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Veröffentlicht am 03.07.2022

Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen. (Walt Disney)

Träume im Wind
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Die deutsche Lehrerin Marly kann es kaum glauben, als sie vor dem wunderschönes Herrenhaus an der normannischen Küste steht. Sie ist eine von drei Erbinnen dieses Anwesens, obwohl sie sich das nicht erklären ...

Die deutsche Lehrerin Marly kann es kaum glauben, als sie vor dem wunderschönes Herrenhaus an der normannischen Küste steht. Sie ist eine von drei Erbinnen dieses Anwesens, obwohl sie sich das nicht erklären kann. Auch die beiden Miterbinnen, die französische Geschäftsfrau Joscelin aus Paris sowie die zurückhaltende Lucienne aus Kanada, wurden von dem Erbe überrascht und können sich keinen Reim darauf machen, wieso sie geerbt haben. Schnell müssen sich die drei untereinander fremden und so unterschiedlichen Frauen zusammenraufen und das Herrenhaus auf Vordermann bringen, so will es die eigenwillige verstorbene Eigentümerin. Dabei entdeckt eine jede von ihnen nicht nur ihre verborgenen Talente, sondern sie kommen auch nach und nach auf das Geheimnis, warum ausgerechnet eine jede von ihnen zur Erbin auserkoren wurde…
Noa C. Walker hat mit „Träume im Wind“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit farbenprächtigen Beschreibungen sofort zu begeistern weiß, sondern auch mit einer unterhaltsamen, warmherzigen Geschichte über Familie, Geheimnisse, Freundschaften, Liebe, Ängste und Sehnsüchte. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser abwechselnd an die Seite von Marly, Lucienne und Joscelin gleiten, um deren Gedanken- und Gefühlswelt bei diesem Abenteuer mitzuverfolgen. Lucienne, die alleinstehend und schwanger ist, sieht in dem Herrenhaus die Verwirklichung ihres Traums, als Köchin zu arbeiten und Gäste mit ihren Gerichten zu erfreuen. Marly hat dagegen so gar keine Vorstellung davon, welche Rolle sie in dem Plan spielt, doch schon bald werden alte Erinnerungen in ihr geweckt, die sie nachhaken lassen. Ihr verborgenes Gesangstalent spricht sich bald herum und wird zum Publikumsmagneten. Und Joscelin, die am liebsten sofort wieder zurück nach Paris gereist wäre, entpuppt sich nicht nur als gewiefte Geschäftsfrau, sondern auch als exzellente Barkeeperin. Wunderbar verknüpft die Autorin die einzelnen Schicksale der Charaktere miteinander, lässt sie zusammenwachsen und ihre Fähigkeiten immer weiter entwickeln. Der Leser ist bei allem hautnah dabei, denn durch die Erzählweise der Autorin spult sich während der Lektüre ein herrliches Kopfkino vor dem inneren Auge ab. Erst nach und nach fügen sich die Puzzlesteine zu einem Gesamtbild zusammen und eröffnen dem Leser die Verbindung zwischen den einzelnen Frauen. Dabei steigt die Spannung immer weiter an, um den Leser dann mit einem zufriedenen Lächeln ins Finale zu entlassen, da alle Fäden perfekt miteinander verbunden wurden.
Die Charaktere sind facettenreich ausgestaltet und in Szene gesetzt. Mit ihren glaubwürdigen menschlichen Ecken und Kanten wachsen sie dem Leser schnell ans Herz, der ihnen nur zu gerne folgt und mit ihnen fiebert, hofft und bangt. Mardy ist eine Frau, die stets Optimismus und Freundlichkeit verströmt. Sie ist hilfsbereit, schlichtend, einnehmend und liebevoll. Joscelin hat Haare auf den Zähnen, ist energisch, hektisch, penibel und wirkt oftmals wie ein Snob. Lucienne ist zurückhaltend, schüchtern, sensibel und liebt es vor allem, in der Küche zu zaubern. Pascal ist Fitnesstrainer und Ernährungsberater. Er ist freundlich und unterstützt, wo es nur geht. Seine Schwester Sarah hat ein Händchen für Pflanzen, während Menschen ihr eher Angst einjagen, aber in ihr wohnt eine alte weise Seele und ein wunderbarer Humor. Aber auch der alte Koch ist ein Unikum, den man nicht missen möchte, ebenso wie Monsieur Henry.
„Träume im Wind“ ist ein wunderbarer Roman vor der malerischen Küste der Normandie. Der Mix aus alten Familiengeheimnissen, neuen Freundschaften, unterschiedlichen Schicksalen sowie Romantik ist unwiderstehlich und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight! Einfach wunderbar!!!

Veröffentlicht am 03.07.2022

Allein läufst du um deine Insel deinem Vor-dir-Weglaufen hinterher. (Manfred Hinrich)

Inselluft
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Da Sarah dringend eine Auszeit nicht nur für ihren Heuschnupfen benötigt, nimmt sie dafür kurzfristig ein auf sechs Monate befristetes Jobangebot als Postbotin auf der Insel Föhr wahr. Schon die Überfahrt ...

Da Sarah dringend eine Auszeit nicht nur für ihren Heuschnupfen benötigt, nimmt sie dafür kurzfristig ein auf sechs Monate befristetes Jobangebot als Postbotin auf der Insel Föhr wahr. Schon die Überfahrt beschert ihr die erste Bekanntschaft mit dem Künstler Sven. Doch kaum auf der Insel, wird sie von den Einwohnern sofort herzlich aufgenommen. Ihre Kollegin Gertje und Mitbewohnerin Miri sind ebenso hilfsbereit wie Tierarzt Marten. Schnell lebt sich Sarah ein, doch ein Anruf aus der Heimat bringt die Dinge, vor denen sie geflohen ist, wieder auf ihre Tagesordnung. Gleichzeitig kümmert sie sich um Martens schwangere Schwester Fee, obwohl auch hier die Erinnerungen an die Vergangenheit stets sehr präsent sind. Während Sven und Marten um Sarah werben, hat diese mehr damit zu tun, sich endlich zu den Gespenstern ihrer Vergangenheit zu stellen…
Jette Hansen hat mit „Inselluft“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur den Besuch auf einer malerischen Insel spendiert, sondern diesen auch mit allerlei problematischen Themen konfrontiert, die das Buch auf den ersten Blick nicht offenbart. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser sofort an Sarahs Seite gleiten, um sie fortan nicht mehr aus den Augen zu lassen, während er ihre Gedanken- und Gefühlswelt hautnah mitverfolgen kann. Schon die farbenfrohen Beschreibungen der Anreise per Fähre und den Örtlichkeiten auf der Insel projizieren wunderschöne Bilder vor dem inneren Auge des Lesers und geben ihm ein Gefühl von Inselurlaub. Sarah, die sich von dem Tapetenwechsel nicht nur Linderung für ihren Heuschnupfen erhofft, findet schnell Anschluss auf Föhr, doch kann sie sich ihren neuen Bekanntschaften nur schwer öffnen aufgrund ihrer bewegten Vergangenheit. Die Handlung beschränkt sich allerdings nicht nur auf Sarahs Probleme, sondern thematisiert darüber hinaus auch die jedes einzelnen Protagonisten, so dass der Leser von dieser geballten Menge regelrecht erschlagen wird. Sarahs Schicksal wird dabei fast zu Nebensache, wie gut, dass es da die gute alte Freundin Isabel gibt, die Sarah immer wieder zur Seite steht. Von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Vergewaltigung, Schwangerschaft durch einen One-Night-Stand bis hin zu Selbstmord ist in dieser Handlung alles vertreten und vertreibt damit leider auch die Leichtigkeit, die der Roman eigentlich verspricht. Obwohl flüssig zu lesen, sind es gerade diese vielen zum Teil nur angeschnittenen, aber nicht weiter ausgeführten Themen, die die Lektüre dann recht unbefriedigend gestalten. Hier wäre weniger auf jeden Fall mehr gewesen.
Die Charaktere sind leider recht oberflächlich ausgestaltet, so dass der Leser mehr als Statist und stiller Beobachter fungiert als mit den Protagonisten zu fiebern und zu fühlen. Sarah ist eine zurückhaltende und hilfsbereite Frau, die mit sich selbst hadert. Sie muss erst lernen, sich endlich freizuschwimmen. Freundin Isabel ist eine Frau, die die Dinge in die Hand nimmt und mit Rat und Tat zur Seite steht. Tierarzt Marten ist ein ernsthafter, feiner Kerl, der viel Feingefühl besitzt. Sven ist ein rastloser Mann, der selbst noch an einem Schicksalsschlag knabbert. Martens Schwester Fee benimmt sich oft wie ein Teenager, der andere benötigt, um die Kohlen für sie aus dem Feuer zu holen.
„Inselluft“ ist ein kurzweiliger Unterhaltungsroman, der Inselflair verströmt, während seine Protagonisten einiges an Problemen zu wälzen haben. Ganz nett zu lesen, aber mehr auch nicht. Eingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 19.06.2022

Schiebt nie einander die Schuld zu, sondern nehmt euch auf, wie ihr seid. (Dietrich Bonhoeffer)

Der Sommer danach
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1945 Potsdam. Die 20-jährige Karla ist vom Krieg gezeichnet, denn sie wurde mit ihrem Geschwistern von der Gestapo in Sippenhaft genommen und als Namenlose in ein Heim gesteckt, weil ihr Vater sich politisch ...

1945 Potsdam. Die 20-jährige Karla ist vom Krieg gezeichnet, denn sie wurde mit ihrem Geschwistern von der Gestapo in Sippenhaft genommen und als Namenlose in ein Heim gesteckt, weil ihr Vater sich politisch gegen Hitler stellte, an einem Attentat auf ihn mit beteiligt war und dafür hingerichtet wurde. Ihre Mutter und ihre jüngeren Geschwister haben immer noch mit den Nachwirkungen zu kämpfen und ihr ältester Bruder Konrad gilt als verschollen. Durch Zufall lernt die arbeitssuchende Karla die britische Joan Bright kennen, die für Churchills Delegation anlässlich der Berliner Alliierten Konferenz arbeitet. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb gut, so dass Joan Karla als Dolmetscherin einstellt, weil diese neben Englisch auch Russisch und Französisch spricht. An der Seite von Joan schwebt Karla immer wieder in Gefahr, aber sie erlebt auch das Misstrauen sowohl der Alliierten als auch der Deutschen, die sie für die Tochter eines Verräters halten. Über Joan lernt sie auch den Techniker Ray kennen, der ihr aber mit großer Ablehnung entgegentritt…
Elisabeth Büchle hat mit „Der Sommer danach“ einen wunderbaren historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur eine Zeitreise zum Ende des Zweiten Weltkrieges machen lässt, sondern auch sehr empathisch und eindrucksvoll die Lage im zertrümmerten Deutschland sowie deren Bewohner widerzuspiegeln und dabei auch die Ansicht der Alliierten mit einzubinden. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schon mit den ersten Zeilen in die Handlung eintreten, um nicht nur die Nachkriegszeit und die Aufklärung der Naziverbrechen durch die Alliierten mitzuerleben, sondern auch die Geschichte von Karla und ihrer Familie aus erster Hand zu erfahren. Dabei hat die Autorin ihre Haupthandlung, die im Jahr 1945 stattfindet, in einen Gegenwartsrahmen um eine gealterte Karla und ihrer Urenkelin Nina eingebunden, so dass die Geschichte auf unterschiedlichen Zeitebenen stattfindet und dem Leser so immer wieder in der Gegenwart etwas Entspannung gönnt, da der Handlungsrahmen in der Vergangenheit sehr emotional und oftmals schrecklich ans Herz gehen. Karla, geschunden von der Gestapo, findet sich in einem Trümmerland wieder, dass unter den Alliierten aufgeteilt wird. Bei ihrer Arbeit als Dolmetscherin bekommt sie schonungslos die Gräueltaten der Nazis präsentiert, die ihr regelrecht die Luft zum Atmen nehmen. Einerseits hofft sie auf einen Neuanfang und die Verarbeitung des Erlebten, andererseits sind da diese abscheulichen Dinge, die sie als Deutsche mit zu verantworten hat, obwohl gerade ihr Vater ein absoluter Gegner des Regimes war. Nebenbei treibt sie die Suche nach ihren verschollenen Geschwistern um und die unpassende Liebe zu einem Briten. Büchle verbindet mit akribischer Recherche politische Fakten, historisches Geschehen und die emotionale Zerrissenheit von Karla wunderbar miteinander, so dass der Leser während der Lektüre das Gefühl hat, in Karlas Haut zu stecken, ihren Zwiespalt durch jede Pore zu spüren und dabei Geschichte leibhaftig mitzuerleben.
Die Charaktere sind sehr facettenreich und detailliert ausgearbeitet und lebensnah in Szene gesetzt. Der Leser findet sich sofort in ihrer Mitte wieder, schaut ihnen über die Schulter und darf ihre Gedanke- und Gefühlswelt genau erkunden. Karla wirkt zu Beginn mutlos und verängstigt, doch je mehr man sie beobachtet, umso stärker tritt sie hervor, gewinn an Kraft und Hoffnung. Gleichzeitig wird ihre innere Zerrissenheit ob der ganzen Tatsachen, die auf sie einprasseln, deutlich. Joan ist eine selbstbewusste Frau, die ihre Geheimnisse hat. Ray ist ein empfindsamer Kerl, der schwer mit dem zu kämpfen hat, was er von den deutschen Gräueltaten gesehen hat. Auch die politischen Strategen Churchill, Stalin und Truman wurden wunderbar Leben eingehaucht, so dass sie für die Zeit der Lektüre für den Leser sehr präsent sind.
„Der Sommer danach“ ist einzigartig! Ein großartiger historischer Roman, der den Leser nicht nur in der Seele trifft, sondern neben der Potsdamer Konferenz auch die Schicksale und die Schuldfrage hervorhebt. Besser geht es nicht – absolute Leseempfehlung! Chapeau!!!

Veröffentlicht am 19.06.2022

Männer nehmen die Welt nicht wahr, weil sie selber glauben, sie seien die Welt. (Virginia Woolf)

Die Liebenden von Bloomsbury – Virginia und die neue Zeit
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1903 London. Während ihre Schwester Vanessa einem Kunststudium nachgeht, träumt Virginia Stephen von einem Leben als Schriftstellerin. Die beiden Schwestern stammen aus einem wohlhabenden Intellektuellen ...

1903 London. Während ihre Schwester Vanessa einem Kunststudium nachgeht, träumt Virginia Stephen von einem Leben als Schriftstellerin. Die beiden Schwestern stammen aus einem wohlhabenden Intellektuellen Elternhaus und nach dem Tod des Vaters gründen sie gemeinsam mit ihren Brüdern Thoby und Adrian im Stadtteil Bloomsbury eine Wohngemeinschaft, die sich die „Bloomsbury Group“ nennt und ausschließlich der Kunst und der freien Denkweise gewidmet. Künstlern, Literaten und Wissenschaftlern steht ihr Haus für einen Austausch immer offen, das Netzwerk vergrößert sich schnell. Doch die Wohngemeinschaft wird auch kritisch von der Gesellschaft betrachtet, die von Standesdünkel und der damaligen Etikette geprägt ist und vor allem unverheirateten Frauen das Leben schwer macht. Auch Virginia und Vanessa bleiben davon nicht verschont…
Stefanie H. Martin hat mit „Die Liebenden von Bloomsbury-Virginia und die neue Zeit“ den Auftaktband ihrer historisch-biografischen Trilogie um den von Virginia Stephen-Woolf mitgegründeten Bloomsbury-Zirkel vorgelegt, in dem sich Literaten, Kritiker sowie Wissenschaftler tummelten und einen regen Austausch über zeitgemäße Themen wie die Unterdrückung der Frau und der Wunsch nach einem freiheitlichen Geist pflegten. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser schnell in die Familie Stephen einziehen und die Ereignisse hautnah miterleben. Interessant stellt die Autorin die Familie Stephen in den Vordergrund, die schon im viktorianischen England recht fortschrittliche Ansichten vertrat und gerade deshalb von der Gesellschaft kritisch beäugt wurde. Was durch den Titel fälschlicherweise darauf hindeutet, dass es sich in der Handlung ausschließlich um die berühmte Schriftstellerin Virginia Woolf, geborene Stephen, handelt, entpuppt sich im Nachhinein als Gründungsgeschichte der Bloomsbury-Group, wobei nebenbei die Entwicklung der Schwestern Virginia und Vanessa abgehandelt wird. Während Vanessa sich der Kunst widmete und Eheprobleme mit ihrem Mann Clive hatte, ist vor allem Virginia diejenige, die gegen die allgegenwärtige Rolle der Frau kämpft und einen großen Freiheitsdrang hat, den ihr die moralisierende Gesellschaft nicht zugestehen will. Misshandlungen innerhalb der Familie haben Virginia zudem sehr geprägt, denn sie hatte zeitlebens bipolare Störungen und war psychisch sehr instabil.
Die Charaktere sind gut herausgestellt und mit realistischen Ecken und Kanten glaubwürdig in Szene gesetzt. Der Leser findet seinen Platz als Beobachter in der ersten Reihe, wo er den Geschwister Stephen bei ihren Unternehmungen folgt und auch einen tieferen Einblick in das Leben von Vanessa und Virginia erhält. Die beiden Schwestern pflegen ein inniges Verhältnis, obwohl sie auch miteinander in Konkurrenz stehen und der anderen den jeweiligen Erfolg neiden. Virginia ist eine rastlose und sprunghafte Frau, sehr intelligent und hochsensibel, doch auch sehr labil und depressiv in ihrer Persönlichkeit. Sie hat aufgrund des an ihr begangenen Missbrauchs eine Abneigung gegen Männer. Vanessa ist ebenfalls eine beeindruckende Frau, doch wird sie bei Weitem von Virginia überstrahlt. Auch Clive Bells und Lytton Strachey, Thoby und weitere Protagonisten sind gut ausgearbeitet und sorgen für einige Unterhaltung.
„Die Liebenden von Bloomsbury-Virginia und die neue Zeit“ ist ein historisch-biografischer Roman, der nicht nur gut die damalige Zeit nebst ihren Wertevorstellungen wiederspiegelt, sondern dem Leser auch einen guten Einblick in das Privatleben von Virginia Woolf und ihren Geschwistern bietet, wobei das Schaffen der außergewöhnlichen Frau leider außen vor bleibt. Deshalb gibt es hier auch nur eine eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.06.2022

Der Widerstand verschafft der Liebe immer kräftigere Waffen. (George Sand)

Was der Morgen verspricht
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1904 Berlin. Die junge Jüdin Hannah Sternberg, Tochter aus gutem Hause, möchte unbedingt Medizin studieren, was ihren Eltern gar nicht gefällt. Ihnen strebt vielmehr eine standesgemäße Heirat vor und einen ...

1904 Berlin. Die junge Jüdin Hannah Sternberg, Tochter aus gutem Hause, möchte unbedingt Medizin studieren, was ihren Eltern gar nicht gefällt. Ihnen strebt vielmehr eine standesgemäße Heirat vor und einen passenden Kandidaten haben sie auch schon in Daniel Friedländer gefunden. Doch sie haben die Rechnung ohne Hannah gemacht, die sich viel lieber in der Praxis ihres Großvaters aufhält und ihm bei den Behandlungen über die Schulter sieht. Hannahs Eltern sehen über die Wünsche ihrer Tochter hinweg und organisieren erst die Verlobung, dann die Hochzeit und Hannah muss Folge leisten. Aber von ihren Träumen hat sie sich deshalb noch lange nicht verabschiedet und kämpft weiter für ihr großes Ziel: das Medizinstudium…
Kristina Herzog hat mit „Was der Morgen verspricht“ einen unterhaltsamen, historischen Roman vorgelegt, der das Schicksal einer jungen Frau zur damaligen Zeit beschreibt und die sich gegen die damalige Erwartungshaltung der Gesellschaft auflehnt. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil fängt den Leser schnell ein und bringt ihn ins vergangene Jahrhundert zurück, um dort als Schatten von Hannah deren Schicksal für den Zeitraum von 1904 bis 1925 hautnah mitzuverfolgen. Hannahs Eltern vertreten die Ansicht, dass die Rolle ihrer Tochter die einer Ehefrau und Mutter zu sein hat und entscheiden über ihren Kopf hinweg über ihr Leben. Auch wenn sich der zukünftige Ehemann Daniel als ein angenehmer Zeitgenosse entpuppt, ist allein der Gedanke schrecklich, einen Mann heiraten zu müssen, den man kaum kennt und den man sich selbst nicht ausgesucht hat. So ergeht es auch Hannah, auch wenn sie sich schon bald von Daniels menschlichen Qualitäten überzeugen kann. Trotzdem ist sie mutig und widerspenstig genug, sich ihre Träume nicht aus dem Kopf schlagen zu lassen und erhält neben ihren Großeltern ausgerechnet von ihrem Ehemann die nötige Unterstützung. So beginnt sie schließlich ein Studium in Tübingen, da nur dort Frauen der Zugang dazu gewährt wurde. Kristina Herzog spult ihre Geschichte in einem gemächlichen Tempo ohne große Höhen und Tiefen ab, die Handlung besitzt kaum Spannungsmomente. Gleichzeitig ist alles sehr weichgespült, Probleme lösen sich praktisch in Luft auf und insgesamt ist alles eitel Sonnenschein. Die Schwierigkeiten der Frauen damals werden nicht wirklichkeitsgetreu dargestellt, was der Geschichte ihrer Glaubhaftigkeit beraubt. Auch die Zeitsprünge sowie viele Dinge, die sich einfach in Wohlgefallen auflösen, hinterlassen keinen positiven Eindruck.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten ausgestaltet, der Leser folgt ihnen auf Schritt und Tritt, um die Ereignisse zu verfolgen. Hannah ist schon als junge Frau nicht nur wissbegierig, sondern besitzt Entschlossenheit, Mut und eine gewisse Stärke. Sie hält an ihren Träumen fest und kämpft für die Realisierung. Daniel ist ein freundlicher und liebenswerter Mann, der seine Frau auf Hänfen trägt und ihre jeden Wunsch erfüllen will. Alma ist die gute Seele des Hauses. Sie ist zurückhaltend, steht Hannah aber immer zur Seite und ist vor allem sehr loyal. Hannahs Mutter ist eiskalt und weil sie selbst unglücklich ist, ist ihr das Schicksal ihrer Tochter wohl egal. Hannahs Bruder Jakob ist ein Widerling, der sich nimmt, was er will, ohne Rücksicht auf Verluste.
„Was der Morgen verspricht“ ist ein kurzweiliger historischer Roman, in dem eine Frau für ihre Rechte kämpft. Eine gemächliche Handlung mit zeitlichen Sprüngen, ohne Tiefgang und große Spannung sowie die sich gefällig auflösenden Probleme hinterlassen allerdings keinen bleibenden Eindruck beim Leser. Eingeschränkte Leseempfehlung!