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Veröffentlicht am 25.03.2017

Ist weit weg anders?

Weit weg ist anders
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Die 70 jährige alleinstehende Berlinerin Edith Scholz findet sich nach einem Sturz in ihrer Wohnung auf dem Teppich wieder und ist so hilflos wie ein Fisch auf dem Trockenen. Nur dem Postboten Oskar hat ...

Die 70 jährige alleinstehende Berlinerin Edith Scholz findet sich nach einem Sturz in ihrer Wohnung auf dem Teppich wieder und ist so hilflos wie ein Fisch auf dem Trockenen. Nur dem Postboten Oskar hat sie es zu verdanken, dass sie gefunden wurde und mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus kommt. Nach überstandener Hüftoperation muss Edith zur Reha nach Usedom. Edith, die die Tage am Meer genießt und gern für sich ist, lernt dort die gleichaltrige Christel Jacobi kennen, ihre Zimmernachbarin. Die beiden haben so gar nichts gemeinsam und Edith will auch gar keinen Anschluss. Trotzdem kommt es zu gemeinsamen Unternehmungen, bevor jede zurück an ihren Heimatort reist. Als Edith einige Zeit später einen Brief von Christel mit einer Einladung nach Husum bekommt, überlegt sie nicht lange, denn sie vermisst das Meer und packt ihre Koffer in der Hoffnung, ein paar schöne Tage zu verleben und dem Renovierungskrach in ihrem Wohnhaus zu entgehen. Doch es kommt ganz anders, und auf einmal findet sich Edith als Reisebegleitung von Christel in einem Zug nach Baden-Baden wieder, denn Christel möchte noch einmal was erleben, bevor…

Sarah Schmidt hat mit ihrem Buch „Weit weg ist anders“ einen unterhaltsamen und humorigen Roman mit leicht melancholischem Unterton vorgelegt, der zum Nachdenken anregt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, warmherzig und gefühlvoll; er geht mit einem besonderen Witz und einer gelungenen Beobachtungsgabe für Menschen einher. Schnell lernt der Leser Edith kennen, die sich gerade in einer für sie sehr misslichen Lage auf ihrem Flurteppich befindet und weicht ihr fortan nicht mehr von der Seite. Die Autorin versteht es brillant, die Klaviatur der Emotionen einzusetzen, während sie den Leser mit Edith und Christel auf eine abenteuerliche Reise schickt, wobei die Reise eher der Zweck ist, Menschen wie Edith und Christel auf besondere Weise in all ihren Eigenheiten und mit ihren Schicksalen kennenzulernen. Das Thema Alter wurde hier von der Autorin gut gewählt, denn sie zeigt auf, mit welchen Problemen und alltäglichen Kleinigkeiten die Menschen zu kämpfen haben. Dabei hält sie dem Leser auch den Spiegel vor und erinnert ihn daran, dass es ihm eines Tages selbst so ergehen könnte.

Die Charaktere wurden sehr liebevoll inszeniert und in Szene gesetzt, sie wirken sehr lebendig und authentisch. Der Leser hat das Gefühl, fast jeden von ihnen persönlich zu kennen und baut dadurch eine besondere Nähe zu ihnen auf. Edith ist eine resolute Frau, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Sie hält nichts von Gefühlsduseleien, hat eine zupackende Art und redet Tacheles. Dabei hält sie nicht hinter dem Berg, was sie stört. Sie lebt schon eine Weile allein, und manchmal hat man das Gefühl, sie ist einsam. Aber es gelingt ihr fast immer, einen davon zu überzeugen, dass dem nicht so ist. Christel ist eher ein Mäuschen, die alles in sich hineinfrisst, anstatt ihre Meinung kund zu tun. Sie will ja niemanden vor den Kopf stoßen, aber gerade das nimmt ihr fast die Luft zum Atmen. Sie hat einen Hang zur Extravaganz und kommt mit ihren kulturellen Interessen manchmal etwas versnobt rüber, wobei ihr nicht unterstellt werden soll, dass dies gewollt ist. Christel ist schwer krank und möchte einfach noch einmal etwas erleben. Aber Tochter Kim setzt alles daran, sie in ein Pflegeheim zu geben. Postbote Oskar ist ein netter Mann, der sich um seine „Kunden“ kümmert und ihre Gewohnheiten seit Jahren kennt. Durch dieses Wissen kann er Edith beherzt zu Hilfe kommen und springt ebenfalls ein, um beide Damen aus einer misslichen Lage zu befreien. Auch Oskar ist einsam, aber die beiden Damen bringen für kurze Zeit sein Leben auf die Galoppspur. Die anderen Nebenprotagonisten sorgen ebenso für die Unterstützung dieser „Damenreise“ und machen sie zu einem unvergesslichen Erlebnis, auch für den Leser. Die Entwicklung sowohl von Edith als auch von Christel ist sehr schön zu beobachten. Hier könnte man mit dem Titel ein schönes Wortspiel praktizieren, indem man am Ende die Frage stellt: „Ist weit weg anders?“, denn im Alter von Edith und Christel verstellt man sich nicht mehr, und vor den eigenen Problemen kann man auch nicht davonlaufen.

„Weit weg ist anders“ ist ein wunderschöner Roman über das Alter und kleine Verschrobenheiten, über Wünsche, die noch erfüllt werden wollen, über Einsamkeit und neue Freunde, über unerledigte Dinge und Gespräche und über die eigene Unzulänglichkeit, wenn man Dinge nicht mehr so erledigen kann, als wie in einem jüngeren Alter. Ein Buch für alle, die gerne gefühlvolle Geschichten lieben und sich von einer warmherzigen Handlung verzaubern lassen wollen. Absolute Leseempfehlung!!!

Veröffentlicht am 25.03.2017

Verbannung und Deportation

Suleika öffnet die Augen
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1930 Tatarstan. Die junge Suleika hat einen wohlhabenden älteren Bauern geheiratet, ist für ihn und seine Mutter allerdings nur eine billige Arbeitskraft und hat ein recht hartes Leben auf dem familieneigenen ...

1930 Tatarstan. Die junge Suleika hat einen wohlhabenden älteren Bauern geheiratet, ist für ihn und seine Mutter allerdings nur eine billige Arbeitskraft und hat ein recht hartes Leben auf dem familieneigenen Hof. Ihr Ehemann Murtasa ist der örtlichen stalinistischen Politik ein Dorn im Auge, denn er widersetzt sich jeglichen Befehlen, wird sein Hof doch enteignet. Bei seinem Widerstand wird Murtasa vor Suleikas Augen erschossen und sie selbst mit vielen anderen Leidensgenossinnen und –genossen in die Taiga nach Sibirien deportiert. Während der Deportation entdeckt sie, dass sie ein Kind erwartet und muss sich nun in einer fremden Umgebung mitten im Nirgendwo ein neues Leben aufbauen für sich und das Kind. Doch sie ist nicht allein, andere Frauen mit ähnlichem Schicksal stehen vor der gleichen Situation. Unfreiwillig zusammengewürfelt müssen sie sich der Lage stellen und gründen sie eine Kolonie. Suleika, die bisher immer fremdbestimmt war, lernt nun, obwohl noch immer nicht frei, doch auch eigene Entscheidungen zu treffen.

Gusel Jachina hat mit ihrem Buch „Suleika öffnet die Augen“ einen beeindruckenden Debütroman vorgelegt, der sich hauptsächlich mit der Thematik der Enteignung und Deportation in der ehemaligen UDSSR beschäftigt und dem Schicksal, das die Menschen, die nicht regimekonform waren, erleiden mussten, mit diesem Roman eine Bühne gegeben. Der Schreibstil ist flüssig und sehr bildhaft, schnell zieht er den Leser in den Bann und lässt ihn an den Vorkommnissen der damaligen Zeit teilhaben. Dabei schildert die Autorin sehr anschaulich das harte Leben und die Gewalt ebenso wie die Folgen der Verbannung, kann sie doch aus dem Nähkästchen plaudern, da ihre eigenen Vorfahren diese noch Zeit erlebt haben.

Die Charaktere sind sehr schön ausgearbeitet und passend in Szene gesetzt. Sie wirken sehr kraftvoll, lebendig und authentisch. Suleika ist noch eine junge Frau, die allerdings schon so einiges im Leben ertragen musste. Ihr Ehemann behandelt sie lieblos und für ihre Schwiegermutter ist sie nur eine billige Arbeitskraft. Durch den gewaltsamen Tod ihres Ehemannes erfährt ihr Leben eine Wende, die Deportation nach Sibirien ist erneut fremdbestimmt, diesmal nicht durch die angeheiratete Familie, sondern durch Menschen, die sie gar nicht kennt. Jedoch ist Suleika diesmal ganz allein auf sich gestellt und hat die Möglichkeit, auch für sich und ihr Leben eigene Entscheidungen zu treffen. Dr. Wolf Karlowitsch ist ein Mann, der erst einmal nur für sich bleibt und das Geschehen beobachtet. Doch je länger er zusieht, umso mehr rumort es in ihm. Es dauert eine Weile, doch dann muss auch er erkennen, dass er sich einbringen muss in die Gesellschaft, damit sie funktioniert. Kommandant Ignatow ist zwar Kommunist mit Leib und Seele, der sich keinem Befehl widersetzt, doch ist er in erster Linie ein Mensch mit Empathie und Mitgefühl für seine Mitmenschen. Er versucht, sie zu unterstützen und zu helfen. Die Entwicklung der Charaktere in ihrer jeweiligen Lebenssituation ist während der Geschichte wunderbar zu beobachten. Auch die anderen Protagonisten bewirken mit ihren Episoden eine Verdichtung der Erzählatmosphäre.

„Suleika öffnet die Augen“ ist ein sehr berührender historischer Roman über die vergangene Geschichte der ehemaligen UDSSR. Der Leser erhält Einblicke in die Thematik der Deportation und Enteignung aus den Erfahrungen der Autorin und ihrer eigenen Familie. Wer sich für diese geschichtlichen Hintergründe und eine gut erzählte Handlung interessiert, ist hier absolut gut aufgehoben. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 24.03.2017

Der verlorene Familiensitz

Altenstein
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Nachdem ihr zweiter Ehemann Kuno gefallen ist, muss Gräfin Agnes von Kolberg bei Kriegsende allein mit zehn Kindern zurechtkommen. Das Familiengut Altenstein in Brandenburg gehört ihnen nicht mehr und ...

Nachdem ihr zweiter Ehemann Kuno gefallen ist, muss Gräfin Agnes von Kolberg bei Kriegsende allein mit zehn Kindern zurechtkommen. Das Familiengut Altenstein in Brandenburg gehört ihnen nicht mehr und sie müssen sich nach der Flucht aus Ostpreußen in der Nähe von Bonn ein neues Heim aufbauen mit geringen finanziellen Mitteln, denn ihnen ist nichts geblieben. Jedes Familienmitglied kennt Hunger und erst sehr langsam fängt die Familie an, sich eine neue Existenz zu schaffen. Agnes ist eine harte und sehr dominante Person, die ihre Kinder um sich schart und sie mit Strenge und Kälte erzieht. Dadurch hat ihr Lieblingssohn und Jüngster Konrad im Verlauf seines Lebens immer wieder Schwierigkeiten, zurechtzukommen und Vorkommnisse in seiner Vergangenheit zu verarbeiten. Sein Bruder Moritz schlägt die Laufbahn eines Diplomaten ein, und Schwester Helene findet einen Ehemann, der unter den strengen Augen von Agnes Bestand hat. Konrads Lieblingsschwester Nona hat ihre eigenen Vorstellungen und verlässt ihren Ehemann. Nach der Wende möchte Konrad sich endlich selbst beweisen und das ehemalige Familiengut Altenstein wieder in Besitz bringen, um einige seiner Ideen dort zu verwirklichen. Doch seine Geschwister halten nichts von dieser Idee und so entbrennt ein Streit unter ihnen allen. Einzig Nona hält zu Konrad und bietet ihm ihre Unterstützung an. Wird es Konrad gelingen, sein Leben endlich zu ordnen und Gut Altenstein der Familie wieder zuzuführen?

Julie von Kessel hat mit ihrem Buch „Altenstein“ einen sehr komplexen Roman über das Leben einer Familie vorzulegen und deren Leben seit Kriegsende bis in die Gegenwart widerzuspiegeln. Das Buch zeigt die Entwicklung innerhalb der Familie über einen sehr langen Zeitraum auf, man könnte es fast eine Chronik nennen. Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig, da sachlich und recht pragmatisch, der Leser muss sich zu Beginn erst einmal mit sämtlichen Charakteren vertraut machen. Die ständig wechselnden Erzählperspektiven mit Zeitsprüngen beleuchten das Familienleben von allen Seiten und geben einen Eindruck über die Verhältnisse der Personen untereinander. Leider ist die Umsetzung nicht ganz gelungen, denn die Autorin reist zu viele Dinge an, die dann irgendwie im Sande verlaufen oder nur oberflächlich angesprochen, aber nicht weiter ausgeführt werden. Außerdem verwirrt das Hin- und Herspringen zwischen den verschiedenen Zeiten eher, besser wäre wahrscheinlich ein chronologischer Ablauf gewesen, er hätte die Handlung verständlicher gemacht.

Die Charaktere sind allesamt sehr ungewöhnlich gewählt und ausgestaltet worden. Sie bieten eine große Vielfalt jeder nur möglichen Persönlichkeit mit Eigenschaften und einer Gefühlswelt, in die der Leser sich hineinfinden muss. Dabei wirken sie authentisch und lebensecht. Agnes ist eine sehr harte Frau, die ihre Kinder dominiert und sich als den Mittelpunkt der Familie versteht. Sie besitzt einen Standesdünkel und pflegt diesen mit einer Arroganz, die einen den Kopf schütteln lässt. Dass sie ihre Kinder durch ihr Verhalten in ihrer eigenen Entwicklung unterdrückt, ist ihr dabei gar nicht bewusst, aber selbst ,wenn es so wäre, würde sie wohl nicht anders handeln oder sich benehmen. Konrad hat unter der Stärke seiner Mutter und durch einen Missbrauch innerhalb der Familie so zu leiden, dass er sein Leben nicht auf die Reihe bekommt und ständig scheitert. Nona ist als einzige von den Geschwistern Konrad herzlich zugetan und unterstützt ihn auf jedwede Art und Weise. Auch die anderen Geschwister haben alle ihre Ecken und Kanten und zeigen mit ihrem Handeln eine sehr komplexe Familie, bei der jeder einzelne seinen angestammten Platz hat und die Entwicklung des einzelnen über die Jahre aufzeigt.

„Altenstein“ ist ein interessanter Roman mit einer sehr komplexen Familiengeschichte, der sich nicht einfach so zwischen Tür und Angel weglesen lässt. Alle, die sich gerne mit etwas anspruchsvollerer Literatur beschäftigen und auch einen historischen Verlauf innerhalb der Handlung mögen, könnte dieses Buch gefallen. Eine Leseempfehlung für diese Familiengeschichte.

Veröffentlicht am 24.03.2017

Eine zauberhafte WG

Heftiges Umarmen im Eingangsbereich der Pension verboten
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Die Welt der erfolgreichen 43-jährigen Anwältin Cecilia bricht wie ein Kartenhaus zusammen, als ihr Mann sie wegen einer Jüngeren sitzen lässt. Dabei hat sie sich so sehr ein Kind gewünscht und nun wird ...

Die Welt der erfolgreichen 43-jährigen Anwältin Cecilia bricht wie ein Kartenhaus zusammen, als ihr Mann sie wegen einer Jüngeren sitzen lässt. Dabei hat sie sich so sehr ein Kind gewünscht und nun wird auch dies sich nicht mehr erfüllen. Um sich von ihrem Schmerz abzulenken, entscheidet sie sich, ihr Erbe anzutreten und das alte etwas heruntergekommene Haus ihrer Großeltern zu beziehen, um es in eine Pension umzuwandeln und Studentinnen dort Zimmer zur Verfügung zu stellen. Die Renovierung birgt schon einige Schwierigkeiten, denn sie hat ständig Meinungsverschiedenheiten mit dem attraktiven Bauunternehmer Andrés Leal, wobei sich die beiden eigentlich recht sympathisch sind. Dann wird bei den Umbauarbeiten ein altes Medaillon gefunden und zwischendurch begegnet sie auch noch dem illegalen Flüchtling Justice, der ihr erster Gast in der Pension wird. Dann kann Cecilia endlich ihre ersten drei Studentinnen als neue Bewohnerinnen begrüßen, die auch recht viel Wirbel in das Haus bringen. Zu guter Letzt weht ihr noch Azucena als Haushälterin in die Pension, die sich auf eine drei Jahre alte Anzeige beworben hat. Dieser bunte zusammengewürfelte Haufen lebt nun mehr oder weniger unter einem Dach und muss sich natürlich auch an extra dafür aufgestellte Hausregeln halten. Das führt zu so manchen Verwicklungen, Missverständnissen und einem sehr turbulenten Pensionsbetrieb.

Mamen Sánchez hat mit ihrem Buch „Heftiges Umarmen im Eingangsbereich der Pension verboten“ einen sehr unterhaltsamen und zauberhaften Roman vorgelegt. Schon der Titel ist ein Zungenbrecher und lässt einen neugierig aufhorchen. Der Schreibstil ist flüssig, dabei mit viel Witz und Poesie gespickt, so dass der Leser sich gleich mit den ersten Seiten wohl fühlt und als unsichtbarer Zaungast staunend dem Treiben zusieht. Mit Herz und Seele lässt die Autorin ihre Protagonisten aufeinander treffen und sich in dem neugeschaffenen „Wohnheim“ einrichten und einander kennenlernen. Es wirkt schon bald wie eine offene WG, in der alles miteinander geteilt wird, sei es Sorgen und Nöte, Freude oder Kummer. Dabei greift die Autorin auch auf zeitgemäße Themen wie Flüchtlinge oder Einbruch zurück, wobei sich letzteres schon fast zu einem kleinen Krimi entwickelt. Durch die schöne und gefühlvolle Erzählweise der Autorin kann man das Buch fast gar nicht aus der Hand legen, obwohl es auch ein paar Längen vorzuweisen hat.

Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgearbeitet und schön in Szene gesetzt. Sie wirken in ihrer Handlungsweise und ihrer Gefühlswelt absolut authentisch und sehr lebendig. Cecilia eine gestandene Frau, deren Welt soeben in den Keller gerauscht ist. Um sich von ihrem Kummer abzulenken, möchte sie etwas Neues wagen und krempelt die Ärmel hoch für ihre Idee der Pension. Sie ist recht einfallsreich, wenn sie ihren Willen durchdrücken will, trägt ihr Herz auf der Zunge und wird auch schon mal zur Diva, wenn es ihr nützt. Andrés Leal ist ein attraktiver Mann, der ein Geheimnis hat und dieses lange gut zu verstecken weiß. Azucena ist die gute Seele des Hauses und macht mit ihrer Art die Pension zu einem Wohlfühlort. Ivana ist russischer Abstammung und führt ein Doppelleben, um ihr Studium zu finanzieren. Noelia ist die Tochter der Freundin von Cecilias Mutter und Catalina liebt Krimis und betätigt sich als Hobbydetektivin. Justice ist ein junger Flüchtling, der in der Pension endlich ein Zuhause findet und bald auch seine Liebe.

„Heftiges Umarmen im Eingangsbereich der Pension verboten“ ist ein unterhaltsamer Roman mit einer wirklich fesselnden und liebevoll erzählten Geschichte, die sowohl Liebe als auch Leid sowie ein Geheimnis beinhaltet, welches gelüftet werden will. Ein schönes Buch für alle, die sich von Emotionen einfangen lassen und in eine Geschichte eintauchen wollen. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.03.2017

Brombeermarmeladenherz

Das Brombeerzimmer
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Seit 10 Jahren sind Nora und Julian schon ein glückliches Paar. Sie genießen besonders die Sonntage zu zweit, gestalten ihr Leben mit Liebe und viel gemeinsamer Zeit. Nora kocht leidenschaftlich gern Marmelade ...

Seit 10 Jahren sind Nora und Julian schon ein glückliches Paar. Sie genießen besonders die Sonntage zu zweit, gestalten ihr Leben mit Liebe und viel gemeinsamer Zeit. Nora kocht leidenschaftlich gern Marmelade und widmet ihrem Ehemann jeden Monat eine eigens komponierte neue Geschmacksrichtung. Und ausgerechnet an einem Sonntag schlägt dann das Schicksal erbarmungslos zu: beim Joggen stirbt Julian an einer unentdeckten Entzündung des Herzens und plötzlich ist Nora mit Ende Zwanzig Witwe. Ihr Leben liegt in Trümmern vor ihr, denn mit Julian sind die Freude und das Glück verschwunden. Eines Tages findet sie einen Brief an Julian von seiner Großtante Klara Kummerow, die ihm darin ein Rezept für eine besondere Brombeermarmelade verrät. Nora möchte die ältere Dame kennenlernen und reist zu Klara nach Vorpommern, wo sie sich sofort wohl und geborgen fühlt, was wohl auch an Klara und ihrer liebevollen Art liegt. Die beiden freunden sich schnell an, eint sie doch die Vorliebe für Marmeladen, aus der eine gemeinsame Idee entsteht. Gleichzeitig birgt Klaras Haus auch einige Geheimnisse, und Klara selbst ist wohl das Größte davon. Wird Nora es lüften können und vor allem, wird es ihr Leben verändern?

Anna Töpfer hat mit ihrem Buch „Das Brombeerzimmer“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, dabei den Situationen entsprechend melancholisch und doch so lebendig, bildhaft und hoffnungsvoll. Der Leser taucht mit den ersten Seiten ein in Noras Welt und verwächst mit ihr, versinkt mit ihr in ihrem Kummer, ihrer tiefen und schmerzhaften Trauer und steigt mit ihr zusammen langsam wie Phönix aus der Asche auf, um das Leben wieder zu feiern, sich den schönen Dingen des Alltags zu widmen, um die Menschen wieder an sich heran zu lassen, Freundschaft und Nähe zu suchen und zu genießen. Die Art und Weise, wie die Autorin über das Thema der Trauerbewältigung in ihrer verschiedenartigen Form schreibt, ist ein sehr emotionaler Punkt, der hier auf sehr liebvolle und schöne Weise ausgearbeitet wurde.

Die Charaktere wurden sehr liebevoll ausgestaltet und agieren so lebendig und authentisch, dass der Leser das Gefühl hat, den einen oder anderen persönlich zu kennen. Schnell fühlt man sich inmitten dieser bunten Schar von Protagonisten pudelwohl und möchte am liebsten persönlich mit ihnen diskutieren und etwas erleben. Nora ist eine sehr sympathische Frau, die vom Schicksal so hart gebeutelt, erst einmal wie in einer Glocke lebt und wie ferngesteuert ihren Alltag irgendwie durchstehen will. Sie fühlt sich nicht mehr wie ein Ganzes, sondern nur noch wie die Hälfte und hat jeden „Gleichgewichtssinn“ verloren. Es bedarf einiger guter Freunde, die sie in ihrer Trauer stützen und ihr Halt geben. Es macht richtig Freude, ihre Entwicklung innerhalb der Handlung zu beobachten und zu sehen, wie sie wieder Spaß an den kleinen Dingen des Lebens findet. Noras Freundin Katharina ist ihr eine wirkliche Hilfe in der Not, sympathisch, praktisch und immer da. Klara wirkt zu Beginn wie eine bockige und starrsinnige alte Dame, doch sie hat das Herz am rechten Fleck und teilt mit Nora die Passion des Marmeladenkochens. Doch die noch recht rüstige 70gerin hat auch ein Geheimnis, das es zu ergründen gilt. Die eingestreuten Erinnerungen mit den Aussagen des verstorbenen Ehemanns Julian geben auch ein sehr schönes Bild von ihm und der gemeinsamen Beziehung mit Nora ab, so dass der Leser ihn sich gut vorstellen kann. Auch die anderen Charaktere sind so wunderbar platziert und mit Eigenschaften versehen, die die Handlung unterstützen und zum Teil sogar mit Spannung anreichern.

Natürlich müssen auch noch die ganzen Rezepte der Köstlichkeiten erwähnt werden, die hier während der Handlung immer wieder auftauchen und dem Leser den Mund wässrig machen. Hier gibt es eine Warnung für alle, die Süßkram lieben: schon das Lesen könnte zur Gewichtszunahme beitragen. Ständiges Lesen über diese wunderschönen Spezialitäten lässt einen kaum an etwas anderes denken.

„Das Brombeerzimmer“ ist ein sehr gefühlvoller Roman über ein Familiengeheimnis, aber noch mehr über die Trauer und wie man sie übersteht, über alte Freunde und neue Bekanntschaften, die vielleicht enge Freunde werden können, über Hoffnungen und Träume und ein glückliches Leben. Absolutes Lesehighlight und eine Empfehlung für alle, die Romane lieben, die einen mitten ins Herz treffen!