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Veröffentlicht am 06.08.2022

Traue nur Dir selbst

Sharing – Willst du wirklich alles teilen?
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Markus und Bettina Kern leben mit Teenager-Tochter Leonie in gutsituierten Verhältnissen aufgrund eines vermieteten Wohnhauses und einem eigenen Carsharing-Unternehmens, das Thema Nachhaltigkeit ist ihnen ...

Markus und Bettina Kern leben mit Teenager-Tochter Leonie in gutsituierten Verhältnissen aufgrund eines vermieteten Wohnhauses und einem eigenen Carsharing-Unternehmens, das Thema Nachhaltigkeit ist ihnen sehr wichtig. Eines Abends wartet Markus auf seine Ehefrau, die sich nach dem Sport noch mit einer Freundin treffen wollte. Doch Bettina lässt die halbe Nacht auf sich warten. Dafür erhält Markus einen anonymen Anruf, der ihn über die Entführung von Bettina informiert und mit einem Link für das Darknet, der Markus‘ größte Ängste wahr werden lässt. Kaum hat er die Seite auf dem Computer geöffnet, muss er die Misshandlung seiner Frau mitansehen. Am Ende wird Bettina von Markus in einer Wohnung tot aufgefunden, die ihnen gehört. Aber die Entführer sind mit ihrem grausamen Spiel noch nicht am Ende: während Markus sich als vermeintlicher Mörder seiner eigenen Ehefrau nicht nur von der Polizei jagen lassen muss, wird seine Tochter Leonie ebenfalls entführt…
Arno Strobel hat mit „Sharing-Willst du wirklich alles teilen?“ einen rasanten Psychothriller vorgelegt, der den Leser von der ersten Seite an gefangen nimmt und bis zum Ende nicht mehr loslässt. Der flüssige und sehr bildhafte Schreibstil stellt den Leser sofort an Markus Seite, wo er alle Ereignisse hautnah mitverfolgt. Dabei hat man das Gefühl, der Autor schildert alles in Echtzeit, die Kapitel sind immer mit Uhrzeiten versehen. Über eingestreute Perspektivwechsel bekommt der Leser zudem Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt von Markus‘ Tochter Leonie während ihrer Entführung und kann ihre schreckliche Angst ebenso mitfühlen wie die von Markus. Schrecklich perfide gehen die Täter vor, so dass sich nicht nur der Leser manchmal fragt, ob Markus nicht doch der Täter ist. Auch das Umfeld von Markus lässt ihn sehr schnell fallen, kommt ihm nicht zur Hilfe, nicht mal sein eigener Schwiegervater steht auf seiner Seite. Dabei müsste dieser ihn doch am besten kennen. Markus ist schnell sehr allein und kann niemandem mehr über den Weg trauen, einzig Arbeitskollege Philliplässt ihn nicht im Stich. Aber auch dieser reagiert manchmal komisch, so dass der Leser selber nicht mehr weiß, ob nicht auch er zu den Übeltätern gehört. Strobel schraubt die Spannung immer weiter in die Höhe, zeitweilig liegen seine Beschreibungen sehr stark an der Grenze des Erträglichen, aber er beweist einmal mehr meisterlich, wie er den Leser mit gut gesetzten Worten manipulieren kann.
Die Charaktere sind einfach gehalten, jedoch spiegeln sie sehr glaubwürdig die ganze Spannbreite menschlicher Gefühle und Handlungsweisen wieder, was den Leser sofort mitreißt. Markus ist ein ganz normaler Geschäftsmann, sympathisch und offen. Für seine Familie kämpft er wie ein Löwe, doch wird er im Verlauf der Geschichte auch immer mehr zum Rätsel für den Leser. Tochter Leonie ist wohlerzogen, gerade deshalb bringt sie mit ihren Aussagen ihren Vater in Bedrängnis. Als Leser kann man sich nicht sicher sein, wer gut ist oder zu den Bösen gehört. Das gilt auch für Markus‘ Kollege Phillip, Zufallsbekanntschaft Juss, Bettinas Freundin Sarah oder die ermittelnden Polizeibeamten.
„Sharing-Willst du wirklich alles teilen?“ ist ein sehr fesselnder Psychothriller, der den Leser auf eine rasante Jagd einlädt und erst mit dem finalen Schluss wieder entlässt. Dabei muss er sich einem Verwirrspiel erster Klasse stellen und herausfinden, wer richtig und wer falsch spielt. Verdiente Leseempfehlung für Sogwirkung und Überraschungsmoment!

Veröffentlicht am 31.07.2022

Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen. (Aristoteles)

Schicksalsstunden
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1930. Der Erste Weltkrieg ist endlich überstanden, und die Familie Laverne bringt das familieneigene Kurhotel „Deutscher Kaiser“ mit einer Rundumerneuerung erneut auf Erfolgskurs, nachdem es durch einen ...

1930. Der Erste Weltkrieg ist endlich überstanden, und die Familie Laverne bringt das familieneigene Kurhotel „Deutscher Kaiser“ mit einer Rundumerneuerung erneut auf Erfolgskurs, nachdem es durch einen Brand nahezu zerstört wurde. Während sich Luise sich liebevoll um das Hotel, die Gäste und die Angestellten kümmert, hat sich Schwester Victoria gegen den Willen ihrer Familie in Berlin niedergelassen, wo sie sich als Kostümbildnerin recht schnell einen Namen macht. Während die Nazis in Deutschland immer mehr Aufwind bekommen, bringt das Auftauchen einer jungen Frau das Leben der Familie Laverne durcheinander und vor allem erneut in Gefahr...
Katja Maybach hat mit „Schicksalsstunden“ den zweiten Band ihrer historischen Familien-Trilogie um das Kurhotel „Deutscher Kaiser“ vorgelegt, der nahtlos mit Spannung und Unterhaltungswert sowie historischem Hintergrund an den ersten Band anknüpft. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ein, um ins Kurhotel einzuziehen und die Geschehnisse rund um die Hoteliersfamilie Laverne hautnah mitzuerleben, die sich über den Zeitrahmen von 1930 bis 1936 erstrecken. Der Tod von Bruder Franz sowie die Flucht von Victoria nach Berlin liegen immer noch wie Schatten auf der Familie. Doch endlich erstrahlt das Haus unter Luises Führung in neuem Glanz und öffnet seine Pforten für die ersehnten Gäste. Zudem hat sich Luise in den jüdischen Architekten verliebt, der beim Umbau geholfen hat, aber die immer größer werdende Nazi-Klientel, die sich im Hotel einnistet und deren menschenverachtendes Propagandageschwätz immer mehr Anhänger findet, vertreibt schon bald die fröhliche Atmosphäre und schürt Angst unter den Menschen, worunter auch Luise und ihr Liebster leiden. Mit dem Erscheinen der jungen Olga kippt die Stimmung im Hause Laverne völlig, zu sehr steht ihnen allen der von Olgas Großvater gelegte Brand, durch den das Hotel und ihre Existenz zerstört wurde, noch vor Augen. Leider hat Olga Luises Cousins Julian und Felix schon völlig den Kopf verdreht und gegeneinander aufgebracht. Welches Unheil hat sie als nächstes geplant? Und auch Gerdas erneuter Auftritt bleibt dem Leser nicht erspart, allerdings wird schon bald klar, dass diese Frau völlig dem Wahnsinn verfallen und dadurch sehr gefährlich ist. Maybach strickt ein geschicktes Muster aus Fiktion und Teilen ihrer eigenen Familiengeschichte. Dabei lässt sie den Leser einige Perspektivwechsel mitverfolgen, die immer mehr miteinander verwoben werden und den Spannungslevel steigern, was den Leser dauerhaft an die Seiten kettet.
Die Charaktere sind facettenreich ausgestaltet, wirken glaubwürdig und authentisch, so dass der Leser sie auf Schritt und Tritt verfolgt, um nicht nur ihre Gedanken- und Gefühlswelt zu erkunden, sondern auch die Geschehnisse um sie herum mitzuerleben. Luise ist eine Frau, die nicht nur für ihre Gäste Ansprechpartnerin ist, sondern auch für ihre Angestellten immer ein offenes Ohr hat. Sie ist zuvorkommend, liebenswürdig und weltoffen. Victoria hat ihren eigenen Kopf, fühlt sich in der bunten Künstlerwelt zuhause, ist kreativ, einfallsreich, mutig und gibt sich kämpferisch, doch sie hat auch eine harte Seite, die sie nicht gerade sympathisch erscheinen lässt. Olga ist durchdrungen von Rachegefühlen, die sie Menschen manipulieren lässt, um ihr Ziel zu erreichen. Aber auch Julian, Felix, Clara sowie Gerda tragen zum Spannungsgefüge dieses historischen Romans bei.
„Schicksalsstunden“ ist ein fesselnder Roman, der mit einer außergewöhnlichen Familiengeschichte vor akribisch recherchiertem Hintergrund den Leser durchweg unter Spannung hält und dabei die gesamte Klaviatur von Emotionen freisetzt. Wieder einmal perfekt in Szene gesetzt, so dass die Wartezeit auf Band 3 wirklich lang wird. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 31.07.2022

Kaffee ist Balsam für Herz und Seele. (Giuseppe Verdi)

Töchter der Speicherstadt – Der Geschmack von Freiheit
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1929 Hamburg. Cläre, die Tochter des verstorbenen Johann Behmer und seiner Frau Maria, ist inzwischen eine erwachsene junge Frau, die sich nichts mehr wünscht ein Ökonomie-Studium, wofür ihr Verlobter ...

1929 Hamburg. Cläre, die Tochter des verstorbenen Johann Behmer und seiner Frau Maria, ist inzwischen eine erwachsene junge Frau, die sich nichts mehr wünscht ein Ökonomie-Studium, wofür ihr Verlobter so gar kein Verständnis aufbringen kann. Vielmehr hofft er darauf, mit der Heirat das inzwischen von Maria Behmer geführte Kaffeekontor in der Speicherstadt zu übernehmen. Während die Nationalsozialisten in Deutschland sich immer mehr in das Leben der Menschen einmischen und dieses mit harten Gesetzen und Sanktionen erschweren, lässt die Begegnung mit dem lebenslustigen und freiheitsliebenden Journalisten Fritz Walterhausen Cläres Herz höher schlagen und aus den beiden ein Paar werden. Dann erwartet Cläre ein Kind und bringt ihre Zukunftsplanung durcheinander. Als Maria nach Brasilien reisen muss, um dort anstehende Probleme auf der Fazenda zu lösen, übernimmt Cläre das Kontor und muss sich beweisen. Schwierigkeiten drohen aber auch aus der eigenen Familie heraus, denn Tante Gertrud und deren bereits verheiratete Tochter Emma sorgen immer wieder für Unfrieden und Intrigen…
Anja Marschall hat mit „Der Geschmack von Freiheit“ den zweiten Band ihrer Speicherstadt-Trilogie vorgelegt, der dem Vorgängerroman in punkto Unterhaltungswert und historischem Hintergrund in nichts nachsteht. Mit ihrem flüssigen und bildhaften Erzählstil lädt die Autorin den Leser ins Hamburg des vergangenen Jahrhunderts ein, um sich im Haushalt der Familie Behmer einzunisten und das Schicksal von Cläre und ihren Angehörigen sowie einigen weiteren Protagonisten hautnah mitzuverfolgen. Die Handlung zieht sich über einen Zeitraum von 15 Jahren und umfasst den Zusammenbruch der Weimarer Republik, die Machtergreifung der Nazis sowie den zweiten Weltkrieg. Das Kaffeekontor wird seit dem Tod von Johann von Maria geführt, deren Tochter Cläre so gar keine Ambitionen hat, mal ins Geschäft einzusteigen, sondern lieber studieren will, was für eine Frau zur damaligen Zeit fast unmöglich war. Während die Nazis Deutschland immer mehr unter ihre Fuchtel bekommen, sich in alles einmischen und kontrollieren wollen, macht sich deren Judenfeindlichkeit auch im Umkreis der Familie Behmer bemerkbar, denn viele jüdische Kaufleute und Geschäftsinhaber müssen ihre Läden schließen und verschwinden nach und nach. Gleichzeitig ist gerade Cläres Cousine Emma eine Anhängerin der Nazis und erhofft sich für ihren Ehemann eine aufstrebende Position. Das Zusammenleben zwischen Maria, Cläre und Gertrud nebst Emma und ihrer Familie wird immer schwieriger, zumal Emma mit ihren neidischen Intrigen einiges an Unruhe ins tägliche Leben bringt. Marschall erzählt so farbenprächtig, dass der Leser die Geschichte wie einen lebendigen Film vor Augen sieht und sich als Teil der Handlung fühlt.
Die Charaktere sind mit Liebe zum Detail ausgearbeitet und überzeugen durch authentische Eigenschaften, was es dem Leser sehr leicht macht, ihnen zu folgen und mitzufiebern. Wirkt Cläre zu Beginn noch etwas naiv und verträumt, entwickelt sie sich im Verlauf der Handlung zu einer mutigen Frau, die keine Herausforderung scheut und die Dinge selbst in die Hand nimmt. Dabei wird sie ihrer Mutter Maria immer ähnlicher, auch diese ist eine Kämpfernatur, die keinem Problem aus dem Weg geht, sondern anpackt. Cousine Emma ist eine egoistische, missgünstige und intrigante Frau, die keine Gelegenheit auslässt, anderen das Leben für ihre eigenen Zwecke schwer zu machen. Aber auch Gertrud, Fritz und weitere Protagonisten wie Willi bereichern die Geschichte durch ihre Episoden.
Mit „Der Geschmack von Freiheit“ ist der Autorin eine unterhaltsame und spannende Fortsetzung gelungen. Der Mix aus akribisch recherchierter Historie sowie Familiengeschichte, Kriegsgeschehen, Intrigen, Liebe sowie menschlichen Schicksalen lässt den Leser die Handlung lebendig miterleben. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.07.2022

Ein ganz klein wenig Schokolade kann viel Bitteres verschwinden machen. (Francesco Petrarca)

Drei Tage im August
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1936 Berlin. Während die Olympischen Spiele in Nazi-Deutschland ausgetragen werden und aller Welt ein politisches Schauspiel geboten wird, ist die Chocolaterie Sawade „Unter den Linden“ der ganze Lebensinhalt ...

1936 Berlin. Während die Olympischen Spiele in Nazi-Deutschland ausgetragen werden und aller Welt ein politisches Schauspiel geboten wird, ist die Chocolaterie Sawade „Unter den Linden“ der ganze Lebensinhalt der Enddreißigerin Elfie Wagner. In diesem Geschäft hat sie als Verkäuferin begonnen und kennt die Zusammensetzung jeder süßen Köstlichkeit, die im Laden produziert und über die Theke an die Liebhaber geht. Mit einem neuen Besitzer ist sie zur Prokuristin avanciert, ist morgens die Erste und abends die Letzte in dem Süßwarengeschäft. So kann sie ihre Schwermut im Zaum halten, die sie aufgrund einer lieblosen Kindheit bei ihrer Großmutter immer wieder heimsucht. Vielmehr sorgt sie sich um die unmittelbaren Nachbarn des Schokoladenparadieses: den jüdischen Buchhändler Franz Marcus, der aufgrund des Naziregimes und den fortschreitenden Repressalien daran denkt, Deutschland baldmöglichst zu verlassen; den Drehorgelmann Willi, der gestorben und doch irgendwie noch in den Gedanken aller ist; die alte Madame Conte, die in der Beletage über dem Laden wohnt und einmal die Woche Pralinen bestellt. Sie alle sind Elfie ans Herz gewachsen und sind für sie Familie, um die man sich kümmert…
Anne Stern hat mit „Drei Tage im August“ einen wunderschönen und berührenden historischen Roman vorgelegt, der den Leser in die dunkelste Zeit deutscher Geschichte zurückführt, wo er auf einen Mikrokosmos von Individualisten trifft, die trotz ihrer Eigenheiten eine Gemeinschaft bilden und sich gegenseitig unterstützen. Der einfühlsame, bildgewaltige und prosaische Erzählstil lädt den Leser ein, sich an Elfies Seite zu begeben, um ihre Gedanken- und Gefühlswelt hautnah mitzuerleben, aber auch die Liebe zu ihrer „Schokoladenwelt“, dem Pralinengeschäft Sawade, das ihr schon lange ein Zuhause bietet. Während die Welt die Olympischen Spiele in Berlin verfolgt und von den Nazis eine Fratze vorgehalten bekommt, schaut der Leser Elfie im Laden über die Schulter, erlebt ihre kleinen Schrulligkeiten und bewundert sowohl ihren Geschmackssinn wie ihre Liebe fürs Detail. Dabei trifft er auch auf ihre Kollegen sowie die unmittelbar in der Nähe des Geschäfts arbeitenden Menschen, die wie eine eingeschworene Gemeinschaft wirken, fast wie eine Familie. Das Schicksal eines jeden von ihnen führt die Autorin dem Leser vor Augen. Gleichzeitig kommen in vereinzelten Kapiteln immer wieder die alten Linden zu Wort, die der Allee den Namen verliehen haben und dessen Pracht immer mehr verblasst. Die Autorin hat die wunderbare Gabe, die Geschichten der Menschen und die der Linden so herrlich miteinander zu verknüpfen, dass es den Leser in der Seele berührt.
Die Charaktere sind facettenreich ausgearbeitet und in Szene gesetzt. Mit ihren menschlichen Eigenheiten rühren sie den Leser an, der ihnen nicht von der Seite weicht und mit ihnen hofft, bangt und fiebert. Elfie ist eine Frau in den mittleren Jahren. Ihre ganze Welt ist der Schokoladenladen, denn sie hat keine eigene Familie. Alleinsein macht sie schwermütig, denn sie hat nie wahre Liebe gespürt. Dafür ist sie umso mitfühlender, hilfsbereiter und warmherziger ihren Mitmenschen gegenüber. Franz Marcus ist ein Eigenbrötler, der sich nur in seinem Buchladen wohlfühlt, doch nun kämpft er mit der Entscheidung, alles aufzugeben und Deutschland den Rücken zu kehren. Madame Conte hütet ein Geheimnis, das sie endlich aussprechen möchte, bevor ihr Leben endet. Aber auch Leierkastenmann Willi, Barbesitzer El Hamady, Blumenmädchen Rosa sowie Dienstmädchen Mine und Verkäuferin Trude gehören zur kleinen Gemeinschaft mit ihren eigenen Geschichten.
„Drei Tage im August“ ist nicht nur ein wunderschöner Roman über menschliche Individualisten, sondern vor allem ein fein abgeschmecktes Rezept für Menschlichkeit, Mitgefühl, Zusammenhalt, Hoffnung und Liebe, das auf der Zunge zergeht und sich im Herzen einnistet. Absolute Leseempfehlung für diese Sinnesköstlichkeit!

Veröffentlicht am 30.07.2022

Italienischer Sommertraum

Villa Amalfi
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50er Jahre Italien. Die 16-jährige Ida lebt mit ihren Eltern in Tramonti. Ihr Vater Raffaele lehnt sie seit ihrer Geburt ab, weil sie nicht der gewünschte Sohn ist und lässt es die Familie mit seinen Alkoholexzessen ...

50er Jahre Italien. Die 16-jährige Ida lebt mit ihren Eltern in Tramonti. Ihr Vater Raffaele lehnt sie seit ihrer Geburt ab, weil sie nicht der gewünschte Sohn ist und lässt es die Familie mit seinen Alkoholexzessen sowie durch seine Prügeleien ständig spüren. Als er plant, Ida mit einem älteren Mann zu verheiraten, verhilft Mutter Maria Grazia Ida zur Flucht, indem sie sie zu Verwandten schickt und diese um Hilfe für ihre Tochter bittet. Schon bald findet Ida eine Anstellung als Köchin im Hotel Villa Amalfi und macht sich dort recht schnell unentbehrlich, was den Eigentümern nicht entgeht, die sich blind auf sie verlassen, aber bei Kollegen auch Neid entfacht. Als der Reiseleiter Ranierei ihren Weg kreuzt, ist es für Ida die große Liebe, aber leider hat sich auch Guendalina, die Tochter der Hoteleigentümer, in denselben Mann verguckt…
Guilia Romanelli hat mit „Träume über dem Meer“ den Auftaktband ihrer Villa-Amalfi-Saga vorgelegt, der den Leser nicht nur an einen der schönsten Orte Italiens entführt, sondern auch das Sommerfeeling und Flair der damaligen Zeit zurückbringt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser in die 50er Jahre zurückreisen, um dort Ida und ihre Familie kennenzulernen. Die Zustände innerhalb der Familie sind für Ida schon sehr schwierig, denn ihre Mutter kann dem gewalttätigen Ehemann selbst nichts entgegenbringen, und alle müssen unter den Ausbrüchen von Raffaele leiden. Umso erstaunlicher ist es, dass Maria Grazia über ihren Schatten springt und Ida vor einer Zwangsehe rettet, indem sie sie zu ihren Verwandten schickt und Ida so ermöglicht, ihren eigenen Weg zu finden. Die schönen Landschaftsbeschreibungen verzaubern den Leser während der Lektüre ebenso wie Ida, und während man per Kopfkino an der Amalfiküste entlangstreift und das zauberhafte Hotel in Augenschein nimmt, wächst einem Ida mit ihrer frischen und unbekümmerten Art immer mehr ans Herz. Auch das italienische Dolce Vita wird schön durch die Geschichte getragen, auch wenn es damals arbeitsreiche Zeiten für Ida waren. Aber die Leichtigkeit und die italienische Gastfreundschaft ist immer wieder gut zu spüren, so dass man Sehnsucht nach einem Urlaub dort bekommt. Etwas unglaubwürdig ist dagegen leider, dass sich wie durch Zauberhand fast wie von selbst die Problemstellungen auflösen. Zudem bleiben einige Dinge am Ende des Romans offen, was den Leser praktisch dazu zwingt, auch den nächsten Teil zu lesen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und nehmen mit ihren menschlichen Ecken und Kanten den Leser schnell in ihre Mitte, der ihnen nur zu gerne folgt. Ida hatte in ihrer Familie wenig zu lachen, umso schöner ist ihre Entwicklung zu beobachten, als sie endlich auf eigenen Beinen steht. Sie lebt regelrecht auf, ist warmherzig, freundlich, immer hilfsbereit und offen. Mutter Maria Grazia ist eine schwache Frau, die sich gegen ihren Ehemann Raffaele nicht zu wehren weiß. Raffaele ist noch in alten Denkmustern gefangen, zudem macht ihn der Alkohol aggressiv und reizbar. Hotelbesitzer Vittoria und Ehefrau Annalisa sind freundliche Menschen, die ihr Personal sehr anständig behandeln. Tochter Guendalina ist eine verwöhnte und eifersüchtige Zicke, die immer ihren Willen haben muss und dafür über Leichen geht.
„Träume über dem Meer“ ist eine unterhaltsame Reise ins Italien der vergangenen 50er Jahre, der neben einer Familiengeschichte auch mit einer starken Protagonistin aufwarten kann. Neben dem italienischen Flair finden sich auch Liebe und Intrigen wieder, die einigen Unterhaltungswert bieten und dem Leser so eine schöne Auszeit vom Alltag bescheren. Verdiente Leseempfehlung!