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Veröffentlicht am 10.04.2022

Besiege ich meine Feinde denn nicht am besten, indem ich sie zu meinen Freunden mache? (Abraham Lincoln)

Die Funken der Hoffnung - Töchter der Freiheit
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1859 Amerika. Während der Nord-Südstaatenkonflikt immer mehr schwelt und bereits Krieg in der Luft liegt, arbeitet die aus den Nordstaaten stammende Lehrerin Annie Braun auf der Südstaatenplantage Birch ...

1859 Amerika. Während der Nord-Südstaatenkonflikt immer mehr schwelt und bereits Krieg in der Luft liegt, arbeitet die aus den Nordstaaten stammende Lehrerin Annie Braun auf der Südstaatenplantage Birch Island, wo sie sich hingebungsvoll um die ihr anvertrauten Schüler kümmert. Auch Arzt David Williams, Sohn des Plantagenbesitzers, lässt sie im Süden ausharren, denn sie hat ihr Herz an ihn verloren ohne genau zu wissen, was er für sie empfindet. Währenddessen muss sich die Südstaatlerin Susanna Bell in ihrer neuen Heimat Washington gegen bösartige Anfeindungen wehren, die auch immer mehr ihrer Ehe mit dem Anwalt Marcus Tanner zusetzen. Doch Susanna bietet dem Schicksal die Stirn und schert sich nicht um die Gefahr, sondern kümmert sich aufopfernd um misshandelte Frauen und Kinder. Dann kommt der Krieg und macht es Susanna unmöglich, zu ihrer Familie zurückzukehren…
Noa C. Walker hat mit „Der Funken der Hoffnung“ den zweiten Band ihrer historischen Südstaaten-Serie „Töchter der Freiheit“ vorgelegt, der an Spannung, Gefühl und Unterhaltungswert dem Vorgänger in nichts nachsteht. Der flüssige, bildgewaltige und einfühlsame Erzählstil der Autorin lässt den Leser mit den ersten Seiten zurückreisen ins 19. Jahrhundert, wo der Bürgerkrieg schon in greifbare Nähe gerückt ist. Über wechselnde Perspektiven eilt der Leser mal an die Seite von Annie Braun auf die Birch-Plantage im Süden, mal an die Seite von Susanna Bell in den Norden, wo er nicht nur bei den Frauen die wachsende Unruhe spürt, sondern auch in der jeweiligen Bevölkerung, die jeweils auf unterschiedlichen politischen Seiten stehen. Als Nordstaatlerin ist Annie im Süden ebenso Anfeindungen und schrägen Blicken ausgesetzt, wie die Südstaatlerin Susanna im Norden. Beide Frauen müssen das Beste aus der Situation machen, während sie sich für andere einsetzen und auch vor eigenen Entscheidungen stehen, die ihr Leben beeinflussen. Die Autorin hat den Nord-Süd-Konflikt wunderbar in ihre Handlung eingebaut, wobei sie die gesellschaftlichen und politischen Probleme aufzeigt, die sogar Familien spalteten, nicht nur räumlich, sondern auch in ihren Ansichten. Dies merkt man vor allem anhand der Familie Williams, wo die ältesten Söhne auf unterschiedlichen Seiten stehen. Die Spannung wird von Seite zu Seite gesteigert, die Bedrohung des Krieges ist allgegenwärtig und auch die Konflikte bei Susanna in Washington sowie innerhalb der Familie Williams tun ihr Übriges dazu, den Leser an die Seiten zu fesseln und sich durch ein Wechselbad der Gefühle zu begeben, während das Kopfkino auf Hochtouren läuft.
Die Charaktere wirken mit ihren Ecken und Kanten lebensecht, sie haben glaubwürdig sich weiterentwickelt und lassen den Leser ganz nah an sich heran, der mit ihnen in dieser unruhigen Zeit hofft und bangt. Annie ist eine freundliche, offene Frau mit einer eigenen Meinung, die sie normalerweise nicht verschweigt, doch die Umstände zwingen sie dazu, sich zurückzuhalten, was für sie einen Eiertanz bedeutet. Die einst verwöhnte Susanna mausert sich zu einer mutigen und starken Frau, die sich für andere in Gefahr bringt und über sich hinauswächst. David ist das „schwarze Schaf“ der Familie, gerade weil er so modern denkt. Kenneth ist ein widerwärtiger Kerl, während Schwester Victoria es allen nur recht macht. Dagegen entwickelt sich Marianna zu einer selbständig denkenden Frau. Aber auch Marcus und Richard haben wichtige Positionen in dieser Handlung.
„Der Funken der Hoffnung“ ist ein spannender und gefühlvoller historischer Roman, der den Leser nicht nur den Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges, sondern auch die Konflikte sowohl im Norden als auch im Süden miterleben lässt. Ein wunderbarer Roman über mutige Frauen, gespickt mit geschichtlichem Hintergrundwissen, viel Spannung und schönem Kopfkino, der eine absolute Leseempfehlung verdient!

Veröffentlicht am 10.04.2022

In diesem Leben ist jeder mutig, der nicht aufgibt.(Paul McCartney)

Der Mut der Frauen
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1938 Starnberger See. Die Nazis haben in Deutschland endgültig die Macht übernommen und greifen mit ihrem Reglement hart durch. Ihre Waffenforderungen an die Fabriken der Familien Lehmann und von Falkenbach ...

1938 Starnberger See. Die Nazis haben in Deutschland endgültig die Macht übernommen und greifen mit ihrem Reglement hart durch. Ihre Waffenforderungen an die Fabriken der Familien Lehmann und von Falkenbach sind unersättlich, was allen zwar Profit bringt, allerdings auch einiges von ihnen fordert, zumal alte Rivalen und Feinde ihnen das Leben weiter zur Hölle machen. Elisabeth Lehmann erwartet heimlich wieder ein Kind und wird von der Angst beherrscht, dass das Ungeborene nicht gesund sein könnte und ihr das gleiche Schicksal widerfährt, dass Haushälterin Inge ereilt hat. Derweil steigt ihr Ehemann Ferdinand die Karriereleiter bei den Nazis weiter nach oben. Währenddessen bangt Wilhelmine von Falkenbach um Martin, der vor einigen Monaten wegen seiner Arbeit im Widerstand verhaftet und an einen unbekannten Ort gebracht wurde. Seitdem hat sie nichts von ihm gehört….
Ellin Carsta hat mit „Der Mut der Frauen“ ihren finalen Band der historischen Falkenbach-Saga vorgelegt, der erneut mit geschichtlichem Hintergrundwissen sowie einer spannungsgeladenen Handlung glänzt und den Leser bis zum finalen Schluss in Atem hält. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil erlaubt dem Leser nicht nur eine Zeitreise in die Vergangenheit, sondern auch den unsichtbaren Einzug in das Familien- und Freundesgefüge, um deren Agieren hautnah mitzuerleben. Die Bedrohung der Nazis liegt wie eine unheilvolle, dunkle Wolke über dem Geschehen und lähmt die Protagonisten in der einen oder anderen Weise, während andere sich bei den Machthabern profilieren. Die Judenverfolgung nimmt immer mehr an Fahrt auf, wird für die Bevölkerung geradezu unerträglich. In diesen unruhigen Zeiten schließen sich die Frauen der Familien immer enger zusammen, nicht nur, um ein geringes Maß an Normalität zu erhalten, sondern auch um sich gegenseitig zu unterstützen und ihre Lieben zu beschützen. Die Herren der Familie dagegen setzen zwar ihre unternehmerischen Fähigkeiten ein, doch Intrigen und das Misstrauen untereinander bringen einiges an Dramatik in die Geschichte und verursacht Risse in ihrem Verhältnis untereinander. Die Autorin hat ihre Recherchen wunderbar in die Handlung eingewebt, so dass der Leser bei der Lektüre das ganze Ausmaß des brutalen Naziregimes miterlebt, während er über unterschiedliche Perspektiven verschiedenen Protagonisten auf den Fersen folgt.
Die Charaktere sind mit authentischen Ecken und Kanten ausgestattet und gekonnt in Szene gesetzt. Ihre Glaubwürdigkeit erlaubt es dem Leser, sich unter sie zu mischen und unsichtbar das Geschehen mitzuverfolgen, wobei er mit einigen bangt und hofft, andere zum Teufel wünscht. Elisabeth ist eine liebenswerte Frau, die eigentlich vor Freude strahlen sollte, doch die Umstände verleiden ihr dieses Gefühl. Wilhelmine ist eine starke und mutige Frau, die durch das Bangen um Martin auf einmal verzweifelt und schwach anmutet. Während Heinrich immer unerträglicher wird, hat sich Leopold anscheinend berappelt. Gustav lebt als praktizierender Arzt weiterhin gefährlich und Paul-Friedrich wird immer mehr zum Fels in der Brandung.
„Der Mut der Frauen“ unterhält spannend und sehr kurzweilig mit gut recherchierter Historie, Familiengeschichten und -geheimnissen, Liebe und Intrigen. Der Leser hat hier einen Logenplatz mit wunderbarem Kopfkino, wobei ihn die Handlung durch ein Wechselbad der Gefühle schleust. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.04.2022

Träume und Gedanken kennen keine Schranken. (Dt. Sprichwort)

Die Dame mit dem roten Hut
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1946 Charleston/South Carolina. Aufgewachsen als Tochter einer Afroamerikanerin und eines Italieners sah sich Millie Middleton immer schrägen Blicken und Ausgrenzungen gegenüber. Als der Vater stirbt, ...

1946 Charleston/South Carolina. Aufgewachsen als Tochter einer Afroamerikanerin und eines Italieners sah sich Millie Middleton immer schrägen Blicken und Ausgrenzungen gegenüber. Als der Vater stirbt, sieht Millies Mutter die Chance für ihre Tochter, ein unbelastetes Leben als Weiße führen zu können und schickt sie mit ihrem Traum von einem Bekleidungsgeschäft und zwei Knöpfen im Gepäck per Zug nach Fairhope. Während der Fahrt trifft Millie auf Franklin, ihren zukünftigen Mann…
Gegenwart Alabama. Harper hat bei Millie das Nähen gelernt und von einem Laden mit eigenen Modellen geträumt. Doch die Wirklichkeit hat sie schnell eingeholt und nach Fairhope zurückkehren lassen. Gemeinsam mit Millie reist sie in deren alte Heimat Charleston, wo sie schon bald einen Laden anmieten, um endlich den Traum wahr werden zu lassen…
Ashley Clark hat mit „Die Dame mit dem roten Hut“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der kunstvoll die Vergangenheit mit der Gegenwart sowie das Schicksal zweier Frauen miteinander verbindet. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser über wechselnde Kapitel und Zeitebenen zum einen Millies Leben in der Vergangenheit kennenlernen, zum anderen in der Gegenwart auf die junge Harper und die inzwischen betagte Millie treffen. Vor allem Millies Vergangenheit wird von der Autorin sehr berührend und gekonnt an den Leser gebracht und bildet die Haupthandlung. Dagegen wirkt die Geschichte der Gegenwart regelrecht langweilig und farblos. Millies Leben ist voller Höhen und Tiefen. Als Mischlingskind eines Weißen und einer Farbigen gilt sie nach amerikanischem Recht als Farbige. Rassismus war in den späten 40er Jahren allgegenwärtig und so war es mehr als verständlich, dass Millies Mutter sie in eine Stadt schickte, wo sie niemand kannte und sie somit als Weißhäutige ein normales Leben führen konnte. Die Begegnung mit dem weißen Franklin sowie die Ehe mit ihm war Millies Glück, wurden jedoch überschattet von Heimlichkeiten über ihre Herkunft und Schicksalsschlägen, die Millie bis ins hohe Alter verfolgen. Die Autorin hat Millies Zerrissenheit sehr emotional und berührend eingefangen und dem Leser damit eine Achterbahn der Gefühle beschert, die ihn das Buch kaum aus der Hand legen ließen und gleichzeitig zum Nachdenken anregten. Der christliche Aspekt ist schön in die Handlung eingewebt, wobei es nicht nur um Vergeben geht, sondern auch darum, in Gott zu vertrauen, dass dieser einen bei seinem Lebensweg leitet.
Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und in Szene gesetzt. Mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet können sie den Leser schnell von sich überzeugen, der ihnen gerne auf ihren Wegen folgt. Millie ist eine ausgesprochen sympathische Frau, die aufgrund ihrer Herkunft so manche Schwierigkeiten überstehen musste. Sie ist stark, mutig und optimistisch, auch wenn das Leben nicht immer leicht für sie war. Franklin ist ein liebenswerter und humorvoller Mann, der seine Frau sehr liebt. Gegen Millie und Franklin wirken Harper und Peter zwar ganz nett, bleiben aber glanzlos und wirken eher wie Statisten in dieser Geschichte.
„Die Dame mit dem roten Hut“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman über ein berührendes Frauenschicksal, das unter die Haut geht. Familiengeheimnisse und Liebe, gespickt mit einigen überraschenden Wendungen machen die Lektüre durchweg kurzweilig und lassen den Leser miträtseln. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.04.2022

Gewonnen hat immer der, der lieben, dulden und verzeihen kann. (Hermann Hesse)

Für diesen Sommer
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Überwerfungen mit ihrem Vater haben Franziska vor Jahren nach dem Abitur aus dem Elternhaus fliehen lassen. Doch nun ist ihre Mutter gestorben und ihre ältere Schwester Monika, die sich bisher gekümmert ...

Überwerfungen mit ihrem Vater haben Franziska vor Jahren nach dem Abitur aus dem Elternhaus fliehen lassen. Doch nun ist ihre Mutter gestorben und ihre ältere Schwester Monika, die sich bisher gekümmert hat, braucht dringend eine Auszeit, deshalb bleibt es Franziska überlassen, ihren alten Vater die nächsten 3 Wochen zu versorgen, da dieser das aufgrund einer Nervenerkrankung nicht mehr alleine kann. Zudem soll das Haus behindertengerecht umgebaut werden, was eine vorherige Entrümpelung nötig macht. Während Franziska und Heinrich sich mehr schlecht als recht zusammenraufen müssen, kommen in Franziska alte Erinnerungen hoch. Und dann entdeckt sie beim Ausräumen auch noch ein wohlgehütetes Familiengeheimnis, das sie völlig überrascht…
Gisa Klönne hat mit „Für diesen Sommer“ einen berührenden Roman vorgelegt, der dem Leser einen tiefen Einblick in eine Familiengeschichte gibt, dessen Protagonisten viele Jahre nebeneinanderher gelebt haben und nun nur noch befristet Zeit haben, ihr Leben miteinander aufzuarbeiten. Der flüssige und ruhige Erzählstil sowie wechselnde Perspektiven erlauben dem Leser, mal die Dinge aus Franziskas Sicht, mal aus Heinrichs Sicht zu betrachten. Dabei lässt die Autorin auch gekonnt die Vergangenheit mit einfließen, um die Familiensituation insgesamt für den Leser verständlich zu machen. Franziska ist kurz nach dem Abitur regelrecht aus dem Elternhaus geflohen, denn sie entsprach als Rebellin der Familie nie den Ansprüchen ihres Vaters. Jetzt kehrt sie zurück zu einem nun gebrechlichen, kranken, alten Mann, der ihre Hilfe benötigt und diese doch nicht wirklich will. Sein eigenes Unvermögen möchte er nicht wahrhaben. Franziska, die all die Jahre herumgezogen ist und ihre Träume aus den Augen verloren hat, wartet nur darauf, dass der Vater ihr wie damals Vorhaltungen macht. So kreisen die zwei umeinander herum, bis zwangsläufig die Dämme brechen und alles auf den Tisch kommt, was beide ewig in sich hineingefressen haben. Während also der Hausumbau stattfindet, werden alte Erinnerungen wach und tiefe Verletzungen kommen ans Tageslicht, um endlich zu heilen. Die Geschichte der Familie ist so traurig wie hoffnungsvoll, viele Themen werden angesprochen, die alle von uns bewusst oder unbewusst beschäftigen, diese von uns aber oftmals an den Rand gedrängt werden. Die Autorin bringt den Leser mit ihrer empathischen Geschichte zum (Selbst-)Entdecken und Nachdenken.
Die Charaktere sind ausgereift und lebendig gestaltet, sie überzeugen durch authentische Eigenschaften und lassen dem Leser die Aufgabe des Statisten, der sie bei ihrem Miteinander beobachtet. Franziska ist eine sympathische Frau, die mit sich und ihrem Leben hadert, da sie noch immer auf der Stelle tritt, anstatt endlich angekommen zu sein. Sie hat viel erlebt, vielleicht auch deshalb ihr Ziel aus dem Blick verloren. Heinrich dagegen ist fokussiert und auf den Punkt. Er zog die Dinge durch, die er erreichen wollte. Innerlich jedoch ist er einsam und ist von Schuldgefühlen geprägt. Franziskas Mutter war diejenige, die die Familie bis zu einem gewissen Grad zusammengehalten hat und nun in liebevoller Erinnerung wieder aufersteht.
„Für diesen Sommer“ ist eine tiefgründige Familiengeschichte, deren Einzelschicksale den Leser berühren und zum Nachdenken anregen, während im Hintergrund das passende Zeitgeschehen dokumentiert wird. Themen wie Liebe, Verlust, Reue, Verzeihen und Tod gehen hier Hand in Hand und werden von Klönne sehr gut miteinander verwebt. Absolute Leseempfehlung für einen Roman, der noch lange nachhallt!

Veröffentlicht am 03.04.2022

Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar! (Astrid Lindgren)

Fräuleinwunder
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1953 Hamburg. Die 19-jährige Elisabeth „Elly“ Bothsen ist mit ihren Geschwistern wohlbehütet in einer gutbetuchten Kaufmannsfamilie aufgewachsen und soll dem Wunsch ihrer Eltern entsprechend mit einer ...

1953 Hamburg. Die 19-jährige Elisabeth „Elly“ Bothsen ist mit ihren Geschwistern wohlbehütet in einer gutbetuchten Kaufmannsfamilie aufgewachsen und soll dem Wunsch ihrer Eltern entsprechend mit einer Heirat dem Familienunternehmen zusätzlichen Glanz verleihen. Doch Elly ist zwar mit dem ausgesuchten Ehemann Thies gut befreundet, liebt ihn jedoch nicht. Als sie von ihren Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt wird, weigert sie sich zu heiraten, weshalb ihr Vater sie des Hauses verweist. Mit gepackten Taschen und ihrer Freundin Ingrid im Gepäck, die ebenfalls von ihren Eltern verstoßen wurde, mietet sie sich in einem Hotel auf dem Hamburger Kiez ein. Peter, den sie durch Ingrid kennengelernt hat und der eine Stelle beim neuen Fernsehsender NWDR hat, nimmt sie dorthin mit, wo sie schnell ein Arbeitsangebot bekommt. Elly arbeitet erst als Tippse und Mädchen für alles, um schon bald als Redaktionsassistentin Karriere zu machen, was ihr auch viel Neid in den eigenen Reihen beschert. Doch mit ihren innovativen Ideen kann sie schnell bei ihrem Programmchef punkten und steigt die Karriereleiter bald nach oben. Und auch die Liebe schneit unverhofft in Ellys Leben, während ihre eigene Familie langsam auseinander bricht…
Stephanie von Wolff hat mit „Fräuleinwunder“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, dessen Handlung den Leser in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entführt, um dort nicht nur die Anfänge des Fernsehens, sondern auch eine mit Familiengeschichte, Liebe und Freundschaft gespickte Geschichte mitzuerleben. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell in der Zeit zurückreisen, um dort Elly, ihre Familie und ihr Umfeld kennenzulernen, die sich in den betuchten Hamburger Kreisen bewegen. So wird auch von Elly, ihrer jüngeren Schwester Kari und dem älteren Bruder York erwartet, sich an die gesellschaftlichen Regeln zu halten, wo vor allem für Frauen eher die Rolle der Hausfrau und Mutter vorgesehen war als eine berufliche Karriere. Die Autorin hat die 50er Jahre sehr schön in ihre Handlung integriert und lässt den Leser die Anfänge des Fernsehens gut miterleben. Da werden sowohl Koch- als auch Tiersendungen mit Hagenbeck entwickelt, aber auch die Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten von Elisabeth II. gekonnt in Szene gesetzt, so dass der Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein. Ebenso werden aber auch ernstere Themen aufs Tablett gebracht, so geht es um Intrigen und Neid unter Kollegen, illegale Schwangerschaftsabbrüche, aber auch um sexuelle Belästigung. Der Spannungsbogen liegt zwar nicht sehr hoch, doch die Lektüre ist durchaus kurzweilig und lässt ein Stück deutsche Geschichte am Leser vorbeiziehen.
Die Charaktere sind sympathisch und lebendig gestrickt, ihre menschlichen Ecken und Kanten durchaus authentisch, was dem Leser die Möglichkeit gibt, sich als Teil von ihnen zu fühlen und mit ihnen zu fiebern. Elly ist ein kluger Kopf mit vielen innovativen Ideen. Recht selbstbewusst, ehrlich und optimistisch geht sie durchs Leben und ist sich für nichts zu schade, um ein selbstbestimmtes Leben nach ihren Vorstellungen zu haben. Peter ist ein liebenswürdiger und offener Mann, der Ehrgefühl besitzt. Thies ist ein farbloser Kerl, der recht fies werden kann. Ellys Vater sowie Bruder York sind wahre Kotzbrocken. Aber auch Ellys Mutter, Schwester Kari, Ingrid und weitere Protagonisten spielen wichtige Rollen in dieser Geschichte.
„Fräuleinwunder“ beschert dem Leser mit einer guten Mischung aus Familiengeschichte, Historie, Liebe und Intrigen einige interessante und unterhaltsame Lesestunden sowie eine Reise in die alten 50er Jahre. Ein schöner Schmöker mit verdienter Leseempfehlung!