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Veröffentlicht am 11.04.2018

Kein dickes Happy End, dafür aber ...

Montana
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In diesem Roman wird ein Lied gespielt, das Lied des mittleren Westens Amerikas. Eine raue und wilde Melancholie, frisiert durch den Klang der Gitarre und einer knisternden Stimme des Sängers. Die Stimme ...

In diesem Roman wird ein Lied gespielt, das Lied des mittleren Westens Amerikas. Eine raue und wilde Melancholie, frisiert durch den Klang der Gitarre und einer knisternden Stimme des Sängers. Die Stimme erzählt von der Sehnsucht der Menschen in diesem Landstrich, deren Alltag von Armut und Aussichtslosigkeit geprägt ist. Der Autor trifft damit einen Ton, der dem von James Lee Burke ähnelt. Er zeichnet damit das Porträt von einem dreckigen Amerikas, einem kriminellen, einem armen Amerika, aber nicht ohne den Schimmer von Hoffnung durchsickern zu lassen.

Pete Snow ist Sozialarbeiter beim Jugendamt in Tenmile. Zwar ist es seine Aufgabe, Kindern und Jugendlichen in schwierigen familiären Verhältnissen zu helfen, aber das geht nicht, ohne nicht auch den Familien selbst zu helfen. So ist Petes Ansatz: den Eltern zu helfen, damit deren Kinder es besser haben. Oft hat Pete den Eindruck, gegen Windmühlen zu rennen. Alkohol, Rauschgift und Kriminalität bestimmen den Ablauf dieser Familien. Da bleibt ihm nur die Möglichkeit, die Kinder von dort wegzuholen. Am liebsten bringt er sie bei Pflegeeltern unter, Heime sind nur für den Notfall vorgesehen. Und dennoch ist auch der Jugendknast nicht ausgeschlossen. Nimmt ihn schon seine Arbeiten mit, vielleicht auch zu sehr, so will sich zudem zu allem Überfluss seine trinkende Ehefrau mit der pubertierenden Tochter von ihm trennen. Pete wird hin und her gerissen zwischen den zu betreuenden Familien und seiner eigenen. Als seine Tochter verschwunden ist, scheint alles zu eskalieren. Der Alkohol zieht Pete in den Bann.

Die Geschichte vom Sozialarbeiter Pete Snow wird in zwei Ebenen erzählt. Auf der Hauptebene läuft das Geschehen um den Protagonisten. Sekten, Nazis, FBI, DEA, ATF, Schlägereien, Schießereien, das volle Programm, und dazwischen das Jugendamt. Der Protagonist kümmert sich um zwei Jungs, mehr und weniger erfolgreich. In der zweiten Ebene verfolgt man ein Verhör, bei dem letztendlich nicht aufgelöst wird, wer wen interviewt. Hier erfährt man die Geschichte von Petes pubertierender Tochter Rachel auf ihrer Flucht, man erfährt von ihrer Abwärtsspirale, getreu dem Motto: Wer aus prekären Verhältnissen stammt, kann nur noch tiefer sinken. Denn auch die Verhältnisse, in denen ihr Vater Pete aufwuchs, sind alles andere als von Wohlstand geprägt gewesen. Den gibt es in diesem Landstrich in Montana nicht.

Wer ein dickes Happy End erwartet, wird sich mit dem mit diesem hervorragenden und bildgewaltigem Erzählepos nicht wohlfühlen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und das Ende befriedigt auf angenehme und passende Weise. Ein großer Roman, den ich einen empfehlen kann.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 27.03.2018

über Menschen und ihre Gefühle - Gern zu empfehlen

Mein Herz ist eine Insel
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Während der vorherige Roman von Anne Sanders in Südengland, im wunderbaren St. Ives spielt, hat sich die Autorin im vorliegenden Roman in die unwirtlichen Gefilde Schottlands gewagt. Dafür hat sie sich ...

Während der vorherige Roman von Anne Sanders in Südengland, im wunderbaren St. Ives spielt, hat sich die Autorin im vorliegenden Roman in die unwirtlichen Gefilde Schottlands gewagt. Dafür hat sie sich die fiktive Insel Bailevar geschaffen, die viel von den Mythen, dem Aussehen und dem wilden Klima der realen Landschaft in sich vereint.

Isla stammt von der Insel Bailevar, sie ist hier aufgewachsen. Doch auf dem Weg zum Erwachsenwerden wurde ihr die Insel zu eng. Sie hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Besonders dann, wenn sie sich ihrer Heimatinsel an Jemanden fest bindet. Sie befürchtet, nie mehr von ihr fortzukommen, wenn sie es nicht sofort tun würde. Nun, einige Jahre später, kehrt sie in ihre Heimat zurück. Ihr Lebensgefährte hat sie betrogen und verlassen. Sie flieht erneut. Diesmal aus der Großstadt auf eine einsame, raue Insel, die mal ihre Heimat war. Doch hier werden alte Wunden aufgerissen. Das Verhältnis zu ihrem Vater, der ihr den Weggang damals immer noch übelnimmt, ist nicht besonders gut. Finn, ihr Spielgefährte und Freund aus Kindheit und Jugendzeit, ist nicht gerade über ihre Rückkehr erfreut und will ihr aus dem Weg gehen.

Anne Sanders hat erneut einen Roman über Menschen geschaffen. Die Figuren stehen in vorderster Linie, sind umfangreich, bildhaft und in vielen Details spürbar und erlebbar.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der beiden Protagonisten Isla und Finn in abwechselnden Kapiteln. Eine weitere Ebene kommt mit der Sage um Eilean O'Sheen hinzu, in der symbolisch genau das passiert, was gegenwärtig auf der Insel vor sich geht. Auf den ersten Seiten war der Wechsel der beiden Ich-Erzähler etwas schwierig für mich, obwohl die Kapitel mit deren Namen überschrieben waren. Diesen Perspektivwechsel nachzuvollziehen war mühsam. Doch nach wenigen Seiten gewöhnte ich mich daran und es wurde immer problemloser, im Kopf umzuswitchen. Mit der Zeit lernt man, wer hinter dem jeweiligen „ich" steckt und gerade denkt. Die Überschriften scheint man nicht mehr zu benötigen.

Ein hinreißender Roman über Menschen und ihre Gefühle, über das Zusammenleben in einer Gemeinschaft, über eine Region die rau und unwirtlich erscheint. Gern zu empfehlen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 21.03.2018

zum Verschlingen und zum Nachdenken

Der Preis des Todes
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Der Meister des Politthrillers hat seinen neuen Roman vorgestellt. Dieses Mal begibt er sich auf internationales Terrain, denn große Teile der Handlung spielen in Kenia, in einem Flüchtlingslager.

Die ...

Der Meister des Politthrillers hat seinen neuen Roman vorgestellt. Dieses Mal begibt er sich auf internationales Terrain, denn große Teile der Handlung spielen in Kenia, in einem Flüchtlingslager.

Die Talkshow-Moderatorin Sarah Wolf hat endlich eine Abendsendung in der ARD für ihrem Polittalk erhalten. Was zunächst keiner weiß: Sie ist mit dem Staatssekretär des Gesundheitsministeriums, Christian Wagner, zusammen. Bislang sind sie nicht an die Öffentlichkeit damit gegangen. Während sie sich auf den Weg zu einen Empfang begibt, findet in Düsseldorf ein Junge beim Spielen eine weibliche Leiche. Sarahs Vater, den sie nur mit Nachnamen anredet seitdem er sich vor zwanzig Jahren von ihrer Mutter, und damit quasi auch von ihr, getrennt hat, wird hinzugezogen. Er ist bei der Kripo für Vermisstenfälle zuständig und kann vielleicht etwas zur Identität der Leiche beisteuern.

Das Thema, dass Eckert in diesen Roman angeht, benötigte andere Figuren als die seiner vorherigen drei Romane. Auch als Leser macht es Spaß, neue Figuren kennenzulernen und nicht mit den altbewährten konfrontiert zu werden. Der Roman erweckt tatsächlich den Eindruck, als würde er mehr Roman denn ein Thriller oder Krimi sein. Natürlich wird ermittelt, denn es gilt herauszufinden, was die Frauenleiche in Düsseldorf mit dem Staatssekretär in Berlin zu tun hat. Schließlich muss die Moderatoren den Skandal, in welchem ihr Lebensgefährte verwickelt zu sein scheint, der Quoten wegen in ihrer Talkshow bringen. Doch dann gibt es einen weiteren Toten. Sarah Wolf beginnt zu recherchieren und zu ermitteln, macht daraus eine große Dokumentation für die ARD.

Hervorragend gestrickt und ernüchternde Fakten über die Produktion von TV-Sendungen. Brandaktuell wie eh und je bei diesem Schriftsteller. Actionreich, nicht ohne Schießereien und Fluchtszenen, dieser Roman ist mehr an Vielem. Er lässt sich nicht in eine Schublade packen und macht nicht zuletzt wegen der Spannung süchtig. Er lässt sich verschlingen, aber der Leser sollte auch mal innehalten und über so manches darinnen nachdenken. Bestnote!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 13.03.2018

Ein Skandinavien-Krimi aus deutscher Feder.

Kalte Sonne
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Es ist Herbst. Über Jütland fliegen gigantische Vogelschwärme Richtung Süden. Die fünfjährige Emma macht ihre Mutter darauf aufmerksam, dass sie im Fernsehen ihren Vater gesehen hat. Maja ist erschrocken. ...

Es ist Herbst. Über Jütland fliegen gigantische Vogelschwärme Richtung Süden. Die fünfjährige Emma macht ihre Mutter darauf aufmerksam, dass sie im Fernsehen ihren Vater gesehen hat. Maja ist erschrocken. Das kann nicht möglich sein. Als Emma geboren wurde, war deren Vater längst tot und unter der Erde. Sie kennt ihren Vater nicht persönlich, höchstens von den Fotos auf der Vitrine. Es lässt Maja nicht zur Ruhe kommen. Ihre Tochter scheint sogar von dem Mann im Fernsehen, der wie ihr Vater aussieht, zu träumen. Maja stellt ihren Freunden und Bekannten Fragen. Nahezu alle beschwichtigen sie. Doch es passieren Dinge in ihrem Umfeld, die nicht passiert wären, wenn sie nicht in der Vergangenheit rumwühlen würde.

Eine ist ein spannender Psychothriller, den Sven Koch nun vorgelegt hat. Er erinnerte mich sofort an die Romane „Schwesterherz" und „Bruderlüge" von Kristina Ohlsson. Das Ende hätte allerdings noch spektakulärer ausfallen können als es ohnehin schon ist.

Das alljährlich stattfindende Schauspiel der Vogelschwärme ist mit viel Details und Kenntnis dargestellt und bietet dem Leser ein bildhaftes Erleben. Die Figur der 35-Jährigen Maja ist sehr gut herausgearbeitet, ihre Kindheit, ihre Denkweise, ihre Nöte und Sorgen sind durchaus verständlich und nachvollziehbar. Die Spannung dreht sich zunächst darum, ob es sich bei dem Mann im TV um Mayas Mann handelt, der vor einigen Jahren aus dem Meer gefischt worden war. Danach geht es um den weiteren Verlauf, wobei diese Ebene bereits als Strang von Anbeginn des Romans in einzelnen Kapiteln vorbereitet worden war. Es gibt Leute, die nicht wollen dass Maja etwas herausfindet. Der Leser erfährt deren Sicht auf die Dinge, ohne gleich zu wissen, wie alles zusammenhängt.
Das ist gut gemachte Spannung. Lesern kann ich diesen Thriller ohne schlechtes Gewissen empfehlen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 06.03.2018

Cherringham: Koffer packen, um dorthin aufzubrechen.

Tiefer Grund
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Seit einigen Jahren ist das Autorenduo Costello/ Richards beliebt für seine typisch englischen Krimis. Ähnlich den Fällen von Inspector Barnaby haben sie ein Universum rund um den fiktiven Ort Cherringham ...

Seit einigen Jahren ist das Autorenduo Costello/ Richards beliebt für seine typisch englischen Krimis. Ähnlich den Fällen von Inspector Barnaby haben sie ein Universum rund um den fiktiven Ort Cherringham in den Cotswolds nördlich von Oxford geschaffen. In den etwa dreißig Kriminalroman setzen sie auf Miträtseln und Wohlfühlen der Leser, ohne die heutigen Probleme der Gesellschaft aus dem Blick zu lassen. So auch in dem vorliegenden Band.

Der Leser wird gleich in einen typischen Pub eines Dorfes gesetzt und kann mit dem Lehrerkollegium der hiesigen Schule den Schuljahresabschluss feiern. Er liest, welche Beziehungen zu wem bestehen. Josh scheint ziemlich angetrunken und verlässt die Feier. Als Maddy ihm folgt und nach ihm sehen möchte, findet sie ihn ertrunken in der Themse. Die Hobbyermittlerin Sarah wird von der Schuldirektorin gebeten, den Tod aufzuklären, weil es sich um einen Lehrer ihrer Schule handelt. Schnell findet Sarah heraus, dass an der Schule, in die auch ihre Kinder gehen, ein viel größeres Problem besteht. In Cherringham gibt es nur einen Dorfpolizisten Alan, der gerne die Hilfe von Sarah und dessen Ermittlungspartner Jack in Anspruch nimmt. Jack wiederum ist ein ehemaliger Cop aus New York, den es nach England verschlagen hat.

Wie bei jeder in Romanreihe gibt es eine wunderschöne Hintergrundgeschichte, die alles umspannt. Geschickt ist der Roman aber so aufgebaut, dass man keinen anderen Roman zuvor gelesen haben muss. Alle wesentlichen Informationen zum Verhältnis der Figuren (Ermittler wie Dorfbewohner) erfährt man im Roman. Man vermisst nichts. Doch ist man auf die Hintergrundgeschichte gespannt, wie es ausgeht. In der vordergründigen Verbrechensgeschichte werden ausreichend falsche Fährten gelegt, um den Leser auf Glatteis zu führen.

Die Dialoge sind unterbrochen mit Beschreibungen zu Cherringham, der Landschaft und Gegend, den Gepflogenheiten in kleinen englischen Dörfern und Städten. Nicht nur für England-Liebhaber ein Genuss, sich in einen solchen Ort versetzt zu fühlen. Die sympathischen Ermittler sorgen schließlich dafür, dass man trotz aller Verbrechen in Cherringham sofort die Koffer packen möchte, um dorthin aufzubrechen.

Zweifelsohne verstehen die Drehbuchautoren ihr Handwerk und schaffen empfehlenswerte Romane.

Matthew Costello/ Neil Richards
Tiefer Grund
aus dem Englischen von Sabine Schilasky
Bastei Luebbe Verlag, Köln
ISBN 9783404176540

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018