schwachsinn.

Abends an der Hotelbar wird er von einer Dame angesprochen, die selbst einen Vortrag gehalten hat. Sie heißt Hofstätter und stammt aus Österreich. Sie flirtet mit Garner und überredet ihn, einen Ausflug in die Reservation zu machen und es sich bei einer indianischen Sitzung richtig gut gehen zu lassen.

Dort wird eine halluzinogene Droge verabreicht, die die Teilnehmer der Sitzung in eine Trance versetzt. Als Garner wieder zu sich kommt, findet er die Psychologin tot vor. Überall liegt Blut, sie ist brutal abgestochen und skalpiert worden. Ein Messer liegt am Boden. Garner ergreift es und bekommt Panik. Im Glauben, er hätte die Frau erstochen, flieht er.

Parallel dazu gibt es in stets wechselnden Kapiteln die Geschichte von Frank Lombardi, einem Detective der Royal Canadian Mountain Police. Er ist depressiv, weil er verlassen worden ist. Er und seine Kollegin Nora Jackson erfahren von dem Mordopfer in einem Tipi in der Reservation und werden mit der Ermittlung beauftragt. Da es höchstwahrscheinlich um Mord geht, ist die RCMP und nicht die Stammespolizei zuständig.

Sehr gut gefallen hat mir das Wechselspiel zwischen beiden Strängen. Garner ist ja als ehemaliger Profiler nicht einfach nur auf der Flucht. Er versucht, sich selbst rein zu waschen und den Täter zu suchen, in der Hoffnung, dass er es selbst nicht war.

Die Ermittler Lombardi und Jackson kommen ihm durch unterschiedliche Hinweise auf die Spur. Auch sie suchen den Täter, wobei sie Garner zu den Hauptverdächtigen zählen und ihn auch zur Fahndung ausschreiben.

Garner wundert sich immer wieder, wie schnell die Polizei hinter ihm ist und woher sie die Informationen über seinen Aufenthalt hat.

In ihrem neuen Roman gibt Frauke Buchholz souverän den Lesern umfassende Informationen zur Behandlung der Ureinwohner, ihren Traditionen und Gefühlen in der heutigen kanadischen Gesellschaft.

Die detaillierten Darstellungen der Landschaft und Regionen ermöglichen es, sich mental dorthin zu versetzen. Es lässt sich leicht vorstellen und vermittelt das Gefühl, tatsächlich in Kanada zu sein.

Spannung wird nicht nur durch den Kriminalfall erzeugt. Rückblenden an einen Krieg in Nahost mit den Gedanken eines Soldaten lässt weitere Spekulation durch die Leser zu.

Die Charaktere in Frauke Buchholz‘ Roman sind authentisch und gut ausgearbeitet. Ihre Handlungen und Gedanken sind nachvollziehbar und tragen zur Glaubwürdigkeit der Geschichte bei. Die Autorin schafft es, die Spannung konstant hochzuhalten und den Leser bis zur letzten Seite zu fesseln. Die Thematik der Ureinwohner Kanadas wird sensibel behandelt und regt zum Nachdenken über gesellschaftliche Fragen an.

Wenig gefallen haben mir allerdings die überlangen Absätze, die sich teils über mehrere Seiten erstrecken. Den Augen der Leser wird keine Pause gegönnt. Damit werden große Teile leseunfreundlich und könnten bewirken, dass genau diese Passagen überblättert werden, was schade wäre.

Trotzdem möchte ich den Krimi wärmstens empfehlen, da er nicht nur spannend ist, sondern auch ein äußerst fesselndes Thema behandelt, das mir persönlich sehr wichtig ist. Also, greift bitte zu!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

Veröffentlicht am 07.02.2024

Rasanter Thrill mit sympathischen Protagonisten.

K - Kidnapped
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Chelsea Caine hat eine extrem widersprüchliche Protagonistin für ihren Thriller geschaffen. Kick Lannigan ist mit sechs Jahren entführt worden. Bevor sie fünf Jahre später wieder4 befreit wurde, hatte ...

Chelsea Caine hat eine extrem widersprüchliche Protagonistin für ihren Thriller geschaffen. Kick Lannigan ist mit sechs Jahren entführt worden. Bevor sie fünf Jahre später wieder4 befreit wurde, hatte sie ihr Entführer im Umgang mit Waffen ausgebildet. Mit elf Jahren verfügte sie also bei ihrer Befreiung über ein hochintensives Killerpotential. Zurück im Schoße ihrer Familie ist sie alles andere als ein angepasstes, braves Mädchen. Ihr auf die Entführung zurückgehendes Trauma setzt in ihr den bedingungslosen Wunsch frei, sich niemals von irgend jemandem zu irgend etwas zwingen zu lassen. Deshalb bildet sie sich in allen Verteidigungskünsten aus und perfektioniert den Umgang mit Waffen.

Als sie 21 Jahre ist, taucht John Bishop in ihrem Leben auf. Er bringt sie dazu, ihren natürlichen Instinkt, vermissten Kindern zu helfen, in effektive Kanäle zu lenken.

In diesem ersten Roman einer neuen Reihe der Autorin geht es zu einem Großteil um die Figuren. Sie werden sehr ausführlich vorgestellt und trotz aller Kratzbürstigkeit kann dem Leser Kick, die in ihrem jungen Leben schon extrem viel mitgemacht und erlitten hat, ans Herz wachsen. Während sie sich damit beschäftigt, wer John Bishop ist, wird er auf unkonventionelle Weise dem Leser vorgestellt. Der erfährt, dass es noch einen „Mann im Hintergrund“ gibt, einen Geldgeber.

Obwohl auch Action-Szenen eingesetzt werden und dem Leser das Blut in den Adern zu stocken scheint, zieht dieser Roman seine Spannung aus den Geheimnissen. Man erfährt nur bruchstückhaft, was mit Kick nach ihrer Entführung passiert war, was mit vielen anderen vermissten Kindern passiert ist. Die Geduld wird beim Lesen sehr auf die Probe gestellt. Ein Thriller, der nicht aus der Hand gelegt wird, denn er punktet mit einer wohltemporierten Mischung aus Humor, Aktion und Spannung

Rasanter Thrill mit sympathischen Protagonisten.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

Veröffentlicht am 03.11.2023

Ein vorprogrammiertes Weihnachtstrauma: Judith Merchants Thriller

SCHWEIG!
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Der Psychothriller von Judith Merchant ist ein Paradebeispiel für die Fehlinterpretation und das Missverstehen. Das geht nicht nur den Figuren im Roman so, sondern kann auch den Lesern passieren. Es ist ...

Der Psychothriller von Judith Merchant ist ein Paradebeispiel für die Fehlinterpretation und das Missverstehen. Das geht nicht nur den Figuren im Roman so, sondern kann auch den Lesern passieren. Es ist der Autorin Judith Merchant (dankenswerterweise) zuzuschreiben, dass sie die Leser auf die falsche Fährte schickt, nur weil die sich denken, wie es sein könnte.

Es ist ein Tag vor Heiligabend. Diese Zeit ist voller Stress für Esther jahraus, jahrein. Es ist vorprogrammiert. Weihnachtsbaum holen, Baum schmücken, Kinder von der Schule abholen. Es geht hoch her. Ihr Mann Martin muss helfen.

Außerdem will sie noch kurz bei ihrer Schwester vorbeischauen und der ihr Weihnachtsgeschenk bringen, obwohl ihre Schwester letztes Weihnachten eine Katastrophe für Esthers Familie war. Jetzt versucht Martin hartnäckig, seine Frau vom Besuch bei der Schwägerin abzuhalten. Doch die lässt sich dank schwesterlicher Loyalität nicht beeinflussen.

Schließlich ist da noch Sue, die von ihrem Mann geschieden wurde. Sie lebt auf dem Grundstück mitten im Wald, wo es kaum Handyempfang gibt. Sie hasst den Besuch ihrer Schwester und mag sie nicht. Schon seit der Kindheit. Sie hasst es, wie sie sich immer aufdrängt.

Es verwundert nicht, dass der diesjährige Besuch bei Sue aus dem Ruder läuft und ein größeres Desaster als im Jahr zuvor verursacht wird. Judith Merchant erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. sowohl Esther als auch Sue lassen uns in ihre Gedanken blicken und erzählen jeweils selbst ihre eigene Sichtweise. Zwischendurch wird immer mal wieder von Martin erzählt, zum Ende hin immer häufiger.

Zu Beginn hatte ich leichte Probleme mit den beiden Ich-Erzählerinnen Esther und Sue, zumal sie auch manchmal aus ihrer Kindheit erzählen. Es dauerte ein paar Kapitel bis ich die erste Verwirrung überwunden hatte und auch ohne die Kapitelüberschriften wusste, an welcher Stelle ich mich im Leben der Figuren befand.

Das Kopfkino beginnt natürlich nach den ersten Seiten zu laufen., wie sich offenbar die beiden Schwestern ihr ganzes Leben haben, sollten Leser keine voreiligen Schlüsse ziehen. es bringt gar nichts, wenn sich einer einbilde zu wissen, was der andere denkt.

Die Leser sollten sich darauf einstellen, dass in diesem Thriller die Gedanken der Figuren großen Raum einnehmen. Judith Merchant ist eine hochkarätige Meisterin darin, die Leser zusammen mit ihren Figuren ins Nirvana zu schicken.

»Schweig!« ist ein erstklassiger Psychothriller mit einer anrührenden Weihnachtsgeschichte und passt deshalb hervorragend in die Vorweihnachtszeit.

Meine beste Empfehlung für den Roman, mag er unter vielen Weihnachtsbäumen liegen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023