Kurz vor ihrem 50. Geburtstag wird Jette von Ehemann Stefan geschieden, der sich bereits eine Neue geangelt hat. Sie lebt mit ihrer erwachsenen Tochter Julie zusammen in Oberhausen und arbeitet als Lehrerin. Während ihre Eltern ihre goldene Hochzeit auf einer Kreuzfahrt feiern wollen, hat Jette eigentlich einen Kurzurlaub mit Freundin Eva auf Sylt geplant. Doch alles kommt anders, als Jette einen Brief aus Lünzen bekommt, dem kleinen Ort in der Lüneburger Heide, wo sie ihre Kindheit verbracht hat, bevor sie mit der Familie ins Ruhrgebiet zog. In dem Brief wird Jette mitgeteilt, dass Thies, der die Ortsgaststätte in Lünzen betrieb, gestorben ist. In Jette erwachen Erinnerungen an alte Freunde und Nachmittage in Thies‘ Küche, um Butterkuchen und allerlei andere Köstlichkeiten zuzubereiten. In Absprache mit Freundin Eva fährt Jette nach Lünzen zur Thies‘ Beerdigung und läuft nicht nur ihrer alten Freundin Uta, sondern auch ihrer alten Jugendliebe Jan über den Weg, den sie nie so richtig vergessen konnte. Jan ist mittlerweile ein anerkannter Sternekoch, während Uta als Hausfrau nicht gerade zufrieden ist. Zu allem Überfluss erfährt Jette, dass Thies sie in seinem Testament bedacht hat, doch auch Uta und Jan erben. Freundin Eva und auch Tochter Julie reisen als Verstärkung an, um Jette zu unterstützen. Allerdings kann nur ein Wettstreit entscheiden, wer Thies Erbe antritt…
Andrea Russo hat mit ihrem Buch „Spätsommerfreundinnen“ einen wunderschönen unterhaltsamen Roman vorgelegt über alte Lieben und Freundschaften, über schöne Erinnerungen, Gerüchte und leckere Köstlichkeiten. Der Schreibstil ist locker-flüssig und nimmt den Leser direkt mit an Jettes Seite, um mit ihr so einige Überraschungen zu erleben und dabei ihre Gefühls- und Gedankenwelt kennenzulernen, die der eigenen in manchen Dingen überraschenderweise so ähnlich ist. Das schweißt schnell zusammen und lässt Jette schon bald als alte Freundin erscheinen. Der Autorin gelingt es geradezu mühelos, Themen wie Wechseljahre, Scheidung, neue Lebensausrichtung, aber auch echte Freundschaften und gemeinschaftlichen Zusammenhalt in ihrer Geschichte unterzubringen. Besonders schön sind auch die eingestreuten Leckereien, die einem beim Lesen den Mund so richtig wässrig machen. Die Landschaftsbeschreibungen sind so farbenfroh, dass der Leser sich alles wunderbar vorstellen kann und selbst wünscht, die Lüneburger Heide und das buddhistische Kloster zu besuchen, klingt es doch geradezu malerisch und heimelig nach einem Wohlfühlort. Mit einigen geschickten Wendungen und Überraschungsmomenten hält die Autorin den Geist des Lesers auf Trapp, gibt es doch Überlegungen mal in die eine, mal in die andere Richtung, die möglich wären und lassen die Spannung zur Auflösung steigen.
Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und lassen beim Leser schnell das Gefühl aufkommen, die eine oder andere Person persönlich zu kennen. Durch ihre individuellen Eigenheiten wirken alle durchweg authentisch und sehr real. Jette ist eine patente Frau, die mitten im Leben steht. Sie ist freundlich, pragmatisch, träumt nach ihrer Scheidung aber doch noch insgeheim von einem neuen Glück. Sie liebt das Kochen und Backen und hätte früher sehr gern etwas in dieser Richtung gemacht. Aber dafür ist es doch nie zu spät, oder? Tochter Julie ist eine aufgeweckte junge Frau, die manche Dinge klarer sieht als ihre Mutter und ihr so eine große Hilfe ist, wenn es zu Entscheidungen kommt. Eva ist eine wunderbare Freundin, die genug Kaltschnäuzigkeit besitzt, Jettes Ehemann mit „Arschie“ dauerhaft einen neuen Namen zu geben. Sie ist flexibel und besitzt den nötigen Elan, um ihre Freundin gut zu beraten und sie bei allem zu unterstützen. Uta ist mit ihrem momentanen Leben nicht zufrieden. Sie hat sich alles etwas anders vorgestellt und hätte nun die große Chance, doch noch einmal etwas auf die Beine zu stellen. Ella ist die Schwester von Thies und wirkt manchmal wie die böse Hexe, dabei führt sie nur die Wünsche ihres Bruders aus und ist eigentlich ganz in Ordnung. Thies war ein Spaßvogel und ein Spieler, der einer guten Wette nicht wiederstehen konnte. Er ist der Strippenzieher im Hintergrund, der sich im Himmel das Fäustchen lacht, während sich die Dinge entwickeln. Jan ist ein netter Kerl, der schon viel erreicht hat, aber nun vielleicht den Jackpot knackt – in anderer Hinsicht, als sich vielleicht mancher denkt.
„Spätsommerfreundinnen“ ist ein wunderschönes Wohlfühlbuch, das man von der ersten Seite an nicht mehr aus der Hand legen möchte, so sehr wird man Teil des Geschehens und der Gemeinschaft. Nach der letzten Seite mag man gar nicht Abschied nehmen und hofft darauf, alle liebgewonnenen Protagonisten bald wiederzulesen. Absolute Leseempfehlung für eine Lektüre, dass neben einer tollen Geschichte so viel Normalität aussendet – wie im richtigen Leben eben. Toll gemacht!